Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AS 1604/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 193/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Februar 2010 aufgehoben und die Klage – soweit nicht durch Teilanerkenntnis des Beklagten schon erledigt – abgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 und eine Erstattungsforderung über (zunächst) 15.866,90 EUR.
Der Kläger stand seit dem 1. Januar 2005 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 waren ihm Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 662,80 EUR bewilligt worden, mit Bescheid vom 1. Juni 2005 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 10. August 2005 Leistungen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 in Höhe von 835,90 EUR und mit Bescheid vom 30. November 2005 Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2006 in Höhe von 817,90 EUR. Mit Bescheid vom 3. März 2006 wurde die Leistungsbewilligung ab dem 1. Januar 2006 auf 577,90 EUR gekürzt, was mit Bescheid vom 20. April 2006 ab dem 1. April 2006 zurückgenommen wurde.
Am 5. April 2006 durchsuchte die Staatsanwaltschaft H. die Wohnung des Klägers im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei und fand Bargeld in Höhe von 17.000,- EUR. Der Geldbetrag wurde sichergestellt. Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-H1 vom 4. Oktober 2007 wurde der Kläger wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; er hatte zuvor gestanden, einen deliktisch erlangten PKW in Richtung A. verschifft und dies mit einem weiteren deliktisch erlangten PKW gemeinsam mit einem Komplizen noch vorgehabt zu haben.
Der Beklagte zahlte zuletzt am 25. April 2006 Leistungen an den Kläger aus. Nachdem er von der Beschlagnahme des Geldes erfahren hatte, hob er mit Bescheid vom 28. April 2006 die Bewilligungsbescheide vom 23. Dezember 2004, 1. Juni 2005 und 30. November 2005 teilweise in Höhe von 692,80 EUR monatlich ab dem 1. Januar 2005 auf und forderte den Kläger zur Erstattung überzahlter Leistungen einschließlich Versicherungsbeiträgen in Höhe von 17.140,62 EUR auf. Zur Begründung führte der Beklagte an, der Kläger habe Einkommen aus einem regen Handel mit Kraftfahrzeugen erzielt. Zur Zeit besitze er 17.000,- EUR. Es sei davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt durch diesen Handel ohne weiteres aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei er nicht mehr hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen nicht mehr bestehe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Annahme, er sei nicht hilfebedürftig, weil er einen Handel mit Kraftfahrzeugen betreibe, sei nicht haltbar. Sie gründe sich auf den einmaligen Vorgang der – erfolgten bzw. beabsichtigten – Verschiffung von zwei PKW nach A ... Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beschlagnahme der in Rede stehenden 17.000,- EUR sei mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 28. April 2006 zurückgewiesen worden mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass das Geld deliktisch erlangt worden sei oder konkreten Bezug zu einer Straftat habe. Das Geld habe der Kläger denn auch nicht etwa deliktisch, sondern anlässlich eines Aufenthalts in T. vom 10. Februar bis 24. März 2006 von seinem Cousin, Herrn M.A., erhalten, um damit in D. Computer für den Betrieb seines Internetcafés in L./ T. zu erwerben.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger insoweit angegeben, er hätte den Ankauf nach Rückkehr organisieren sollen. Es habe kein Zeitdruck bestanden, weil sein Cousin hinsichtlich der Verwendung der Computer keinen Fristen unterlegen sei. Einen Tag vor Abflug habe er das Bargeld erhalten. Nach der Beschlagnahme habe er seinen Cousin noch am selben Tag unterrichtet.
Im Verfahren des Cousins A1 gegen die Pfändung (AG Barmbek, Az. 812 C 249/07) hat dieser geltend gemacht, er betreibe im T. ein Internet-Cafe und habe dafür gebrauchte PCs benötigt, die der Kläger habe erwerben sollen. Er hat dazu eine eidesstattliche Versicherung vom 16. August 2006 vorgelegt. In der öffentlichen Sitzung vom 14. Juli 2008 im dortigen Verfahren hat der Kläger bekundet, dass sein Cousin ihn gebeten habe, für einen Dritten, der ein Internet-Cafe habe eröffnen wollen, Computerteile zu besorgen. Es sei ihm überlassen gewesen, welche Teile er kaufen wolle. Zwei Tage vor Abflug habe er das Bargeld erhalten. Wenn das Geld nicht reichen würde, habe er Bescheid geben sollen. Auf Nachfrage hat er erklärt, er hätte Computer gekauft, bis das Geld verbraucht gewesen wäre. Die Computer hätten eine Leistungsfähigkeit von "500 oder 600" haben sollen. Mit Urteil vom 14. Juli 2008 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen; der Sachvortrag sei frei erfunden. Das Urteil ist rechtskräftig.
Im sozialgerichtlichen Eilverfahren S 50 AS 1100/06 ER hat der Kläger einen an ihn gerichteten Brief seines Cousins vom 21. Juni 2006 vorgelegt, in dem dieser nach dem Sachstand hinsichtlich der Computer fragt: Er müsse seinen Kunden Auskunft geben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 änderte der Beklagte die zu erstattende Summe auf 15.866,90 EUR ab, wies den Widerspruch im Übrigen aber als unbegründet zurück: Es bestünden erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers. Hilfebedürftig sei gemäß § 9 Abs. 1 SGB II nur, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne. Nach den vorliegenden Informationen verfüge der Kläger über Einkommen oder Vermögen, welches zur Deckung des Lebensunterhaltes ausreiche. Dies werde durch die bei ihm gefundenen 17.000,- EUR deutlich, aber auch durch den Umstand, dass er sich im Leistungsbezug einen PKW habe anschaffen und diverse Versicherungsprämien habe zahlen können.
Am 14. August 2006 hat der Kläger Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass die Geldsumme von 17.000,- EUR nicht ihm, sondern Herrn A1 gehört habe.
Der Beklagte hat nach Zurückweisung des staatsanwaltschaftlichen Antrages auf Beschlagnahme der sichergestellten Gelder durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 28. April 2006 den Betrag von 17.000,- EUR am 4. Mai 2006 pfänden lassen und die Herausgabe an das Hauptzollamt H. angeordnet. Die Summe wurde dem Hauptzollamt am 4. Mai 2006 übergeben und mit der Erstattungsschuld des Klägers verrechnet; dieser erhielt am 12. Oktober 2006 von dem Beklagten die restlichen 1.133,10 EUR zurück.
Auf Hinweis des Sozialgerichts, dass dem Kläger infolge der Beschlagnahme der Geldbetrag von 17.000,- EUR ab dem 5. April 2006 nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, hat der Beklagte erklärt, dass in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 4. April 2006 Leistungen in Höhe von 14.243,62 EUR an den Kläger geflossen seien.
Mit Urteil vom 1. Februar 2010 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Beklagte sei weder nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch nach § 48 SGB X berechtigt gewesen, die Leistungsbescheide aufzuheben und vom Kläger nach § 50 SGB X Erstattung der seit dem 1. Januar 2005 gewährten Gelder zu verlangen. Es lasse sich nämlich nicht feststellen, wann genau dem Kläger der bei ihm am 5. April 2006 aufgefundene Betrag von 17.000,- EUR zugeflossen und damit die Leistungsberechtigung weggefallen sei. Zwar sage der Kläger nach Überzeugung des Gerichts die Unwahrheit über Herkunft, Zweck und Zuflusszeitpunkt des Geldes; gleichwohl beruhe jedes Aufhebungsdatum vor dem 5. April 2006 allein auf Spekulationen. Hierauf könne aber eine Aufhebungsentscheidung nach §§ 45, 48 SGB X nicht gestützt werden. Und auch ab dem 5. April 2006 könne keine Aufhebung erfolgen, da dem Kläger ab diesem Tag aufgrund der Beschlagnahme und späteren Pfändung des Geldes dieses nicht mehr zur Verfügung gestanden habe.
Gegen das am 7. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 6. Juli 2010 Berufung eingelegt. Aufgrund der deliktischen Herkunft des Geldes trete eine Beweislastumkehr ein, der Kläger habe danach zu belegen, dass er durchgehend hilfebedürftig gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2012 hat der Beklagte die Erstattungsforderung aus den angefochtenen Bescheiden auf einen Betrag von 12.950,62 Euro reduziert. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist auch begründet.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Leistungsbewilligungen an den Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 sowie die entsprechende Rückforderung. Insoweit geht es um die Bescheide vom 28. April 2006 und 26. Juli 2006 in Gestalt des Teilanerkenntnisses des Beklagten.
1. Formell sind die Bescheide nicht zu beanstanden. Der Bestimmtheitsgrundsatz (§ 33 Abs. 1 SGB X) verlangt, dass ein Verwaltungsakt so eindeutig formuliert ist, dass sich ohne Rückfrage für den Adressaten ergibt, was die Behörde regelt bzw. was von ihm verlangt wird. Ob eine danach hinreichend bestimmte Verfügung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln, deren Maßstab die Sicht eines verständigen Empfängers ist (vgl. Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 33 Rn. 3 m.w.N.). Der Senat hat im Urteil vom 20. Oktober 2011 (L 5 AS 87/08) ausgeführt:
"Ein Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid muss mithin den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nicht bloß durch Benennung eines nach Anfang und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages bestimmen, sondern auch die jeweils betroffenen Bewilligungsbescheide nach ihrem Datum bezeichnen. Ob zudem auch sämtliche Änderungsbescheide zu benennen und weiterhin – ggfs. monatsbezogen – anzugeben ist, für welchen (Teil-)Zeitraum die Bewilligungsbescheide in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.8.2011 – L 15 AS 1036/09 m.w.N.), oder ob dies stattdessen eine Frage der hinreichenden – und gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nachholbaren – Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X) ist, kann hier offengelassen werden."
So liegt es auch hier. Denn der Beklagte hat mit dem Widerspruchsbescheid allen Voraussetzungen genügt: Zwar sind im Ausgangsbescheid lediglich in der Betreffzeile die aufgehobenen Leistungsbescheide genannt und wird im Tenor eine teilweise monatliche Aufhebung in Höhe von 692,80 EUR verfügt, die nicht für jeden Monat des Aufhebungszeitraumes gelten kann. Der Widerspruchsbescheid benennt jedoch in seiner Begründung die einschlägigen Bewilligungs- und Änderungsbescheide, listet monatsweise die bewilligten Beträge, unterschieden nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft sowie Kranken-und Pflegeversicherungsbeiträgen, auf und addiert diese zu dem verfügten Aufhebungs- und Erstattungsbetrag.
2. Die Rücknahme der Leistungsbewilligung ist nach § 45 SGB X auch materiell gerechtfertigt. Die Leistungsbescheide waren wegen fehlender Hilfebedürftigkeit des Klägers aufgrund Vermögens (§§ 7, 9, 12 SGB II) von Anfang an – bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung am 5. April 2006; insoweit hat der Beklagte in seinem Teilanerkenntnis die Aufhebung konkludent begrenzt – rechtswidrig. Es greift auch der Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X durch. Dem Kläger war die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide bekannt bzw. aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt. Gem. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III besteht im Rahmen des § 45 SGB X kein Ermessen des Beklagten.
Zwar kann nicht festgestellt werden, wann der Kläger das Geldvermögen von 17.000,- EUR, das bei ihm am 5. April 2006 aufgefunden wurde, erlangte (dazu a.). Die Beweislast trifft insoweit jedoch den Kläger (dazu b.).
a. Die Angaben des Klägers zur Erlangung des Bargeldvermögens von 17.000,- EUR sind unglaubhaft. Widersprüchlich sind bereits die Angaben zu dem Betreiber des Internet-Cafes, für den die Computer mit dem Geld erworben werden sollten. Sowohl der Kläger als auch sein Cousin haben in den verschiedenen gerichtlichen Verfahren zwei Versionen präsentiert: Der Cousin selbst sei der Betreiber bzw. es handele sich um einen Dritten, für den der Cousin den Erwerb organisiere. Widersprüchlich sind auch die Angaben zum Zeitpunkt der Übergabe des Geldes: In diesem Verfahren hat der Kläger angegeben, er habe das Geld einen Tag vor Abreise nach D. erhalten; im zivilrechtlichen Verfahren hat er es zwei Tage vor Abreise erhalten haben wollen. Widersprüchlich ist ferner, dass der Kläger seinen Cousin noch am Tag der Beschlagnahme des Geldes, also am 5. April 2006, über die Geschehnisse informiert haben will, während er im Eilverfahren S 50 AS 1100/06 ER einen Brief seines Cousins vom 21. Juni 2006 vorgelegt hat, in dem dieser nach dem Fortgang des Computererwerbs fragt, als ob er von der Beschlagnahme nicht wisse.
Unglaubhaft ist die angebliche Beauftragung des Klägers schließlich auch deshalb, weil er ausweislich des Protokolls des zivilgerichtlichen Verfahrens nicht einmal ansatzweise über Kenntnisse hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Computern verfügte – ein Maß der Leistungsfähigkeit von 500 oder 600 existiert nicht – und zudem der angebliche Umfang seines Auftrags ganz unplausibel ist. Nach seinen Angaben hat er nämlich einerseits über den Betrag hinaus weiteres Geld abfordern können, wenn die 17.000,- EUR nicht gereicht hätten; andererseits hat er aber nur diesen Betrag ausgeben wollen, so dass die Option einer Nachforderung völlig sinnlos erscheint. Über den tatsächlichen Bedarf eines Internet-Cafes hatte er offenbar überhaupt keine Vorstellung.
b. Obliegt im Regelfall die Beweislast für die Voraussetzungen der Rücknahme dem Beklagten, ist hier von einer Beweislastumkehr auszugehen zulasten des Klägers mit der Folge, dass eine Vermögensinhaberschaft von Anfang an, also seit Antragstellung am 22. Dezember 2004, anzunehmen ist. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Beweislastverteilung ist nämlich dann gerechtfertigt, wenn in der persönlichen Sphäre oder im Verantwortungsbereich des Leistungsempfängers wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Hilfebedürftigen vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 24.5.2006 – B 11a AL 7/05 R; Urteil vom 26.11.1992 – 7 Rar 38/92; LSG Hamburg, Beschluss vom 23.1.2012 – L 4 AS 411/11 B PKH; BayLSG, Beschluss vom 23.6.2010 – L 10 AL 397/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.2009 – L 7 AS 3135/07; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.4.2009 – L 20 AS 302/09 B ER). So liegt es hier. Es steht fest, dass der Kläger über Vermögen verfügte, welches er dem Beklagten verschwiegen hat. Zu welchem Zeitpunkt der Kläger das Vermögen erlangte, ist allein seiner persönlichen Sphäre und Kenntnis zuzuordnen. Daher trifft ihn die Beweislast dafür, dass er nicht schon von Anfang an über das Vermögen verfügen konnte und seine Hilfebedürftigkeit nicht aus diesem Grund ausgeschlossen war. Solange der Kläger diesen Beweis nicht führt, kann der Beklagte zu Recht nur von dem für den Kläger nachteiligen Sachverhalt der anfänglichen Vermögensinhaberschaft ausgehen.
c. Ob der Kläger Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 1 oder 2 SGB X geltend machen kann – er hat insoweit nichts vorgetragen –, kann dahinstehen. Denn die Beweislastumkehr führt zugleich dazu, dass die Voraussetzungen des Ausschlusses von Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X als gegeben anzusehen sind. Muss nämlich von dem Vorhandensein von Vermögen ausgegangen werden, liegt in der Konsequenz dessen die Anschauung, dass der Kläger das Fehlen seiner Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung und damit die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte.
3. Die Erstattungsforderung ist nach § 50 Abs. 1 SGB X gerechtfertigt und nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Erstattungsbetrag von 12.950,62 EUR entspricht den tatsächlichen Leistungen an den Kläger aufgrund der in den Rücknahmebescheiden aufgehobenen Leistungsbewilligungen im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 4. April 2006.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses des Beklagten.
Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 und eine Erstattungsforderung über (zunächst) 15.866,90 EUR.
Der Kläger stand seit dem 1. Januar 2005 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 waren ihm Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 662,80 EUR bewilligt worden, mit Bescheid vom 1. Juni 2005 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 10. August 2005 Leistungen vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 in Höhe von 835,90 EUR und mit Bescheid vom 30. November 2005 Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2006 in Höhe von 817,90 EUR. Mit Bescheid vom 3. März 2006 wurde die Leistungsbewilligung ab dem 1. Januar 2006 auf 577,90 EUR gekürzt, was mit Bescheid vom 20. April 2006 ab dem 1. April 2006 zurückgenommen wurde.
Am 5. April 2006 durchsuchte die Staatsanwaltschaft H. die Wohnung des Klägers im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens wegen Hehlerei und fand Bargeld in Höhe von 17.000,- EUR. Der Geldbetrag wurde sichergestellt. Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg-H1 vom 4. Oktober 2007 wurde der Kläger wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt; er hatte zuvor gestanden, einen deliktisch erlangten PKW in Richtung A. verschifft und dies mit einem weiteren deliktisch erlangten PKW gemeinsam mit einem Komplizen noch vorgehabt zu haben.
Der Beklagte zahlte zuletzt am 25. April 2006 Leistungen an den Kläger aus. Nachdem er von der Beschlagnahme des Geldes erfahren hatte, hob er mit Bescheid vom 28. April 2006 die Bewilligungsbescheide vom 23. Dezember 2004, 1. Juni 2005 und 30. November 2005 teilweise in Höhe von 692,80 EUR monatlich ab dem 1. Januar 2005 auf und forderte den Kläger zur Erstattung überzahlter Leistungen einschließlich Versicherungsbeiträgen in Höhe von 17.140,62 EUR auf. Zur Begründung führte der Beklagte an, der Kläger habe Einkommen aus einem regen Handel mit Kraftfahrzeugen erzielt. Zur Zeit besitze er 17.000,- EUR. Es sei davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt durch diesen Handel ohne weiteres aus eigenen Mitteln bestreiten könne. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei er nicht mehr hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen nicht mehr bestehe.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Annahme, er sei nicht hilfebedürftig, weil er einen Handel mit Kraftfahrzeugen betreibe, sei nicht haltbar. Sie gründe sich auf den einmaligen Vorgang der – erfolgten bzw. beabsichtigten – Verschiffung von zwei PKW nach A ... Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beschlagnahme der in Rede stehenden 17.000,- EUR sei mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 28. April 2006 zurückgewiesen worden mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass das Geld deliktisch erlangt worden sei oder konkreten Bezug zu einer Straftat habe. Das Geld habe der Kläger denn auch nicht etwa deliktisch, sondern anlässlich eines Aufenthalts in T. vom 10. Februar bis 24. März 2006 von seinem Cousin, Herrn M.A., erhalten, um damit in D. Computer für den Betrieb seines Internetcafés in L./ T. zu erwerben.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger insoweit angegeben, er hätte den Ankauf nach Rückkehr organisieren sollen. Es habe kein Zeitdruck bestanden, weil sein Cousin hinsichtlich der Verwendung der Computer keinen Fristen unterlegen sei. Einen Tag vor Abflug habe er das Bargeld erhalten. Nach der Beschlagnahme habe er seinen Cousin noch am selben Tag unterrichtet.
Im Verfahren des Cousins A1 gegen die Pfändung (AG Barmbek, Az. 812 C 249/07) hat dieser geltend gemacht, er betreibe im T. ein Internet-Cafe und habe dafür gebrauchte PCs benötigt, die der Kläger habe erwerben sollen. Er hat dazu eine eidesstattliche Versicherung vom 16. August 2006 vorgelegt. In der öffentlichen Sitzung vom 14. Juli 2008 im dortigen Verfahren hat der Kläger bekundet, dass sein Cousin ihn gebeten habe, für einen Dritten, der ein Internet-Cafe habe eröffnen wollen, Computerteile zu besorgen. Es sei ihm überlassen gewesen, welche Teile er kaufen wolle. Zwei Tage vor Abflug habe er das Bargeld erhalten. Wenn das Geld nicht reichen würde, habe er Bescheid geben sollen. Auf Nachfrage hat er erklärt, er hätte Computer gekauft, bis das Geld verbraucht gewesen wäre. Die Computer hätten eine Leistungsfähigkeit von "500 oder 600" haben sollen. Mit Urteil vom 14. Juli 2008 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen; der Sachvortrag sei frei erfunden. Das Urteil ist rechtskräftig.
Im sozialgerichtlichen Eilverfahren S 50 AS 1100/06 ER hat der Kläger einen an ihn gerichteten Brief seines Cousins vom 21. Juni 2006 vorgelegt, in dem dieser nach dem Sachstand hinsichtlich der Computer fragt: Er müsse seinen Kunden Auskunft geben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2006 änderte der Beklagte die zu erstattende Summe auf 15.866,90 EUR ab, wies den Widerspruch im Übrigen aber als unbegründet zurück: Es bestünden erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers. Hilfebedürftig sei gemäß § 9 Abs. 1 SGB II nur, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne. Nach den vorliegenden Informationen verfüge der Kläger über Einkommen oder Vermögen, welches zur Deckung des Lebensunterhaltes ausreiche. Dies werde durch die bei ihm gefundenen 17.000,- EUR deutlich, aber auch durch den Umstand, dass er sich im Leistungsbezug einen PKW habe anschaffen und diverse Versicherungsprämien habe zahlen können.
Am 14. August 2006 hat der Kläger Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass die Geldsumme von 17.000,- EUR nicht ihm, sondern Herrn A1 gehört habe.
Der Beklagte hat nach Zurückweisung des staatsanwaltschaftlichen Antrages auf Beschlagnahme der sichergestellten Gelder durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 28. April 2006 den Betrag von 17.000,- EUR am 4. Mai 2006 pfänden lassen und die Herausgabe an das Hauptzollamt H. angeordnet. Die Summe wurde dem Hauptzollamt am 4. Mai 2006 übergeben und mit der Erstattungsschuld des Klägers verrechnet; dieser erhielt am 12. Oktober 2006 von dem Beklagten die restlichen 1.133,10 EUR zurück.
Auf Hinweis des Sozialgerichts, dass dem Kläger infolge der Beschlagnahme der Geldbetrag von 17.000,- EUR ab dem 5. April 2006 nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, hat der Beklagte erklärt, dass in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 4. April 2006 Leistungen in Höhe von 14.243,62 EUR an den Kläger geflossen seien.
Mit Urteil vom 1. Februar 2010 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Der Beklagte sei weder nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) noch nach § 48 SGB X berechtigt gewesen, die Leistungsbescheide aufzuheben und vom Kläger nach § 50 SGB X Erstattung der seit dem 1. Januar 2005 gewährten Gelder zu verlangen. Es lasse sich nämlich nicht feststellen, wann genau dem Kläger der bei ihm am 5. April 2006 aufgefundene Betrag von 17.000,- EUR zugeflossen und damit die Leistungsberechtigung weggefallen sei. Zwar sage der Kläger nach Überzeugung des Gerichts die Unwahrheit über Herkunft, Zweck und Zuflusszeitpunkt des Geldes; gleichwohl beruhe jedes Aufhebungsdatum vor dem 5. April 2006 allein auf Spekulationen. Hierauf könne aber eine Aufhebungsentscheidung nach §§ 45, 48 SGB X nicht gestützt werden. Und auch ab dem 5. April 2006 könne keine Aufhebung erfolgen, da dem Kläger ab diesem Tag aufgrund der Beschlagnahme und späteren Pfändung des Geldes dieses nicht mehr zur Verfügung gestanden habe.
Gegen das am 7. Juni 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 6. Juli 2010 Berufung eingelegt. Aufgrund der deliktischen Herkunft des Geldes trete eine Beweislastumkehr ein, der Kläger habe danach zu belegen, dass er durchgehend hilfebedürftig gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2012 hat der Beklagte die Erstattungsforderung aus den angefochtenen Bescheiden auf einen Betrag von 12.950,62 Euro reduziert. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Die Berufung ist auch begründet.
II.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Leistungsbewilligungen an den Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 sowie die entsprechende Rückforderung. Insoweit geht es um die Bescheide vom 28. April 2006 und 26. Juli 2006 in Gestalt des Teilanerkenntnisses des Beklagten.
1. Formell sind die Bescheide nicht zu beanstanden. Der Bestimmtheitsgrundsatz (§ 33 Abs. 1 SGB X) verlangt, dass ein Verwaltungsakt so eindeutig formuliert ist, dass sich ohne Rückfrage für den Adressaten ergibt, was die Behörde regelt bzw. was von ihm verlangt wird. Ob eine danach hinreichend bestimmte Verfügung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln, deren Maßstab die Sicht eines verständigen Empfängers ist (vgl. Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 33 Rn. 3 m.w.N.). Der Senat hat im Urteil vom 20. Oktober 2011 (L 5 AS 87/08) ausgeführt:
"Ein Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid muss mithin den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nicht bloß durch Benennung eines nach Anfang und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages bestimmen, sondern auch die jeweils betroffenen Bewilligungsbescheide nach ihrem Datum bezeichnen. Ob zudem auch sämtliche Änderungsbescheide zu benennen und weiterhin – ggfs. monatsbezogen – anzugeben ist, für welchen (Teil-)Zeitraum die Bewilligungsbescheide in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 10.8.2011 – L 15 AS 1036/09 m.w.N.), oder ob dies stattdessen eine Frage der hinreichenden – und gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nachholbaren – Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X) ist, kann hier offengelassen werden."
So liegt es auch hier. Denn der Beklagte hat mit dem Widerspruchsbescheid allen Voraussetzungen genügt: Zwar sind im Ausgangsbescheid lediglich in der Betreffzeile die aufgehobenen Leistungsbescheide genannt und wird im Tenor eine teilweise monatliche Aufhebung in Höhe von 692,80 EUR verfügt, die nicht für jeden Monat des Aufhebungszeitraumes gelten kann. Der Widerspruchsbescheid benennt jedoch in seiner Begründung die einschlägigen Bewilligungs- und Änderungsbescheide, listet monatsweise die bewilligten Beträge, unterschieden nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft sowie Kranken-und Pflegeversicherungsbeiträgen, auf und addiert diese zu dem verfügten Aufhebungs- und Erstattungsbetrag.
2. Die Rücknahme der Leistungsbewilligung ist nach § 45 SGB X auch materiell gerechtfertigt. Die Leistungsbescheide waren wegen fehlender Hilfebedürftigkeit des Klägers aufgrund Vermögens (§§ 7, 9, 12 SGB II) von Anfang an – bis zum Zeitpunkt der Sicherstellung am 5. April 2006; insoweit hat der Beklagte in seinem Teilanerkenntnis die Aufhebung konkludent begrenzt – rechtswidrig. Es greift auch der Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X durch. Dem Kläger war die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide bekannt bzw. aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt. Gem. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III besteht im Rahmen des § 45 SGB X kein Ermessen des Beklagten.
Zwar kann nicht festgestellt werden, wann der Kläger das Geldvermögen von 17.000,- EUR, das bei ihm am 5. April 2006 aufgefunden wurde, erlangte (dazu a.). Die Beweislast trifft insoweit jedoch den Kläger (dazu b.).
a. Die Angaben des Klägers zur Erlangung des Bargeldvermögens von 17.000,- EUR sind unglaubhaft. Widersprüchlich sind bereits die Angaben zu dem Betreiber des Internet-Cafes, für den die Computer mit dem Geld erworben werden sollten. Sowohl der Kläger als auch sein Cousin haben in den verschiedenen gerichtlichen Verfahren zwei Versionen präsentiert: Der Cousin selbst sei der Betreiber bzw. es handele sich um einen Dritten, für den der Cousin den Erwerb organisiere. Widersprüchlich sind auch die Angaben zum Zeitpunkt der Übergabe des Geldes: In diesem Verfahren hat der Kläger angegeben, er habe das Geld einen Tag vor Abreise nach D. erhalten; im zivilrechtlichen Verfahren hat er es zwei Tage vor Abreise erhalten haben wollen. Widersprüchlich ist ferner, dass der Kläger seinen Cousin noch am Tag der Beschlagnahme des Geldes, also am 5. April 2006, über die Geschehnisse informiert haben will, während er im Eilverfahren S 50 AS 1100/06 ER einen Brief seines Cousins vom 21. Juni 2006 vorgelegt hat, in dem dieser nach dem Fortgang des Computererwerbs fragt, als ob er von der Beschlagnahme nicht wisse.
Unglaubhaft ist die angebliche Beauftragung des Klägers schließlich auch deshalb, weil er ausweislich des Protokolls des zivilgerichtlichen Verfahrens nicht einmal ansatzweise über Kenntnisse hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Computern verfügte – ein Maß der Leistungsfähigkeit von 500 oder 600 existiert nicht – und zudem der angebliche Umfang seines Auftrags ganz unplausibel ist. Nach seinen Angaben hat er nämlich einerseits über den Betrag hinaus weiteres Geld abfordern können, wenn die 17.000,- EUR nicht gereicht hätten; andererseits hat er aber nur diesen Betrag ausgeben wollen, so dass die Option einer Nachforderung völlig sinnlos erscheint. Über den tatsächlichen Bedarf eines Internet-Cafes hatte er offenbar überhaupt keine Vorstellung.
b. Obliegt im Regelfall die Beweislast für die Voraussetzungen der Rücknahme dem Beklagten, ist hier von einer Beweislastumkehr auszugehen zulasten des Klägers mit der Folge, dass eine Vermögensinhaberschaft von Anfang an, also seit Antragstellung am 22. Dezember 2004, anzunehmen ist. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Beweislastverteilung ist nämlich dann gerechtfertigt, wenn in der persönlichen Sphäre oder im Verantwortungsbereich des Leistungsempfängers wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Hilfebedürftigen vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 24.5.2006 – B 11a AL 7/05 R; Urteil vom 26.11.1992 – 7 Rar 38/92; LSG Hamburg, Beschluss vom 23.1.2012 – L 4 AS 411/11 B PKH; BayLSG, Beschluss vom 23.6.2010 – L 10 AL 397/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.2009 – L 7 AS 3135/07; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.4.2009 – L 20 AS 302/09 B ER). So liegt es hier. Es steht fest, dass der Kläger über Vermögen verfügte, welches er dem Beklagten verschwiegen hat. Zu welchem Zeitpunkt der Kläger das Vermögen erlangte, ist allein seiner persönlichen Sphäre und Kenntnis zuzuordnen. Daher trifft ihn die Beweislast dafür, dass er nicht schon von Anfang an über das Vermögen verfügen konnte und seine Hilfebedürftigkeit nicht aus diesem Grund ausgeschlossen war. Solange der Kläger diesen Beweis nicht führt, kann der Beklagte zu Recht nur von dem für den Kläger nachteiligen Sachverhalt der anfänglichen Vermögensinhaberschaft ausgehen.
c. Ob der Kläger Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 1 oder 2 SGB X geltend machen kann – er hat insoweit nichts vorgetragen –, kann dahinstehen. Denn die Beweislastumkehr führt zugleich dazu, dass die Voraussetzungen des Ausschlusses von Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X als gegeben anzusehen sind. Muss nämlich von dem Vorhandensein von Vermögen ausgegangen werden, liegt in der Konsequenz dessen die Anschauung, dass der Kläger das Fehlen seiner Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung und damit die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung kannte.
3. Die Erstattungsforderung ist nach § 50 Abs. 1 SGB X gerechtfertigt und nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Erstattungsbetrag von 12.950,62 EUR entspricht den tatsächlichen Leistungen an den Kläger aufgrund der in den Rücknahmebescheiden aufgehobenen Leistungsbewilligungen im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 4. April 2006.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses des Beklagten.
Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
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