L 1 KR 298/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 1303/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 298/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten für bereits angeschaffte Handschuhe sowie die Verpflichtung, solche Handschuhe künftig als Sachleistung zu gewähren.

Die Klägerin leidet an einer schweren Psoriasis pustulosa (Schuppenflechte mit Pustelbildung). Sie beantragte mit Schreiben vom 27. Februar 2007 die Übernahme der Kosten für Baumwollhandschuhe. Beigefügt war ein ärztliches Attest ihres Facharztes für Dermatologie Dr. R H, der darin bescheinigt, dass das Tragen von Baumwollhandschuhen zur Unterstützung der Therapie medizinisch dringend erforderlich sei. Sie ist bei der Beklagten versichert, welche den Antrag mit Bescheid vom 13. März 2007 ablehnte: Es handele sich bei den Baumwollhandschuhen nicht um Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) ein. Der Gutachter des MDK Dr. S führte in dem Gutachten vom 16. Januar 2008 aus, dass der Einsatz der Baumwollhandschuhe zweckmäßig sei. Allerdings würden Handschuhe nicht überwiegend oder ausschließlich für Erkrankte oder Behinderte angeboten, sondern würden für jedermann nutzbar vermarktet. Sie seien daher als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2008 zurück. Ein Anspruch auf Baumwollhandschuhe sei nach §§ 33 Abs. 1 Satz 1, 34 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. § 2 Nr. 10 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung (KVHilfsmV) ausgeschlossen. Bereits entstandene Kosten könnten nicht erstattet werden, weil sie die Kostenübernahme nicht zuvor gemäß § 13 Abs. 3 SGB V abgelehnt habe und es sich auch nicht um eine nicht aufschiebbare Leistung gehandelt habe.

Hiergegen hat sich die am 04. Juni 2008 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobene Klage gerichtet. Die Klägerin hat vorgebracht, es handele sich bei den Baumwollhandschuhen nicht um Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Die Handschuhe hätten eine Doppelfunktion, da sie sowohl im täglichen Leben als auch der Sicherung der Behandlung dienten. Bei ihr überwiege die Hilfsmittelfunktion eindeutig. Auch benutzten gesunde Menschen im gewöhnlichen Alltag keine Baumwollhandschuhe. § 2 Nr. 10 KVHilfsmV sei nicht einschlägig, da sie mehrfach verwendbare Handschuhe begehre und nicht Einmalhandschuhe. Sie benötige je Quartal etwa zwölf bis 14 Paar Baumwollhandschuhe zu je 19,50 Euro. Für den Zeitraum ab März 2007 bestehe ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 760,50 Euro.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09. September 2010 abgewiesen. Das Klagebegehren, ihr die beantragten Kosten für die Anschaffung der medizinisch notwendigen Baumwollhandschuhe sowie die weiteren im Laufe des Klageverfahrens entstehenden weiteren Kosten für medizinisch notwendige Baumwollhandschuhe zu erstatten, sei dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Kostenerstattung in Höhe von 760,50 Euro verlange. Ein solcher Erstattungsanspruch stehe der Klägerin jedoch nicht zu. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1, Fall 2 SGB V lägen zum einen nicht vor. So habe die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung die ihr angeblich entstandenen Kosten bislang nicht nachgewiesen. Zum anderen stehe ihr ein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Baumwollhandschuhen nicht zu. Anspruchsgrundlage könne nur § 33 Abs. 1 SGB V sein. Danach hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen seien. Baumwollhandschuhe seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Für die Abgrenzung sei maßgeblich auf die Zweckbestimmung des Gegenstandes abzustellen, die einerseits aus der Sicht der Hersteller, andererseits aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu bestimmen sei. Geräte wie zum Beispiel Brillen oder Hörgeräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt seien und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt würden, seien nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen, selbst wenn sie millionenfach verbreitet seien. Umgekehrt sei ein Gegenstand trotz geringer Verbreitung in der Bevölkerung und ungeachtet eines hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen, wenn er schon von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht sei (Bezugnahme auf Bundessozialgericht BSG , Urteil vom 15. November 2007 B 3 P 9/06 R , juris, Rdnr. 18 m. w. N.). Maßgeblich für die Abgrenzung seien ausschließlich Funktion und Gestaltung des Gegenstandes, wie er konkret beansprucht werde und beschaffen sei. Handele es sich hingegen um einen Gegenstand, der zwar allgemein als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens angesehen werde, in seiner konkret zu beurteilenden Funktion und Gestaltung aber so erheblich von diesem abweiche, weil er für die Zwecke behinderter Menschen weiterentwickelt oder umgewandelt und deshalb nicht mehr ebenso nutzbar sei wie im Alltag nicht behinderter Menschen, dann sei er ein Hilfsmittel (Bezugnahme auf BSG, a. a. O.). Unter Anwendung dieser Kriterien seien Baumwollhandschuhe Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Sie würden von einer Vielzahl von Herstellern im freien Handel angeboten, seien vielseitig einsetzbar, z. B. als Servierhandschuhe, in der Lebensmittelindustrie, für Feinarbeiten und zum Unterziehen bei der Verwendung von Reinigungshandschuhen. Daneben seien Baumwollhandschuhe auch einsetzbar zum Schutz der Hände bei Neurodermitis. An der Eigenschaft, Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zu sein, ändere sich auch nichts dadurch, dass einzelne Anbieter und Apotheken spezielle Baumwollhandschuhe für Neurodermitis oder sonstige Hautkrankheiten anböten. Es sei insoweit nicht ersichtlich, dass die Baumwollhandschuhe speziell für die Bedürfnisse von Patienten mit Hautkrankheiten derart weiterentwickelt oder umgewandelt worden seien, dass sie erheblich von den sonstigen Baumwollhandschuhen abwichen. Dies zeige sich aus der gleichzeitigen Bewerbung der unterschiedlichen Zwecke und auch aus dem Umstand, dass sich der Preis je nach beworbenem Einsatzbereich nicht wesentlich unterscheide. Die Klägerin habe zuletzt auch nicht vorgetragen, warum die gewöhnlichen Baumwollhandschuhe in ihrem Falle nicht ausreichen sollten.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil am 05. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund ihrer schweren Form der Psoriasis lösten sich teilweise die Nägel ab, so dass die empfindlichen Fingerkuppen schutzlos seien. Sie benötige deshalb Maßanfertigungen, mit denen verhindert werde, dass die Pusteln aufplatzen und zu weiteren schmerzhaften Entzündungen führten. Sie benötige flexible Handschuhe, wie sie u. a. von dem Unternehmen T GmbH vertrieben würden. Da solche Handschuhe nicht im normalen Fachhandel erhältlich seien, handele es sich auch nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Auch die Tatsache, dass die Spezialhandschuhe zwischen 61,26 Euro und 110,51 Euro pro Paar kosteten, spräche gegen einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand. Solche Handschuhe würden nicht von einer großen Anzahl von Personen benutzt und seien normalerweise nicht im Haushalt vorhanden. Die im Handschuh enthaltenen Silberionen hätten antibakterielle und pilzhemmende Wirkung. Aufgrund ihrer Krankheit sei sie nach wie vor pflegebedürftig und beziehe Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung (Pflegegeld nach der Pflegestufe I).

Sie beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 760,50 Euro zu erstatten.

2. die Beklagte zu verpflichten, ihr die weiteren im Laufe des Gerichtsverfahrens entstandenen Kosten für die medizinisch notwendigen Handschuhe zu erstatten.

3. die Beklagte zu verpflichten, ihr zukünftig die medizinisch notwendigen Handschuhe als Sachleistung zu gewähren.

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, ihr künftig die medizinisch notwendigen Silber-Spezialhandschuhe als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die Klägerin nunmehr anderes vortrage als im bisherigen Verfahren. Dort sei noch behauptet worden, die Klägerin gebe für zwölf bis 14 Paar Handschuhe 19,50 Euro im Quartal aus. Auch habe die Klägerin nicht nachgewiesen, solche Spezialhandschuhe zu brauchen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Beschlusswege gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 20. Februar 2012 hingewiesen worden.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil.

Das Berufungsvorbringen gibt zu einer anderen Einschätzung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass:

Dass die Klägerin nicht nur normale Baumwollhandschuhe benötigt, wie ihr dies der sie behandelnde Dermatologe attestiert hat und wie dies auch der MDK Gutachter bestätigt hat, sondern Spezialanfertigungen mit Silberanteil, ist weder vorgetragen oder ansonsten ersichtlich, zumal die Klägerin bei ihrem bisherigen Hauptklageantrag verblieben ist.

Im Übrigen gilt - worauf die Beklagte hingewiesen hat - auch für "Silberhandschuhe", dass diese nicht nur bei Empfindlichkeit aus medizinischen Gründen beworben werden, sondern auch - wie allgemein Textilien mit Silberanteil im Gewebe - für die Normalbevölkerung.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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