L 10 R 2528/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2710/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2528/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.04.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die am 1954 geborene Klägerin hat nach eigenen Angaben in B. als ausgebildete Krankenschwester gearbeitet. Im Jahr 1994 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland aus, wo sie eine Tätigkeit in der Altenpflege aufnahm. Seitens des Alten- und Pflegeheims "N. Hof" wurde ihr im Jahr 1998 in einem Zwischenzeugnis bestätigt, von ihrer Qualifikation her die Arbeit einer examinierten Altenpflegerin auszuüben (Bl. 21 SG-Akte). Nach Unterbrechung der Tätigkeit wurde sie im Jahr 2005 erneut in dieser Einrichtung eingestellt, nach den Formulierungen des Arbeitsvertrages (Bl. 38 LSG-Akte) als Pflegeassistentin.

Die Klägerin leidet an Zervikobrachialgien mit pseudoradikulärer Ausstrahlung bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelkörper 5/6 sowie Lumbalgien mit pseudoradikulärer Ausstrahlung bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und einem Zustand nach Fusionsoperation der Lendenwirbelkörper LWK 3 bis 5. Daneben bestehen - mit geringen bis mäßigen bzw. ohne wesentliche Funktionseinschränkungen - eine Splitterverletzung am linken Daumen nebst sensiblen Paresen der linken Hand, geringe Arthrosen der Hüftgelenke und der Kniegelenke, ein Senk-Spreizfuß sowie eine Arthrose der Großzehengrundgelenke (bis hierhin im Wesentlichen übereinstimmend Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. G., Bl. 24 VA und des Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Physikalische und rehabilitative Medizin PD Dr. R. , Bl. 153 f. SG-Akte). Ferner besteht bei der Klägerin ein leichtes Karpaltunnelsyndrom links (Zusatzgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. R. , Bl. 194 SG-Akte). Weitere von der Klägerin geklagte Beschwerden, sind als Ausdruck einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (Zusatzgutachten Prof. Dr. R. , Bl. 193 SG-Akte) bzw. - vor dem Hintergrund früherer Bürgerkriegserfahrungen - auch als Ausdruck einer posttraumatischen Belastungsstörung (so die sachverständige Zeugin und Fachärztin für Anästhesiologie Dr. K.-Sch., Bl. 80 SG-Akte) angesehen worden. Seit Oktober 2007 ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Den Rentenantrag der Klägerin vom Dezember 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 ab. Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. G. (Untersuchung am 13.03.2009) ging sie davon aus, dass die Klägerin zwar nicht mehr ihre bisherige Tätigkeit in der Altenpflege, jedoch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne häufige Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten sowie ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel verrichten könne. Auf der Grundlage der Arbeitgeberauskunft des N. Hofs vom Juli 2009 (Bl. 49 VA), in der eine ungelernte Tätigkeit als Pflegeassistentin mitgeteilt worden war, ging die Beklagte von einer Verweisbarkeit der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Daher liege auch keine Berufsunfähigkeit vor.

Deswegen hat die Klägerin am 18.08.2009 beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Orthopäden Dr. B. , den Facharzt für Neurochirurgie und Schmerztherapeuten Dr. P. , den Internisten P. , den Facharzt für Anästhesiologie Dr. S. und Dr. K.-Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. B. und Dr. S. haben keine Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit abgegeben. Der Internist P. und Dr. K.-Sch. haben die Klägerin nicht mehr für leistungs- bzw. arbeitsfähig erachtet. Dr. P. hat eine leichte Tätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich für möglich erachtet.

Schließlich hat das Sozialgericht das orthopädisch-rheumatologische Gutachten von PD Dr. R. nebst neurologisch-psychiatrischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. R. eingeholt (Untersuchungen im Oktober 2010). Prof. Dr. R. hat nach Analyse der Alltagsaktivitäten der Klägerin (u.a. Hausarbeiten, Lesen und Spaziergänge) die Diskrepanz zwischen der Intensität der geklagten Beschwerden und den nachweisbaren, organischen Befunden als Ausdruck einer nur leichtgradigen somatoformen Schmerzstörung angesehen. Bei der Klägerin sei es zwar in der Vergangenheit zu erheblich belastenden Ereignissen gekommen, so dass die Voraussetzungen für eine posttraumatische Belastungsstörung gegeben wären. Da sie aber bei der Untersuchung die Schmerzen ganz in den Vordergrund gerückt habe, seien die leichten psychischen Symptome am ehesten Teil der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Zumindest liege keine schwere posttraumatische Belastungsstörung und keine schwere Depression vor. PD Dr. R. hat wegen widersprüchlicher Angaben und diskrepanter Befunde eine Aggravation angenommen.

Zusammenfassend hat PD Dr. R. bestätigt, dass die Klägerin in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als - so ihre eigene Angabe (Bl. 109 SG-Akte) - "Altenpflegehelferin" nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hat er unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (keine Lasten über 5 bis 8 kg, kein dauerndes Stehen, Sitzen oder Gehen, keine gleichförmige Körperhaltungen, kein häufiges Bücken, keine anhaltenden Arbeiten über Schulterniveau, keine grobmotorischen oder feingeschicklichen Belastungen der linken Hand, keine Arbeiten in Nässe, Kälte oder Wärme, kein Einfluss von Staub, Gasen oder Dämpfen, keine Akkord- oder Nachtarbeit, keine Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, keine besondere Beanspruchung des Gehörs) mindestens sechs Stunden täglich für möglich erachtet.

Ferner sind zwei Auskünfte des stellvertretenden Heimleiters des N. Hofs N. zu den Akten gelangt (einmal gegenüber der Beklagten, einmal gegenüber dem Sozialgericht, vgl. Bl. 59, 76 SG-Akte). Dieser hat angegeben, die Klägerin habe eine Tätigkeit mit einer Anlernzeit von unter drei Monaten verrichtet. Sie habe die höchste Vergütung im Bereich der ungelernten Kräfte erhalten. Ein Nachweis über die Krankenschwesterausbildung habe nicht vorgelegen.

Nachdem die Klägerin eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gewünscht hatte, hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.04.2011 abgewiesen. Gestützt auf die Gutachten von Dr. G. (im Gerichtsbescheid hat das Sozialgericht irrtümlich Dr. S.-F. als Autor genannt), PD Dr. R. und Prof. Dr. R. ist es davon ausgegangen, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen unter Beachtung der von PD Dr. R. genannten qualitativen Einschränkungen einer mindestens sechsstündigen leichten Tätigkeit nachgehen kann. Eine Beeinträchtigung der Wegefähigkeit sei nicht objektiviert worden. Die Klägerin habe bei Prof. Dr. R. angegeben, mehrmals täglich spazieren zu gehen, sich um ihre Balkonpflanzen zu kümmern und Teile der Hausarbeit selbst zu erledigen. Ihre Antriebslage sei bei dessen Begutachtung unauffällig gewesen. Hinweise auf ein Nachlassen der Konzentration hätten sich trotz mehrstündiger Explorationen nicht ergeben. Die Klägerin sei, obwohl sie ihre letzte Tätigkeit nicht mehr ausüben könne, nicht berufsunfähig, da es sich nach den Auskünften der Arbeitgeberin nur um eine angelernte Tätigkeit mit einer Anlernzeit von vier bis acht Wochen gehandelt habe und sie sich daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse.

Gegen den ihr am 18.04.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17.05.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Im Hinblick auf die Klärung ihres Berufsschutzes sowie auf eine wegen der posttraumatischen Belastungsstörung eingeschränkten Umstellungsfähigkeit für eine andere Tätigkeit seien weitere Ermittlungen nötig. Die Klägerin hat u.a. Arztbriefe ihres behandelnden Orthopäden Dr. R. vom Januar und Juni 2011 (Bl. 24 ff. LSG-Akte) und von Dr. K.-Sch. vom Januar und April 2011 (Bl. 28 ff. LSG-Akte) vorgelegt und u.a. geltend gemacht, das Gutachten von Prof. Dr. R. sei nicht schlüssig. Er habe ihre Kriegserfahrungen sowie Belastungen durch eine Alkoholabhängigkeit ihres Ehegattens nicht berücksichtigt. Zutreffend sei, dass der letzte Arbeitsvertrag eine Tätigkeit als Pflegeassistentin betroffen habe. Sie sei aber immer wieder auch mit Tätigkeiten einer Krankenschwester bzw. einer gelernten Pflegerin betraut worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.04.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2009 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren, hilfsweise die Streitsache an das Sozialgericht Mannheim zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbriefe die Stellungnahme des Nervenarztes Dr. L. vorgelegt, der ausgeführt hat, Prof. Dr. R. habe zum Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung Stellung genommen. Danach könne von einer ausreichenden Umstellungsfähigkeit der Klägerin ausgegangen werden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung zu. Dies hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Gerichtsbescheid unter Nennung der zutreffenden Rechtsgrundlagen (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) und überzeugender Würdigung der Gutachten von PD Dr. R. , Prof. Dr. R. und Dr. G. ausführlich dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen Bezug und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Zum Berufungsvorbringen der Klägerin ist - wie im Wesentlichen schon in dem bereits ergangenen Beschluss des Senats vom 05.03.2012 über die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgt - zu ergänzen:

Soweit die Klägerin vorträgt, das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, verhält sie sich widersprüchlich. Sie selbst hat eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gewünscht. Da der Senat zudem in der Hauptsache noch einmal nach eigener, voll umfänglicher Prüfung entscheidet, ist eine Zurückverweisung an das Sozialgericht - soweit nach der zum 01.01.2012 in Kraft getretenen Neufassung des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl. I S. 3057: "das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist") überhaupt in Betracht kommend - nicht angezeigt.

Das Sozialgericht hat, gestützt auf die von ihm eingeholten Gutachten von PD Dr. R. und Prof. Dr. R. , ausführlich und zutreffend dargestellt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht auf ein rentenberechtigendes Ausmaß herabgesunken ist. Hieran ändern auch die von der Klägerin vorgelegten Berichte der behandelnden Ärzte nichts.

Soweit die Klägerin behauptet, PD Dr. R. habe den Bandscheibenvorfall HWK 5/6 mit Stenose nicht berücksichtigt, trifft dies nicht zu. PD Dr. R. hat diese Störung in seine Beurteilung einbezogen, wie sich aus der Darstellung der Aktenlage im Gutachten (vgl. Wiedergabe des MRT-Befundes Bl. 117 SG-Akte) und der Diagnoseliste (vgl. Bl. 153 SG-Akte) entnehmen lässt.

Ferner ist das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass der Klägerin trotz des Unvermögens, ihre bisherige Tätigkeit in der Pflege weiter auszuüben, keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.

Die weitaus überwiegenden Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der Klägerin - so wie von der Beklagten und vom Sozialgericht angenommen - kein Berufsschutz zusteht und sie sich mithin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen muss. Die Klägerin räumt selbst ein, dass sie zuletzt - wie sich auch aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag (Bl. 38 LSG-Akte) ergibt - als Pflegeassistentin angestellt war. Bei PD Dr. R. hat sie angegeben, seit ihrer Einreise nach Deutschland als Altenpflegehelferin tätig gewesen zu sein (Bl. 109 SG-Akte). Nach den Angaben von Herrn N. handelte es sich dabei um eine angelernte Tätigkeit mit einer Anlernzeit von max. acht Wochen. Ein qualifizierter Berufsschutz kommt somit nicht in Betracht. Soweit die Klägerin unter Verweis auf eine Ausbildung zur Krankenschwester in Bosnien geltend gemacht hat, "immer wieder auch mit Tätigkeiten einer Krankenschwester betraut" bzw. "auch für die Tätigkeiten einer gelernten Altenpflegerin eingesetzt" worden zu sein (Bl. 23, 36 LSG-Akte), reicht dies nicht aus, um einen Berufsschutz zu begründen. Denn von einer insgesamt höherwertigen Tätigkeit könnte nur ausgegangen werden, wenn die hierfür herangezogenen Tätigkeitsanteile der Tätigkeit insgesamt das Gepräge gaben bzw. mindestens 50% der Gesamttätigkeit ausmachten (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 4 RA 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Sächsisches LSG, Urteil vom 24.04.2007, L 4 R 774/05 in juris). Davon kann angesichts des Berufungsvorbringens der Klägerin und der Angaben bei PD Dr. R. aber nicht ausgegangen werden.

Doch selbst wenn hier im Hinblick auf das von der Klägerin vorgelegte Zwischenzeugnis aus dem Jahr 1998 (Bl. 21 SG-Akte), in dem die Arbeitgeberin im Widerspruch zu den späteren Angaben eine Tätigkeit als examinierte Altenpflegerin bestätigte, ein Berufsschutz der Klägerin als gelernte Krankenschwester/Altenpflegerin unterstellt wird, kommt die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht. Denn in diesem Fall könnte die Klägerin angesichts der dann auch zu unterstellenden beruflichen Fähigkeiten auf ihr gesundheitlich zumutbare Tätigkeiten als Medizinische Fachangestellte z.B. auch - wie von PD Dr. R. angesprochen - im Rahmen einer Tätigkeit am Empfang einer (Rehabilitations)Klinik verwiesen werden. Nach den Ausführungen in BERUFENET (Bl. 58 ff. LSG-Akte) arbeiten Medizinische Fachangestellte in Arztpraxen und Krankenhäusern in Untersuchungs- und Behandlungsräumen in Laboren und an Empfangsschaltern. Nach den in BERUFENET dargestellten Arbeitsbedingungen ist nicht davon auszugehen, dass bei diesen Tätigkeiten - entgegen dem von PD Dr. R. dargestellten Leistungsvermögen (Bl. 159 SG-Akte) - regelmäßig Lasten von über 5 bis 8 kg zu heben und zu tragen sind. Auch ein zwingend dauerndes Stehen, Sitzen oder Gehen geht aus den dargestellten Arbeitsbedingungen nicht hervor. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin (Krankenschwester) wird in BERUFENET aus Sicht des Arbeitgebers als Besetzungsalternative für die Medizinische Fachangestellte genannt. Als Ausbildungsalternative wird die Altenpflegerin erwähnt. Dies bestätigt - einen Berufsschutz unterstellt - die Eignung der Medizinischen Fachangestellten als Verweisungsberuf für die Klägerin. Im Übrigen kommt nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats auch die Verweisung auf die Tätigkeit in der Poststelle im Öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT in Betracht (rechtskräftiges Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05). Da somit selbst bei Unterstellung eines Berufsschutzes die Verweisung auf eine sozial und gesundheitlich zumutbare Tätigkeit möglich ist, besteht keine Veranlassung, die rechtliche Einordnung der letzten Tätigkeit der Klägerin abschließend zu klären.

Soweit die Klägerin im Hinblick auf eine etwaige Verweisung bzw. generell im Hinblick auf eine Beschäftigungsaufnahme wegen einer bei ihr bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung ihre Umstellungsfähigkeit in Zweifel gezogen hat, teilt der Senat diese Zweifel nicht. Er stützt sich dabei auf das Gutachten von Prof. Dr. R ... Dieser hat eine posttraumatische Belastungsstörung nicht diagnostiziert. Dabei hat er berücksichtigt, dass die Klägerin tatsächlich während des Bürgerkriegs belastenden - im Berufungsverfahren nochmals eindrücklich geschilderten (Bl. 21 LSG-Akte) - Ereignissen ausgesetzt war, aus denen eine posttraumatische Belastungsstörung hervorgehen kann. Gleichwohl hat Prof. Dr. R. die bei der Klägerin bestehenden leichten psychischen Symptome für den Senat nachvollziehbar am ehesten der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und nicht einer posttraumatischen Belastungsstörung zugeordnet. Denn die Klägerin hat bei seiner Untersuchung die Schmerzen ganz in den Vordergrund gerückt. Ihm gegenüber hat sie lediglich von einem schmerzbedingten nächtlichen Aufwachen berichtet.

Selbst wenn hier aber vom Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsausstörung ausgegangen werden würde, liegt, wie Prof. Dr. R. weiter überzeugend dargelegt hat, jedenfalls keine schwere Störung vor. So hat die Klägerin bei PD Dr. R. lediglich angegeben, manchmal vom Krieg zu träumen. Auch vor diesem Hintergrund hat Prof. Dr. R. schlüssig dargelegt, dass der sozialmedizinischen Leistungseinschätzung der sachverständigen Zeugin Dr. K.-Sch. nicht gefolgt werden kann. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren zwei neue Atteste von Dr. K.-Sch. vom Januar und April 2011 vorgelegt hat, ergibt sich aus diesen Attesten nichts Neues. Der Inhalt der Atteste belegt vielmehr die Richtigkeit der Auffassung von Prof. Dr. R ... Dr. K.-Sch. hat die Klägerin selbst als "chronische Schmerzpatientin" bezeichnet und damit die von Prof. Dr. R. diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung klar in den Vordergrund gerückt. Die posttraumatische Belastungsstörung taucht in ihrer Diagnoseliste erst an achter von zwölf Stellen auf.

Soweit die Klägerin auf zusätzliche Belastungen durch einen "Äthylismus" ihres jetzigen Ehemanns und durch ihren Migrationshintergrund hinweist, sind keine Anhaltspunkte für eine sozialmedizinische Relevanz ersichtlich. Denn diese Gesichtspunkte haben bei den Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. R. keine Rolle gespielt. Diesen Angaben zufolge ist der Ehemann der Klägerin vielmehr eine Stütze im Tagesablauf. Er richtet mit ihr zusammen das Frühstück, übernimmt das Staubsaugen, begleitet sie zu Einkäufen und bügelt die Wäsche. Auch migrationsspezifische Belastungen hat die Klägerin nicht in besonderer Weise erwähnt.

Somit sieht der Senat selbst bei Unterstellung einer leicht ausgeprägten posttraumatischen Belastungsstörung keine Anhaltspunkte dafür, dass dadurch die Umstellungsfähigkeit der Klägerin für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder für einen der genannten Verweisungsberufe fraglich wäre. Vielmehr hat Prof. Dr. R. im Rahmen der Begutachtung eine unauffällige Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit und situative Aufmerksamkeit vorgefunden. Auch am Ende der mehrstündigen psychiatrischen Exploration ist es nicht zu einem Nachlassen der kognitiven Funktionen gekommen. Zwar hat Prof. Dr. R. eine leichtgradige Reduzierung des Kurzzeitgedächtnisses für möglich erachtet, jedoch festgehalten, dass einfache Rechenaufgaben ohne längeres Nachdenken gelöst werden konnten und die Klägerin in der Lage gewesen ist, abstrakten gedanklichen Anforderungen zu genügen. Vor diesem Hintergrund hat er - für den Senat nachvollziehbar - sowohl Publikumsverkehr als auch Arbeiten an Schreib- oder Büromaschinen für zumutbar erachtet. Selbst eine besondere geistige Beanspruchung mit erhöhter oder hoher Verantwortung, wie dies z. B. beim Anleiten oder beim Beaufsichtigen mehrerer Personen bzw. beim Überwachen oder Bedienen komplizierter Maschinen der Fall ist, hat er angesichts der guten Ergebnisse der Klägerin im Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung noch für zumutbar erachtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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