Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AL 8147/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5368/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren die Förderung einer Weiterbildung zur Rehabilitationslehrerin für Blinde und Sehbehinderte - Orientierung und Mobilität.
Die 1967 geborene Klägerin war von Oktober 1990 bis Juni 2005 als Erzieherin beschäftigt. Ab 1. Juli 2005 bezog sie Arbeitslosengeld.
Am 6. September 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Weiterbildung zur Orientierungs- und Mobilitätstrainerin für blinde und sehbehinderte Menschen. Als gelernte Jugend- und Heimerzieherin sei es derzeit sehr schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden. Sie habe bereits seit November 2004 versucht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Sie strebe daher eine berufliche Veränderung an und habe die Möglichkeit erhalten, eine Weiterschulung zum Orientierungs- und Mobilitätstrainer zu absolvieren. Nach Beendigung der Schule bestünden mehr als gute Chancen auf einen Arbeitsplatz, da nur acht Teilnehmer pro Kurs die Schule absolvieren könnten. Die Kosten für die Weiterbildung beliefen sich auf ca. 9.600 EUR; da die Schule in H. liege, kämen Lebenshaltungskosten von ca. 800 EUR hinzu. Schulbeginn sei der 4. Oktober 2005.
Mit Bescheid vom 9. September 2005 lehnte die Beklagte die Förderung der Weiterbildung ab, da der Maßnahmeträger keine Zulassung für die Maßnahme beantragt habe. Da die Klägerin über eine abgeschlossene Ausbildung mit sehr guter Qualifizierung verfüge, könne die Notwendigkeit der Weiterbildung nicht anerkannt werden.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin psychische Belastungen durch die bisherige, im Schichtdienst ausgeübte Tätigkeit geltend und verwies auf Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche. Auch entspreche die Arbeit als "Wach- und Schließdienst" in den Einrichtungen nicht mehr ihrer Vorstellung als Erzieherin. Zum Orientierungs- und Mobilitätstrainer würden jährlich ca. 10 bis 20 Trainer in H. und M. ausgebildet, laut Aussage beider Schulen habe jeder Absolvent eine Stelle finden können. Die Beklagte ließ ein psychologisches Gutachten über die Klägerin erstellen. In dem Gutachten vom 28. September 2005 führt Dipl.-Psych. A. aus, künftig solle Schichtarbeit vermieden werden, ansonsten sei eine angemessene psychische Belastbarkeit für den Verbleib im sozialen Berufsbereich gegeben. Die Qualifizierungspläne der Klägerin wirkten erfolgversprechend und auch gut passend auf ihre Persönlichkeit und Motivationslage. Die Notwendigkeit der Weiterbildung könne aus psychologischer Sicht aber nicht begründet werden. Dr. I. vom ärztlichen Dienst der Beklagten führte aus, die Belastbarkeit sei zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Die Notwendigkeit einer grundlegenden beruflichen Neuorientierung ergebe sich aus agenturärztlicher Sicht derzeit nicht, vorrangig seien medizinische Maßnahmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit einer beruflichen Neuorientierung zurück.
Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 17 AL 8134/05), welche mit einem Anerkenntnis der Beklagten zur Neubescheidung endete. Die Klägerin führte die Weiterbildung auf eigene Kosten in der Zeit vom 4. Oktober 2005 bis 17. August 2006 durch und arbeitet seither in dem entsprechenden Berufsbereich.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Institut für R. und I. S. e.V., bei welchem die Klägerin die Weiterbildung durchgeführt hatte, mit, in den letzten drei Jahren vor der von der Klägerin besuchten Maßnahme seien alle Absolventinnen integriert worden, es sei ein Vermittlungsergebnis von fast 100% vorzuzeigen. Aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl habe das Institut auf den aufwändigen Zertifizierungsprozess verzichtet. Die Agentur für Arbeit H. hat auf Anfrage mitgeteilt, eine Anerkennung nach § 85 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei nicht erfolgt. Von der Möglichkeit der Einzelfallzulassung habe der Träger keinen Gebrauch gemacht. Die Eingliederungsquoten seien bei den Vormaßnahmen durchweg nahe 100% oder sogar 100%.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Weiterbildungskosten erneut ab. Es handele sich um eine Ermessensleistung. Da die zugewiesenen Haushaltsmittel den zu erwartenden Förderbedarf nicht deckten, habe ein Maßnahmekatalog zur Gewährleistung einer einheitlichen Ermessensausübung erstellt werden müssen. Hinsichtlich hier nicht erfasster Maßnahmen bedürfe es einer Einzelfallentscheidung. Danach sei abzuwägen, ob für eine dauerhafte Eingliederung die Maßnahme überhaupt erforderlich sei, zumal die Maßnahme aus psychologischer und ärztlicher Sicht nicht notwendig gewesen sei. In den Berufsklassen Heimleiter und Sozialpädagogen sowie Arbeits- und Berufsberater seien in B.-W. 208 offene Stellen gemeldet gewesen, davon 26 im Bezirk der Agentur W ... Dem stehe bundesweit nur eine einzige gemeldete Teilzeitstelle als Reha-Trainer für Blinde gegenüber. Dass die Klägerin nunmehr einen unbefristeten Arbeitsplatz in dem Bereich gefunden habe, stehe nicht entgegen, da ausgehend von der Antragstellung eine Prognoseentscheidung zu treffen sei.
Mit ihrem Widerspruch berief sich die Klägerin darauf, dass ihr von der Beklagten nur fünf Stellenvorschläge zugesandt worden seien, die alle bereits vergeben gewesen seien. Die Möglichkeit einer Weiterbildung im Berufsfeld Heimleiter oder Sozialpädagoge sei damals von der Beklagten nicht erwähnt worden, zudem setze eine derartige Tätigkeit ein Studium voraus, das die Klägerin nicht habe, da sie auch kein Abitur habe. Die Stellen im Bereich der Rehabilitationslehre für Blinde und Sehbehinderte würden in der Regel in den entsprechenden Fachzeitschriften ausgeschrieben und nicht der Agentur für Arbeit gemeldet. Mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 18. August 2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008. Sie trug vor, die Eingliederungschancen lägen nach der Ausbildung bei nahezu 100%. Es seien nur Erhebungen über Chancen der Klägerin auf dem ehemaligen Berufsfeld gemacht worden, wobei die allein erhaltenen Absagen nicht berücksichtigt worden seien. Desweiteren seien auch andere Absolventen durch Arbeitsagenturen gefördert worden.
Mit Bescheid vom 19. September 2008 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab, mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2008 wies sie den dagegen eingelegten Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 8. Dezember 2008 zum SG erhobene Klage, zu deren Begründung sich die Klägerin auf die bisherigen Schriftsätze im vorangegangenen Klageverfahren und Widerspruchsverfahren beruft.
Mit Urteil vom 14. November 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) lägen nicht vor, denn die Beklagte habe das Recht nicht unrichtig angewandt und sei von keinem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Das SG sei nicht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Förderung der Weiterbildung vorlägen. Nach § 77 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn u.a. die Weiterbildung notwendig sei, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt sei. Dass die Weiterbildung zur Orientierungs- und Mobilitätstrainerin zur beruflichen Eingliederung der Klägerin erforderlich gewesen wäre, sei nicht ersichtlich. Bei der Prognosebeurteilung komme es insbesondere auf die Dauer der Arbeitslosigkeit, die Länge des erworbenen Arbeitslosengeldanspruchs, die Qualifikation des Antragstellers und die Gefragtheit seines Berufs an. Dass die Klägerin bei Aufnahme der Weiterbildungsmaßnahme keine Aussicht gehabt habe, in ihrem Ausgangsberuf als Heimerzieherin vermittelt zu werden, sei nicht ersichtlich. Insbesondere könne nicht bereits daraus, dass nach Ablauf von drei Monaten noch kein neuer Arbeitsplatz vermittelt worden sei, abgeleitet werden, dass eine Erwartung, im Ausgangsberuf vermittelt zu werden, nicht bestehe. Immerhin seien im Juli 2005 im Bezirk der Agentur für Arbeit W. fünf Stellenangebote als Heimerzieherin hinzugekommen, so dass sodann 15 Arbeitsstellen zur Verfügung gestanden hätten. Nach dem psychologischen Gutachten und der ärztlichen Stellungnahme sei die Klägerin weiterhin in der Lage gewesen, ihren bisherigen Beruf auszuüben. Nachdem schon die Anspruchsvoraussetzungen nicht bewiesen seien, seien mögliche Ermessensfehler durch die Vermengung von Anspruchsvoraussetzungen und Ermessenserwägungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf Neubescheidung ohne Relevanz.
Hiergegen richtet sich die am 6. Dezember 2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie verweist darauf, dass zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser seien als vorher, da die Chancen für eine Beschäftigung als Orientierungs- und Mobilitätstrainer nach der Weiterbildung bei im Grund genommen 100% lägen. Auch habe die Klägerin ohne die Förderung nicht an einen anderen Arbeitsplatz vermittelt werden können. Die Klägerin habe bereits mehr als ein halbes Jahr vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses begonnen, einen Folgearbeitsplatz zu suchen. Ihre Bemühungen durch eine Vielzahl von Bewerbungen seien fehlgeschlagen. Vom SG werde verkannt, dass den zur Verfügung stehenden 15 Arbeitsstellen eine Unzahl von Bewerberinnen gegenüber gestanden habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Weiterbildung lediglich alle zwei Jahre angeboten werde und die Klägerin auf der Grundlage ihrer Bewerbung einen Platz bekommen habe. Um sich nicht dem Risiko längerer Arbeitslosigkeit auszusetzen, sei es die richtige Entscheidung der Klägerin gewesen, hier die Weiterbildung wahrzunehmen. Dies habe sich letztlich auch durch den Fortgang bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufzuheben und den Antrag der Klägerin auf Förderung der beruflichen Weiterbildung zur Rehabilitationslehrerin für Blinde und Sehbehinderte - Orientierung und Mobilität unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG sei zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Notwendigkeit der begehrten Weiterbildung für die berufliche Eingliederung der Klägerin nicht ersichtlich sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits zur Vorgängervorschrift des § 77 SGB III ausgeführt, dass die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme dann notwendig sei, wenn sie die einzige Möglichkeit darstelle, um einen arbeitslosen Antragsteller beruflich einzugliedern. Hierbei sei die Entscheidung vom Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, spätestens vom Maßnahmebeginn her zukunftsorientiert im Sinne einer Prognoseentscheidung zu treffen. Das BSG habe die Forderung der Arbeitsämter von mehr als sechs Monaten uneingeschränkter Vermittlungsbemühungen nicht beanstandet und an dieser Rechtsprechung festgehalten. Die Vorlage von 11 Absageschreiben aus einem Zeitraum 6. Mai bis 15. August 2005 stelle keinen ausreichenden Beleg für mangelnde Vermittelbarkeit im Ausgangsberuf dar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der Bescheid vom 19. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2008 ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat im Rahmen des Zugunstenverfahrens keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 und Neubescheidung ihres Antrags auf Förderung der Weiterbildung vom 6. September 2005.
Die Klägerin macht ihr Begehren zutreffend im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend, denn die Vorschriften der §§ 77 ff. SGB III gewähren grundsätzlich keinen Anspruch auf Förderung der Weiterbildung, sondern nur einen solchen auf eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X Rdnr. 2; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rdnr. 1b).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen hier nicht vor, denn der Bescheid vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 ist nicht zu beanstanden.
Die begehrte Neubescheidung kommt vorliegend allein unter dem Gesichtspunkt der als Leistung der aktiven Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 5 SGB III) im Ermessen der Agentur für Arbeit stehenden Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 77 SGB III in Betracht. Nach dieser Vorschrift (in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848) können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Bei der hier streitigen Maßnahme mit dem Ziel des Abschlusses Rehabilitationslehrer/-in für Blinde und Sehbehinderte mit dem Schwerpunkt Orientierung und Mobilität handelt es sich um eine berufliche Weiterbildung, denn die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebots knüpft an eine abgeschlossene Berufsausbildung im sozialen, pädagogischen oder sozialmedizinischen Bereich an und setzt zudem Berufserfahrung im sozialen oder pädagogischen Bereich voraus (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 2).
Die vorhergehende Beratung ist vorliegend anlässlich von Vorsprachen der Klägerin vor der eigentlichen Antragstellung unstreitig erfolgt. Zwar waren Maßnahme und Träger nicht für die Förderung zugelassen i.S.v. §§ 84, 85 SGB III, hieran scheitert der geltend gemachte Anspruch der Klägerin indes nicht. Nach der auf § 87 SGB III beruhenden Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III vom 16. Juni 2004 (AZWV, BGBl. I S. 1100) konnte abweichend von §§ 84, 85 SGB III nicht nur eine fachkundige Stelle, sondern aufgrund von Übergangsrecht für bis 31. Dezember 2005 beginnende Maßnahmen - wie hier - auch die Bundesagentur die Aufgaben von fachkundigen Stellen wahrnehmen, sofern nicht Zertifizierungsstellen nach dieser Verordnung tätig geworden sind (§ 15 Abs. 1 AZWV). Zumindest für bis zum 31. Dezember 2005 begonnene Bildungsmaßnahmen war die Beklagte insoweit verpflichtet, eine individuelle Inzidenzprüfung der Zulassung auf einen Förderantrag des Leistungsempfängers selbst durchzuführen. Mit einer positiven Entscheidung über die Förderung wäre dann gleichzeitig über die Zulassung der Maßnahme und des Trägers für die individuelle Förderung des Bildungswilligen entschieden, wenn auch nicht allgemein über die Zulassung für die Weiterbildungsförderung (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 5). Eine Beiladung des Maßnahmeträgers nach § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG ist gleichwohl nicht erforderlich, da die Maßnahme längst beendet ist und daher eine (inzidente) Zulassung keine Rechtsfolgen mehr für den Maßnahmeträger nach sich zöge (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 5).
Allerdings ist die Notwendigkeit der angestrebten Weiterbildungsmaßnahme im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III im konkreten Fall nicht zu bejahen. Diese Voraussetzung setzt eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Prognoseentscheidung der Beklagten voraus zu der Frage, ob die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung die Eingliederungschancen des Arbeitnehmers erhöht (Beschäftigungsprognose). Es muss die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sein werden als vorher. Kann hingegen dem Arbeitnehmer auch ohne diese Förderung voraussichtlich ein anderer Arbeitsplatz vermittelt werden, so wird das Ziel der Förderung der beruflichen Weiterbildung anderweitig erreicht, die konkrete Förderung ist dann also nicht notwendig (vgl. BSGE 48, 176, 178 = SozR 4100 § 44 Nr. 21; BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt insoweit lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung tatsächlich unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl. BSGE 67, 228, 230 f.; BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Beurteilung der Beklagten und ihre Prognose bezüglich der Möglichkeit, die Klägerin als Heimerzieherin wieder einzugliedern, als nicht zu beanstanden. Die Klägerin war seit dem 1. Juli 2005 arbeitslos und somit zum Zeitpunkt des Beginns der Weiterbildungsmaßnahme am 4. Oktober 2005 erst drei Monate. In Zeiten allgemein angespannter Arbeitsmarktlage kann eine dreimonatige Arbeitslosigkeit noch nicht als Nachweis dafür angesehen werden, dass Vermittlungsbemühungen aussichtslos sind (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1). Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe sich bereits seit der Kündigung im Oktober 2004 um einen Anschlussarbeitsplatz bemüht, sind uneingeschränkte Vermittlungsbemühungen über den gesamten Zeitraum nicht nachgewiesen. Die vorgelegten 13 Absageschreiben betreffen sämtlich den Zeitraum 6. Mai bis 15. August 2005 und belegen keinesfalls, dass insbesondere angesichts der guten Qualifikation der Klägerin und ihrer langjährigen einschlägigen Berufserfahrung Vermittlungsbemühungen aussichtslos gewesen wären. Zwar kann angesichts der Bestätigung des Bildungsträgers und der Bundesagentur Hamburg nicht bezweifelt werden, dass die Eingliederungschancen durch die Weiterbildung verbessert werden, denn die Vermittlungsquote bei den Absolventen dieser Weiterbildung lag in den letzten Jahren bei nahezu 100%. Dies allein begründet indes keine Notwendigkeit der Weiterbildung, denn jedenfalls Anfang Oktober 2005 musste unter Wahrung des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgegangen werden, dass eine Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt auch ohne die Förderung einer Weiterbildung möglich sein würde. Hierfür sprechen auch die allein im Bezirk der Agentur für Arbeit Waiblingen gemeldeten 15 offenen Stellen als Heimerzieherin nebst 11 Stellen als Erzieherin im Juli 2005. Insoweit spielt es für die Prognose keine Rolle, dass die Klägerin in der Folgezeit tatsächlich aufgrund der Fortbildung einen entsprechenden Arbeitsplatz erlangen konnte.
Der Eingliederung in den Arbeitsmarkt im bisherigen Beruf als Heimerzieherin stehen auch keine gesundheitlichen Gründe entgegen. Wie Dipl.-Psych. A. und Dr. I. übereinstimmend ausgeführt haben, war die Klägerin zwar insoweit eingeschränkt, dass Schichtdienst als nicht mehr zumutbar erachtet wurde, generell bestand jedoch eine ausreichende Belastbarkeit für den Beruf als Heimerzieherin. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass Heimerzieherinnen nicht nur in Kinder-, Jugendwohn- und Erziehungsheimen arbeiten können, sondern auch in Jugend- und Familienberatungsstellen, Jugendzentren, Tagesstätten für Menschen mit Behinderung, Jugendorganisationen, im ambulanten Dienst oder auch in Internaten, Sonder- oder Gesamtschulen im Bereich der pädagogischen Freizeitbetreuung (s. BERUFENET zu Erzieher/in - Jugend- und Heimerziehung). Insoweit hat auch der Senat keine Zweifel daran, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zu einer Aufgabe des Berufs als Heimerzieherin gezwungen war. Zwar ist es nachvollziehbar und verständlich, dass die Klägerin aufgrund zunehmender Unzufriedenheit in ihrem bisherigen Beruf und der privaten Befassung mit dem Thema aufgrund der Erblindung ihres Bruders im Jahr 2004 durch die hier streitige Weiterbildung eine berufliche Neuorientierung anstrebte - und erfolgreich umsetzte -, an der fehlenden Notwendigkeit zur beruflichen Eingliederung jedenfalls zum hier maßgebenden Zeitpunkt Oktober 2005 ändert dies jedoch nichts.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen der begehrten Förderung zur Überzeugung des Senats nicht vorliegen, besteht kein Anspruch der Klägerin auf pflichtgemäße Ausübung des der Beklagten nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III zustehenden Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I), wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Zugunstenverfahren die Förderung einer Weiterbildung zur Rehabilitationslehrerin für Blinde und Sehbehinderte - Orientierung und Mobilität.
Die 1967 geborene Klägerin war von Oktober 1990 bis Juni 2005 als Erzieherin beschäftigt. Ab 1. Juli 2005 bezog sie Arbeitslosengeld.
Am 6. September 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Weiterbildung zur Orientierungs- und Mobilitätstrainerin für blinde und sehbehinderte Menschen. Als gelernte Jugend- und Heimerzieherin sei es derzeit sehr schwierig, eine Arbeitsstelle zu finden. Sie habe bereits seit November 2004 versucht, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Sie strebe daher eine berufliche Veränderung an und habe die Möglichkeit erhalten, eine Weiterschulung zum Orientierungs- und Mobilitätstrainer zu absolvieren. Nach Beendigung der Schule bestünden mehr als gute Chancen auf einen Arbeitsplatz, da nur acht Teilnehmer pro Kurs die Schule absolvieren könnten. Die Kosten für die Weiterbildung beliefen sich auf ca. 9.600 EUR; da die Schule in H. liege, kämen Lebenshaltungskosten von ca. 800 EUR hinzu. Schulbeginn sei der 4. Oktober 2005.
Mit Bescheid vom 9. September 2005 lehnte die Beklagte die Förderung der Weiterbildung ab, da der Maßnahmeträger keine Zulassung für die Maßnahme beantragt habe. Da die Klägerin über eine abgeschlossene Ausbildung mit sehr guter Qualifizierung verfüge, könne die Notwendigkeit der Weiterbildung nicht anerkannt werden.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin psychische Belastungen durch die bisherige, im Schichtdienst ausgeübte Tätigkeit geltend und verwies auf Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche. Auch entspreche die Arbeit als "Wach- und Schließdienst" in den Einrichtungen nicht mehr ihrer Vorstellung als Erzieherin. Zum Orientierungs- und Mobilitätstrainer würden jährlich ca. 10 bis 20 Trainer in H. und M. ausgebildet, laut Aussage beider Schulen habe jeder Absolvent eine Stelle finden können. Die Beklagte ließ ein psychologisches Gutachten über die Klägerin erstellen. In dem Gutachten vom 28. September 2005 führt Dipl.-Psych. A. aus, künftig solle Schichtarbeit vermieden werden, ansonsten sei eine angemessene psychische Belastbarkeit für den Verbleib im sozialen Berufsbereich gegeben. Die Qualifizierungspläne der Klägerin wirkten erfolgversprechend und auch gut passend auf ihre Persönlichkeit und Motivationslage. Die Notwendigkeit der Weiterbildung könne aus psychologischer Sicht aber nicht begründet werden. Dr. I. vom ärztlichen Dienst der Beklagten führte aus, die Belastbarkeit sei zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Die Notwendigkeit einer grundlegenden beruflichen Neuorientierung ergebe sich aus agenturärztlicher Sicht derzeit nicht, vorrangig seien medizinische Maßnahmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch unter Hinweis auf die fehlende Notwendigkeit einer beruflichen Neuorientierung zurück.
Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 17 AL 8134/05), welche mit einem Anerkenntnis der Beklagten zur Neubescheidung endete. Die Klägerin führte die Weiterbildung auf eigene Kosten in der Zeit vom 4. Oktober 2005 bis 17. August 2006 durch und arbeitet seither in dem entsprechenden Berufsbereich.
Auf Anfrage der Beklagten teilte das Institut für R. und I. S. e.V., bei welchem die Klägerin die Weiterbildung durchgeführt hatte, mit, in den letzten drei Jahren vor der von der Klägerin besuchten Maßnahme seien alle Absolventinnen integriert worden, es sei ein Vermittlungsergebnis von fast 100% vorzuzeigen. Aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl habe das Institut auf den aufwändigen Zertifizierungsprozess verzichtet. Die Agentur für Arbeit H. hat auf Anfrage mitgeteilt, eine Anerkennung nach § 85 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei nicht erfolgt. Von der Möglichkeit der Einzelfallzulassung habe der Träger keinen Gebrauch gemacht. Die Eingliederungsquoten seien bei den Vormaßnahmen durchweg nahe 100% oder sogar 100%.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Weiterbildungskosten erneut ab. Es handele sich um eine Ermessensleistung. Da die zugewiesenen Haushaltsmittel den zu erwartenden Förderbedarf nicht deckten, habe ein Maßnahmekatalog zur Gewährleistung einer einheitlichen Ermessensausübung erstellt werden müssen. Hinsichtlich hier nicht erfasster Maßnahmen bedürfe es einer Einzelfallentscheidung. Danach sei abzuwägen, ob für eine dauerhafte Eingliederung die Maßnahme überhaupt erforderlich sei, zumal die Maßnahme aus psychologischer und ärztlicher Sicht nicht notwendig gewesen sei. In den Berufsklassen Heimleiter und Sozialpädagogen sowie Arbeits- und Berufsberater seien in B.-W. 208 offene Stellen gemeldet gewesen, davon 26 im Bezirk der Agentur W ... Dem stehe bundesweit nur eine einzige gemeldete Teilzeitstelle als Reha-Trainer für Blinde gegenüber. Dass die Klägerin nunmehr einen unbefristeten Arbeitsplatz in dem Bereich gefunden habe, stehe nicht entgegen, da ausgehend von der Antragstellung eine Prognoseentscheidung zu treffen sei.
Mit ihrem Widerspruch berief sich die Klägerin darauf, dass ihr von der Beklagten nur fünf Stellenvorschläge zugesandt worden seien, die alle bereits vergeben gewesen seien. Die Möglichkeit einer Weiterbildung im Berufsfeld Heimleiter oder Sozialpädagoge sei damals von der Beklagten nicht erwähnt worden, zudem setze eine derartige Tätigkeit ein Studium voraus, das die Klägerin nicht habe, da sie auch kein Abitur habe. Die Stellen im Bereich der Rehabilitationslehre für Blinde und Sehbehinderte würden in der Regel in den entsprechenden Fachzeitschriften ausgeschrieben und nicht der Agentur für Arbeit gemeldet. Mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 18. August 2008 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheids vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008. Sie trug vor, die Eingliederungschancen lägen nach der Ausbildung bei nahezu 100%. Es seien nur Erhebungen über Chancen der Klägerin auf dem ehemaligen Berufsfeld gemacht worden, wobei die allein erhaltenen Absagen nicht berücksichtigt worden seien. Desweiteren seien auch andere Absolventen durch Arbeitsagenturen gefördert worden.
Mit Bescheid vom 19. September 2008 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab, mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2008 wies sie den dagegen eingelegten Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 8. Dezember 2008 zum SG erhobene Klage, zu deren Begründung sich die Klägerin auf die bisherigen Schriftsätze im vorangegangenen Klageverfahren und Widerspruchsverfahren beruft.
Mit Urteil vom 14. November 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) lägen nicht vor, denn die Beklagte habe das Recht nicht unrichtig angewandt und sei von keinem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Das SG sei nicht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Förderung der Weiterbildung vorlägen. Nach § 77 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn u.a. die Weiterbildung notwendig sei, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt sei. Dass die Weiterbildung zur Orientierungs- und Mobilitätstrainerin zur beruflichen Eingliederung der Klägerin erforderlich gewesen wäre, sei nicht ersichtlich. Bei der Prognosebeurteilung komme es insbesondere auf die Dauer der Arbeitslosigkeit, die Länge des erworbenen Arbeitslosengeldanspruchs, die Qualifikation des Antragstellers und die Gefragtheit seines Berufs an. Dass die Klägerin bei Aufnahme der Weiterbildungsmaßnahme keine Aussicht gehabt habe, in ihrem Ausgangsberuf als Heimerzieherin vermittelt zu werden, sei nicht ersichtlich. Insbesondere könne nicht bereits daraus, dass nach Ablauf von drei Monaten noch kein neuer Arbeitsplatz vermittelt worden sei, abgeleitet werden, dass eine Erwartung, im Ausgangsberuf vermittelt zu werden, nicht bestehe. Immerhin seien im Juli 2005 im Bezirk der Agentur für Arbeit W. fünf Stellenangebote als Heimerzieherin hinzugekommen, so dass sodann 15 Arbeitsstellen zur Verfügung gestanden hätten. Nach dem psychologischen Gutachten und der ärztlichen Stellungnahme sei die Klägerin weiterhin in der Lage gewesen, ihren bisherigen Beruf auszuüben. Nachdem schon die Anspruchsvoraussetzungen nicht bewiesen seien, seien mögliche Ermessensfehler durch die Vermengung von Anspruchsvoraussetzungen und Ermessenserwägungen für das Vorliegen eines Anspruchs auf Neubescheidung ohne Relevanz.
Hiergegen richtet sich die am 6. Dezember 2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie verweist darauf, dass zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser seien als vorher, da die Chancen für eine Beschäftigung als Orientierungs- und Mobilitätstrainer nach der Weiterbildung bei im Grund genommen 100% lägen. Auch habe die Klägerin ohne die Förderung nicht an einen anderen Arbeitsplatz vermittelt werden können. Die Klägerin habe bereits mehr als ein halbes Jahr vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses begonnen, einen Folgearbeitsplatz zu suchen. Ihre Bemühungen durch eine Vielzahl von Bewerbungen seien fehlgeschlagen. Vom SG werde verkannt, dass den zur Verfügung stehenden 15 Arbeitsstellen eine Unzahl von Bewerberinnen gegenüber gestanden habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Weiterbildung lediglich alle zwei Jahre angeboten werde und die Klägerin auf der Grundlage ihrer Bewerbung einen Platz bekommen habe. Um sich nicht dem Risiko längerer Arbeitslosigkeit auszusetzen, sei es die richtige Entscheidung der Klägerin gewesen, hier die Weiterbildung wahrzunehmen. Dies habe sich letztlich auch durch den Fortgang bestätigt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 aufzuheben und den Antrag der Klägerin auf Förderung der beruflichen Weiterbildung zur Rehabilitationslehrerin für Blinde und Sehbehinderte - Orientierung und Mobilität unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG sei zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Notwendigkeit der begehrten Weiterbildung für die berufliche Eingliederung der Klägerin nicht ersichtlich sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits zur Vorgängervorschrift des § 77 SGB III ausgeführt, dass die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme dann notwendig sei, wenn sie die einzige Möglichkeit darstelle, um einen arbeitslosen Antragsteller beruflich einzugliedern. Hierbei sei die Entscheidung vom Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung, spätestens vom Maßnahmebeginn her zukunftsorientiert im Sinne einer Prognoseentscheidung zu treffen. Das BSG habe die Forderung der Arbeitsämter von mehr als sechs Monaten uneingeschränkter Vermittlungsbemühungen nicht beanstandet und an dieser Rechtsprechung festgehalten. Die Vorlage von 11 Absageschreiben aus einem Zeitraum 6. Mai bis 15. August 2005 stelle keinen ausreichenden Beleg für mangelnde Vermittelbarkeit im Ausgangsberuf dar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der Bescheid vom 19. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2008 ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat im Rahmen des Zugunstenverfahrens keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 und Neubescheidung ihres Antrags auf Förderung der Weiterbildung vom 6. September 2005.
Die Klägerin macht ihr Begehren zutreffend im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend, denn die Vorschriften der §§ 77 ff. SGB III gewähren grundsätzlich keinen Anspruch auf Förderung der Weiterbildung, sondern nur einen solchen auf eine pflichtgemäße Ermessensausübung nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 44 SGB X Rdnr. 2; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rdnr. 1b).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen hier nicht vor, denn der Bescheid vom 23. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Februar 2008 ist nicht zu beanstanden.
Die begehrte Neubescheidung kommt vorliegend allein unter dem Gesichtspunkt der als Leistung der aktiven Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 5 SGB III) im Ermessen der Agentur für Arbeit stehenden Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 77 SGB III in Betracht. Nach dieser Vorschrift (in der Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848) können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Bei der hier streitigen Maßnahme mit dem Ziel des Abschlusses Rehabilitationslehrer/-in für Blinde und Sehbehinderte mit dem Schwerpunkt Orientierung und Mobilität handelt es sich um eine berufliche Weiterbildung, denn die konkrete Ausgestaltung des Bildungsangebots knüpft an eine abgeschlossene Berufsausbildung im sozialen, pädagogischen oder sozialmedizinischen Bereich an und setzt zudem Berufserfahrung im sozialen oder pädagogischen Bereich voraus (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 2).
Die vorhergehende Beratung ist vorliegend anlässlich von Vorsprachen der Klägerin vor der eigentlichen Antragstellung unstreitig erfolgt. Zwar waren Maßnahme und Träger nicht für die Förderung zugelassen i.S.v. §§ 84, 85 SGB III, hieran scheitert der geltend gemachte Anspruch der Klägerin indes nicht. Nach der auf § 87 SGB III beruhenden Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III vom 16. Juni 2004 (AZWV, BGBl. I S. 1100) konnte abweichend von §§ 84, 85 SGB III nicht nur eine fachkundige Stelle, sondern aufgrund von Übergangsrecht für bis 31. Dezember 2005 beginnende Maßnahmen - wie hier - auch die Bundesagentur die Aufgaben von fachkundigen Stellen wahrnehmen, sofern nicht Zertifizierungsstellen nach dieser Verordnung tätig geworden sind (§ 15 Abs. 1 AZWV). Zumindest für bis zum 31. Dezember 2005 begonnene Bildungsmaßnahmen war die Beklagte insoweit verpflichtet, eine individuelle Inzidenzprüfung der Zulassung auf einen Förderantrag des Leistungsempfängers selbst durchzuführen. Mit einer positiven Entscheidung über die Förderung wäre dann gleichzeitig über die Zulassung der Maßnahme und des Trägers für die individuelle Förderung des Bildungswilligen entschieden, wenn auch nicht allgemein über die Zulassung für die Weiterbildungsförderung (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 5). Eine Beiladung des Maßnahmeträgers nach § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG ist gleichwohl nicht erforderlich, da die Maßnahme längst beendet ist und daher eine (inzidente) Zulassung keine Rechtsfolgen mehr für den Maßnahmeträger nach sich zöge (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 5).
Allerdings ist die Notwendigkeit der angestrebten Weiterbildungsmaßnahme im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III im konkreten Fall nicht zu bejahen. Diese Voraussetzung setzt eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Prognoseentscheidung der Beklagten voraus zu der Frage, ob die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung die Eingliederungschancen des Arbeitnehmers erhöht (Beschäftigungsprognose). Es muss die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sein werden als vorher. Kann hingegen dem Arbeitnehmer auch ohne diese Förderung voraussichtlich ein anderer Arbeitsplatz vermittelt werden, so wird das Ziel der Förderung der beruflichen Weiterbildung anderweitig erreicht, die konkrete Förderung ist dann also nicht notwendig (vgl. BSGE 48, 176, 178 = SozR 4100 § 44 Nr. 21; BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt insoweit lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung tatsächlich unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl. BSGE 67, 228, 230 f.; BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Beurteilung der Beklagten und ihre Prognose bezüglich der Möglichkeit, die Klägerin als Heimerzieherin wieder einzugliedern, als nicht zu beanstanden. Die Klägerin war seit dem 1. Juli 2005 arbeitslos und somit zum Zeitpunkt des Beginns der Weiterbildungsmaßnahme am 4. Oktober 2005 erst drei Monate. In Zeiten allgemein angespannter Arbeitsmarktlage kann eine dreimonatige Arbeitslosigkeit noch nicht als Nachweis dafür angesehen werden, dass Vermittlungsbemühungen aussichtslos sind (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 1). Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe sich bereits seit der Kündigung im Oktober 2004 um einen Anschlussarbeitsplatz bemüht, sind uneingeschränkte Vermittlungsbemühungen über den gesamten Zeitraum nicht nachgewiesen. Die vorgelegten 13 Absageschreiben betreffen sämtlich den Zeitraum 6. Mai bis 15. August 2005 und belegen keinesfalls, dass insbesondere angesichts der guten Qualifikation der Klägerin und ihrer langjährigen einschlägigen Berufserfahrung Vermittlungsbemühungen aussichtslos gewesen wären. Zwar kann angesichts der Bestätigung des Bildungsträgers und der Bundesagentur Hamburg nicht bezweifelt werden, dass die Eingliederungschancen durch die Weiterbildung verbessert werden, denn die Vermittlungsquote bei den Absolventen dieser Weiterbildung lag in den letzten Jahren bei nahezu 100%. Dies allein begründet indes keine Notwendigkeit der Weiterbildung, denn jedenfalls Anfang Oktober 2005 musste unter Wahrung des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgegangen werden, dass eine Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt auch ohne die Förderung einer Weiterbildung möglich sein würde. Hierfür sprechen auch die allein im Bezirk der Agentur für Arbeit Waiblingen gemeldeten 15 offenen Stellen als Heimerzieherin nebst 11 Stellen als Erzieherin im Juli 2005. Insoweit spielt es für die Prognose keine Rolle, dass die Klägerin in der Folgezeit tatsächlich aufgrund der Fortbildung einen entsprechenden Arbeitsplatz erlangen konnte.
Der Eingliederung in den Arbeitsmarkt im bisherigen Beruf als Heimerzieherin stehen auch keine gesundheitlichen Gründe entgegen. Wie Dipl.-Psych. A. und Dr. I. übereinstimmend ausgeführt haben, war die Klägerin zwar insoweit eingeschränkt, dass Schichtdienst als nicht mehr zumutbar erachtet wurde, generell bestand jedoch eine ausreichende Belastbarkeit für den Beruf als Heimerzieherin. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass Heimerzieherinnen nicht nur in Kinder-, Jugendwohn- und Erziehungsheimen arbeiten können, sondern auch in Jugend- und Familienberatungsstellen, Jugendzentren, Tagesstätten für Menschen mit Behinderung, Jugendorganisationen, im ambulanten Dienst oder auch in Internaten, Sonder- oder Gesamtschulen im Bereich der pädagogischen Freizeitbetreuung (s. BERUFENET zu Erzieher/in - Jugend- und Heimerziehung). Insoweit hat auch der Senat keine Zweifel daran, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht zu einer Aufgabe des Berufs als Heimerzieherin gezwungen war. Zwar ist es nachvollziehbar und verständlich, dass die Klägerin aufgrund zunehmender Unzufriedenheit in ihrem bisherigen Beruf und der privaten Befassung mit dem Thema aufgrund der Erblindung ihres Bruders im Jahr 2004 durch die hier streitige Weiterbildung eine berufliche Neuorientierung anstrebte - und erfolgreich umsetzte -, an der fehlenden Notwendigkeit zur beruflichen Eingliederung jedenfalls zum hier maßgebenden Zeitpunkt Oktober 2005 ändert dies jedoch nichts.
Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen der begehrten Förderung zur Überzeugung des Senats nicht vorliegen, besteht kein Anspruch der Klägerin auf pflichtgemäße Ausübung des der Beklagten nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III zustehenden Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I), wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved