Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 6258/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5651/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von (stationären) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hat.
Der 1958 geborene Kläger besitzt ein Bauernhofgrundstück, das an ein gemeindliches Grundstück angrenzt, auf dem sich eine vor 30 Jahren erbaute Wanderschutzhütte sowie ein öffentlicher Grillplatz befinden. Die Hütte wird von der Gemeinde vermietet. Zwischen der Gemeinde und dem Kläger besteht seit mehreren Jahren ein Streit über die Frage, ob von dieser Freizeitanlage für den Kläger unzumutbare Belastungen, vor allem Störungen der Nachtruhe durch Lärm, ausgehen. Der Konflikt wurde zwischen dem Kläger und dem früheren Bürgermeister der Gemeinde auch gerichtlich und in der Presse geführt.
Vom 19.12.2007 bis 06.02.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger im Klinikum B. L., Sch. am K., stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der entsprechende Kurzarztbericht der Klinik vom 04.02.2008 teilt als Diagnosen eine somatoforme autonome Funktionsstörung, ein Burn-out-Syndrom sowie eine arterielle Hypertonie mit. Im Vordergrund der Therapie habe der Umgang mit der chronischen Lärmbelästigung und den daraus resultierenden Krankheitskomplexen einerseits durch direkte Lärmexposition, andererseits indirekt durch die Ohnmacht des Klägers, die Problemsituation mit den verantwortlichen Personen rechtsmäßig klären zu können, gestanden. Der Kläger sei stimmungsaufgehellt und psychophysisch stabilisiert entlassen worden. Empfohlen wurde eine Aufnahme ins IRENA-Programm sowie eine haus- und fachärztliche Weiterbehandlung sowie eine Intervalltherapie in ca einem Jahr.
Am 16.06.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der behandelnde Hausarzt Dr. H. teilte der Beklagten mit, der Kläger leide unter einem psychovegetativen Erschöpfungszustand, einem arteriellen Bluthochdruck und Spannungskopfschmerzen. Es bestehe eine Schlafstörung.
Mit Bescheid vom 01.07.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen "nervöser Erschöpfungszustand, Hypertonus und Spannungskopfschmerz" seien nicht so erheblich, dass eine Leistung der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Der Kläger sei auch nicht rehabilitationsbedürftig nach den Vorschriften eines anderen Rehabilitationsträgers.
In seinem Widerspruch vom 08.07.2009 führte der Kläger aus, sein Arzt halte es nicht für sinnvoll, eine nervenfachärztliche Therapie am Wohnort durchzuführen, da das häusliche Umfeld die wesentliche Krankheitsursache sei. Der Kläger habe deshalb schlaflose Nächte. Dazu werde die ganze Familie von Amtsträgern und Privatpersonen in der Gemeinde drangsaliert. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Neurologe und Psychiater Dr. B. ein Gutachten über den Kläger. In seinem Gutachten vom 11.09.2009 führte er aus, in Folge der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme sei eine verhaltenstherapeutische und medikamentöse Behandlung eingeleitet worden, die Letztere werde auch noch fortgeführt. Unter den Beschuldigungen und Belästigungen aufgrund des Konfliktes mit der Gemeinde leide der Kläger so intensiv, dass er zwar nach der stationären Behandlung im Jahr 2007/2008 eine gewisse Besserung verspürt, die Besserung sich aber nicht stabilisiert habe. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei deutlich eingeschränkt, er sei nicht in der Lage, seinen Hof wie früher adäquat zu bewirtschaften, könne keine regelmäßigen Pflegearbeiten auf den Feldern und bei seinen Tieren durchführen, teilweise auch weil ihm weger der juristischen Widersprüche und Vorgänge die Zeit fehle. Inwieweit sich aus dem Konflikt noch eine wahnhafte Entwicklung oder paranoide Gedankengänge entwickele, müsse offen bleiben. Zum Untersuchungszeitpunkt sei der Klägern durchaus noch kontrollfähig und hoffe auch auf Besserung durch eine Moderation und Öffentlichkeitsarbeit. Der Kläger sei auf Dauer nicht in der Lage, diese Belastung durchzuhalten, weshalb ein vorzeitiges Heilverfahren empfohlen werde. Leistungen zur Teilhabe zur Besserung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Leistungsfähigkeit iS von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation würden vorgeschlagen. Der Beratungsarzt der Beklagten nahm sinngemäß dahingehend Stellung, dass eine unmittelbare Gefährdung bzw Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie erbringe nur dann Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn die Erwerbsfähigkeit hierdurch wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für die festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen (somatoforme Störung, Angst, Depression) sei eine regelmäßige ambulante nervenärztliche Mitbehandlung/Richtlinienpsychotherapie angezeigt. Auch nach den Vorschriften eines anderen Leistungsträgers liege kein Rehabilitationsbedarf vor.
Dagegen hat der Kläger am 17.12.2009 erneut Widerspruch und am 09.12.2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf die aus seiner Sicht unerträgliche häusliche Situation. Eine ambulante nervenfachärztliche Therapie am Wohnort sei laut Attest des Arztes nicht sinnvoll, da das häusliche Umfeld die wesentliche Krankheitsursache sei. Die Beschwerden seien so schwerwiegend, dass er permanent Depressionen, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen, Herz- und Brustschmerzen, Leisten- und Hodenschmerzen habe. Der Kläger hat ua auch ein Schreiben von Rechtsanwältin Morawe vorgelegt, die als Mediatorin in die Konfliktbewältigung zwischen dem Kläger und dem damaligen Bürgermeister tätig ist. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Kläger durch die Veröffentlichung der Situation im Fernsehen durch Reaktionen anderer Bewohner und Zuschauer eine Retraumatisierung erlebt habe. Es sei dringend notwendig, dass er die Erlebnisse psychosomatisch aufarbeite und ihm bei einer entsprechenden Kur hierzu Gelegenheit gegeben werde.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26 bis 31 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Neurologie Dr. W. hat mit Schreiben vom 02.03.2010 mitgeteilt, der Kläger sei seit 2005 zwei- bis dreimal jährlich bei ihm in Behandlung. Es bestünden ein psychosomatischer Beschwerdekomplex bei chronischer Belastungssituation und eine depressive Anpassungsstörung. Eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe auf seinem Fachgebiet nicht. Eine stationäre psychosomatische, verhaltenstherapeutisch orientierte Behandlung könne dem Kläger eventuell einen Einstieg in einen veränderten Umgang mit den unveränderten externen Belastungsfaktoren ermöglichen. Die Erwerbsfähigkeit als Landwirt sei nicht beeinträchtigt. Der Wahrscheinlichkeitsgrad einer Besserung unter stationärer psychosomatischer Behandlung sei genauso hoch wie ein Misserfolg. Eine stationäre Rehabilitation sei in Betracht zu ziehen, aber nicht erforderlich. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. H. hat dem SG unter dem Datum des 08.03.2010 mitgeteilt, der Kläger sei regelmäßig mindestens einmal pro Quartal bei ihm gewesen sei. Seine Beschwerden bestünden ausschließlich im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit seiner Heimatgemeinde um die Bewirtschaftung der Freizeithütte in der Nachbarschaft. Es werde eine medikamentös-antidepressive Behandlung und eine Gesprächspsychotherapie mit schwer quantifizierbarem Erfolg durchgeführt. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten bestünden aufgrund der Art des zugrunde liegenden Konflikts nur sehr eingeschränkt. Wichtigster Therapieansatz sei die räumliche Trennung von der konfliktbehafteten häuslichen Wohnsituation. Eine Besserung der Erwerbsfähigkeit als Landwirt sei durch eine stationäre Rehabilitation wahrscheinlich. Die letzte Rehabilitation habe den Kläger psychisch stabilisiert Allerdings habe die Besserung nicht lange angehalten, weil der Konflikt unverändert intensiv bestanden habe. Eine weitreichende psychische Dekompensation sei bei ununterbrochener Konfrontation mit der Situation im Wohnumfeld mittelfristig wahrscheinlich. Eine stationäre Behandlung könne diesen Effekt zumindest hinauszögern. Zwischenzeitlich könne weiterhin nach einer einvernehmlichen Lösung des Grundproblems gesucht werden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2010 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt seien, insbesondere ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch seine psychische Erkrankung gefährdet oder gemindert sei. Denn es bestünden Zweifel an der für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation notwendigen positiven Prognose, ob mit den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abgewendet oder eine bereits eingetretene Erwerbsminderung gebessert oder jedenfalls eine Verschlechterung abgewendet werden könne. Nach den Ausführungen von Dr. W. als auch von Dr. H. sei ein Erfolg der Rehabilitation ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg. Die letzte Rehabilitation habe dem Kläger zwar vorübergehend Erleichterung verschafft, habe aber nicht zu einer dauerhaften Stabilisierung oder gar einer Besserung seiner Erkrankung geführt. Nachdem das Problem in der Heimatgemeinde in unveränderter Weise fortbestehe, sei kaum anzunehmen, dass einer weiteren Rehabilitation ein bleibender Erfolg beschieden sei. Jedenfalls fehle es an einer dringenden Erforderlichkeit einer vorzeitigen erneuten Rehabilitation. Vielmehr scheine eine ambulante Psychotherapie angezeigt, für deren Erbringung nicht die Beklagte, sondern gegebenenfalls die Krankenkasse des Klägers zuständig sei. Soweit der Kläger vortrage, er habe bereits versucht, diesen Weg zu gehen, aber nicht hinreichend kurzfristig einen geeigneten Therapeuten gefunden, stehe es ihm frei, sich mit diesem Problem zwecks Beratung und Unterstützung an seine Krankenkasse zu wenden, die auch in der Lage ist, ihm freie Therapieplätze nachzuweisen.
Gegen das ihm am 10.11.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.11.2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe verkannt, dass Dr. B. in seinem Gutachten vom 11.09.2009 die Frage, ob Leistungen zur Teilhabe zur Besserung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Leistungsfähigkeit oder zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes vorgeschlagen werden, bejaht habe. Er sei in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner psychischen Leitungsfähigkeit eingeengt; er sei auf Dauer nicht in der Lage, diese Belastung durchzuhalten, weshalb Dr. B. ein vorzeitiges Heilverfahren empfohlen habe. Zudem sei die für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation notwendige positive Prognose gegeben. Dr. H. habe erkannt, dass eine Besserung der Erwerbsfähigkeit als Landwirt durch eine stationäre Rehabilitation wahrscheinlich sei. Auch Dr. W. habe immerhin konstatiert, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad einer Besserung genauso hoch sei wie ein Misserfolg. Sein Umfeld habe sich inzwischen sehr zum Positiven verändert. Nunmehr sei seit 02.05.2011 ein neuer Bürgermeister im Amt. Der wesentliche krankheitsauslösende Faktor sei damit beseitigt. Seine Erleichterung über den Amtswechsel an der Spitze der Gemeinde lasse ernsthaft auf einen Neubeginn in dem Verhältnis zwischen der Gemeindeverwaltung und ihm hoffen. Deswegen müsse er klinisch rehabilitiert werden, damit er den Mut und die Kraft finde, alles dazu beizutragen, die Querelen als Ganzes mit der Gemeinde alsbald einem Ende zuzuführen und damit auch dauerhaft gesund zu bleiben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ob die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Grundproblematik durch die Wahl eines neuen Bürgermeisters behoben sei bzw behoben werde, lasse sich nach der bisherigen Amtszeit des neuen Stelleninhabers noch nicht feststellen. Sowohl der behandelnde Neurologe als auch der Gutachter hätten keine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit diagnostiziert. Eine Indikation für eine vorzeitige medizinische Rehabilitationsleistung bestehe weiterhin nicht.
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 55 bis 58 der Senatsakte Bezug genommen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat mit Schreiben vom 10.12.2011 ausgeführt, der Kläger sei weiterhin in seiner hausärztlichen Betreuung. Es bestehe eins psychosoziale Konfliktsituation, eine arterielle Hypertonie, ein Spannungskopfschmerz sowie ein psychovegetativer Erschöpfungszustand und eine Otitis externa links. Seit Februar 2011 sei der Kläger wegen akuter Beschwerden nicht mehr in seiner Behandlung gewesen. Insgesamt sei seit den Änderungen im Sommer 2011 eine leichte Entspannung der Situation eingetreten, die grundsätzlichen Probleme bestünden jedoch weiter. Das berufliche Umfeld des als Landwirt tätigen Klägers befinde sich nahezu ausschließlich in räumlichen Zusammenhang mit dem konfliktträchtigen Grill- und Spielplatz, so dass er bei seiner Berufsausübung ständig mit der belastenden Situation konfrontiert sei. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Landwirt sei erheblich gefährdet oder gemindert. Grundsätzlich bestünden auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten, zB eine konfliktzentrierten Gesprächs- oder Verhaltenstherapie unterstützt durch die schon vorbestehende stabilisierend-medikamentöse Behandlung. Versucht worden sei auch eine Mediation zwischen dem Kläger und der Gemeinde, die allerdings nur teilweise zu dem gewünschten Ergebnis geführt habe. Eine stationäre Maßnahme sei zumindest sinnvoll, da es ganz wesentlich auf eine auch räumliche Distanzierung von dem konflikthaften Lebensumfeld ankomme. Nachdem zumindest ansatzweise eine Verbesserungen durch die Reduzierung der Lärmbelastung im Bereich des Spiel- und Grillplatzes habe erreicht werden können, sei es im Rahmen eines stationären Heilverfahrens auch möglich, einen vorläufigen Schlussstrich unter die jahrelangen Auseinandersetzungen zu ziehen und dem Kläger Strategien zu vermitteln, mit den noch andauernden Belastungen besser umzugehen. Eine prognostische Einschätzung sei schwierig, da sie wesentlich von der Entwicklung des Konfliktes vor Ort abhänge, dem der Kläger aufgrund seiner Wohnsituation nicht ausweichen könne. Grundsätzlich halte er ein nochmaliges stationäres Heilverfahren jedoch für hilfreich und beurteile die Wahrscheinlichkeit einer (weiteren) Besserung zumindest mit überwiegend wahrscheinlich. Der Facharzt für Neurologie Dr. W. hat mit Schreiben vom 11.01.2012 mitgeteilt, den Kläger zuletzt am 16.09.2009 behandelt zu haben. Dieser sei seit 2008 wegen einer chronischen Anpassungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren, im weiteren Verlauf wegen psychosomatischen Beschwerdekomplex bei chronischer Belastungssituation behandelt worden. Soweit sich die Lebenssituation, insbesondere der Wohnort des Klägers nicht verändert habe, sei er in seiner beruflichen Tätigkeit als Landwirt durch psychosomatische Beschwerden erheblich eingeschränkt. Grundsätzlich sei er in seiner Erwerbsfähigkeit als Landwirt aber nicht gefährdet oder gemindert. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten seien aus damaliger Sicht nicht erfolgversprechend gewesen, solange sich am Lebensumfeld nichts geändert habe. Die Durchführung einer stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation ist seines Erachtens aus damaligen Kenntnis des Patienten heraus nicht erfolgversprechend gewesen, solange sich am Umfeld nichts geändert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ablehnende Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009. Der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs.2 SGG).
Grundlage des klägerischen Begehrens nach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist § 9 SGB VI. Dieses ist vorliegend nicht schon durch die rechtshindernden oder -vernichtenden materiell-rechtlichen Einwände des § 12 Abs 1 SGB VI ausgeschlossen, da deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Dem Begehren steht auch nicht entgegen, dass nach § 12 Abs 2 Satz 1 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen zur Rehabilitation erbracht werden. Da mittlerweile seit der letzten vergleichbaren Leistung zur Rehabilitation in der Zeit vom 16.12.2007 bis zum 06.02.2008 bereits mehr als vier Jahre vergangen sind und zwischenzeitlich weder von der Beklagten noch einem anderen Rehabilitationsträger ähnliche Leistungen zur Rehabilitation erbracht wurden, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen iSd § 12 Abs 2 Satz 1 SGB VI dringend erforderlich sind.
Gemäß § 9 Abs 1 und 2 iVm §§ 13, 15 SGB VI kann der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilitation erbringen, sofern die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VI sind erfüllt, denn der Kläger hat die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt.
Die persönlichen Voraussetzungen bestimmen sich nach § 10 SGB VI. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 10 Abs 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, (1.) deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (2.) bei denen voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, oder (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so hat der Versicherte ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Leistung zur Teilhabe bzw - sofern das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre ("Ermessensreduzierung auf Null") - auf Gewährung dieser Leistung. Ob diese Voraussetzungen vorliegen beurteilt sich nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden Sach- und Rechtslage (allgemeine Meinung zB BSGE 89, 294; LSG Nordrhein-Westfalen, 17.05.2010, L 3 R 254/10 ZVW; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 54 RdNr 34).
Nach Überzeugung des Senats ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit weder gemindert noch erheblich gefährdet. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung derzeit nicht nachgewiesen ist. Der Facharzt für Neurologie Dr. W. hat in seiner schriftlichen Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 11.01.2012 zwar ausgeführt, dass der Kläger ab dem Jahr 2008 wegen einer chronischen Anpassungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren bzw eines psychosomatischen Beschwerdekomplexes behandelt wurde, die letzte Behandlung allerdings bereits am 16.09.2009 war. Die Veränderung des äußeren Umfelds im Sommer 2011 ist ihm nicht mehr bekannt geworden. Eine weitere Behandlung hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Damit steht für den Senat fest, dass eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung auf nervenärztlichem Gebiet derzeit nicht (mehr) besteht. Auch beim Hausarzt war er jedenfalls in der Zeit von März 2011 bis 10.12.2011 (Datum der Auskunft von Dr. H.) nicht wegen einer Erkrankung in Behandlung. Eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers ist auch nicht wahrscheinlich, da sich selbst nach dem Vortrag des Klägers die Situation inzwischen sehr zum Positiven verändert hat, nachdem in der Gemeinde ein neuer Bürgermeister gewählt worden ist (Schriftsatz vom 23.05.2011). Im Übrigen betreibt der Kläger ganztags eine Landwirtschaft. Dies zeigt, dass die berufliche Belastbarkeit sogar für schwere Arbeiten vollständig erhalten ist. Aus dem Umstand, dass der Entlassbericht im Jahr 2008 eine Intervalltherapie empfohlen hatte, die bisher nicht umgesetzt wurde, kann kein Anspruch abgeleitet werden. Aufgrund des derzeit feststellbaren Sachverhalts ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit oder Behinderung weder gemindert noch gefährdet ist.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den Vorschriften anderer Rehabilitationsträger (§ 14 Abs 3 Satz 1 iVm §§ 5 und 6 SGB IX sowie § 40 SGB V). Denn auch insoweit konnte sich der Senat angesichts des Umstandes, dass der Kläger schon seit Jahren keine fach- und allgemeinärztliche Behandlung mehr in Anspruch genommen hat, nicht davon überzeugen, dass der Kläger überhaupt der Krankenbehandlung bedarf und eine solche ambulante Krankenbehandlung (§ 40 Abs 1 SGB V) nicht ausreichen sollte, um die in § 11 Abs 2 SGB V genannten Ziele zu erreichen. Dies wäre aber gerade Voraussetzung eines Rehabilitationsanspruch iSd Krankenversicherungsrechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger keinen Erfolg hatte.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von (stationären) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation hat.
Der 1958 geborene Kläger besitzt ein Bauernhofgrundstück, das an ein gemeindliches Grundstück angrenzt, auf dem sich eine vor 30 Jahren erbaute Wanderschutzhütte sowie ein öffentlicher Grillplatz befinden. Die Hütte wird von der Gemeinde vermietet. Zwischen der Gemeinde und dem Kläger besteht seit mehreren Jahren ein Streit über die Frage, ob von dieser Freizeitanlage für den Kläger unzumutbare Belastungen, vor allem Störungen der Nachtruhe durch Lärm, ausgehen. Der Konflikt wurde zwischen dem Kläger und dem früheren Bürgermeister der Gemeinde auch gerichtlich und in der Presse geführt.
Vom 19.12.2007 bis 06.02.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger im Klinikum B. L., Sch. am K., stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der entsprechende Kurzarztbericht der Klinik vom 04.02.2008 teilt als Diagnosen eine somatoforme autonome Funktionsstörung, ein Burn-out-Syndrom sowie eine arterielle Hypertonie mit. Im Vordergrund der Therapie habe der Umgang mit der chronischen Lärmbelästigung und den daraus resultierenden Krankheitskomplexen einerseits durch direkte Lärmexposition, andererseits indirekt durch die Ohnmacht des Klägers, die Problemsituation mit den verantwortlichen Personen rechtsmäßig klären zu können, gestanden. Der Kläger sei stimmungsaufgehellt und psychophysisch stabilisiert entlassen worden. Empfohlen wurde eine Aufnahme ins IRENA-Programm sowie eine haus- und fachärztliche Weiterbehandlung sowie eine Intervalltherapie in ca einem Jahr.
Am 16.06.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der behandelnde Hausarzt Dr. H. teilte der Beklagten mit, der Kläger leide unter einem psychovegetativen Erschöpfungszustand, einem arteriellen Bluthochdruck und Spannungskopfschmerzen. Es bestehe eine Schlafstörung.
Mit Bescheid vom 01.07.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ab. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen "nervöser Erschöpfungszustand, Hypertonus und Spannungskopfschmerz" seien nicht so erheblich, dass eine Leistung der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Der Kläger sei auch nicht rehabilitationsbedürftig nach den Vorschriften eines anderen Rehabilitationsträgers.
In seinem Widerspruch vom 08.07.2009 führte der Kläger aus, sein Arzt halte es nicht für sinnvoll, eine nervenfachärztliche Therapie am Wohnort durchzuführen, da das häusliche Umfeld die wesentliche Krankheitsursache sei. Der Kläger habe deshalb schlaflose Nächte. Dazu werde die ganze Familie von Amtsträgern und Privatpersonen in der Gemeinde drangsaliert. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Neurologe und Psychiater Dr. B. ein Gutachten über den Kläger. In seinem Gutachten vom 11.09.2009 führte er aus, in Folge der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme sei eine verhaltenstherapeutische und medikamentöse Behandlung eingeleitet worden, die Letztere werde auch noch fortgeführt. Unter den Beschuldigungen und Belästigungen aufgrund des Konfliktes mit der Gemeinde leide der Kläger so intensiv, dass er zwar nach der stationären Behandlung im Jahr 2007/2008 eine gewisse Besserung verspürt, die Besserung sich aber nicht stabilisiert habe. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei deutlich eingeschränkt, er sei nicht in der Lage, seinen Hof wie früher adäquat zu bewirtschaften, könne keine regelmäßigen Pflegearbeiten auf den Feldern und bei seinen Tieren durchführen, teilweise auch weil ihm weger der juristischen Widersprüche und Vorgänge die Zeit fehle. Inwieweit sich aus dem Konflikt noch eine wahnhafte Entwicklung oder paranoide Gedankengänge entwickele, müsse offen bleiben. Zum Untersuchungszeitpunkt sei der Klägern durchaus noch kontrollfähig und hoffe auch auf Besserung durch eine Moderation und Öffentlichkeitsarbeit. Der Kläger sei auf Dauer nicht in der Lage, diese Belastung durchzuhalten, weshalb ein vorzeitiges Heilverfahren empfohlen werde. Leistungen zur Teilhabe zur Besserung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Leistungsfähigkeit iS von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation würden vorgeschlagen. Der Beratungsarzt der Beklagten nahm sinngemäß dahingehend Stellung, dass eine unmittelbare Gefährdung bzw Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie erbringe nur dann Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn die Erwerbsfähigkeit hierdurch wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne oder wenn bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für die festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen (somatoforme Störung, Angst, Depression) sei eine regelmäßige ambulante nervenärztliche Mitbehandlung/Richtlinienpsychotherapie angezeigt. Auch nach den Vorschriften eines anderen Leistungsträgers liege kein Rehabilitationsbedarf vor.
Dagegen hat der Kläger am 17.12.2009 erneut Widerspruch und am 09.12.2009 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf die aus seiner Sicht unerträgliche häusliche Situation. Eine ambulante nervenfachärztliche Therapie am Wohnort sei laut Attest des Arztes nicht sinnvoll, da das häusliche Umfeld die wesentliche Krankheitsursache sei. Die Beschwerden seien so schwerwiegend, dass er permanent Depressionen, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen, Herz- und Brustschmerzen, Leisten- und Hodenschmerzen habe. Der Kläger hat ua auch ein Schreiben von Rechtsanwältin Morawe vorgelegt, die als Mediatorin in die Konfliktbewältigung zwischen dem Kläger und dem damaligen Bürgermeister tätig ist. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Kläger durch die Veröffentlichung der Situation im Fernsehen durch Reaktionen anderer Bewohner und Zuschauer eine Retraumatisierung erlebt habe. Es sei dringend notwendig, dass er die Erlebnisse psychosomatisch aufarbeite und ihm bei einer entsprechenden Kur hierzu Gelegenheit gegeben werde.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 26 bis 31 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Neurologie Dr. W. hat mit Schreiben vom 02.03.2010 mitgeteilt, der Kläger sei seit 2005 zwei- bis dreimal jährlich bei ihm in Behandlung. Es bestünden ein psychosomatischer Beschwerdekomplex bei chronischer Belastungssituation und eine depressive Anpassungsstörung. Eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit bestehe auf seinem Fachgebiet nicht. Eine stationäre psychosomatische, verhaltenstherapeutisch orientierte Behandlung könne dem Kläger eventuell einen Einstieg in einen veränderten Umgang mit den unveränderten externen Belastungsfaktoren ermöglichen. Die Erwerbsfähigkeit als Landwirt sei nicht beeinträchtigt. Der Wahrscheinlichkeitsgrad einer Besserung unter stationärer psychosomatischer Behandlung sei genauso hoch wie ein Misserfolg. Eine stationäre Rehabilitation sei in Betracht zu ziehen, aber nicht erforderlich. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. H. hat dem SG unter dem Datum des 08.03.2010 mitgeteilt, der Kläger sei regelmäßig mindestens einmal pro Quartal bei ihm gewesen sei. Seine Beschwerden bestünden ausschließlich im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit seiner Heimatgemeinde um die Bewirtschaftung der Freizeithütte in der Nachbarschaft. Es werde eine medikamentös-antidepressive Behandlung und eine Gesprächspsychotherapie mit schwer quantifizierbarem Erfolg durchgeführt. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten bestünden aufgrund der Art des zugrunde liegenden Konflikts nur sehr eingeschränkt. Wichtigster Therapieansatz sei die räumliche Trennung von der konfliktbehafteten häuslichen Wohnsituation. Eine Besserung der Erwerbsfähigkeit als Landwirt sei durch eine stationäre Rehabilitation wahrscheinlich. Die letzte Rehabilitation habe den Kläger psychisch stabilisiert Allerdings habe die Besserung nicht lange angehalten, weil der Konflikt unverändert intensiv bestanden habe. Eine weitreichende psychische Dekompensation sei bei ununterbrochener Konfrontation mit der Situation im Wohnumfeld mittelfristig wahrscheinlich. Eine stationäre Behandlung könne diesen Effekt zumindest hinauszögern. Zwischenzeitlich könne weiterhin nach einer einvernehmlichen Lösung des Grundproblems gesucht werden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.10.2010 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt seien, insbesondere ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch seine psychische Erkrankung gefährdet oder gemindert sei. Denn es bestünden Zweifel an der für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation notwendigen positiven Prognose, ob mit den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abgewendet oder eine bereits eingetretene Erwerbsminderung gebessert oder jedenfalls eine Verschlechterung abgewendet werden könne. Nach den Ausführungen von Dr. W. als auch von Dr. H. sei ein Erfolg der Rehabilitation ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg. Die letzte Rehabilitation habe dem Kläger zwar vorübergehend Erleichterung verschafft, habe aber nicht zu einer dauerhaften Stabilisierung oder gar einer Besserung seiner Erkrankung geführt. Nachdem das Problem in der Heimatgemeinde in unveränderter Weise fortbestehe, sei kaum anzunehmen, dass einer weiteren Rehabilitation ein bleibender Erfolg beschieden sei. Jedenfalls fehle es an einer dringenden Erforderlichkeit einer vorzeitigen erneuten Rehabilitation. Vielmehr scheine eine ambulante Psychotherapie angezeigt, für deren Erbringung nicht die Beklagte, sondern gegebenenfalls die Krankenkasse des Klägers zuständig sei. Soweit der Kläger vortrage, er habe bereits versucht, diesen Weg zu gehen, aber nicht hinreichend kurzfristig einen geeigneten Therapeuten gefunden, stehe es ihm frei, sich mit diesem Problem zwecks Beratung und Unterstützung an seine Krankenkasse zu wenden, die auch in der Lage ist, ihm freie Therapieplätze nachzuweisen.
Gegen das ihm am 10.11.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.11.2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Das SG habe verkannt, dass Dr. B. in seinem Gutachten vom 11.09.2009 die Frage, ob Leistungen zur Teilhabe zur Besserung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Leistungsfähigkeit oder zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes vorgeschlagen werden, bejaht habe. Er sei in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner psychischen Leitungsfähigkeit eingeengt; er sei auf Dauer nicht in der Lage, diese Belastung durchzuhalten, weshalb Dr. B. ein vorzeitiges Heilverfahren empfohlen habe. Zudem sei die für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation notwendige positive Prognose gegeben. Dr. H. habe erkannt, dass eine Besserung der Erwerbsfähigkeit als Landwirt durch eine stationäre Rehabilitation wahrscheinlich sei. Auch Dr. W. habe immerhin konstatiert, dass der Wahrscheinlichkeitsgrad einer Besserung genauso hoch sei wie ein Misserfolg. Sein Umfeld habe sich inzwischen sehr zum Positiven verändert. Nunmehr sei seit 02.05.2011 ein neuer Bürgermeister im Amt. Der wesentliche krankheitsauslösende Faktor sei damit beseitigt. Seine Erleichterung über den Amtswechsel an der Spitze der Gemeinde lasse ernsthaft auf einen Neubeginn in dem Verhältnis zwischen der Gemeindeverwaltung und ihm hoffen. Deswegen müsse er klinisch rehabilitiert werden, damit er den Mut und die Kraft finde, alles dazu beizutragen, die Querelen als Ganzes mit der Gemeinde alsbald einem Ende zuzuführen und damit auch dauerhaft gesund zu bleiben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Ob die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Grundproblematik durch die Wahl eines neuen Bürgermeisters behoben sei bzw behoben werde, lasse sich nach der bisherigen Amtszeit des neuen Stelleninhabers noch nicht feststellen. Sowohl der behandelnde Neurologe als auch der Gutachter hätten keine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit diagnostiziert. Eine Indikation für eine vorzeitige medizinische Rehabilitationsleistung bestehe weiterhin nicht.
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 55 bis 58 der Senatsakte Bezug genommen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat mit Schreiben vom 10.12.2011 ausgeführt, der Kläger sei weiterhin in seiner hausärztlichen Betreuung. Es bestehe eins psychosoziale Konfliktsituation, eine arterielle Hypertonie, ein Spannungskopfschmerz sowie ein psychovegetativer Erschöpfungszustand und eine Otitis externa links. Seit Februar 2011 sei der Kläger wegen akuter Beschwerden nicht mehr in seiner Behandlung gewesen. Insgesamt sei seit den Änderungen im Sommer 2011 eine leichte Entspannung der Situation eingetreten, die grundsätzlichen Probleme bestünden jedoch weiter. Das berufliche Umfeld des als Landwirt tätigen Klägers befinde sich nahezu ausschließlich in räumlichen Zusammenhang mit dem konfliktträchtigen Grill- und Spielplatz, so dass er bei seiner Berufsausübung ständig mit der belastenden Situation konfrontiert sei. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Landwirt sei erheblich gefährdet oder gemindert. Grundsätzlich bestünden auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten, zB eine konfliktzentrierten Gesprächs- oder Verhaltenstherapie unterstützt durch die schon vorbestehende stabilisierend-medikamentöse Behandlung. Versucht worden sei auch eine Mediation zwischen dem Kläger und der Gemeinde, die allerdings nur teilweise zu dem gewünschten Ergebnis geführt habe. Eine stationäre Maßnahme sei zumindest sinnvoll, da es ganz wesentlich auf eine auch räumliche Distanzierung von dem konflikthaften Lebensumfeld ankomme. Nachdem zumindest ansatzweise eine Verbesserungen durch die Reduzierung der Lärmbelastung im Bereich des Spiel- und Grillplatzes habe erreicht werden können, sei es im Rahmen eines stationären Heilverfahrens auch möglich, einen vorläufigen Schlussstrich unter die jahrelangen Auseinandersetzungen zu ziehen und dem Kläger Strategien zu vermitteln, mit den noch andauernden Belastungen besser umzugehen. Eine prognostische Einschätzung sei schwierig, da sie wesentlich von der Entwicklung des Konfliktes vor Ort abhänge, dem der Kläger aufgrund seiner Wohnsituation nicht ausweichen könne. Grundsätzlich halte er ein nochmaliges stationäres Heilverfahren jedoch für hilfreich und beurteile die Wahrscheinlichkeit einer (weiteren) Besserung zumindest mit überwiegend wahrscheinlich. Der Facharzt für Neurologie Dr. W. hat mit Schreiben vom 11.01.2012 mitgeteilt, den Kläger zuletzt am 16.09.2009 behandelt zu haben. Dieser sei seit 2008 wegen einer chronischen Anpassungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren, im weiteren Verlauf wegen psychosomatischen Beschwerdekomplex bei chronischer Belastungssituation behandelt worden. Soweit sich die Lebenssituation, insbesondere der Wohnort des Klägers nicht verändert habe, sei er in seiner beruflichen Tätigkeit als Landwirt durch psychosomatische Beschwerden erheblich eingeschränkt. Grundsätzlich sei er in seiner Erwerbsfähigkeit als Landwirt aber nicht gefährdet oder gemindert. Ambulante Behandlungsmöglichkeiten seien aus damaliger Sicht nicht erfolgversprechend gewesen, solange sich am Lebensumfeld nichts geändert habe. Die Durchführung einer stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation ist seines Erachtens aus damaligen Kenntnis des Patienten heraus nicht erfolgversprechend gewesen, solange sich am Umfeld nichts geändert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ablehnende Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009. Der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs.2 SGG).
Grundlage des klägerischen Begehrens nach Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist § 9 SGB VI. Dieses ist vorliegend nicht schon durch die rechtshindernden oder -vernichtenden materiell-rechtlichen Einwände des § 12 Abs 1 SGB VI ausgeschlossen, da deren Voraussetzungen nicht vorliegen. Dem Begehren steht auch nicht entgegen, dass nach § 12 Abs 2 Satz 1 SGB VI Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen zur Rehabilitation erbracht werden. Da mittlerweile seit der letzten vergleichbaren Leistung zur Rehabilitation in der Zeit vom 16.12.2007 bis zum 06.02.2008 bereits mehr als vier Jahre vergangen sind und zwischenzeitlich weder von der Beklagten noch einem anderen Rehabilitationsträger ähnliche Leistungen zur Rehabilitation erbracht wurden, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen iSd § 12 Abs 2 Satz 1 SGB VI dringend erforderlich sind.
Gemäß § 9 Abs 1 und 2 iVm §§ 13, 15 SGB VI kann der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe in Form einer medizinischen Rehabilitation erbringen, sofern die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 Abs 1 Nr 1 SGB VI sind erfüllt, denn der Kläger hat die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt.
Die persönlichen Voraussetzungen bestimmen sich nach § 10 SGB VI. Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 10 Abs 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, (1.) deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (2.) bei denen voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, oder (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so hat der Versicherte ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die begehrte Leistung zur Teilhabe bzw - sofern das Ermessen nur in einem bestimmten Sinne ausgeübt werden kann und jede andere Entscheidung fehlerhaft wäre ("Ermessensreduzierung auf Null") - auf Gewährung dieser Leistung. Ob diese Voraussetzungen vorliegen beurteilt sich nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden Sach- und Rechtslage (allgemeine Meinung zB BSGE 89, 294; LSG Nordrhein-Westfalen, 17.05.2010, L 3 R 254/10 ZVW; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 54 RdNr 34).
Nach Überzeugung des Senats ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit weder gemindert noch erheblich gefährdet. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung derzeit nicht nachgewiesen ist. Der Facharzt für Neurologie Dr. W. hat in seiner schriftlichen Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 11.01.2012 zwar ausgeführt, dass der Kläger ab dem Jahr 2008 wegen einer chronischen Anpassungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren bzw eines psychosomatischen Beschwerdekomplexes behandelt wurde, die letzte Behandlung allerdings bereits am 16.09.2009 war. Die Veränderung des äußeren Umfelds im Sommer 2011 ist ihm nicht mehr bekannt geworden. Eine weitere Behandlung hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Damit steht für den Senat fest, dass eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung auf nervenärztlichem Gebiet derzeit nicht (mehr) besteht. Auch beim Hausarzt war er jedenfalls in der Zeit von März 2011 bis 10.12.2011 (Datum der Auskunft von Dr. H.) nicht wegen einer Erkrankung in Behandlung. Eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers ist auch nicht wahrscheinlich, da sich selbst nach dem Vortrag des Klägers die Situation inzwischen sehr zum Positiven verändert hat, nachdem in der Gemeinde ein neuer Bürgermeister gewählt worden ist (Schriftsatz vom 23.05.2011). Im Übrigen betreibt der Kläger ganztags eine Landwirtschaft. Dies zeigt, dass die berufliche Belastbarkeit sogar für schwere Arbeiten vollständig erhalten ist. Aus dem Umstand, dass der Entlassbericht im Jahr 2008 eine Intervalltherapie empfohlen hatte, die bisher nicht umgesetzt wurde, kann kein Anspruch abgeleitet werden. Aufgrund des derzeit feststellbaren Sachverhalts ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit oder Behinderung weder gemindert noch gefährdet ist.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den Vorschriften anderer Rehabilitationsträger (§ 14 Abs 3 Satz 1 iVm §§ 5 und 6 SGB IX sowie § 40 SGB V). Denn auch insoweit konnte sich der Senat angesichts des Umstandes, dass der Kläger schon seit Jahren keine fach- und allgemeinärztliche Behandlung mehr in Anspruch genommen hat, nicht davon überzeugen, dass der Kläger überhaupt der Krankenbehandlung bedarf und eine solche ambulante Krankenbehandlung (§ 40 Abs 1 SGB V) nicht ausreichen sollte, um die in § 11 Abs 2 SGB V genannten Ziele zu erreichen. Dies wäre aber gerade Voraussetzung eines Rehabilitationsanspruch iSd Krankenversicherungsrechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger keinen Erfolg hatte.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
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