L 16 KR 8/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 48 KR 116/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 8/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 23/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.12.2008 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 328,94 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 328,94 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.02.2011 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagten ein Erstattungsanspruch zusteht, weil sie für im I. Quartal 2007 abgeschlossene Krankenhausbehandlungen die Vergütungen ohne Kürzung um den sogenannten Krankenhaus-Sanierungsbeitrag bezahlt hat.

Die Klägerin ist eine gemeinnützige GmbH und Betreiberin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Nach § 8 Abs. 9 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG - in der Fassung des Artikel 19 Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl I, 378), im Folgenden: KHEntgG a.F.) war mit Wirkung vom 01.01.2007 (Art. 46 Abs. 5 GKV-WSG) bei Entlassungen nach dem 31.12.2006 ein Abschlag von 0,5 v.H. des Rechnungsbetrages vorzunehmen und auf der Rechnung des Krankenhauses auszuweisen (Satz 1 a.a.O.). Soweit Rechnungen von Krankenkassen ohne Abschlag bezahlt worden waren, war der Krankenhausträger verpflichtet, jeweils einen Betrag in Höhe von 0,5 v.H. des Rechnungsbetrages an die jeweilige Krankenkasse zu erstatten (Satz 2 a.a.O.). Diese Regelung galt vom 01.01.2007 bis 31.12.2008, sie ist zum 01.01.2009 durch das Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung vom 17.03.2009 (BGBl I, 534) aufgehoben worden.

Da das GKV-WSG erst am 30.03.2007 verkündet worden ist, erfolgten im I. Quartal 2007 noch keine Rechnungskürzungen. Nach einer zwischen den damaligen Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) getroffenen Empfehlungsvereinbarung zur technischen Umsetzung des Abschlags wurden aus edv-technischen Gründen auch in der Zeit vom 01.04. bis 30.06.2007 die Rechnungen nicht schon im Abrechnungsverfahren gekürzt, sondern insoweit Erstattungsansprüche der Krankenkassen ausgewiesen. Während es auf Bundesebene in der Vereinbarung den Krankenhäusern freigestellt wurde, ob sie den Erstattungsbetrag (passiv) verrechnen lassen oder (aktiv) zahlen wollten, hat die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen sich wegen eines Aufrechnungsverbotes in dem Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V gegen die Verrechnung ausgesprochen und außerdem den Krankenhäusern empfohlen, den bis zum 30.06.2007 aufgelaufenen Betrag nicht als Einmalbetrag an die Krankenkassen zu zahlen und diesbezüglichen Forderungen der Krankenkassen zu widersprechen.

Die Beklagte hat für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 unter Berufung auf § 8 Abs. 9 Satz 2 KHEntgG a.F. einen Erstattungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe von 9.615,11 Euro geltend gemacht. Da sich die Klägerin weigerte, diesen Betrag zu zahlen, hat die Beklagte den von ihr errechneten (unstreitigen) Erstattungsbetrag mit Forderungen wegen der Krankenhausbehandlung von anderen Patienten in der Zeit vom 01.07. bis 13.09.2007 verrechnet. Die Aufrechnung erfolgte mit Schreiben vom 13.09.2007 gegen (unstreitige) Rechnungen in den Behandlungsfällen S, P, T, M, F, C1, C2.

Mit der am 18.12.2007 erhobenen Klage hat die Klägerin zum einen diesen Betrag gefordert und zum anderen einen weiteren Betrag in Höhe von 9.135,18 Euro, der die Rechnungskürzungen ab dem 01.07.2007 betraf. Sie hat vor allem die Verfassungswidrigkeit der Abschlagsregelung geltend gemacht.

Mit Urteil vom 10.12.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat grundsätzlich § 8 Abs. 9 KHEntG a.F. für verfassungsmäßig gehalten, weil das mit der Rechnungskürzung verfolgte Ziel, die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern, den Eingriff in die Berufsausübung rechtfertige. Soweit die Regelung schon ab dem 01.01.2007 gegolten habe, liege kein Fall einer unzulässigen Rückwirkung vor, denn die Klägerin sei durch das Gesetzesvorhaben schon vor dem 01.01.2007 über die Einführung informiert gewesen, so dass "im Rahmen einer Abwägung" ihr Vertrauensschutzinteresse hinter das mit der Regelung verfolgte Ziel zurücktreten müsse. Es liege auch kein Eingriff in Art. 14 Grundgesetz (GG) vor, weil sich die Kürzung einer bereits bestehenden Forderung als Inhalts- und Schrankenbestimmung darstelle und insoweit die Norm durch wichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Ohne rückwirkende Einführung hätte letztlich das Ziel des Gesetzgebers nicht erreicht werden können. Auch die Aufrechnung sei wirksam, denn das Aufrechnungsverbot in § 15 Abs. 4 Satz 4 des Landesvertrages greife nicht ein. Die Abrechnung der Krankenhausbehandlungskosten in den streitbefangenen Rechnungen aus dem ersten Halbjahr beruhe auf unzutreffenden Angaben, da die Klägerin den Abschlag nicht ausgewiesen habe. Soweit das erste Quartal 2007 betroffen sei, sei irrelevant, dass das Gesetz erst nachträglich in Kraft getreten sei, denn die Rechnungen seien damit nachträglich falsch geworden.

Gegen das ihr am 05.01.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.01.2009 Berufung eingelegt, mit der sie zunächst in vollem Umfang an ihrem Begehren festgehalten hat. Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Klärung der Zulässigkeit des Rechnungsabschlags hat die Klägerin am 22.12.2010 das Verfahren wieder aufgenommen. Sie trägt vor, nach den ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) halte sie ihre Argumentation zur Verfassungswidrigkeit der Rechnungskürzung nach § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. nicht mehr aufrecht. Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung wolle sie das Verfahren hinsichtlich der die Quartale II bis IV/2007 betreffenden Rechnungen nicht mehr fortführen; insoweit hat sie die Klage für erledigt erklärt. Soweit der Abschlag aber bereits für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2007 angeordnet worden sei, liege eine verfassungswidrige echte Rückwirkung vor; außerdem bewirke die Regelung einen Eingriff in eine durch Art. 14 GG geschützte vermögenswerte Rechtsposition. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG werde der Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine stationäre Krankenhausbehandlung unmittelbar durch die Inanspruchnahme der Leistung seitens des Versicherten ausgelöst. Auf die Frage der Rechnungsstellung oder der Fälligkeit komme es insoweit nicht an. Die rückwirkende Verpflichtung des Krankenhausträgers, einen Rechnungsabschlag vorzunehmen und damit den bereits entstandenen Vergütungsanspruch zu entwerten, bedeute eine echte Rückwirkung der Regelung. Diese verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, außerdem sei ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG gegeben. Es liege keiner der anerkannten Ausnahmefälle vor, in denen eine echte Rückwirkung zulässig sei. Der Schutz des Vertrauens der Betroffenen ende grundsätzlich erst mit dem Beschluss des neuen Rechts und somit nicht vor dem Beschluss des GKV-WSG am 26.03.2007. Dass bereits vor dem 01.01.2007 ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt worden sei, bewirke noch nicht den Wegfall des Vertrauens. Ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen unterbliebener Rechnungskürzungen im I. Quartal 2007, dessen sie sich mit der Widerklage berühme, bestehe daher nicht.

Zur Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung hat sie vor allem auf eine Entscheidung des 5. Senats des LSG NRW vom 06.03.2003 (L 5 KR 205/02) verwiesen und gemeint, die Berufung auf das Aufrechnungsverbot sei auch nicht nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen des angeblich bestehenden Erstattungsanspruchs ausgeschlossen. Die von der Beklagten geltend gemachte Einrede sei in einem auf Dauer angelegten Leistungsverhältnis nicht anwendbar, zumal die Geltendmachung der Einrede zu einer nicht zu bewältigenden Überlastung der einzelnen gerichtlichen Verfahren führen würde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 10.12.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 328,94 Euro nebst 8% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.12.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise die Klägerin zu verurteilen, an sie - die Beklagte - 328,94 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.02.2011 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt weiter,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Regelung des § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. auch hinsichtlich des rückwirkenden Inkrafttretens für verfassungsgemäß. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Krankenhäuser hätten Kenntnis vor dem Vorhaben gehabt, die Rechnungen ab dem 01.01.2007 zu kürzen. Nachdem sie im Gesetzgebungsverfahren eine Reduzierung der Kürzung erreicht hätten, handelten sie treuwidrig, wenn sie sich nunmehr gegen das rückwirkende Inkrafttreten der Regelung wendeten. Soweit sich die Klägerin auf ein Aufrechnungsverbot berufe, sei sie damit ausgeschlossen, denn es fehle insoweit an einem schutzwürdigen Interesse, wenn sie eine Leistung fordere, die alsbald zurück zu gewähren sei. Bei Unzulässigkeit der Aufrechnung müsse die Klägerin einen Betrag in gleicher Höhe an sie - die Beklagte - wegen des bestehenden Erstattungsanspruchs leisten. Außerdem hat die Beklagte in Abrede gestellt, dass § 15 Abs. 4 des Landesvertrages ein Aufrechnungsverbot enthalte. Zudem sei bei objektiver Betrachtung wegen des unterbliebenen Ausweises der Abzüge von einer Beanstandung rechnerischer Art und von einer fehlerhaften Berechnung wegen vom Krankenhaus zu vertretener unzutreffender Angaben auszugehen, so dass letztlich doch die Aufrechnung zulässig sei. Vorsorglich hat die Beklagte nochmals die Prozessaufrechnung mit dem Erstattungsanspruch in Höhe von 9.615,11 Euro erklärt und hilfsweise Widerklage auf Zahlung des geltend gemachten Erstattungsbetrages erhoben.

Die Beteiligten haben vereinbart, das Verfahren auf 9 Fälle zu beschränken, die das I. Quartal 2007 betreffen. Wegen Einzelheiten der ausgewählten Behandlungsfälle wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15.12.2011 (Bl. 335 ff GA) Bezug genommen. Hinsichtlich der übrigen Behandlungsfälle ist das Verfahren abgetrennt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist mit Ausnahme der Höhe des Zinsanspruchs begründet, denn insoweit stehen ihr noch (Rest)Vergütungsansprüche aus den Behandlungsfällen zu, gegen die die Beklagte zu Unrecht aufgerechnet hat. Gleichzeitig ist aber auch die hilfsweise erhobene Widerklage begründet, denn die Beklagte hat aus den streitbefangenen Behandlungsfällen einen Erstattungsanspruch nach § 8 Abs. 9 Satz 2 KHEntgG a.F. erlangt.

I.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig (vgl. BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1).

Der Klägerin stehen aus den Behandlungsfällen S, P, T, M, F, C1, C2 noch Vergütungsansprüche für stationäre Behandlungen in Höhe von (mindestens) 328,94 Euro zu. Die Berechtigung der Forderungen aus den genannten Behandlungsfällen wird von der Beklagten nicht in Frage gestellt.

1. Diese Forderungen sind nicht durch die mit Schreiben der Beklagten vom 13.09.2007 erklärte Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen nach § 8 Abs. 9 Satz 2 KHEntgG a.F. erloschen. Die Beklagte durfte gegen die Zahlungsansprüche der Klägerin nicht mit ihrer Gegenforderung aufrechnen, denn aus § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ergibt sich ein Aufrechnungsverbot in Fällen der Beanstandung sachlicher Art. Dieser Vertrag ist zwar am 08.04.2003 gekündigt worden, die Vertragsparteien haben sich aber darauf verständigt, den Vertrag bis zu einer Neuregelung weiter zu praktizieren. Da ein neuer Vertrag bislang nicht zustande gekommen ist, ist der gekündigte Vertrag weiter anzuwenden.

§ 15 Abs. 4 des Landesvertrages lautet: "Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden. Bei Beanstandungen rechnerischer Art, nach Rücknahme der Kostenzusage und, falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht, können überbezahlte Beträge verrechnet werden.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 01.09.2011 (L 16 KR 212/08) im Anschluss an eine Entscheidung des 5. Senats des LSG NRW (Urteil vom 03.06.2003 - L 5 KR 205/02) entschieden hat, statuiert diese Regelung in Satz 2 ein vertragliches Aufrechnungsverbot. An dieser Auffassung hält der Senat fest und verweist zur Begründung auf das den Beteiligten bekannte Urteil.

b) Die Ansicht der Beklagten, § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages sei kein Aufrechnungsverbot zu entnehmen, weil die Verwendung des Wortes "verrechnet" darauf hindeute, dass insoweit nur Verrechnungen im Sinne des § 52 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ausgeschlossen werden sollten, geht schon deshalb fehl, weil Verrechnungen im Sinne des § 52 SGB I nur im "Dreieckverhältnis" zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern und einem Leistungsberechtigten in Betracht kommen und somit eine Regelung zu dieser Frage in einem Landesvertrag zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern keinen Sinn machen würde. Im Übrigen übersieht die Beklagte, dass der Begriff Verrechnung sehr wohl häufig im Zusammenhang mit einer Aufrechnung verwandt wird.

Auch die Argumentation der Beklagten, selbst bei Annahme eines Aufrechnungsverbotes sei hier die Aufrechnung nicht ausgeschlossen, da es sich nur um eine rechnerische Berichtigung i.S. des Landesvertrages handele, weil das Krankenhaus es versäumt habe, den Kürzungsbetrag auszuweisen, liegt neben der Sache, denn vor Inkrafttreten des Gesetzes war die Klägerin rechtlich überhaupt nicht verpflichtet, die Rechnungen zu kürzen. Soweit Rechnungen erst nach dem 01.04.2007 erteilt worden sind, war der Abschlag aufgrund der zwischen der DKG und den Spitzenverbänden der Krankenkassen getroffenen Vereinbarung noch nicht vorzunehmen. Die Beklagte macht auch nicht (nur) eine rechnerische Unstimmigkeit, sondern eine sachliche Unrichtigkeit der Rechnungen, nämlich deren Unvereinbarkeit mit Abrechnungsbestimmungen - hier mit § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. - geltend. Ebenso wenig steht in Frage, dass die Abrechnungen auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruhten, denn die Rechnungen entsprachen dem bis zum 31.03.2007 geltenden Recht bzw. der getroffenen Vereinbarung. Selbst wenn man annehmen würde, die Rechnungen seien objektiv unrichtig gewesen, hätte die Klägerin jedenfalls diese Unrichtigkeit nicht zu vertreten, so dass auf keinen Fall die Voraussetzungen für eine zulässige Aufrechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages erfüllt sind.

c) Die Berufung der Klägerin auf das Aufrechnungsverbot verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil sie wegen eines Erstattungsanspruchs der Beklagten aus § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. zur Zahlung eines Betrages in gleicher Höhe verpflichtet wäre. Die Berufung auf das Aufrechnungsverbot ist nicht treuwidrig, wenn mit einer bestrittenen Forderung aufgerechnet wird. Da sich der Aufrechnende immer einer Gegenforderung berühmt, liefe das vertragliche Aufrechnungsverbot faktisch leer, wenn die Krankenkassen dem Einwand der Krankenhausträger entgegenhalten dürften, sie hätten einen Gegenanspruch in gleicher Höhe. Da das Aufrechnungsverbot verhindern soll, dass die Krankenkassen die Durchsetzung unzweifelhaft bestehender Forderungen der Krankenhausträger durch die Behauptung ungewisser oder zweifelhafter Forderungen, deren Feststellung unter Umständen längere Zeit erfordert, behindern und damit die Liquidität der Krankenhäuser gefährden, muss insoweit entsprechend der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im Abgabenrecht in § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) gelten, dass allenfalls mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aufgerechnet werden kann (zu § 226 Abs. 3 AO vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.06.2011 - 20 CS 11.1110; Beschluss vom 04.10.2002 - 23 CS 01.3171; VG Gießen, Beschluss vom 03.02.2009 - 8 L 4635/08.GI). Nur in diesem - hier nicht gegebenen - Fall wäre die Berufung auf das Aufrechnungsverbot treuwidrig.

2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages; Zinsen stehen danach der Klägerin jedenfalls seit Rechtshängigkeit der Klage zu. Allerdings besteht ein Zinsanspruch nach der eindeutigen vertraglichen Regelung nur in Höhe von 2 v.H. über dem Basiszinssatz. Satz 4 lautet: "Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen.". Als Bezugsgröße sind an die Stelle des Diskontsatzes zunächst ab dem 01.01.1999 der Basiszinssatz nach Maßgabe des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 (BGBl I, 1242) und mit Wirkung vom 04.04.2002 durch Art. 4 § 2 Versicherungskapital-Anlagen-Bewertungsgesetz vom 26.03.2002 (BGBl I 1219) der Basiszinssatz nach § 247 BGB getreten. Unabhängig von dieser gesetzlichen Änderung der Bezugsgröße ist aber in dem Landesvertrag die Zinshöhe eindeutig festgelegt; für eine Vertragsauslegung im Sinne der gesetzlichen Zinshöhe ist kein Raum. Die vertragliche Regelung steht einer Anwendung des von der Klägerin verlangten Zinssatzes von 8 v.H. über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB entgegen (LSG NRW, Urteil vom 04.11.2004 - L 5 KR 161/03; zustimmend Wahl in jurisPK- SGB V, 2. Auflage, § 112 Rdn. 57).

II.

1. Die Widerklage der Beklagten nach § 100 SGG ist zulässig. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Widerklage im Berufungsverfahren auch ohne Einwilligung des Gegners möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 100 Rdn. 3a). Auch der in der Vorschrift geforderte Zusammenhang des mit der Widerklage erhobenen Anspruchs mit dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch ist gegeben, denn insoweit genügt ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang (a.a.O. Rdn. 4). Ein solcher Zusammenhang der Erstattungsforderung mit den (Rest)Vergütungsansprüchen, die Gegenstand der Klage sind, ist zu bejahen.

2. Der Beklagten stehen Erstattungsansprüche nach § 8 Abs. 9 Satz 2 KHEntgG a.F. aus den streitbefangenen Behandlungsfällen zu. In allen Fällen erfolgten die Entlassungen der Patienten aus der stationären Behandlung nach dem 31.12.2006 und die Bezahlung der Rechnungen durch die Beklagte ohne Abschlag. Die Klägerin ist somit verpflichtet, jeweils einen Betrag von 0,5 v.H. des Rechnungsbetrages (berechnet nach der Bemessungsgrundlage gemäß Satz 3 a.a.O.), insgesamt einen (rechnerisch unstreitigen) Betrag von 328,94 Euro an die Beklagte zu zahlen.

a) Dass grundsätzlich der Rechnungsabschlag nach § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. formell und materiell verfassungsgemäß ist, steht nach den Entscheidungen des BSG (SozR 4-5562 § 8 Nr. 1, 2) und des BVerfG (a.a.O. Nr. 3) außer Frage; die Klägerin macht auch selbst die Verfassungswidrigkeit der Regelung nicht mehr geltend.

b) Entgegen ihrer Auffassung ist § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. aber auch insoweit verfassungsgemäß, als die Vorschrift rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft getreten ist. Es handelt sich zwar um eine echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen (dazu aa), es liegt jedoch ein Ausnahmefall vor, in dem eine echte Rückwirkung als rechtmäßig anzusehen ist (dazu bb).

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist Art. 14 Abs. 1 GG, auch soweit sich Bedenken gegen Art. 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. nur aus dem rückwirkenden Inkrafttreten ergeben. Soweit Eigentumspositionen berührt sind, richtet sich der Schutz gegenüber rückwirkenden Gesetzen nach den Regeln über die Rückwirkung von Rechtsnormen in der Ausprägung, die sie durch Art. 14 Abs. 1 GG erfahren haben (BVerfGE 95, 64, 86; BSG SozR 4-5562 § 8 Nr. 1 Rdn. 28). Dabei geht der Senat zugunsten der Klägerin davon aus, dass sie als juristische Person des Privatrechts (gemeinnützige GmbH) grundrechtsfähig ist und sich auf den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG berufen kann.

aa) Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (BVerfGE 126, 369, 391). Dagegen liegt eine unechte Rückwirkung dann vor, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, in dem sie Rechtspositionen nachträglich entwertet (BVerfGE 101, 239, 263). Nach diesen Maßstäben liegt jedenfalls in den Behandlungsfällen 1 bis 8 eine echte Rückwirkung vor. In den Fällen 1 bis 7 führt die Regelung sogar zu einer Kürzung bereits vereinnahmter Entgelte, denn die Rechnungen waren bei Verkündung des GKV-WSG am 30.03.2007 bereits beglichen. Aber auch im Fall 8 erfolgte der Eingriff in eine schon bestehende Rechtsposition. Da nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses - die Erforderlichkeit der stationären Behandlung vorausgesetzt - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten entsteht (vgl. nur BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 19 Rdn. 11), entstand im Fall 8 der Vergütungsanspruch der Klägerin mit der Entlassung des Versicherten, auch wenn die Rechnungsstellung erst am 09.05.2007 erfolgte. Mithin bewirkt die Abschlagsregelung auch in diesem Fall die Kürzung eines schon entstandenen Anspruchs und entfaltet somit echte Rückwirkung (vgl. auch BSGE 81, 86, 91 f zum Eingriff in den Honoraranspruch eines Vertragsarztes durch die rückwirkende Einführung von Punktzahlobergrenzen; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 4 Rdn. 11 ff zur rückwirkenden Änderung einer Punktwertgarantie für ein noch nicht abgerechnetes Quartal).

Dagegen ist im Fall 9 nicht von einem solchen Eingriff auszugehen. Die Entlassung erfolgte erst am 06.04.2007, also nach der Verkündung des GKV-WSG. Zwar erfolgte die Aufnahme schon am 05.02.2007, so dass die Behandlung im Wesentlichen schon in der Zeit vor der Verkündung des GKV-WSG stattfand. Dies bedeutet aber nicht, dass damit rechtlich die Klägerin schon vor diesem Zeitpunkt einen Zahlungsanspruch erworben hätte. Unter den Bedingungen des Fallpauschalen(DRG)-Vergütungssystems (§ 17b Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), vgl. auch § 7 Abs. 1 KHEntgG) steht die Höhe des Vergütungsanspruchs erst nach Abschluss der Behandlung fest, denn erst zu diesem Zeitpunkt kann beurteilt werden, welche Diagnosen als Haupt- und Nebendiagnosen und welche Operationen und Prozeduren zu codieren sind, die dann im Wege eines mathematischen Algorithmus zur Ermittlung der abzurechnenden DRG führen (vgl. im Einzelnen dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R). Zudem kann dann erst beurteilt werden, ob und ggfls. in welcher Höhe Zu- oder Abschläge wegen Über- bzw. Unterschreitens der Grenzverweildauer für die jeweilige DRG zu machen sind. Zwar mag nach der genannten Rechtsprechung des BSG der Vergütungsanspruch des Krankenhauses schon durch die Inanspruchnahme der Leistungen "ausgelöst" werden und auch für die Abrechnung der Fallpauschalen der am Tag der Aufnahme geltende Fallpauschalenkatalog maßgeblich sein (so § 1 Abs. 1 der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser im Jahr 2007 - Fallpauschalenvereinbarung 2007). Dies führt aber nicht dazu, dass damit schon mit der Aufnahme ein bestimmter Vergütungsanspruch entsteht. Ein Zahlungsanspruch in bestimmter Höhe, in den durch die Abschlagsregelung eingegriffen wurde, entsteht aber nicht schon mit der Aufnahme bzw. während der laufenden Behandlung, sondern erst nach der Entlassung. Dies macht insbesondere der Fall 1 deutlich, in dem stationäre Aufenthalte vom 06.07.2006 bis 07.11.2006, 15.11.2006 bis 29.11.2006 und 13.12.2006 bis 02.02.2007 stattgefunden haben, die gemäß § 2 Abs. 2, 4 der Fallpauschalenvereinbarung zu einem Abrechnungsfall zusammenzuführen und mit einer DRG abzurechnen waren. Ebenso ist im Fall 2 eine Zusammenführung der stationären Behandlungen vom 25.10.2006 bis 0811.2006 und vom 05.12.2006 bis 05.01.2007 erfolgt. In beiden Fällen konnten erst nach den (letzten) Entlassungen am 05.02.2007 bzw. 01.01.2007 die Entgelte, mit denen die während der jeweiligen Aufenthalte erbrachten allgemeinen Krankenhausleistungen (§ 2 Abs. 2 KHEntgG) vergütet werden (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG), bestimmt werden, so dass dementsprechend der Zahlungsanspruch des Krankenhauses nicht vor diesem Zeitpunkt entstanden sein kann.

bb) Eine echte Rückwirkung ist zwar grundsätzlich unzulässig. Das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, tritt aber zurück, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls oder ein nicht oder nicht mehr schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen die Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen (BVerfGE 72, 200, 258; 88, 384, 404). Außerdem gilt das Rückwirkungsverbot dann nicht, wenn den Betroffenen kein beachtlicher Nachteil entsteht (sogenannter Bagatellvorbehalt, BVerfGE 30, 367, 389; 95, 64, 87). In jedem Fall endet der Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der alten Regelung mit dem Beschluss des neuen Rechts (BVerfGE 13, 206, 213; 72, 200, 262; 95, 64, 87).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist hier die Rückwirkung verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar war der Vertrauensschutz der Krankenhausträger nicht schon vor dem 01.01.2007 mit dem Bekanntwerden der Gesetzesinitiative durch den Gesetzentwurf des GKV-WSG vom 24.10.2006 (BT-Drucks. 16/3100) entfallen, auch wenn von vornherein ein Inkrafttreten des Rechnungsabschlags zum 01.01.2007 beabsichtigt war (vgl. BT-Drucks. 16/3100, 210 zu Art. 46) und es die Krankenhausträger im Gesetzgebungsverfahren erreicht haben, dass der im damaligen Entwurf noch vorgesehene Rechnungsabschlag von 0,7 v. H. (a.a.O., S. 194 zu Art. 19) auf 0,5 v.H. reduziert worden ist. Grundsätzlich ist das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung noch nicht geeignet, den Vertrauensschutz entfallen zu lassen (BVerfGE 30, 272, 287; 72, 200, 261). Insoweit ist es entgegen der Ansicht der Beklagten auch irrelevant, inwieweit die Krankenhausträger über die DKG über das Gesetzesvorhaben informiert und an ihm beteiligt waren (anders SG Braunschweig, Urteil vom 11.04.2011 - S 40 KR 360/07). Jedoch reicht der endgültige Gesetzesbeschluss des Bundestages aus, um den Vertrauensschutz entfallen zu lassen, denn von diesem Zeitpunkt an darf der Einzelne nicht mehr auf den Fortbestand des alten Rechts vertrauen (BVerfGE 72, 200, 262). Da der Bundestag am 02.02.2007 das GKG-WSG in der Ausschuss-Fassung in dritter Lesung verabschiedet hat (das von der Klägerin genannte Datum 26.03.2007 ist der Tag der Ausfertigung des Gesetzes), bestand bei allen Entlassungen ab diesem Zeitpunkt kein schutzwürdiges Vertrauen mehr auf die Erlangung der ungekürzten Vergütungen. Dies betrifft hier die Fälle 1 und 8, in denen die Entlassungen am 02.02.2007 bzw. 21.03.2007 erfolgten, da nach den obigen Ausführungen der Vergütungsanspruch erst mit der Entlassung entstehen konnte.

Soweit - wie hier in den Fällen 2 - 7 - eine Entlassung aus dem Krankenhaus schon vor dem 02.02.2007 erfolgte und damit der Vergütungsanspruch des Krankenhauses bereits entstanden war, bewirkte das rückwirkende Inkrafttreten des § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. zum 01.01.2007 für die Krankenhausträger keinen erheblichen Nachteil. Schon grundsätzlich bedeutete der Rechnungsabschlag um 0,5 v.H. für die Krankenhäuser nur eine geringe wirtschaftliche Belastung. In ihren Entscheidungen zum Rechnungsabschlag haben sowohl das BSG (SozR 4-5562 § 8 Nr. 1 Rdn. 25) als auch das BVerfG (SozR 4-5562 § 8 Nr. 3 Rdn.11) darauf hingewiesen, angesichts der geringen Höhe des Abschlages sei es unwahrscheinlich, dass die Krankenhäuser dadurch in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten. Umso weniger wiegt der Nachteil, der mit der Kürzung der Rechnungen um 0,5 v.H. für einen Zeitraum von etwa 1 Monat vor dem Zeitpunkt des ohnehin zum Wegfall des Vertrauensschutzes führenden endgültigen Gesetzesbeschlusses verbunden ist (ebenso zur vergleichbaren Frage der rückwirkenden Erhöhung des Apothekenrabatts um 1 v.H. für einen Monat vor Verkündung des Gesetzes BSG SozR 4-2500 § 130 Nr. 1 Rdn. 23).

Selbst wenn man annehmen würde, dass der Bagatellvorbehalt nicht greift, weil durch die Rückwirkung nicht nur ein unerheblicher Nachteil eintritt, wäre das rückwirkende Inkrafttreten des Rechnungsabschlages durch vorrangige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Mit dem Rechnungsabschlag sollten die Krankenhäuser an der Konsolidierung der GKV beteiligt werden, wobei der Gesetzgeber ursprünglich von einem Sanierungsbeitrag in Höhe von 1 v.H. der Ausgaben der stationären Krankenhausleistungen ausgegangen war (BT-Drucks. 16/3100, 194). Das mit diesem Sanierungsbeitrag verfolgte Ziel der finanziellen Stabilisierung und damit der Funktionsfähigkeit der GKV ist ein Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht (BVerfGE 70, 1, 29; 103, 172, 184; BVerfG SozR 3-2500 § 311 Nr. 1). Dabei hat das BVerfG betont, der Gesetzgeber sei nicht nur berechtigt, Maßnahmen zur Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV zu ergreifen, sondern er dürfe sich auch dieser Aufgabe nicht entziehen (BVerfGE 68, 193, 218). Nachdem ohnehin schon der Rechnungsabschlag im Gesetzgebungsverfahren gekürzt worden war und damit ein Teil des ursprünglich angestrebten Sanierungsbeitrags der Krankenhäuser entfiel, war das Inkrafttreten schon zum 01.01.2007 erforderlich, um die verbliebene Entlastung der Krankenkassen für das gesamte Jahr 2007 in vollem Umfang sicherzustellen (vgl. BT-Drucks. 16/4247, 71 zu Art. 46 Abs. 5). Angesichts des hohen Rangs des Gemeinwohlbelangs der finanziellen Stabilität der GKV und der mit dem rückwirkenden Inkrafttreten verbundenen geringen wirtschaftlichen Belastung überwiegen deutlich die Gründe des Gemeinwohls gegenüber dem Vertrauensinteresse der Krankenhäuser. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser Teil des Gesamtsystems sind und von dessen Stabilität profitieren (vgl. BVerfG SozR 4-5562 § 8 Nr. 3 Rdn. 11).

Das rückwirkende Inkrafttreten des Rechnungsabschlags ist also auch in den Fällen, in denen von einem Eingriff in eine Rechtsposition und damit einer echten Rückwirkung auszugehen ist, verfassungsrechtlich legitimiert. Somit bestehen erst Recht keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen Rechnungskürzungen in den Fällen, in denen - wie hier im Fall 9 - noch nicht einmal von einer echten Rückwirkung auszugehen ist, weil die Entlassungen erst nach dem Inkrafttreten des GKV-WSG erfolgten. Im Fall 9 wäre im Übrigen selbst bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus für die Annahme eines Eingriffs die Kürzung verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die Aufnahme erst am 05.02.2007, also nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss erfolgte und somit zu diesem Zeitpunkt kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Erlangung der "vollen" Vergütung mehr bestand.

Da somit § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. auch hinsichtlich des Zeitpunkts seines Inkrafttretens verfassungsgemäß ist, hat die Beklagte in den streitbefangenen Behandlungsfällen Erstattungsansprüche nach Satz 2 a.a.O. erworben, da sie die Rechnungen ungekürzt bezahlt hat. Ihr Gesamtanspruch beläuft sich auf - rechnerisch unstreitig - 328,94 Euro.

3. Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages. Diese Bestimmung ist entsprechend auf Erstattungsansprüche der Krankenkassen wegen überzahlter Behandlungskosten anzuwenden (BSG SozR 4-2500 § 69 Nr. 7 in Bestätigung des Senatsurteils vom 26.02.2009 - L 16 KR 119/08). Die Beklagte kann somit Zinsen in der vertraglichen Höhe von 2 v.H. über dem Basiszinssatz jedenfalls ab Rechtshängigkeit der Widerklage fordern.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 197a SGG iVm § 155 Abs. 1 VwGO. Da über die Kosten für Klage und Widerklage einheitlich zu entscheiden ist (Leitherer a.a.O., Rdn. 7) und Klägerin und Beklagte gleichermaßen obsiegen wie unterliegen, waren die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufzuheben. Da erstinstanzlich noch keine Widerklage erhoben worden war, hat die Beklagte diese Kosten zu tragen.

Die Frage des rückwirkenden Inkrafttretens des § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. hat, auch wenn die Regelung nicht mehr gilt, schon im Hinblick auf die zahlreichen noch anhängigen Verfahren grundsätzlich Bedeutung, so dass die Revision zuzulassen war (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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