L 10 R 3593/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 5227/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3593/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.07.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens streitig, ob für ein vom Kläger während seines Studiums absolviertes Praktikum Anrechnungszeiten vorzumerken sind.

Der am 1966 geborene Kläger war ab 01.09.1991 an der früheren Fachhochschule O. (jetzt: Fachhochschule E. ) im Studiengang Physiktechnik eingeschrieben. Das Studium schloss er am 18.02.1998 mit dem Erwerb des Hochschulgrades Diplom-Ingenieur (Fachhochschule) ab. Teil des Studiums waren zwei sog. Praxissemster in einem Umfang von jeweils einem Semester (20 Wochen), in denen der Student allein in der Praktikumsstelle tätig ist. In dieser Praxisphase nimmt der Student an keinen Lehrveranstaltungen teil; er bleibt allerdings an der Hochschule immatrikuliert und wird von Verantwortlichen der Hochschule begleitet und von den zuständigen Professoren betreut (vgl. Schreiben der Fachhochschule E. vom 11.05. und 13.07.2010).

Vom 20.03. bis 19.09.1995 absolvierte der Kläger ein Praxissemester, in dem er beim Deutschen Elektronen-Synchrotron D. , einem Forschungszentrum für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung, in Hamburg tätig war, das für den Kläger auch Sozialversicherungsbeiträge entrichtete.

Mit Bescheid vom 19.03.2009 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) die vom Kläger zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bis 31.12.2002 verbindlich fest. Dabei berücksichtigte sie die Zeit vom 20.03. bis 19.09.1995 als Pflichtbeitragszeit und lehnte eine gleichzeitige Vormerkung als Anrechnungszeit mit der Begründung ab, Praktikantenzeiten seien nicht als Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung anzusehen. Dies gelte auch, wenn sie Voraussetzung für die Aufnahme an der betreffenden Schule gewesen seien. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 und der weiteren Begründung zurückgewiesen, da nach den Ausführungen der Hochschule der wöchentliche Zeitaufwand für das Praktikum höher gewesen sei als für das Studium, scheide eine Vormerkung der in Rede stehenden Zeit als Anrechnungszeit aus.

Am 10.12.2010 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er sei nach der Prüfungsordnung verpflichtet gewesen, während des Studiums Praktikantenzeiten einzulegen. Diese seien Teil des Studiums gewesen, weshalb nicht von einer Unterbrechung auszugehen sei. Ohne Ableistung der Praktikantenzeit hätte er das Diplom nicht ablegen können. Die Tätigkeit während des Studiums sei daher nicht auszugliedern, vielmehr die Studienzeit durchgehend als Anrechnungszeit vorzumerken.

Mit Urteil vom 14.07.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 58 Abs. 4a SGB VI seien Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit nur Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegt. Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Vielmehr sei die schulische Ausbildung während der Zeit des Praxissemesters eindeutig in den Hintergrund getreten, nachdem während dieser Zeit keine Lehrveranstaltungen stattgefunden hätten und der Studierende ausweislich des Schreibens der Fachhochschule E. vom 13.07.2010 "einzig" an seiner Praktikumsstelle tätig gewesen sei. Der Schwerpunkt der zeitlichen Beanspruchung und des Einsatzes der Arbeitskraft habe damit auf der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Rahmen des Praktikums gelegen, weshalb die Vormerkung der streitigen Zeit als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung nicht in Betracht komme.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 08.08.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.08.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und wiederum vorgetragen, während seines Studiums das Praktikum begleitend abgelegt zu haben. Er sei weiterhin Studierender gewesen, weshalb das Praktikum nur als Teil der studentischen/schulischen Ausbildung gewertet werden könne. Da für die Erlangung der Prüfungsvoraussetzungen die Ableistung des Praktikums während des Studiums Voraussetzung gewesen sei, müsse das Praktikum als Studium berücksichtigt werden. Alles andere sei lebensfremd und gekünstelt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14.07.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 19.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2010 die Zeit vom 20.03.1995 bis 19.09.1995 als Anrechnungszeit vorzumerken, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Zeit vom 20.03. bis 19.09.1995 zu Recht als Pflichtbeitragszeit, nicht aber auch zugleich als Anrechnungszeit vorgemerkt.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger begehrte Vormerkung der Zeit vom 20.03. bis 19.09.1995 im Versicherungsverlauf als Anrechnungszeit dargelegt (§ 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind. So sind gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), zwar grundsätzlich Anrechnungszeiten, jedoch ist dies gemäß Abs. 4a der Regelung, wenn die Zeiten einer schulischen Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt werden, nur dann der Fall, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegt. Dass dies beim Kläger - wie den Auskünften der Fachhochschule E. vom 11.05. und 13.07.2010 zu entnehmen ist - gerade nicht der Fall ist, hat das SG zutreffend entschieden, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung verweist, denen er sich in vollem Umfang anschließt.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren wiederum geltend macht, er sei auch während des streitigen Zeitraums Studierender gewesen und die Praktikumszeit sei darüber hinaus auch Prüfungsvoraussetzung gewesen, hat das SG dies nicht in Zweifel gezogen. Jedoch rechtfertigen auch diese Gesichtspunkte die Anerkennung der streitigen Zeit als Anrechnungszeit nicht. Vielmehr ist die vom Kläger als lebensfremd und gekünstelt bezeichnete Trennung zwischen schulischer und praktischer Ausbildungszeit gerade Gegenstand der Sonderregelung des § 58 Abs. 4a SGB VI, die für den Fall, dass ein Versicherter neben der Zeit einer schulischen Ausbildung gleichzeitig auch eine Pflichtbeitragszeit zurücklegt, als zusätzliche Voraussetzung für die Berücksichtigung als Anrechnungszeit ein Überwiegen des zeitlichen Aufwandes für die schulische Ausbildung fordert. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, woraus der Kläger ableiten will, dass die Zeit seiner Fachhochschulausbildung durchgehend ohne Unterbrechung als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung vorzumerken sein soll, obwohl der zeitliche Aufwand für die schulische Ausbildung den Zeitaufwand für die Beschäftigung gerade nicht überwogen hat, nachdem der Kläger während der Praxisphase an keinerlei Lehrveranstaltungen teilgenommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der in Rede stehenden Vorschrift ist keine klärungsbedürftige Rechtsfrage ersichtlich, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
Rechtskraft
Aus
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