L 7 KA 116/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 83 KA 1091/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 116/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Gestalt des Aussetzungsverfahrens nach § 86b Abs. 1 SGG darf nicht mit dem Risiko verbunden sein, für im Zuge der Vollzugsfolgenbeseitigung auf Seiten der die Vollstreckung betreibenden Körperschaft entstehende Zinsen zu haften; diese Koppelung verstieße gegen die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 aufgehoben; die Honorarbescheide für die Quartale IV/04 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2006 werden geändert; die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die genannten Quartale weiteres Honorar in Höhe von insgesamt 1.006,62 Euro zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen in den Honorarbescheiden IV/04 bis I/06 von der Beklagten gebuchte Zinslastschriften von insgesamt 1.006,62 Euro.

Der Kläger ist im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Da es in den Jahren von 1997 bis 1999 nicht mit allen Krankenkassen-Verbänden zum Abschluss von Gesamtvergütungsvereinbarungen gekommen war, vergütete die Beklagte die vom Kläger in den Quartalen I/97 bis IV/99 erbrachten Leistungen in dem Hauptbereich der konservierend-chirurgischen sowie der Parodontose- und Kieferbruch-Leistungen zunächst als Einzelleistungen nach (vorläufigen) Punktwerten, die sie auf der Grundlage der für das Jahr 1995 abgeschlossenen Gesamtverträge bzw. der durch das Landesschiedsamt für 1995 festgelegten Vertragsinhalte oder auf Grund von Vereinbarungen vorläufiger Gesamtvergütungen errechnet hatte. Dabei nahm sie im Hinblick auf mögliche Überschreitungen der (noch nicht abschließend festgelegten) Gesamtvergütungen Einbehalte in Höhe von 10 Prozent des Honorars vor. Der von ihr zu Grunde gelegte Honorarverteilungsmaßstab (HVM) enthielt Regelungen für den Fall, dass das Gesamtvergütungsvolumen nicht ausreiche, um für die von den Vertragszahnärzten erbrachten Leistungen jeweils diejenigen Punktwerte zu gewähren, die in den Vereinbarungen mit den Krankenkassen-Verbänden vorgesehen waren. Hierfür war in der Anlage zu dem HVM bestimmt, dass die Honorare je zur Hälfte durch eine so genannte Richtgrößen- und durch eine Umsatzregelung zu quotieren seien. Die Beklagte versah die Honorarbescheide zudem mit dem Hinweis, dass sie sich nachträgliche Berichtigungen, z.B. auf Grund sachlicher und rechnerischer Richtigstellungen sowie auf Grund rückwirkender Änderungen des HVM, vorbehalte.

Seit August 1996 unterrichtete die Beklagte ihre Mitglieder mit Rundschreiben und Sondermitteilungen fortlaufend über ihre Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen-Verbänden, übersandte die jeweils aktuellen HVM-Fassungen und teilte mit Schreiben vom Juli 1997, September 1998 und August 1999 - unter Beifügung einer Beispielsberechnung - jeweils für das laufende Jahr die für die Richtgrößen- und Umsatzregelung relevanten Daten ihrer Praxis mit, soweit diese schon ermittelt worden waren.

Nachdem im Jahr 2000 sämtliche Gesamtvergütungsverträge für 1997 bis 1999 abgeschlossen waren, ergab sich, dass die Mitglieder der Beklagten zuviel Honorar erhalten hatten, und zwar ca. 16.367.000 DM für das Jahr 1997, ca. 17.131.000 DM für 1998 und ca. 7.055.000 DM für 1999.

Die Beklagte änderte daraufhin die Honorarbescheide für die Quartale I/97 bis IV/99 entsprechend den Regelungen im HVM und forderte vom Kläger mit Bescheid vom 18. Oktober 2000 die Rückzahlung von 3.665,87 DM (15.965,87 DM [= 8.163,22 Euro] abzüglich zu verrechnender Einbehalte aus gekürzten Abschlagszahlungen in Höhe von 12.300,- DM). Sie begründete dies mit Überzahlungsbeträgen für 1997 von 10.374,55 DM, für 1998 von 5.591,32 DM und für 1999 von 0,00 DM. Die Beklagte hatte dabei einen so genannten Anpassungswert berücksichtigt, den der Vorstand der KZÄV zwecks vollständiger Verteilung der tatsächlich zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung festgelegt hatte, und sie rechnete die in den ursprünglichen Honorarbescheiden vorgenommenen Einbehalte an.

Mit Urteilen vom 14. Dezember 2005 bestätigte das Bundessozialgericht die Rechtmäßigkeit der auch gegenüber anderen Mitgliedern der Beklagten ergangenen Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheide vom 18. Oktober 2000 (u. a. B 6 KA 17/05 R). Die Beklagte habe insoweit eine Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung besessen; Vertrauensschutz der betroffenen Zahnärzte habe dem nicht entgegen gestanden.

Insoweit von anderen B Zahnärzten geführte Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes (Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2001, u. a. L 7 B 38/01 KA ER) hatten zwischenzeitlich allerdings Erfolg und führten zu einer im Ergebnis vorübergehenden Verpflichtung der Beklagten, die bereits verrechneten Honorarrückforderungsbeträge sowie die Sicherungseinbehalte für die Jahre 1997 bis 1999 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zurückzuerstatten. Hierauf zahlte die Beklagte im Februar 2002 die jeweiligen Beträge an die etwa 1.000 Zahnärzte aus, die, wie der Kläger, Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2000 eingelegt hatten. Der Kläger erhielt vorläufig 8.163,22 Euro ausgezahlt.

Die (vorübergehende) Auskehrung der Rückforderungsbeträge sowie der Sicherungseinbehalte hatte nach dem Vorbringen der Beklagten einen Gesamtumfang von etwa 19 Mio. Euro. Hierfür nahm sie Kredite bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank auf, die sie zunächst mit 4 % p.a., später mit 3,5 % p.a. zu verzinsen hatte.

Die Vertreterversammlung der Beklagten fasste daraufhin am 21. Oktober 2002 folgenden Beschluss, der am 24. Oktober 2002 in einem Rundschreiben veröffentlicht wurde:

"Zur Finanzierung der Kreditkosten für die gemäß Gerichtsbeschluss an widerspruchsführende Zahnärzte vorläufig ausgezahlten Honorarrückforderungen und –einbehalte des Vergütungszeitraumes 1997 bis 1999 wird der Vorstand der KZV Berlin beauftragt, von jedem Empfänger dieser vorläufig ausgezahlten Beträge die für den jeweiligen Auszahlungsbetrag nach Maßgabe von Laufzeit und aktuellem Zinssatz anteilig entstehenden Kreditkosten unverzüglich zu erheben."

Diesen Beschluss setzte die Beklagte ab dem Quartal III/02 um und brachte im Rahmen des dem Kläger erteilten Honorarbescheides 75,38 Euro als Kreditkosten in Abzug. Die Beklagte musste dies jedoch einstellen und den Betrag wieder gutschreiben, nachdem ein vom Kläger betriebenes Eilverfahren vor dem Sozialgericht Berlin Erfolg hatte (S 79 KA 10/03 KZA ER, Beschluss vom 28. Mai 2003). Erst nachdem das Landessozialgericht Berlin den Eilantrag des Klägers mit Beschluss vom 8. Oktober 2004 rechtskräftig abgelehnt hatte (L 7 B 134/03 KA ER), nahm die Beklagte die Umlage der Kreditkosten wieder auf. In den Honorarbescheiden für die Quartale IV/04 bis I/06 buchte sie unter der Schlüsselnummer 280 Beträge von insgesamt 1.006,62 Euro und zog diese von der Honorargutschrift ab:

Quartal IV/04: 707,41 Euro, Quartal I/05: 71,43 Euro, Quartal II/05: 71,43 Euro, Quartal III/05: 71,43 Euro, Quartal IV/05: 71,43 Euro, Quartal I/06: 13,49 Euro.

Der Kläger legte hiergegen jeweils Widerspruch ein.

Die Widersprüche wies die Beklagte mit Bescheid vom 25. September 2006 zurück. Die Abwälzung der Kreditkosten auf den Kläger, bezogen auf den ihm vorläufig ausgezahlten Betrag von 8.163,22 Euro, sei rechtmäßig. Die Rechtsgrundlage bestehe in § 81 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit dem Satzungsrecht der Beklagten. Bei den Kreditkosten handele es sich um "Mitgliedsbeiträge" im Sinne von § 5 Abs. 2 der Satzung, die als Verwaltungskosten von den abrechnenden Zahnärzten einbehalten werden dürften. In ihrem Beschluss vom 21. Oktober 2002 habe die Vertreterversammlung von dieser Ermächtigung Gebrauch machen dürfen, um die Kreditzinsen als Mitgliedsbeiträge bzw. Verwaltungskosten für die vorläufig wieder ausgezahlten Honorarberichtigungsbeträge der Jahre 1997 bis 1999 festzusetzen. Damit werde dem Verursacherprinzip Rechnung getragen, ebenso den Prinzipien der Äquivalenz und der Kostendeckung.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt: Der Beschluss der Vertreterversammlung vom 21. Oktober 2002 sei rechtswidrig und daher keine taugliche Grundlage für die Honorareinbehalte. Insbesondere handele es sich bei den erhobenen Zinslasten nicht um Mitgliedsbeiträge im Sinne von § 81 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bzw. § 5 Abs. 2 der Satzung der Beklagten. Die Auszahlung des einbehaltenen Honorars habe keinen relevanten Vorteil begründet; es sei damit nur auf Grundlage gerichtlicher Anordnung ein sich als rechtswidrig darstellender Zustand aufgehoben worden. Der Kläger habe die Kreditaufnahme damit auch nicht verursacht. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege darin, dass die Beklagte nur diejenigen Vertragszahnärzte mit den Finanzierungsaufwendungen belastet habe, die Rechtsbehelfe gegen die Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheide vom 18. Oktober 2000 erhoben hätten. Unzulässig würden diese Zahnärzte so mit den Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens belastet; dies habe abschreckende Wirkung und verstoße gegen das Äquivalenzprinzip. Auch werde bestritten, dass die Beklagte zur Kreditaufnahme gezwungen gewesen sei. Die Höhe der in Rechnung gestellten Zinsen sei nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 10. Juni 2009 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Kreditzinsen als Verwaltungskosten vom Kläger erheben dürfen. Rechtsgrundlage hierfür sei der Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 21. Oktober 2002. Dieser stütze sich auf § 81 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, wonach die Satzung insbesondere Bestimmungen über die Aufbringung und die Verwaltung der Mittel enthalten müsse, in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Buchst. l) der Satzung der Beklagten in der Fassung des 17. Nachtrages vom 31. August 1998. Zu den Aufgaben der Vertreterversammlung gehöre danach auch die Festsetzung von Mitgliedsbeiträgen, die als Verwaltungskosten von den über die KZV fließenden Umsätzen der abrechnenden Zahnärzte einbehalten werden dürften. Der Satzungsgeber habe seinen Gestaltungsspielraum beanstandungsfrei ausgeübt und den Beitragsbegriff weit verstehen dürfen. Insbesondere sei es der Vertreterversammlung nicht verwehrt gewesen, die Höhe der Beitragsleistungen – hier in Gestalt der Kreditkosten – nach den Vorteilen zu bestimmen, die ihre jeweiligen Mitglieder aus der Tätigkeit der Beklagten hätten. Der Beschluss vom 21. Oktober 2002 habe der Finanzierung von Verwaltungskosten gedient. Unzweifelhaft handele es sich bei den Kreditkosten um "Verwaltungskosten", denn erst die Kreditaufnahme habe die Beklagte in die Lage versetzt, die Auszahlung der einbehaltenen Honorare zu gewährleisten. Auch die Entscheidung, zum Mittel der Kreditfinanzierung zu greifen, sei ermessensfehlerfrei. Gegen beitragsrechtliche Grundsätze habe die Beklagte nicht verstoßen. Mit dem Nachteil der Zinsbelastung sei beim Kläger der Vorteil verbunden gewesen, einen Honorarteil vorläufig behalten zu dürfen, über dessen Schicksal rechtliche Unsicherheit bestanden habe. Dieser geldwerte Vorteil sei nur denjenigen Mitgliedern der Beklagten zugeflossen, die Widerspruch gegen die Bescheide vom 18. Oktober 2000 eingelegt hätten. Es erschiene gerade fragwürdig, sämtliche Mitglieder der Beklagten mit Verwaltungskosten für Leistungen zu belasten, die nur einem Teil der Mitglieder zugeflossen seien. Art. 3 Abs. 1 GG sei danach nicht verletzt. Auch das Äquivalenzprinzip sei hinreichend beachtet worden. Vorteil – vorläufige Honorarzahlung – und Belastung mit günstigen Kreditzinsen stünden nicht außer Verhältnis, zumal es dem Prozessrecht nicht fremd sei, dass derjenige, der aus einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zunächst Vorteile ziehe, gegebenenfalls später Schadensersatz leisten müsse (Hinweis auf §§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG, 945 ZPO).

Gegen das ihm am 6. Juli 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. August 2009 Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung führt er ergänzend aus: Das Sozialgericht weite den Begriff der Verwaltungskosten zu sehr aus. Es hätten alle Mitglieder der Beklagten, sofern die Kreditaufnahme tatsächlich notwendig gewesen sei, zur Finanzierung des Kredits herangezogen werden müssen. In der Auszahlung der Honorare habe kein Vorteil gelegen, da diese nur auf einer gerichtlichen Anordnung beruht habe; ein etwaiger Zinsgewinn auf Seiten des Klägers sei nur konstruiert. Für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes dürfe kein "Mitgliedsbeitrag" verlangt werden. Der Rechtsgedanke aus § 945 ZPO schließlich dürfe nicht herangezogen werden, denn vorliegend sei das Honorar nicht auf Grund einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 SGG ausgezahlt worden, sondern auf Grundlage eines Beschlusses zur Vollzugsfolgenbeseitigung nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Juni 2009 aufzuheben, die Honorarbescheide für die Quartale IV/04 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.006,62 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Zu Recht habe das Sozialgericht in den einbehaltenen Honoraren zusätzliche Verwaltungskosten im Sinne des Satzungsrechts gesehen, denn sie seien für die Durchführung der Verwaltungsaufgaben der Beklagten erforderlich gewesen. Der Beitragsbegriff sei damit nicht überdehnt worden. Mit der Sonderumlage habe nur die Gruppe der Vertragszahnärzte belastet werden dürfen, der auch der Vorteil aus der vorübergehenden Honorarzahlung zugeflossen sei; dies habe der Gleichheitssatz geradezu geboten. Es könne nicht davon die Rede sein, dass die Umlage nur erfolgt sei, um von der Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes abzuschrecken.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug sowie der Gerichtsakte zum Eilverfahren L 7 B 38/01 KA ER Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung weiteren Honorars in Höhe von 1.006,62 Euro für die Quartale IV/04 bis I/06.

Als belastende Maßnahme bedarf die Abwälzung der in Rede stehenden Kreditkosten auf den Kläger durch Abzug von dem ihm quartalsweise zustehenden vertragszahnärztlichen Honorar einer gesetzlichen Ermächtigung. An einer solchen fehlt es indessen zur Überzeugung des Senats nach jeder Betrachtungsweise. Der Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 21. Oktober 2002 ist insoweit nicht tragfähig (unten 1.); als Regelung der Honorarverteilung ist er ungültig (unten 1. a); gleichzeitig ist er rechtswidrig, soweit über ihn in Verbindung mit der Satzung der Beklagten die Abwälzung der Zinslast in Gestalt der Erhebung eines Mitgliedsbeitrag betrieben wird (unten 1. b). Unabhängig davon liegt im streitigen Vorgehen der Beklagten jedenfalls ein Verstoß gegen Bundesrecht (unten 2.).

1. a) Die Entstehung der streitgegenständlichen Kreditkosten stand in unmittelbarem Sachzusammenhang mit der Verteilung des vertragszahnärztlichen Honorars und war hiervon veranlasst. Nach § 85 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) entrichtet die Krankenkasse nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung [K(Z)V] mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der K(Z)V einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen. Gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V verteilt die K(Z)V die Gesamtvergütungen an die Vertrags(zahn)ärzte. Nichts anderes als die Auszahlung des ihnen zustehenden Teils der Gesamtvergütung begehrten die vor den Sozialgerichten Rechtsschutz suchenden Berliner Vertragszahnärzte, als sie sich gegen die Vollziehung der Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheide vom 18. Oktober 2000 wandten: Streitgegenständlich war die Höhe des jeweiligen Honoraranspruchs in den Jahren 1997 bis 1999. Die im Zuge des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erfolgreichen Vertragszahnärzte (Beschlüsse des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2001, u.a. L 7 B 38/01 KA ER) hatten erreicht, dass die streitigen Beträge – im Falle des Klägers 8.163,22 Euro – bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens an sie zurückzufließen hatten.

Sofern man den Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 21. Oktober 2002 vor diesem Hintergrund als Regelung der Honorarverteilung ansieht, nämlich der Gewährleistung der Auszahlung von Honorar dienend, ist er jedoch ungültig. Denn nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung wandte die K(Z)V bei der Honorarverteilung den "im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen" festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Die Krankenkassen mussten danach dem Honorarverteilungsmaßstab nicht zustimmen, ihn aber vor seiner Verabschiedung kennen; um eine Einigung mussten Krankenkassen und K(Z)V bemüht sein. Hatte eine K(Z)V einen Honorarverteilungsmaßstab nicht im Benehmen mit den Kassenverbänden festgesetzt, so war er ungültig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21. Januar 1969, 6 RKa 27/67, zu § 368 f RVO, zitiert nach juris; Wiegand in Maaßen/Schermer u.a., SGB V, GKV-Kommentar, Rdnr. 35 zu § 85). So liegt es hier, denn der Beschluss der Vertreterversammlung der Beklagten vom 21. Oktober 2002 erging nicht im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen.

b) Auch der von der Beklagten favorisierte "beitragsrechtliche" Ansatz führt nicht weiter. Weil das Bundesrecht keine unmittelbare Ermächtigung für die vorgenommene Abwälzung einer Zinslast auf einen Vertragszahnarzt enthält, ist insoweit die Satzung der Beklagten in Verbindung mit dem Beschluss der Vertreterversammlung vom 21. Oktober 2002 maßgeblich. Nach § 81 Abs. 1 Nr. 5 SGB V muss die Satzung einer K(Z)V "insbesondere Bestimmungen enthalten über die Aufbringung und die Verwaltung der Mittel". Nähere Vorgaben für die Ausgestaltung der Beitragserhebung durch eine K(Z)V macht das Gesetz nicht. Es überlässt die Art und Weise der Einnahmeerhebung vielmehr dem Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers, der dabei allerdings die allgemeinen Grundsätze des Beitragsrechts sowie den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz zu beachten hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. August 2011, B 6 KA 2/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).

aa) Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob die Satzung einer K(Z)V auf dieser Grundlage eine Bestimmung enthalten darf, die – im Sinne des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 21. Oktober 2002 – die Weitergabe von Kreditkosten an die Vertrags(zahn)ärzteschaft erlaubt, wenn sich eine Konstellation ergeben hat wie diejenige, in der sich die Beklagte nach dem verloren gegangenen Eilverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin im Dezember 2001 befand.

bb) Das im maßgeblichen Zeitraum geltende Satzungsrecht der Beklagten jedenfalls enthielt keine Regelung dieser Art.

In Betracht kommt hier nur § 5 Abs. 2 Buchst. l) der Satzung der Beklagten in der Fassung des 17. Nachtrags vom 31. August 1998. Danach gehört zu den Aufgaben der Vertreterversammlung die Festsetzung von Mitgliedsbeiträgen, die als Verwaltungskosten von den über die Beklagte fließenden Umsätzen der abrechnenden Zahnärzte einbehalten werden.

Verwaltungskosten sind solche, derer die K(Z)V zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedarf. Die Beitragserhebung erfolgt durch eine Verwaltungskostenumlage in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Vergütungsanspruchs (vgl. Hess in Kasseler Kommentar, Rdnr. 11 zu § 81 SGB V). Die Verwaltungskostenumlage soll die K(Z)V in die Lage versetzen, ihre gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsaufgaben zu erfüllen, die u. a. in der Abrechnung vertrags(zahn)ärztlicher Leistungen bestehen; hierin liegt eine Dienstleistung (ein "Vorteil") zugunsten der der K(Z)V angehörenden Vertrags(zahn)ärzte, für die diese Verwaltungskosten zu tragen haben (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 24. September 2003, B 6 KA 51/02 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 f.; Urteil vom 17. August 2011, B 6 KA 2/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17). Verwaltungskosten entstehen damit etwa im Bereich der personellen und sächlichen Ausstattung einer K(Z)V in Zusammenhang mit der Durchführung des gesamten Abrechnungswesens.

Zur Überzeugung des Senats sind die der Beklagten nach ihrer Niederlage im gerichtlichen Eilverfahren entstandenen Kreditkosten zur vorübergehenden Auskehr der bereits verrechneten Honorarrückforderungsbeträge sowie Sicherungseinbehalte für die Jahre 1997 bis 1999 keine "Mitgliedsbeiträge" oder "Verwaltungskosten" in diesem Sinne. Die Aufbürdung der Zinslast stellt sich der Sache nach eher dar wie ein Ersatz für den Schaden, der der Beklagten dadurch entstand, dass sie im gerichtlichen Eilverfahren über die Vollzugsfolgenbeseitigung zur vorübergehenden Auskehr erheblichen Honorarvolumens für die Jahre 1997 bis 1999 gezwungen worden war. Hierin die Erhebung von Mitgliedsbeiträgen oder Verwaltungskosten zu sehen, verbietet sich, denn damit würde diese Begrifflichkeit unvertretbar weit über ihren eigentlichen Inhalt hinaus ausgedehnt.

Nicht tragfähig ist daher auch die Annahme, die vorübergehende Auszahlung von Honorar stelle sich als ein "Vorteil" in Gestalt einer besonderen Leistung der Beklagten dar, der durch eine Umlage der entstandenen Kosten zu kompensieren sei. Hierin läge nicht nur eine nicht gangbare Ausweitung vom Begriff der "Mitgliedsbeiträge", sondern auch ein Verstoß gegen das aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl. dazu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 1. Aufl. 2008, § 21, Rdnr. 65). Sofern – wie hier – letztlich die Verteilung der Gesamtvergütung in Rede steht, rechtfertigen nur sachliche Gründe eine Ungleichbehandlung der Vertrags(zahn)ärzte untereinander. Ein solcher sachlicher Grund lag beispielsweise der von beiden Beteiligten zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3. September 1987 (6 RKa 1/87) zugrunde: Dort hatte das Bundessozialgericht es für rechtmäßig erklärt, eine Sonderumlage von den am ärztlichen Notfalldienst teilnehmenden Vertragsärzten zu erheben. Maßgeblich sei nämlich, dass die Unkostenumlage mit besonderen und messbaren Vorteilen vergütungsmäßiger Natur der an der Notfallversorgung teilnehmenden Vertragsärzte korrespondiere. Dies rechtfertigte es, eine Sonderumlage von nur einem Teil der Mitglieder zu erheben, während in der Regel die Verwaltungskosten auf alle Vertrags(zahn)ärzte nach einem einheitlich geltenden Maßstab umzulegen sind (Bundessozialgericht, a.a.O., zitiert nach juris, dort Rdnr. 16). An einem solchen sachlichen Grund, nur die widerspruchsführenden Vertragszahnärzte mit den Kosten des Kredits zu belasten, fehlte es im vorliegenden Fall. Denn besagte Zahnärzte beanspruchten keinen "Vorteil" im Sinne des Beitragsrechts, sondern lediglich den ihnen zustehenden Teil der Gesamtvergütung, ohne dass es sachliche Unterschiede zu den übrigen "still haltenden" Zahnärzten gegeben hätte.

2. Unabhängig von der Untauglichkeit des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 21. Oktober 2002 und der Satzung als Rechtsgrundlage für das Verfahren der Beklagten verstößt die erfolgte Abwälzung der Zinslast auf den Kläger auch gegen Bundesrecht in Gestalt prozessrechtlicher Gewährleistungen. Für die von Art. 19 Abs. 4 GG gedeckte Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes mit dem Ergebnis vorübergehender Vollzugsfolgenbeseitigung durfte der Kläger nämlich nicht indirekt durch Abwälzung der Zinslast bestraft werden, die durch die Vollzugsfolgenbeseitigung auf Seiten der Beklagten entstand. Insbesondere greift der Rechtsgedanke aus § 945 ZPO nicht im Verfahren der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs.

§ 945 ZPO regelt für den Fall der einstweiligen Verfügung eine Risikoverteilung dergestalt, dass derjenige gegebenenfalls Schadensersatz zu leisten hat, der eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, sich diese aber später (im Hauptsacheverfahren) als von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Das Gesetz begründet so zum Schutz des Schuldners einen materiell-rechtlichen, verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch der auf dem allgemeinen Rechtsgedanken beruht, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigenes Risiko vollstreckt (vgl. Huber in Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, Rdnr. 1 zu § 945; Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Novem¬ber 1995, IX ZR 141/94, NJW 1996, S. 198 [199]).

Dieser allgemeine Rechtsgedanke kann nicht schematisch auf das in den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2001 mündende einstweilige Rechtsschutzverfahren übertragen werden. Es griffe zu kurz und würde dem sozialgerichtlichen Aussetzungsverfahren nicht gerecht, den Kläger – sinngemäß – für die wirtschaftlichen Folgen seines Erfolgs im Eilverfahren haften zu lassen, weil er später im Hauptsacheverfahren unterlag und er den streitigen Betrag in Höhe von 8.163,22 Euro nur in dem Zeitraum zwischen dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2001 und dem letztinstanzlichen Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2005 behalten durfte. Die Situation eines Erfolgs in einem auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gerichteten Verfahren ist nämlich nicht zu vergleichen mit dem – von § 945 ZPO – vorausgesetzten Erfolg in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bzw. Anordnung. Daher verweist § 86 b SGG in Abs. 2 Satz 4 auch nur für die einstweilige Anordnung und nicht zugleich für das Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß Abs. 1 auf § 945 ZPO. Die Fassung des Gesetzes kann nicht als Versehen bzw. planwidrig lückenhaft (vgl. hierzu – ebenfalls zu § 945 ZPO – Bundessozialgericht, Urteil vom10. August 1995, 11 Rar 91/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22) gewertet werden:

Entscheidend ist dabei das Verhältnis des Eilverfahrens bei einem Streit um die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs zum Hauptsacheverfahren. Das Hauptsacheverfahren betraf hier die Anfechtung eines Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheides. Selbst wenn ein Kläger in einem solchen Verfahren unterliegt, hat dies keine Auswirkungen auf die gegebenenfalls zuvor im Eilverfahren erwirkte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs. Zwar endet die aufschiebende Wirkung der Klage mit der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 11 zu § 86a; vgl. auch § 80b Abs. 1 VwGO); die letztinstanzliche Hauptsacheentscheidung wirkt aber nicht etwa dergestalt auf das zuvor geführte sozialgerichtliche Eilverfahren, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nun etwa nachträglich rechtswidrig würde. Das Eilverfahren wurde unabhängig vom Hauptsacheverfahren geführt, endete letztinstanzlich beim Landessozialgericht und traf eine Regelung für den Verbleib des in Rede stehenden Rückforderungsbetrags bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache. Bereicherungsrechtlich gesprochen bestand damit auf Seiten des Klägers ein Rechtsgrund für das vorübergehende Behaltendürfen des streitigen Betrages von 8.163,22 Euro.

Anzusetzen ist damit schon eine Stufe vor Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes durch den Kläger: Die Beklagte hatte am 18. Oktober 2000 im Massenverfahren Honoraränderungs- und Rückforderungsbescheide erlassen. Diese Bescheide waren von Gesetzes wegen sofort vollziehbar, so dass im Eilverfahren um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gestritten wurde. Sofortige Vollziehbarkeit ist nicht anderes als "Vollstreckbarkeit" (vgl. § 6 Abs. 1 VwVG). Von dieser Vollzieh- bzw. Vollstreckbarkeit machte die Beklagte Gebrauch, indem sie die Honorarrückforderungsbeträge mit den laufenden Honorarzahlungen verrechnete. Nach alldem hatte sich also die Beklagte in die Situation dessen begeben, der vollstreckte, ohne den rechtsbeständigen "Titel" abzuwarten. Dies unternahm sie wie in der von § 945 ZPO gedachten Konstellation auf eigene Gefahr, so dass die Kreditkosten, die im Rahmen der – wenn auch nur vorübergehenden – Vollzugsfolgenbeseitigung entstanden, jedenfalls nicht isoliert auf die Gruppe derjenigen Vertragszahnärzte abgewälzt werden durften, die zuvor im Eilverfahren obsiegt hatten, wodurch die Vollziehbarkeit der in Frage stehenden Verwaltungsentscheidung suspendiert wurde. Die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Gestalt des Aussetzungsverfahrens nach § 86b Abs. 1 SGG – nichts anderes als vorübergehender Vollstreckungsschutz – darf mithin nicht mit dem Risiko verbunden sein, für im Zuge der Vollzugsfolgenbeseitigung auf Seiten der die Vollstreckung betreibenden Körperschaft entstehende Zinsen zu haften; diese Koppelung verstieße gegen die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die auch allein entscheidungstragende Auslegung des Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 21. Oktober 2002 bzw. der Satzung der Beklagten nicht revisibel ist (§ 162 SGG; vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 17. August 2011, B 6 KA 2/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14).
Rechtskraft
Aus
Saved