Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 4739/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 250/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen der bei ihm als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente zusteht.
Der 1944 geborene Kläger war von 1958 bis Dezember 2002 bei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiter, Baggerfahrer und Maschinenführer beschäftigt. Danach war er arbeitslos bzw. zeitweise arbeitsunfähig erkrankt. Ab 01.07.2006 bezieht der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 22.08.2006). Außerdem gewährt die Beklagte in Ausführung des Urteils des Senats vom 28.01.2011 (L 8 U 4946/08) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H. ab 07.12.2002 wegen der festgestellten Berufskrankheit nach Nr. 2108 und Nr. 2110 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Im Juni 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV unter Vorlage des Befundberichtes des HNO-Arztes Dr. G. vom 17.06.2009 (Diagnose: geringgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts, mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit mit Tinnitus). Die Beklagte veranlasste die Angaben des Klägers vom 20.07.2009 zum Beschwerdeverlauf und zu seinem beruflichen Werdegang in dem ihm hierzu übersandten Vordruck und nahm ergänzend die ermittelten Beschäftigungszeiten aus dem Berufskrankheitenverfahren zur Wirbelsäulenerkrankung zu den Akten (Schreiben des Sachbearbeiters vom 10.02.2010). Im Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten vom 24.03.2010 beurteilte Dipl.-Ing. S. die Lärmexposition des Klägers als Bagger-, Raupen- und Radlagerfahrer im Zeitraum vom 25.02.1985 bis 06.12.2002 sowie während Beschäftigungszeiten als Bauhelfer 1963 und 1969 bis 1972 mit einem Beurteilungspegel von 85-90 dB(A). In dem Gutachten vom 07.05.2010 kam HNO-Arzt Dr. W. zu dem Ergebnis, die potenziell gehörschädigende Lärmexposition mit einem Beurteilungspegel von 85-90 dB(A) sei ursächlich für den Innenohrschaden, wie ihn das rechte Ohr des Klägers aufweise. Nicht lärmbedingt sei der Schallleitungsanteil des Hörschadens links und der nach Beendigung der Berufstätigkeit aufgetretene Tinnitus links. Die Hörminderung des linken Ohres sei Ausdruck der gestörten Mittelohrfunktion aufgrund hochgradiger Einschränkung der Trommelfellbeweglichkeit. Die Gesamt-MdE aus lärmbedingter und lärmunabhängiger Schwerhörigkeit ergebe bei einem Hörverlust rechts von 10 % und links von 40 % eine MdE von unter 10 v.H.
Mit Bescheid vom 19.05.2010 stellte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Berufskrankheiten-Liste (Lärmschwerhörigkeit) fest und lehnte die Gewährung einer Rente ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, denn der Tinnitus bestehe bereits seit Jahrzehnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Gutachten vom 07.05.2010 sei schlüssig und widerspruchsfrei. Den eigenen Angaben des Klägers vom 20.07.2009 zufolge sei der Tinnitus erstmals 2004 bemerkt worden.
Der Kläger erhob am 15.09.2010 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg mit dem Begehren, ihm wegen der festgestellten Berufskrankheit "Lärmschwerhörigkeit" Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H., hilfsweise von 10 v.H., zu bezahlen.
Das Sozialgericht holte von Amts wegen das Gutachten vom 07.12.2010 ein. Darin führte die Sachverständige Dr. F. aus, beim Kläger sei eine Tympanosklerose mit vollständig aufgehobener Trommelfellbeweglichkeit beidseits und eine kombinierte Hörstörung beidseits, links stärker ausgeprägt als rechts, sowie ein chronischer Pfeiftinnitus links zu diagnostizieren. Der Hörverlust aufgrund der Kurve für die Knochenleitung, was den Innenohrhörverlust angebe, betrage rechts 0 % und links 5 %. Der Hörverlust nach dem Verlauf der Luftleitung, was den Mittelohrhörverlust angebe, betrage rechts 20 % und links 45 %. Die beidseits stark verdickten Trommelfelle und vollständig aufgehobene Trommelfellbeweglichkeit sprächen dafür, dass bereits die Schallübertragung in beiden Mittelohren stark eingeschränkt sei. Nach den Audiogrammen ergebe sich im Hochtonbereich rechts eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit maximalem Hörverlust bei 4 kHz, was der typischen C5–Hochtonsenke eines Lärmschadens entspreche. Der Knochenleitungsverlust links entspreche in etwa dem Innenohrhörverlust im Hochtonbereich rechts. Hiervon könne eindeutig der darüber hinausgehende beidseitige Hörverlust abgegrenzt werden, welcher Folge der Hörstörung in beiden Mittelohren und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit tympanosklerotisch bedingt sei. Die lärmbedingte Innenohrschwerhörigkeit begründe eine MdE von unter 10 v.H. Der Tinnitus des linken Ohres sei nicht lärmbedingt, sondern auf die tympanosklerotischen Veränderungen, die im linken Mittelohr auch deutlich stärker ausgeprägt seien als rechts, zurückzuführen.
Der Kläger erhob gegen das Gutachten die Einwände, dass das Königsteiner Merkblatt keine geeignete Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit sei und die Sachverständige die Ablehnung des Tinnitus als Folge der Berufskrankheit nur behaupte und nicht begründe.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, das Königsteiner Merkblatt sei ein allgemein anerkanntes Hilfsmittel zur Beurteilung der Lärmschwerhörigkeit. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. F. stimme mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten überein. Auch die Beurteilung, dass der Titus des Klägers lärmunabhängig sei, sei nachvollziehbar. Ein lärmbedingter Tinnitus liege nach medizinischer Erkenntnis im Bereich der durch Lärm hörgeschädigten Frequenzen, was beim Kläger nach den Feststellungen in beiden Gutachten nicht der Fall sei.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 17.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 17.01.2012 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, die nicht begründet worden ist.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.12.2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H., hilfsweise nach einer MdE um 10 v.H., zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens und des sozialgerichtlichen Verfahrens.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts und außerdem die Akten der Berufungsverfahren L 11 R 3440/08 und L 8 U 4946/08 beigezogen. Auf diese Unterlagen und die im vorliegenden Verfahren angefallene Berufungsakte des Senats wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des Klägers und seines Bevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat verhandeln und entscheiden können, denn der ordnungsgemäß geladene Klägerbevollmächtigte ist in der Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Eine Terminsaufhebung ist nicht erfolgt und dem Klägerbevollmächtigten daher auch nicht zugegangen, weshalb er trotz seines erklärten Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht von einer Terminsaufhebung hat ausgehen können.
Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Zahlung einer Verletztenrente abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu demselben Ergebnis; er nimmt zur Begründung seiner Entscheidung und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids, der die Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze zur Gewährung einer Verletztenrente zutreffend darlegt, vollinhaltlich Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger gerügten MdE-Bewertungsansätze im Königsteiner Merkblatt auch in der neuesten unfallmedizinischen Literatur weiter zitiert werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 344 und S. 337 Fßn. 88), weshalb auch der Senat keine Anhaltspunkte dafür hat, dass die Leitlinien des Königsteiner Merkblatts nicht mehr der herrschenden wissenschaftlichen- arbeits- und sozialmedizinischen Lehrmeinung entsprechen.
Darüber hinaus ist nach den Erstangaben des Klägers in den von ihm unter dem 20.07.2009 unterschriebenen Formularvordrucken das Ohrgeräusch erstmals 2004 aufgetreten und bestand seit dem Jahre 2008 in dem jetzigen Ausmaß. Die spätere Behauptung des Klägers - nach Vorlage des Gutachtens von Dr. W. mit der Beurteilung des Tinnitus als nach Ende der Berufstätigkeit aufgetretener Nachschaden -, der Tinnitus habe schon zur Zeit seiner bis 2002 dauernden Berufstätigkeit bestanden, ist zur Überzeugung des Senats als prozesstaktisches Vorbringen wenig glaubhaft. Seine zuerst gemachten Angaben hatte der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. W. am 05.05.2010 noch mit seiner Schilderung bestätigt, das Ohrgeräusch bestehe links seit etwa sechs Jahren, sei persistierend, sporadisch trete auch ein Ohrgeräusch rechts auf. Beide Ohrgeräusche würden insgesamt als wenig belästigend empfunden. Dies rechtfertigt es nicht nach den Bewertungskriterien der unfallmedizinischen Literatur, dem Tinnitus MdE-erhöhende Wirkung beizumessen, selbst dann, wenn der Tinnitus als Berufskrankheitenfolge zu berücksichtigen wäre. Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche sind zwei Symptome des lärmgeschädigten Innenohres. Ohrgeräusche sind deshalb bei der MdE-Einschätzung im Rahmen der Gesamt-MdE (Hörverlust und Ohrgeräusche) integrierend zu bewerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 351). Abgesehen davon ist auch für den Senat die Beurteilung der Sachverständigen Dr. F. überzeugend, dass der verstärkt am linken Ohr auftretende Tinnitus durch die dort auch am ausgeprägtesten vorhandenen tympanosklerotischen Veränderungen verursacht wird, und daher insgesamt nicht auf die berufliche Lärmeinwirkung zurückzuführen ist.
Damit sind die Tatbestandsmerkmale zur Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalls der Lärmschwerhörigkeit sowohl nach dem Haupt- als auch nach dem Hilfsantrag des Klägers nicht erfüllt. Die Voraussetzungen einer so genannten Stützrente nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, wonach ausnahmsweise auch eine Rente nach einer MdE um 10 v.H. zu bezahlen wäre, weil nach dem anderen Versicherungsfall der Berufskrankheiten Nrn. 2108 und 2110 bereits eine stützende Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. gezahlt wird, liegen für die hier streitgegenständliche Rente wegen der Lärmschwerhörigkeit mangels einer hieraus resultierenden MdE um mindestens 10 v.H. nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen der bei ihm als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeit Verletztenrente zusteht.
Der 1944 geborene Kläger war von 1958 bis Dezember 2002 bei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiter, Baggerfahrer und Maschinenführer beschäftigt. Danach war er arbeitslos bzw. zeitweise arbeitsunfähig erkrankt. Ab 01.07.2006 bezieht der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 22.08.2006). Außerdem gewährt die Beklagte in Ausführung des Urteils des Senats vom 28.01.2011 (L 8 U 4946/08) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H. ab 07.12.2002 wegen der festgestellten Berufskrankheit nach Nr. 2108 und Nr. 2110 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Im Juni 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der BKV unter Vorlage des Befundberichtes des HNO-Arztes Dr. G. vom 17.06.2009 (Diagnose: geringgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts, mittelgradige kombinierte Schwerhörigkeit mit Tinnitus). Die Beklagte veranlasste die Angaben des Klägers vom 20.07.2009 zum Beschwerdeverlauf und zu seinem beruflichen Werdegang in dem ihm hierzu übersandten Vordruck und nahm ergänzend die ermittelten Beschäftigungszeiten aus dem Berufskrankheitenverfahren zur Wirbelsäulenerkrankung zu den Akten (Schreiben des Sachbearbeiters vom 10.02.2010). Im Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten vom 24.03.2010 beurteilte Dipl.-Ing. S. die Lärmexposition des Klägers als Bagger-, Raupen- und Radlagerfahrer im Zeitraum vom 25.02.1985 bis 06.12.2002 sowie während Beschäftigungszeiten als Bauhelfer 1963 und 1969 bis 1972 mit einem Beurteilungspegel von 85-90 dB(A). In dem Gutachten vom 07.05.2010 kam HNO-Arzt Dr. W. zu dem Ergebnis, die potenziell gehörschädigende Lärmexposition mit einem Beurteilungspegel von 85-90 dB(A) sei ursächlich für den Innenohrschaden, wie ihn das rechte Ohr des Klägers aufweise. Nicht lärmbedingt sei der Schallleitungsanteil des Hörschadens links und der nach Beendigung der Berufstätigkeit aufgetretene Tinnitus links. Die Hörminderung des linken Ohres sei Ausdruck der gestörten Mittelohrfunktion aufgrund hochgradiger Einschränkung der Trommelfellbeweglichkeit. Die Gesamt-MdE aus lärmbedingter und lärmunabhängiger Schwerhörigkeit ergebe bei einem Hörverlust rechts von 10 % und links von 40 % eine MdE von unter 10 v.H.
Mit Bescheid vom 19.05.2010 stellte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Berufskrankheiten-Liste (Lärmschwerhörigkeit) fest und lehnte die Gewährung einer Rente ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, denn der Tinnitus bestehe bereits seit Jahrzehnten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Gutachten vom 07.05.2010 sei schlüssig und widerspruchsfrei. Den eigenen Angaben des Klägers vom 20.07.2009 zufolge sei der Tinnitus erstmals 2004 bemerkt worden.
Der Kläger erhob am 15.09.2010 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg mit dem Begehren, ihm wegen der festgestellten Berufskrankheit "Lärmschwerhörigkeit" Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H., hilfsweise von 10 v.H., zu bezahlen.
Das Sozialgericht holte von Amts wegen das Gutachten vom 07.12.2010 ein. Darin führte die Sachverständige Dr. F. aus, beim Kläger sei eine Tympanosklerose mit vollständig aufgehobener Trommelfellbeweglichkeit beidseits und eine kombinierte Hörstörung beidseits, links stärker ausgeprägt als rechts, sowie ein chronischer Pfeiftinnitus links zu diagnostizieren. Der Hörverlust aufgrund der Kurve für die Knochenleitung, was den Innenohrhörverlust angebe, betrage rechts 0 % und links 5 %. Der Hörverlust nach dem Verlauf der Luftleitung, was den Mittelohrhörverlust angebe, betrage rechts 20 % und links 45 %. Die beidseits stark verdickten Trommelfelle und vollständig aufgehobene Trommelfellbeweglichkeit sprächen dafür, dass bereits die Schallübertragung in beiden Mittelohren stark eingeschränkt sei. Nach den Audiogrammen ergebe sich im Hochtonbereich rechts eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit maximalem Hörverlust bei 4 kHz, was der typischen C5–Hochtonsenke eines Lärmschadens entspreche. Der Knochenleitungsverlust links entspreche in etwa dem Innenohrhörverlust im Hochtonbereich rechts. Hiervon könne eindeutig der darüber hinausgehende beidseitige Hörverlust abgegrenzt werden, welcher Folge der Hörstörung in beiden Mittelohren und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit tympanosklerotisch bedingt sei. Die lärmbedingte Innenohrschwerhörigkeit begründe eine MdE von unter 10 v.H. Der Tinnitus des linken Ohres sei nicht lärmbedingt, sondern auf die tympanosklerotischen Veränderungen, die im linken Mittelohr auch deutlich stärker ausgeprägt seien als rechts, zurückzuführen.
Der Kläger erhob gegen das Gutachten die Einwände, dass das Königsteiner Merkblatt keine geeignete Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit sei und die Sachverständige die Ablehnung des Tinnitus als Folge der Berufskrankheit nur behaupte und nicht begründe.
Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, das Königsteiner Merkblatt sei ein allgemein anerkanntes Hilfsmittel zur Beurteilung der Lärmschwerhörigkeit. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. F. stimme mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten überein. Auch die Beurteilung, dass der Titus des Klägers lärmunabhängig sei, sei nachvollziehbar. Ein lärmbedingter Tinnitus liege nach medizinischer Erkenntnis im Bereich der durch Lärm hörgeschädigten Frequenzen, was beim Kläger nach den Feststellungen in beiden Gutachten nicht der Fall sei.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 17.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 17.01.2012 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, die nicht begründet worden ist.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.12.2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H., hilfsweise nach einer MdE um 10 v.H., zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens und des sozialgerichtlichen Verfahrens.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts und außerdem die Akten der Berufungsverfahren L 11 R 3440/08 und L 8 U 4946/08 beigezogen. Auf diese Unterlagen und die im vorliegenden Verfahren angefallene Berufungsakte des Senats wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Trotz Ausbleibens des Klägers und seines Bevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat verhandeln und entscheiden können, denn der ordnungsgemäß geladene Klägerbevollmächtigte ist in der Terminsladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG). Eine Terminsaufhebung ist nicht erfolgt und dem Klägerbevollmächtigten daher auch nicht zugegangen, weshalb er trotz seines erklärten Einverständnisses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht von einer Terminsaufhebung hat ausgehen können.
Die gemäß §§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Zahlung einer Verletztenrente abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.05.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu demselben Ergebnis; er nimmt zur Begründung seiner Entscheidung und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids, der die Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze zur Gewährung einer Verletztenrente zutreffend darlegt, vollinhaltlich Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger gerügten MdE-Bewertungsansätze im Königsteiner Merkblatt auch in der neuesten unfallmedizinischen Literatur weiter zitiert werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 344 und S. 337 Fßn. 88), weshalb auch der Senat keine Anhaltspunkte dafür hat, dass die Leitlinien des Königsteiner Merkblatts nicht mehr der herrschenden wissenschaftlichen- arbeits- und sozialmedizinischen Lehrmeinung entsprechen.
Darüber hinaus ist nach den Erstangaben des Klägers in den von ihm unter dem 20.07.2009 unterschriebenen Formularvordrucken das Ohrgeräusch erstmals 2004 aufgetreten und bestand seit dem Jahre 2008 in dem jetzigen Ausmaß. Die spätere Behauptung des Klägers - nach Vorlage des Gutachtens von Dr. W. mit der Beurteilung des Tinnitus als nach Ende der Berufstätigkeit aufgetretener Nachschaden -, der Tinnitus habe schon zur Zeit seiner bis 2002 dauernden Berufstätigkeit bestanden, ist zur Überzeugung des Senats als prozesstaktisches Vorbringen wenig glaubhaft. Seine zuerst gemachten Angaben hatte der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. W. am 05.05.2010 noch mit seiner Schilderung bestätigt, das Ohrgeräusch bestehe links seit etwa sechs Jahren, sei persistierend, sporadisch trete auch ein Ohrgeräusch rechts auf. Beide Ohrgeräusche würden insgesamt als wenig belästigend empfunden. Dies rechtfertigt es nicht nach den Bewertungskriterien der unfallmedizinischen Literatur, dem Tinnitus MdE-erhöhende Wirkung beizumessen, selbst dann, wenn der Tinnitus als Berufskrankheitenfolge zu berücksichtigen wäre. Schwerhörigkeit und Ohrgeräusche sind zwei Symptome des lärmgeschädigten Innenohres. Ohrgeräusche sind deshalb bei der MdE-Einschätzung im Rahmen der Gesamt-MdE (Hörverlust und Ohrgeräusche) integrierend zu bewerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 351). Abgesehen davon ist auch für den Senat die Beurteilung der Sachverständigen Dr. F. überzeugend, dass der verstärkt am linken Ohr auftretende Tinnitus durch die dort auch am ausgeprägtesten vorhandenen tympanosklerotischen Veränderungen verursacht wird, und daher insgesamt nicht auf die berufliche Lärmeinwirkung zurückzuführen ist.
Damit sind die Tatbestandsmerkmale zur Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalls der Lärmschwerhörigkeit sowohl nach dem Haupt- als auch nach dem Hilfsantrag des Klägers nicht erfüllt. Die Voraussetzungen einer so genannten Stützrente nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, wonach ausnahmsweise auch eine Rente nach einer MdE um 10 v.H. zu bezahlen wäre, weil nach dem anderen Versicherungsfall der Berufskrankheiten Nrn. 2108 und 2110 bereits eine stützende Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. gezahlt wird, liegen für die hier streitgegenständliche Rente wegen der Lärmschwerhörigkeit mangels einer hieraus resultierenden MdE um mindestens 10 v.H. nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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