L 9 U 3683/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1086/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3683/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Übernahme von Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung wegen Folgen eines im Kindergarten erlittenen Unfalles.

Die 1997 geborene Klägerin erlitt am 12. Juli 2002 im Kindergarten (Tageseinrichtung für Kinder des Evangelischen Hilfsvereins der Vogelstanggemeinde M.) einen Unfall, als sie beim Spielen in der Puppenecke auf den Mund fiel, wobei sie sich am Oberkiefer verletzte und danach unter Schmerzen am Zahn litt (Unfallanzeige vom 20. August 2002 des Evangelischen Kirchenverwaltungsamtes M.). Der Zahnarzt Dr. W., bei dem die Klägerin am 12. Juli 2002 nachmittags vorgestellt wurde, gab als Unfallschaden "Totalverlust des Zahnes 51" an, der Zahn habe keine Vorschäden gehabt und im Moment sei keine unfallbedingte Behandlung erforderlich, sondern der Durchbruch des bleibenden Zahnes abzuwarten (Zahnärztliche Auskunft vom 5. September 2002).

Am 6. Mai 2005 beantragte die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, die Übernahme einer kieferorthopädischen Behandlung. Diese sei wegen der Folgen des Unfalles vom 12. Juli 2002 erforderlich, bei dem Sie ihren Schneidezahn verloren habe und die Wurzel beschädigt worden sei. Beigefügt war ein Behandlungsplan der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie Dr. B. vom 5. April 2005 (Anamnese: Frontzahntrauma im 4./5. Lebensjahr bei Verlust des Milchzahnes 51, Frenektomie bereits erfolgt, facialer Schmelzfleck 11; Diagnose [D]: Oberkiefer [OK]: Zahnbogenlängendefizit, Labialstand 11 mit Gefahr des Frontzahntraumas, Unterkiefer [UK]: Zahnbogenlängendefizit, Frontengstand, Bisslage: Klasse II Verzahnung, Tiefbiss, vergrößerte sagittale Stufe vor allem bei 11/41; Therapie: OK: transversal und sagittal nachentwickeln, Einordnung 11, Ausrunden der Front, Überwachung des Zahnwechsels, UK: transversal und sagittal nachentwickeln, Auflösen des Frontengstandes, Überwachung des Zahnwechsels, Bisslage: Behandlung der Klasse II, Reduktion der sagittalen Stufe; Epikrise: frühzeitiger Beginn dringend notwendig auf Grund der Gefahr des Frontzahntraumas; Voraussichtliche Kosten bei 3.742,70 EUR; die kieferorthopädische Behandlung sei in den vorgesehenen Umfang zur Wiederherstellung der Kaufähigkeit erforderlich bzw. zur Verhütung von Erkrankungen notwendig).

Nach Beiziehung kieferorthopädischer Unterlagen (u. a. Röntgenbilder und Modelle) der Dr. B. führte der beratungsärztlich zugezogene Zahnarzt S., Zahnarzt & Master Praxis für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, in seiner Stellungnahme vom 23. Juli 2005 aus, nach der im kieferorthopädischen Behandlungsplan wiedergegebenen Anamnese weise der Zahn 11 facial einen Schmelzfleck auf. Demzufolge habe die Wurzel des Zahnes 51 diesen Zahn auf der Außenfläche berührt. Wenn dies zu einer Lageänderung des Zahnkeims geführt hätte, wäre deshalb eine Verschiebung nach palatinal zu erwarten gewesen. Die vorliegenden Situationsmodelle zeigten aber, dass der Zahn nach labial verschoben sei. Es liege ein primärer Frontzahnengstand vor, der skelletal bedingt sei. Der Platz zwischen den Zähnen 53 und 63 sei zur Zeit nicht ausreichend um hier die Zähne 12 bis 22 nebeneinander unterzubringen. Die Durchbruchsrichtung des Zahnes 11 reusltiere aus dem geringen Platzangebot. Die Panoramaschichtaufnahme vom 1. Februar 2005 zeige eine enge Keimlage. Eine Schädigung der Wurzel des Zahnes 11 sei auf dieser Aufnahme nicht zu diagnostizieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei davon auszugehen, dass es durch den Unfall nicht zu einer dauerhaften Schädigung des Zahnes 11 gekommen sei. Seine veränderte Durchbruchsrichtung sei nicht auf den Unfall zurückzuführen.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung gemäß dem Behandlungsplan vom 5. April 2005 ab, da die Behandlung wegen der Unfallfolgen nicht erforderlich sei.

Mit ihrem Widerspruch vom 26. Oktober 2005 machte die Klägerin u. a. geltend machte, der Zahnarzt S. sei "Inhaber eines ausländischen Titels, der zumindest in Deutschland nicht auf eine fachspezifische Qualifikation" hinweise und für die Beurteilung nicht qualifiziert. Ferner legte sie Äußerungen des Dr. W. (infolge des Unfalles im Kindergarten [Angabe der Eltern] sei es zum Totalverlust des Zahnes 51 gekommen, ein Reponieren sei nicht mehr möglich gewesen; die Klägerin habe sich am 12. Mai 2003 wieder vorgestellt, wobei die Wunde vollständig ausgeheilt gewesen sei; die Schlussfolgerungen der Beklagten könne er nicht bestätigen oder ihnen widersprechen) und der Dr. B. vom 19. Januar 2006 (nach ihrer Meinung handle es sich bei der geplanten Behandlung sehr wohl um eine kieferorthopädische Maßnahme, die als Folge des Unfalles vom "5. September 2002" [gemeint wohl: 12. Juli 2002] anzusehen sei, eine erneute Begutachtung durch einen Kieferorthopäden sei sicherlich sinnvoll) vor.

Hierauf wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2006 zurück.

Deswegen hat die Klägerin am 3. April 2006 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und sich auf Dr. B. und Dr. W. berufen. Entgegen der Auffassung der Beklagten handle es sich nicht um eine angeborene Fehlstellung der Zähne. Der Unfall allein sei ursächlich für die Notwendigkeit der Behandlung. Dem Zahnarzt S. sei nicht zu folgen. Er habe sie nie behandelt und führe einen englischsprachigen Titel, der vermutlich in Deutschland nicht, jedenfalls nicht ohne Verbindung mit der Qualifikation Zahnarzt zu einer Niederlassung berechtigen würde und der jedenfalls nicht automatisch oder erkennbar und nachvollziehbar auf die Fähigkeit zur Begutachtung im kieferorthopädischen Bereich qualifiziere. Hierzu hat sie u. a. Äußerungen der Dr. B. vom 22. Mai 2006 und vom 8. September 2008 vorgelegt.

Das SG hat Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugin gehört, die am 28. Dezember 2006 über die im Zeitraum 20. September 2004 bis 6. Dezember 2006 erhobenen Befunde berichtet hat. In der Folge hat sie Röntgenaufnahmen übersandt und die Klägerin hat Abdrücke und Patientenunterlagen vorgelegt.

Das SG hat sodann ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S., Leitender Oberarzt der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten, Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Universitätsklinikum Heidelberg, eingeholt, das dieser unter Berücksichtigung der Unterlagen und einer Untersuchung am 6. April 2008 erstattet hat. Er hat die Diagnosen kariesfreies bleibendes Gebiss, Zustand nach Fissurenversiegelung der Sechs-Jahr-Molaren, Mineralisationsstörung bei 11 und 31, Zustand nach Beseitigung eines Engstands im Bereich der OK- und UK-Frontzähne und nach Beseitigung der Labialstellung von 11 gestellt. Ein Zusammenhang zwischen der Mineralisationsstörung auf der labialen Fläche von Zahn 11 mit dem Unfallereignis könne nicht ausgeschlossen werden. Der Beweis lasse sich hierfür jedoch nicht erbringen, weil derartige Mineralisationsstörungen auch durch andere Faktoren hervorgerufen werden könnten. Ferner bestehe kein Zusammenhang zwischen der Labialstellung von Zahn 11 vor Beginn der kieferorthopädischen Behandlung und dem Unfallereignis vom 12. Juli 2002. Jede Gewalteinwirkung auf einen Zahn bedeute, dass der Zahn in seiner natürlichen Position mehr oder weniger verändert werde. Er werde je nach Art und Richtung der Gewalteinwirkung intrudiert, extrudiert oder disloziert. Wenn ein Milch-Schneidezahn von der Gewalteinwirkung betroffen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Zahnkeim des nachfolgenden Zahnes in irgendeiner Form geschädigt werde. Retrospektiv lasse sich bei Zahntraumen fast nie genau eruieren, wie die Richtung der Gewalteinwirkung auf die Zähne gewesen sei. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit könne man aber annehmen, dass bei Stürzen auf den Boden der Aufprall der Zähne zwei Richtungskomponenten aufweise, wobei es sich zum einen um die Richtung von labial (aus der Richtung der Lippen) nach palatinal (in Richtung des Gaumens) als Hauptrichtung handle. Gleichzeitig dürfte eine Kraftkomponente zu inzisal (von der Schneidekante) nach apikal (zur Wurzelspitze) dazu kommen. Durch eine labio-palatinale Krafteinwirkung werde die Schneidekante in Richtung des Gaumens gedrückt und die Wurzelspitze in Richtung Lippe. Wenn diese Kraft groß genug sei, werde der Milchzahn aus seinem Zahnfach herausgedrückt. Dies geschehe bei Milch-Schneidezähnen viel einfacher als bei bleibenden Schneidezähnen, weil der Knochen bei Kindern in dieser Altersphase sehr weich und die Wurzeln der Milch-Schneidezähne viel kürzer als die der bleibenden Schneide-Zähne sei. Dies bewirke u. a., dass es sich bei Milch-Schneidezähnen im Gegensatz zu bleibenden Schneidezähnen sehr selten zu Wurzelfrakturen komme. Bei einer rein labio-palatinalen Krafteinwirkung werde der Zahnkeim des bleibenden Zahnes nicht berührt. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Wurzel des Milch-Schneidezahns mindestens zu 50 % resorbiert und damit erheblich kürzer als er im Zustand vor Beginn der physiologischen Resorption gewesen sein dürfte. Deshalb hätten viel geringere Kräfte ausgereicht, um den Zahn aus seiner Alveole herauszubefördern. Die Krafteinwirkung von inzisal nach apikal bewirke, dass der Milch-Schneidezahn etwas in die Alveole gedrückt werde. Dadurch könne es zu einem Kontakt zwischen Wurzel und Keim des bleibenden Zahnes kommen. Je nach Dauer und Stärke könne durchaus eine mehr oder weniger starke Verletzung des bleibenden Zahns resultieren. Daraus ergebe sich, dass der Zahnkeim von Zahn 11 durch das Unfallereignis nicht nach labial verschoben worden sein konnte. Vielmehr werde ein Labialstand von Frontzähnen in der Regel durch zwei Faktoren bewirkt, zum Einen durch einen Engstand im Bereich der OK-Front und zum Anderen durch ein Ungleichgewicht des muskulären Drucks von Lippe und Zunge auf die Frontzähne. Bei einem Engstand der Frontzähne stünden diese nicht in voller Breite in einem gleichmäßigem Bogen, sondern versetzt bzw. verdreht nebeneinander. Dies könne einen oder auch mehrere Zähne betreffen. Ursache hierfür sei in der Regel ein Missverhältnis zwischen Zahn- und Kiefergröße. Prinzipiell könne es auch zu einem Engstand kommen, wenn Milchzähne vorzeitig verloren gingen und die Nachbarzähne in die dadurch entstandene Lücke aufwanderten. Dies gelte aber nur für den Bereich der Milchmolaren, nicht für den Bereich der Milchfrontzähne. Unfallfolge sei möglicherweise ein vorzeitiger Verlust des Milchzahns 51, möglicherweise deshalb, weil sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalles am Anfang des 6. Lebensjahres befunden habe und Regelzeitpunkt für den physiologischen Durchbruch der mittleren Schneidezähne im OK das Ende des 7. Lebensjahres sei. Hierbei handle es sich nur um Mittelwerte, es würden auch erheblich frühere und spätere Durchbruchzeiten beobachten. Im März 2008 seien bereits alle bleibenden Zähne vorhanden gewesen bzw. hätten sich im Durchbruch befunden. Daraus lasse sich ableiten, dass der Durchbruch der bleibenden Zähne bei der Klägerin jeweils in einem früheren Lebensalter erfolgt sei, als üblicherweise beobachtet werde. Sehr wahrscheinlich sei dementsprechend der Durchbruch der Zähne 11 und 21 nicht am Ende, sondern am Anfang des 7. Lebensjahres erfolgt. Dann wäre der Verlust des Zahnes 51 eben nicht als vorzeitig anzusehen. Wegen der Folgen des Unfalles vom 12. Juli 2002 sei eine kieferorthopädische Behandlung nicht erforderlich.

Auf Antrag der Klägerin, die auch die Qualifikation des Prof. Dr. S. angezweifelt hat, nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein Sachverständigengutachten des Univ.-Prof. Dr. Dr. F., Direktor der Universitätspoliklinik für Kieferorthopädie, H., vom 20. April 2009 eingeholt. Er hat die Diagnosen Protrusion, Rotation und Mesialangulation des Zahnes 11 auf Grund einer signifikant verzögerten Wurzelentwicklung und Dislokation des Zahnkeims des zentralen Schneidezahns 11, Zustand nach kieferorthopädischer Auflösung des anterioren frontalen Engstandes im OK, symmetrische Angle Klasse II/I Bisslage (1/2 Pb distal beidseits), overbite (Überbiss) 4 mm; overjet (sag.Stufe): ca. 5 mm gestellt. Die Zähne 13 und 23 seien im Durchbruch. Der voraussichtliche Platzmangel im OK nach Moyers betrage 1,4 mm. Im UK lägen nach Durchbruch aller Zähne ausgewogene Platzverhältnisse vor. Für einen Zusammenhang des Unfalls mit den Veränderungen von dem Behandlungsbedarf spreche, dass sich - wie nach den Modellbefunden anzunehmen - ein regelrechter Zahnwechsel vollzogen habe und die physiologische Milchzahnwurzelresorbtion des Zahnes 51 zum Unfallzeitpunkt begonnen gehabt habe, jedoch noch nicht mehr als 50 % fortgeschritten gewesen sei. Bei einer traumatischen Gewalteinwirkung könnten Milchzähne im Knochen verlagert werden oder indirekt den direkt darunterliegenden Zahnkeim verlagern bzw. in seinem Wurzelwachstum schädigen, wobei sich das Ausmaß und der Schweregrad dieser Schädigung häufig erst Jahre später durch den Vergleich mit nichtgeschädigten Zähnen abschließend bewerten lasse. Je nach Ausrichtung und Größe der Kraft könne es zum vollständigen Zahnverlust kommen. Laterale Dislokationen führten in aller Regel zur Beschädigung des Knochenfaches mit seitlicher Verlagerung oder Auslenkung des Zahnes. Bei in den Knochen gerichteten Kräften könne es zur Traumatisierung der darunter liegenden bleibenden Zahnkeime kommen. Dies könne sich in Form- oder Strukturanomalien äußern, wozu u. a. Mineralisationsstörungen des Zahnschmelzes zählten. Prof. Dr. S. habe allerdings weitere Mineralisationsstörungen im Rahmen der klinischen Untersuchung nachgewiesen, womit die traumatische Genese der beschriebenen Mineralisationsstörung eher unwahrscheinlich sei. Rückblickend sei eine genauere Rekonstruktion des Zahntraumas kaum möglich. Auf Grund der Komplexität der unfallbedingten Kraftkomponenten sei es wahrscheinlich, dass es zu einer Keimverlagerung gekommen sei. Deutlicher Hinweis für einen Unfallzusammenhang sei eine veränderte Durchbruchsrichtung des zentralen Schneidezahns 11 im Vergleich zum Nachbarzahn 21. Eine deutliche Abweichung der Durchbruchsrichtung des Zahnes 11 sei zwar auch genetisch möglich, allerdings verlaufe der Durchbruch der beiden benachbarten zentralen Incisivi meistens zeitgleich und symmetrisch zueinander. Die signifikanten Unterschiede zwischen den beiden zentralen Incisivi sprächen für eine traumatische Genese. Mit der ersten Röntgenaufnahme nach dem Unfall am 1. Februar 2005 sei die Klägerin erstmals auf ihre apikale Basis und die Entwicklung der Zahnkeime radiologisch untersucht worden. In der Panoramaschichtaufnahme weise die Wurzelentwicklung des zentralen Schneidezahnes 11 eine Länge von 30 % auf, der benachbarte zentrale Schneidezahn 21 eine Wurzelentwicklung von 50 bis 60 %. Dies sei ein deutlicher Nachweis einer traumatisch verursachten Beeinträchtigung des Wurzelwachstums des Schneidezahns 11 mittels objektiven bildgebenden zahnärztlichen Röntgenaufnahmen. Gegen einen Ursachzusammenhang spreche, dass Traumatisierungen im Milchgebiss manchmal zu lokalen Gewebeentzündungen führen könnten und die bleibenden Zähne beeinträchtigten. Außer der bereits beschriebenen fazialen Mineralisationsstörung seien keinerlei Entzündungsfolgen nachweisbar. Dass die Mineralisationsstörung durch den Unfall entstanden sei, sei durch den klinischen Nachweis weiterer Mineralisationsstörungen eher unwahrscheinlich. Sicherlich könne ein Trauma einen solchen Schmelzschaden indirekt durch die Zahnwurzel des Milchzahns erzeugen. Dies bedeute aber nicht automatisch eine eher palatinale Durchbruchsrichtung für den Zahnkeim 11. Nach mechanischen Traumatisierungen komme es manchmal zu Anomalien der Wurzelform. Solche Veränderungen der Zahnwurzel seien beim Zahn 11 nicht zu beobachten. Die bleibenden Zahnkeime lägen gewöhnlich palatinal der Milchzähne. Daher müsste eine intrusiv-bukkale Kraftkomponente den Zahn/Zahnkeim inzisal tangiert und nach palatinal verlagert haben, um eine solche Durchbruchsrichtung zu bewirken. Zahnkeime gingen in der Regel dem Weg des geringsten Knochenwiderstands. Vermutlich sei der palatinale Knochen gerade durch das Trauma eher verdichtet als aufgelockert worden. Eine genetisch determinierte Möglichkeit sei eine primäre Verlagerung des Zahnkeims 11. Dieser primäre Engstand auf Grund eines Platzmangels in der apikalen Frontzahnbasis sei aber eher selten auf einen einzelnen Zahnkeim begrenzt. Häufiger sei dies beim letzten durchbrechenden Zahn, den beiden Eckzähnen, nachzuweisen. Der sekundäre frontale Engstand werde in aller Regel nicht durch einen frühzeitigen Milchschneidezahnverlust verursacht, so dass eine Therapie mit Platzhalter nicht obligatorisch notwendig sei. Die Unfallfolgen teilten sich in dentoalveoläre, paradontale und funktionelle Folgen auf. Beim Unfall sei die Klägerin 5 Jahre und 3 Monate alt gewesen. In diesem Alter seien die Wurzeln der bleibenden zentralen Incisivi 11 und 21 zu etwa 30 bis 50 % ausgebildet. Auf Grund des traumatischen Ereignisses vom 12. Juli 2002 sei sehr wahrscheinlich die Durchbruchsrichtung, die Position des heranwachsenden Zahnes 11 erheblich beeinflusst worden. Gleichzeitig habe sich vermutlich die Entwicklung der Zahnwurzel weiter verzögert. Sicherlich müsse man eine genetisch determinierte Fehlanlage des Zahnkeims differentialdiagnostisch in Erwägung ziehen. Allerdings sei durch die Kombination der morphologisch-topographischen Fehlpositionierung des zentralen Schneidezahns 11 und der asymmetrischen Zahnwurzelentwicklung im Vergleich zum Nachbarzahn 21 eine traumatische Genese hier der Vorzug zu geben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe ein Frontzahntrauma diese nachgewiesene asymmetrische Frontzahnentwicklung ausgelöst. Da neben dem Unfall kein weiteres Unfallgeschehen bekannt sei, liege eine Kausalität zwischen Unfall und Frontzahnanomalie auf der Hand. Wegen der Folgen des Unfalles sei eine umfassende kieferorthopädische Behandlung zur Platzbeschaffung und Einordnung der Oberkieferfrontzähne und Ausformung des oberen Zahnbogens notwendig gewesen. Die beantragte und durchgeführte kieferorthopädische Frühbehandlung sei medizinisch sinnvoll und notwendig gewesen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, durch das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. sei nicht schlüssig nachgewiesen, dass die Protrusion des Zahnes 11 der Hauptgrund für die kieferorthopädische Therapie gewesen sei. Nach Würdigung der gesamten Aktenlage könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Trauma und kieferorthopädischer Behandlung nicht abgeleitet werden. Univ.-Prof. Dr. Dr. F. gehe in erster Linie auf die Asymmetrie im Gingiaverlauf und in Bezug auf die temporäre Verzögerung der Wurzelentwicklung ein. Unberücksichtigt bleibe jedoch dabei ein möglicher radiologischer Projektionsfehler, der durch die unterschiedlichen Achsneigung der beiden Frontzähne verursacht sein könne und damit den protrudierten Zahn kürzer erscheinen lasse. Im OPT vom 14. September 2006 sei diese mögliche Asymmetrie im Wurzelwachstum aufgehoben. In der abschließenden Beurteilung seien von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. keine Fakten genannt, die über radiologisch festgestellte zeitweilige unterschiedliche Längendarstellung in der Wurzel der beiden zentralen Incisivi hinausgingen. Insgesamt sei das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. nicht schlüssig.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. Juni 2010 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen bei einem Anspruch auf Übernahme der Kosten der kieferorthopädischen Behandlung wegen der Folgen des Unfalls vom 12. Juli 2002 lägen nicht vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem kieferorthopädisch behandelten Zahnbogenlängendefiziten im OK und UK sowie insbesondere des Labialstandes des Zahnes 11 sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Dies ergebe sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen von Prof. Dr. S., gegenüber dem das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. nicht überzeugend sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Urteil verwiesen.

Gegen das am 2. Juli 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Juli 2010 Berufung eingelegt. Sie beruft sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. und hält den Gutachter S. und den Sachverständigen Prof. Dr. S.r zur Beurteilung des Sachverhalts nicht für hinreichend kompetent.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 17. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 3742,70 EUR zu erstatten und eine kieferorthopädische Behandlung in erforderlichem Umfang wegen der Folgen des Unfalls vom 12. Juli 2002 einschließlich aller noch notwendigen weiteren Kosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 23. Februar 2011 eingeholt. Er hat mit näherer Begründung im Wesentlichen an seiner Beurteilung, auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. Dr. F., festgehalten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. S. verwiesen.

Die Klägerin hat dann beantragt, eine ergänzende Stellungnahme des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. nach § 109 SGG einzuholen. Der Senat hat dies u. a. am 15. November 2011 davon abhängig gemacht, dass die Klägerin klärt, dass Univ.-Prof. Dr. Dr. F. in der Lage und bereit ist, eine gutachterliche Stellungnahme in einem angemessenen zeitlichen Rahmen zu erstatten und hierfür eine Frist bis 16. Dezember 2011 gesetzt. Darauf hat die Klägerin mitgeteilt, Univ.-Prof. Dr. Dr. F. sei zur Abgabe einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme nur bereit, wenn seine Kosten für die Erstellung des erstinstanzlichen Gutachtens vom SG in vollem Umfang erstattet würden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin ist darauf hingewiesen worden, dass der Berufungssenat keinen Einfluss auf die Entschädigung des Sachverständigen für seine Tätigkeit vor dem SG hat und hierfür nicht zuständig ist.

Auf Aufforderung bis 3. April 2012 mitzuteilen, ob Univ.-Prof. Dr. Dr. F. bereit sei, eine ergänzende Stellungnahme ohne die genannten Bedingungen für den Senat abzugeben oder ob er notfalls mit Ordnungsmitteln zur Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme gezwungen werden solle, hat der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 19. März 2012 erklärt, es möge einstweilen nichts unternommen werden, er versuche selbst, die Gründe zu recherchieren, warum nach Mitteilung von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. dessen erstinstanzliche Kosten noch nicht festgesetzt und bezahlt seien.

Die Klägerin ist hierauf am 3. Mai 2012 darauf hingewiesen worden, dass eine Anhörung des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. bei der Sachlage nicht beabsichtigt sei, und dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu entscheiden, was nach § 153 Abs. 4 SGG möglich sei, wenn der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Sie hat - wie auch die Beklagte - Gelegenheit erhalten, hierzu bis 22. Mai 2012 Stellung zu nehmen.

Hierauf hat die Klägerin ein "Nachtrags-Gutachten" des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. vom 17. Mai 2012 vorgelegt, auf das wegen der weiteren Einzelheiten seiner Ausführungen verwiesen wird. Die Beklagte hat hierzu unter dem 13. Juni 2012 Stellung genommen.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 18. Juni 2012 darauf hingewiesen worden, dass es bei der Absicht verbleibt, über die Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden und dass der Senat nicht vor dem 2. Juli 2012 entscheiden wird.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat sich hierauf mit Schriftsatz vom 21. Juni 2012 nochmals geäußert und sich u. a. auf die aus ihrer Sicht klare Aussage von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. berufen sowie Einwände gegen eine Entscheidung durch Beschluss erhoben.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach dem §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens vom 21. Juni 2012 - nicht für erforderlich hält, da der Sachverhalt geklärt ist nachdem die Gutachter und Sachverständigen ihre Beurteilung abgegeben haben. Eine Zustimmung der Beteiligten zu dieser Verfahrensweise ist nicht erforderlich. Insofern bedarf es auch auf den "Antrag", eine "mündliche Verhandlung mit dem Gericht in voller Besetzung herbeizuführen" keiner nochmaligen Anhörung.

Eine nochmalige Anhörung der Beteiligten war vor der Entscheidung auch auf Grund des weiteren Vorbringens nicht erforderlich, weil die Klägerin auch mit dem Schriftsatz vom 21. Juni 2012 keine neuen rechtserheblichen Tatsachen vorgetragen und auch keinen substantiierten Beweisantrag gestellt hat. Zur Sache hat sie im Wesentlichen nur - wie zuvor schon - die Qualifikation des von der Beklagten beratungsärztlich zugezogenen Zahnarztes S., der im Übrigen kein "Vertragsanwalt" der Beklagten ist, und des Sachverständigen Prof. Dr. S. in Zweifel gezogen und sich auf die bekannten Äußerungen des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. bezogen, dessen klare Aussage nicht übersehen werden könne. Das Begehren, "erforderlichenfalls die professoralen Gutachter zum Termin zu laden", stellt keinen substantiierten Beweisantrag dar, da nicht einmal ersichtlich ist, wozu sie weitere Angaben machen sollten.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Leistungen dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind, weil der geltend gemachte Behandlungsbedarf nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch die Folgen des Unfalls vom 12. Juli 2002 bedingt ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung auf des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie des Ergebnisses der Anhörung von Prof. Dr. S. und dem von der Klägerin vorgelegten "Nachtrags-Gutachten" uneingeschränkt an, sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist im Hinblick auf die vom Senat eingeholte ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. S., an dessen Kompetenz - als Leitender Oberarzt der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitätsklinikums Heidelberg - zur Beurteilung der entscheidungserheblichen Fragen der Senat keinerlei Zweifel hegt, vom 23. Februar 2011 auszuführen, dass diese ergänzende Stellungnahme die Entscheidung des SG nachdrücklich stützt. Prof. Dr. S. hat sich in seiner ergänzenden Stellungnahme mit den Einwänden und Argumenten von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. in dessen Gutachten ausführlich auseinandergesetzt und für den Senat schlüssig und nachvollziehbar begründet, weshalb es bei seiner Einschätzung bleiben muss. Zutreffend hat er dargelegt, dass es für die Beurteilung konkret darum geht, dass der Zahn 51 durch den Sturz verloren gegangen ist und nicht darum, welche Folgen auftreten "können", wenn ein Milchschneidezahn ein Trauma erleidet. Wie er schlüssig dargelegt und auch der beratende Zahnarzt S. festgestellt hat, hat die durch das Trauma erfolgte Hauptkraftrichtung sehr wahrscheinlich so eingewirkt, dass der Zahn 51 im Schneidekantenbereich nach palatinal gedrückt worden ist. Damit wurde der Wurzelspitzenbereich nach labial und nicht nach palatinal gedrückt. Im labialen Bereich ist die Wurzel von einem sehr dünnen Knochen bedeckt, der wenig mechanischen Widerstand leiste. So ist plausibel zu erklären, dass der Zahn 51 bei dem Sturz verloren gegangen ist. Ein anderer Ablauf ist nicht nachgewiesen. Dies bedeutet aber auch, dass der palatinal der Wurzel von 51 liegende Zahnkeim von Zahn 11 nicht bzw. kaum berührt worden ist. Dabei ist - so Prof. Dr. S. - eine leicht intrusive Kraftkomponente nicht vollständig auszuschließen. Bei allen anderen möglichen Krafteinwirkungen auf dem Zahn 51 wäre es sehr wahrscheinlich nicht zu einem sofortigen Verlust von 51 gekommen, sondern zu einer Lockerung bzw. ggf. zusätzlich zu einer Intrusion in den Kiefer. Erfahrungsgemäß ist - so Prof. Dr. S. - in derartigen Fällen die Lockerung häufig so groß, dass anschließend der betroffene Milchfrontzahn extrahiert werden muss. Die vorliegenden Röntgenaufnahmen geben nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Prof. Dr. S. für die Beurteilung entgegen der Auffassung von Prof. Dr. Dr. F. nichts Wesentliches her. Soweit dieser eine veränderte Durchbruchsrichtung im Vergleich zum Nachbarzahn 21 anführt und einräumt, dies sei zwar auch genetisch möglich, allerdings verlaufe der Durchbruch der benachbarten zentralen Incisivi meistens zeitgleich und symmetrisch zueinander, und signifikante Unterschiede zwischen den beiden zentralen Incisivi sprächen für eine traumatische Genese, hat Prof. Dr. S. schlüssig erwidert, dass die klinische Erfahrung zeigt, dass der Durchbruch der benachbarten zentralen Incisivi in der Tat meistens zeitgleich und symmetrisch erfolgt, allerdings eben nicht immer, weswegen das Argument des Fehlens eines zeitgleichen Durchbruchs der zentralen Schneidezähne auf keinen Fall als Indiz oder gar Beweis für eine traumatisch verursachte Beeinträchtigung des Wurzelwachstums des Schneidezahns 11 herangezogen werden kann.

Ferner gibt es - so Prof. Dr. S. - zwei Hauptursachen für Engzustände im Bereich der Schneidezähne des OK und UK. Der primäre Engzustand beruht darauf, dass die bleibenden Schneidezähne bezogen auf die Größe des UK bzw. OK zu breit sind und damit nicht genügend Platz im Zahnbogen vorhanden ist. Dies ist bereits bei Durchbruch der bleibenden Schneidezähne zu erkennen. Hier war bei der Klägerin ein Engstand bei Durchbruch der bleibenden Schneidezähne, wie aus dem Gipsmodell vom 1. Februar 2005 ersichtlich, erkennbar. Nach den Gipsmodellen entsprach die Beziehung der Schneidezähne des OK und UK zueinander ferner nicht der regelrechten, idealen Verzahnung. Vielmehr fanden sich die unteren Seitenzähne in Relation zu den oberen Seitenzähnen zu weit distal. Dies entspricht - so Prof. Dr. S. - der sogenannten "Angel-Klassen-II Anomalie" in leichter Ausprägung. Eine solche geht sehr häufig mit einem Engstand der bleibenden Frontzähne einher. Die zweite Hauptursache für einen frontalen Engstand beruht darauf, dass der vorzeitige Verlust von Milchmolaren, in der Regel auf Grund kariöser Zerstörung, zu einer Mesialwanderung der ersten bleibenden Molearen führt, was weiter zur Folge hat, dass die bleibenden Nachfolger der Milchmolaren, die Prämolaren, nicht genügend Platz beim Durchbruch haben. Sie verschaffen sich diesen Platz, indem sie durch Druckausübung die Frontzähne verschieben und dadurch einen Engstand, den sogenannten sekundären Engstand auslösen. Dies treffe hier - so Prof. Dr. S. - nicht zu. Soweit Univ.-Prof. Dr. Dr. F. in der Panoramaschichtaufnahme vom 1. Februar 2005, 30 Monate nach dem Unfall, bei der Wurzelentwicklung des zentralen Schneidezahns 11 eine Länge von 30 % und im benachbarten Schneidezahn 21 eine Wurzelentwicklung von 50 bis 60 % sieht und dies als deutlichen Nachweis einer traumatisch verursachten Beeinträchtigung des Wachstums des Schneidezahns 11 betrachtet, hat Prof. Dr. S. eingewandt, dass Orthopantomogramme in der Zahnmedizin zwar ein wertvolles diagnostisches Hilfsmittel seien, jedoch befundet und interpretiert werden müssten, weil es sich bei einem Röntgenbild um eine zweidimensionale Darstellung von dreidimensionalen Verhältnissen handle. Bei Orthopantomogrammen komme hinzu, dass eine durch das Röntgengerät festgelegte Schichtebene im OK- und UK-Bereich der geröntgten Person besonders detailreich dargestellt werde. Details, die außerhalb der Schicht lägen, würden je nach Lage vergrößert oder verkleinert dargestellt. Ein detaillierter Vergleich zwischen gleichartigen Zähnen der rechten und linken Kieferhälfte sei nur erlaubt, wenn der Abbildungsmaßstab rechts und links gleich sei. Bei nur geringer Drehung des Kopfes bei Anfertigung des Orthopantomogramms lägen die Zähne der rechten und linken Kieferhälfte nicht mehr in derselben Schicht und würden nicht mehr gleichgroß dargestellt. Genau dies ist - so Prof. Dr. S. für den Senat schlüssig - beim Orthopantomogramm vom 1. Februar 2005 der Fall. Es ist deshalb nicht geeignet, die Beurteilung von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. zu stützen. Wie Prof. Dr. S. weiter dargelegt hat, ergeben sich aus den Ausführungen von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. keine wesentlichen neuen Erkenntnisse: Deshalb hat Prof. Dr. S. an seiner am 6. April 2008 abgegebenen Einschätzung, dass der traumatisch bedingte Verlust des Milchschneidezahns 51 nicht für den Engstand bleibenden Oberkieferfrontzähne verantwortlich ist, festgehalten. Diese Ausführungen sind für den Senat schlüssig und überzeugend.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Klägerseite veranlassten "Nachtrags-Gutachten" von Univ.-Prof. Dr. Dr. F. vom 17. Mai 2012. Die Ausführungen in diesem Gutachten von insgesamt 14 Seiten Umfang erschöpfen sich im Wesentlichen in Wiederholungen des Gutachtens vom 20. April 2009, wobei wesentliche Abschnitte dieses ersten Gutachtens im "Nachtrags-Gutachten" schlicht übernommen wurden und die entsprechenden Passagen (größtenteils ohne Abänderung) in veränderter Reihenfolge auf Seiten 2 bis 14 des "Nachtrags-Gutachtens" wiedergegeben werden. So entsprechen die Ausführungen des "Nachtrags-Gutachtens" auf Seite 2 im Wesentlichen Ausführungen der Seite 6 des ersten Gutachtens, auf Seite 3 den Seiten 8 und 9, auf Seite 4 den Seiten 10 und 11, auf Seite 5 den Seiten 11, 14 und 15, auf Seite 6 den Seiten 15 und 18, auf Seite 7 der Seite 19, auf Seite 8 den Seiten 21, 22, 24, 25 und 33, auf Seite 9 den Seiten 33 und 34, auf Seite 10 der Seite 37, auf Seite 11 den Seiten 38, 39, 40 und 42, auf Seite 12 den Seiten 43, 41, 45, 46 und 49, auf Seite 13 den die Seiten 49 und 50 sowie auf Seite 14 der Seite 50. Danach findet sich noch die abschließende Beurteilung des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. "Aus der Sicht eines Kieferorthopäden ist der Unfallhergang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für die verzögerte, asymmetrische Frontzahnentwicklung und die anatomische-topographische Verlagerung des permanenten Schneidezahn 11 verantwortlich." Eine nähere Auseinandersetzung mit den für den Senat schlüssigen Argumenten des Prof. Dr. S., der seinerseits auf alle wesentlichen Argumente des Gutachtens vom 20. April 2009 eingegangen ist, enthält das "Nachtrags-Gutachten" nicht.

Soweit die Klägerin noch die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. nach § 109 SGG durch den Senat beantragt hat, hat sie diesen Antrag zuletzt nicht wiederholt und auch nicht ausdrücklich aufrecht erhalten. Im Übrigen war diesem Antrag nicht zu entsprechen nachdem die Klägerin mitgeteilt hat, dieser sei nur dann zur Erstattung der ergänzenden Stellungnahme bereit, wenn ihm die Kosten für die Erstellung des Gutachtens in erster Instanz wie geltend gemacht erstattet würden. Wie dem Bevollmächtigten der Klägerin mehrfach mitgeteilt, kann der Senat keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Kostenerstattung für die Begutachtung des Univ.-Prof. Dr. Dr. F. in erster Instanz nehmen. Weder ist er hierfür zuständig noch befugt. Im Übrigen hat die Festsetzung und Erstattung von Kosten - unabhängig hiervon - nach zwingenden gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen. Nachdem Univ.-Prof. Dr. Dr. F. schon nach dem Vorbringen der Klägerin nicht bereit gewesen ist, eine ergänzende Stellungnahme in Rahmen einer gerichtlichen Beweiserhebung für den Senat abzugeben, lehnt der Senat die Einholung einer solchen Stellungnahme auch nach § 109 Abs. 2 SGG ab.

Nachdem somit das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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