L 2 AL 47/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AL 263/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 47/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. Januar 2009 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. Februar 2006.

Der am ... 1973 geborene Kläger bezog bis zum Erschöpfen seines Anspruches am 26. November 2003 Arbeitslosengeld und im Anschluss bis zum 25. Januar 2004 Arbeitslosenhilfe von der Beklagten. Vom 26. Januar 2004 bis zum 30. September 2004 war er als Fachinformatiker tätig. Ab dem 1. Oktober 2004 bis zum 31. Dezember 2004 erhielt er wiederum Arbeitslosenhilfe.

In der Zeit vom 12. September 2005 bis zum 31. Januar 2006 nahm er an einer Maßnahme im Rahmen des Projektes "Chance" teil. Hierzu schloss er einen als "Befristeten Arbeitsvertrag" bezeichneten Vertrag mit der FAA Gesellschaft für Arbeit und Lernen mbH (im Folgenden FAA) als Maßnahmeträger über ein vom 12. September 2005 bis zum 31. Januar 2006 andauerndes "Arbeitsverhältnis", wonach der Kläger für die Durchführung des Projektes "Chance" eingesetzt wird. Nach § 2 des Vertrages kann der Mitarbeiter von der FAA intern eingesetzt werden, aber auch im Rahmen eines Praktikums zur Arbeitserprobung in einem anderen Unternehmen oder zwischenzeitlich auch in Praktika zur Vertiefung und Festigung von Kenntnissen und Fertigkeiten. Der Erholungsurlaub betrage in Bezug auf den Zeitraum der geförderten Maßnahme 8 Urlaubstage. Als Vergütung erhielt der Kläger eine gleichbleibende Bruttozuwendung in Höhe von 740 EUR, auch wenn er nicht in einem Praktikum eingesetzt wird (§ 7 Nr. 3 des Vertrages).

Für die Dauer der Maßnahme entrichtete die FAA für den Kläger Beiträge zur Sozialversicherung und vermittelte ihn zur Durchführung von Praktika in das Unternehmen Telefonanlagenbau S. vom 19. September 2005 bis 18. Dezember 2005 sowie in die Zoohandlung M. in B. vom 19. Dezember 2005 bis zum 31. Januar 2006.

Am 27. Oktober 2005 meldete sich der Kläger bei der Beklagten zum 1. Februar 2006 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 23. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die für die Gewährung von Arbeitslosengeld erforderliche Anwartschaftszeit, da er innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Dagegen legte der Kläger am 22. März 2006 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte ergänzend aus: Die Teilnahme am "Projekt Chance" stelle keine versicherungspflichtige Beschäftigung dar. Der Kläger sei nicht tatsächlich in den Betrieb eingegliedert gewesen, sondern sei Teilnehmer einer Maßnahme des Bildungsträgers gewesen.

Am 21. April 2006 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Halle (SG) hiergegen Klage erhoben und sein Leistungsbegehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen: Er habe von der Beklagten auch seinen Neuanspruch auf Arbeitslosengeld schriftlich bestätigt bekommen. Hierzu hat er ein Schreiben der Beklagten, verfasst und unterschrieben von einer Mitarbeiterin R., vom 30. November 2005 vorgelegt. Dieses ist übertitelt "Betreff: Arbeitslosmeldung". Im Text heißt es:

"nach Prüfung der mir vorliegenden Bewerberdaten wird bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach Beendigung Ihrer Versicherungspflichtigen Beschäftigung im Rahmen des Projektes "Chance" des EfA M. ein Neuanspruch auf Arbeitslosengeld I entstehen.

Aus diesem Grunde sende ich Ihnen die Antragsunterlagen auf Arbeitslosengeld I mit einem Arbeitspaket und einem Termin bei Ihrem Arbeitsvermittler zu."

Des Weiteren hat der Kläger eine Auflistung seiner Tätigkeiten im Praktikumsbetrieb Telefonanlagenbau S. eingereicht. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf Anforderung des SG hat die Beklagte die Beratungsvermerke über Vorsprachen/und Arbeitsvermerke im Fall des Klägers übersandt. Über eine Prüfung am 30. November 2005 findet sich der Eintrag "Anspruchsvoraussetzungen Alg I nach Projekt "Chance" gem. Vereinbarung vom 1. November 2005 mit EfA geprüft, es entsteht ab 1. Februar 2006 ein Neuanspruch auf Alg I, Antrag Alg, AB, BA II1e, AP mit Rückgabetermin 071205 an Kunden versandt".

Bei der betreffenden Vereinbarung vom 1. November 2005 zwischen der Beklagten und dem Eigenbetrieb für Arbeit M. (EfA) handelt es sich um die Vereinbarung über eine vereinfachte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen auf den Bezug von Arbeitslosengeld I für die Absolventen des Projektes "Chance" des EfA. Darin heißt es: "Im Rahmen der Arbeitsuchendmeldung bei der AA M. wird in einem vereinfachten Verfahren ein etwaiger Anspruch auf Arbeitslosengeld I anhand der vorliegenden Bewerberdaten geprüft. Wird festgestellt, dass bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Projekt "Chance" kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I entsteht, erhalten die Teilnehmer ein formloses Schreiben zur Vorlage beim EfA M. zwecks Antragstellung auf Arbeitslosengeld II. Ist bei einer vereinfachten Prüfung abzusehen, dass ein vorrangiger Anspruch auf Arbeitslosengeld I entstehen kann bzw. in Zweifelsfällen erfolgt die Ausgabe eines Antrages auf Arbeitslosengeld I und eine darauf folgende "Bescheiderteilung nach Vorlage der entscheidungserheblichen Antragsunterlagen."

Die Beklagte hat hierzu erläutert, es habe sich nur um eine Verwaltungsvereinfachung gehandelt. Bei Vorlage einer negativen Auskunft habe der Leistungsträger es hierbei bewenden gelassen. Bei Vorlage einer positiven Auskunft habe er auf der Vorlage des Bescheides der Beklagten bestanden. In dem Schreiben könne nur eine unrichtige Auskunft, nicht aber eine Zusicherung gesehen werden.

Zu den Tätigkeiten im Praktikum hat die Fa. Telefonanlagenbau S. mitgeteilt, dass der Kläger eine Arbeitserprobung als Helfer absolviert habe. Hierbei hätten folgende Aufgaben zu seinem Praktikum gehört: Hilfestellung für Fachmonteure, Prüfen und Testen unter fachgerechter Anleitung von PC, Drucker, Telefax u.ä. sowie vereinzelte Begleitung von Fachmonteuren im Tageseinsatz, um Kenntnisse im Störungseinsatz zu vermitteln. Da der Praktikant nicht in den operativen Betrieb eingebunden gewesen sei, seien die Anwesenheitszeiten wegen der Anreise auf 8.30 Uhr bis 15.15 Uhr angepasst worden.

Die FAA hat die "Öffentlich-Rechtliche Vereinbarung über die Durchführung des Sonderprojektes "Chance" eingereicht. Zum Gegenstand des Vertrages heißt es in § 1 Satz 2: In diesem Rahmen werden durch den Auftragnehmer Kunden des Auftraggebers aktiv bei der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt betreut. Die zu betreuenden Kunden werden personenbezogen durch Verwaltungsakt zugewiesen und vom Auftragnehmer in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingestellt. Der Auftragnehmer unterstützt den Teilnehmer aktiv durch die Vermittlung in Betriebspraktika und nutzt die praktikumsfreie Zeit individuell für andere Integrationsbemühungen durch Maßnahmen zum Abbau von Vermittlungshemmnissen, die Vermittlung selbst und andere Hilfen." Daneben hat der Träger Richtlinien zur Förderung im Rahmen des Sonderprojektes "Chance" vom 1. August 2005 vorgelegt. Für weitere Einzelheiten wird auf Bl. 76 ff. der Gerichtsakten verwiesen.

Nach Vernehmung des Zeugen S. hat das SG mit Urteil vom 15. Januar 2009 der Klage stattgegeben: Der Kläger habe einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. Februar 2006 für 180 Tage. Die Beklagte habe dem Kläger wirksam zugesichert, dass er einen Arbeitslosengeldanspruch durch die Teilnahme an dem Projekt "Chance" erworben hat. Aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizontes lasse die Ankündigung den Schluss zu, das die Beklagte dem Kläger für den Fall der Arbeitslosigkeit nach Beendigung des Projektes "Chance" Arbeitslosengeld bewilligen werde. Es sei nicht relevant, was die Beklagte mit dem Schreiben für ein Ziel verfolgt habe. Im Übrigen dürften die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld I ohnehin vorgelegen haben, nachdem der Kläger gem. § 3 des Arbeitsvertrages auch intern durch die FAA eingesetzt werden konnte. Letztlich könne dies dahinstehen, da bereits eine Zusicherung vorliege.

Gegen das ihr am 11. März 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. April 2009 bei dem erkennenden Gericht Berufung erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Das Schreiben vom 30. November 2005 enthalte keine Aussage darüber, dass ein bestimmter Verwaltungsakt erlassen werde. Bereits der Betreff verweise auf die Arbeitslosmeldung, nicht aber auf die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Zudem sei die Aussage, es werde ein Neuanspruch entstehen, mit der Einschränkung erfolgt, dass sich dies aus den vorliegenden Bewerberdaten ergebe. Es handele sich um eine Mitteilung ohne Rechtsbindungswillen. Die Teilnahme am Projekt "Chance" sei nicht anwartschaftszeitbegründend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 15. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Er sei ca. eine Woche bei der FAA selbst gewesen. Hierbei seien seine Bewerbungsunterlagen optimiert worden, und er "habe Tipps bekommen". Die Praktikumsbetriebe habe er sich selbst gesucht. Die Mitarbeiter der FAA hätten sich bei ihm telefonisch erkundigt, ob das Praktikum zu seiner Zufriedenheit verlaufe.

Beide Beteiligte haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Senat ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung trifft.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht erhobene sowie im Sinne des § 143 SGG statthafte Berufung ist zulässig. Die Erhebung der Berufung am 14. April 2009 ist fristgerecht, weil das Ende der Monatsfrist auf "Oster"-Samstag fiel und die Berufung am darauf folgenden Werktag bei Gericht einging (§§ 186 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches).

Die Berufung ist auch begründet.

Entgegen der Auffassung des SG ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2006 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für die Zeit ab dem 1. Februar 2006 gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gemäß § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) in der Fassung bis zum 31. März 2012 Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen sind im hier zu erkennenden Fall nicht gegeben. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (Nr. 1) und der Arbeitslosmeldung (Nr. 2) hat der Kläger die Anwartschaftszeit (Nr. 3) nicht erfüllt. Nach § 123 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate (360 Tage; vgl. § 339 Satz 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

In der hier maßgeblichen Rahmenfrist vom 1. Februar 2004 bis zum 31. Januar 2006 hat die Klägerin nicht 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis im Sinne des § 24 Abs. 1 SGB III gestanden. Die Beklagte hat dem Kläger auch keine Zusicherung erteilt, so dass es auf das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung nicht ankommt.

Der Kläger hat in der Rahmenfrist nicht in der geforderten Zeit in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Nach der vorgenannten Bestimmung stehen in einem Versicherungspflichtverhältnis Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen (§ 26 SGB III) versicherungspflichtig sind. Versicherungspflichtig sind gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (versicherungspflichtige Beschäftigung). Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden, stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 gleich (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Beschäftigung ist dabei nach der gesetzlichen Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Sozialgesetz – Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften über die Sozialversicherung (SGB IV) die nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind. Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (§ 7 Abs. 2 SGB IV).

Dieses zugrunde gelegt stand der Kläger im maßgeblichen Zeitraum lediglich für acht Monate (von Februar bis Ende September 2004) in einem Versicherungspflichtverhältnis, als er in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 30. September 2004 als Fachinformatiker beschäftigt war. Weitere berücksichtigungsfähige Zeiten zur Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses liegen nicht vor.

Insbesondere stellt die Teilnahme des Klägers an dem "Projekt Chance" in der Zeit vom 1. September 2005 bis zum 31. Januar 2006 kein Versicherungspflichtverhältnis im Sinne der vorgenannten Vorschriften dar.

Der Kläger war in dieser Zeit nicht gegen Arbeitsentgelt bei der FAA beschäftigt. Die Versicherungspflicht bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt in der ersten Alternative des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III erfordert unter Heranziehung des Grundgedanken des § 7 Abs. 1 SGB IV eine Eingliederung des Beschäftigten in einen Betrieb, die sich regelmäßig in der faktischen Verfügungsmöglichkeit des Arbeitgebers mit einem mehr oder weniger stark ausgeprägtem Weisungsrecht des Betriebsinhabers, bezogen auf Zeit, Ort, Dauer, Inhalt und Gestaltung der Tätigkeit äußert. Dabei ist maßgebend, dass das Direktionsrecht im Rahmen der Leistung von fremdnütziger Arbeit und nicht innerhalb anderer Zielsetzungen (z.B. bei Unterrichts-, Lehr- und Übungsveranstaltungen) ausgeübt wird. Die wertende Zuordnung zum Typus einer abhängigen Beschäftigung bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls, ausgehend von der vertraglichen Ausgestaltung des Verhältnisses (BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 m.w.N. aus der st. Rspr., B 7/7a AL 70/06 R, zitiert nach juris).

Hiervon ausgehend liegen die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses gegen Arbeitsentgelt nicht vor. Gegenstand des zwischen dem Kläger und der FAA geschlossenen Vertrages war eine konkrete Maßnahme im Rahmen des Projektes "Chance". Bei diesem Projekt handelte es sich um eine mit öffentlichen Mitteln vom Leistungsträger geförderte Maßnahmen mit dem Ziel, Vermittlungshemmnisse in der Person der Leistungsberechtigten abzubauen und deren Eingliederungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verbessern. Hierzu beauftragte der Leistungsträger u.a. die FAA, als Maßnahmeträger das Projekt "Chance" im Einzelfall durchzuführen und stellte ihm die Mittel in Form von Pauschalen pro Teilnehmer zur Verfügung. Als Maßnahmeträger hatte die FAA mit dem Kläger einen Vertrag über die Durchführung der Maßnahme zu schließen und ihn als Maßnahmeteilnehmerin zu schulen und/oder in Praktika bzw. Arbeitserprobungen in andere Unternehmen in Sachsen-Anhalt zu vermitteln (s. Öffentlich rechtliche Vereinbarung über die Durchführung des Sonderprojektes "Chance"). Die Einsätze in den Unternehmen im Rahmen des Projekts "Chance" sollten nach dem Ziel dieses Projektes allgemein dazu beitragen, nach Ende der Maßnahme die Chancen der Teilnehmer auf eine Eingliederung in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu erhöhen. Dies zeigt sich auch daran, dass der Kläger eine Woche bei der FAA geschult wurde, um seine Bewerbungsunterlagen zu optimieren usw. Unter Berücksichtigung dieser Gestaltung der Vertragsbeziehung des Klägers zur FAA ist zwar davon auszugehen, dass der Kläger – auch während der Praktika bei der Firma Telefonanlagenbau S. und bei der Zoohandlung M. dem Weisungsrecht der FAA unterstand. Die FAA konnte rechtlich über den Einsatz des Klägers bestimmen. Der FAA waren auch Arbeitsverhinderungen, beispielsweise wegen Krankheit, zu melden. Die FAA übte dieses Weisungsrecht jedoch nicht gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer im Rahmen eines Verhältnisses aus, das auf die Verrichtung wirtschaftlich verwertbarer Arbeit ausgerichtet war. Das Weisungsrecht der FAA bezog sich ausschließlich auf den Kläger als Teilnehmer der von der FAA im Auftrag des Leistungsträgers durchgeführten Maßnahme. Der Kläger war nicht in den Betrieb bzw. in die Arbeitsorganisation der FAA eingegliedert. Alleiniger Betriebszweck der FAA war die Organisation und Durchführung von Aus- und Fortbildungen. Innerhalb dieses Betriebszwecks war der Kläger nicht (etwa als Lehrkraft oder Verwaltungsmitarbeiterin etc.) tätig. Die FAA setzte die Arbeitskraft des Klägers nicht als für sie als Arbeitgeberin gewinnbringende Tätigkeit im eigenen Unternehmen ein, sondern vermittelte den Kläger als Bildungsträger im Rahmen des "Projektes Chance" allein mit der öffentlich-rechtlich vorgegebenen Zielsetzung, die Eingliederungschancen des Klägers zu verbessern (vgl. zum Ganzen Urteil des erkennenden Senates vom 19. Oktober 2011, L 2 AL 53/08, zitiert nach juris).

Dies zugrunde gelegt hat der Kläger die von ihm verrichteten Arbeiten in den Praktikaunternehmen auch nicht als Gegenleistung für die im Vertrag vereinbarte Zahlung erbracht. Die ihm vertraglich zustehende "Vergütung" ist nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu werten, sondern diente ausschließlich der Sicherung des Lebensunterhalts während der Dauer der Maßnahme. Dies ist bereits den Formulierungen des Vertrages zu entnehmen: Danach wurde der Kläger in dem Projekt "Chance" eingesetzt und die "Einstellung" erfolgte allein für die Durchführung des betreffenden Projektes. Die monatlichen Zahlungen der FAA an den Kläger beruhten auf öffentlichen Mitteln, verwaltet durch den Leistungsträger. Ziel der gesamten Teilnahme des Klägers an der Maßnahme "Projekt Chance" und damit auch seiner Tätigkeit in den Praktikaunternehmen war allein seine (spätere) Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Vor diesem Hintergrund stand ihm auch ein außerordentliches Kündigungsrecht im Falle des Antritts eines Arbeitsplatzes am 1. Arbeitsmarkt während der Maßnahmedauer zu (§ 8 Ziff. 2. des Vertrages). Auch erfolgte die Zahlung unabhängig von der Teilnahme an Praktika in anderen Unternehmen. Die "Gegenleistung" des Klägers für die ihm vertraglich zustehenden Zahlungen beschränkte sich ausschließlich auf die Teilnahme an der Maßnahme innerhalb des Projektes "Chance", die primär dem Ziel seiner späteren Integration in ein reguläres Arbeitsverhältnis diente (so schon der erkennende Senat im Urteil vom 19. Oktober 2011, a.a.O.). Nutznießer der Tätigkeit des Klägers sollte nicht ein Unternehmen, sondern nur der Kläger selbst sein.

Dies berücksichtigt scheidet auch eine Qualifizierung des Klägers als sog. Leiharbeitnehmer der FAA nach dem Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) aus. Im Vordergrund der Vermittlung des Klägers in die Praktikaunternehmen durch die FAA standen nach dem Vorstehenden keine wirtschaftlichen Gesichtspunkte. Die FAA setzte die Arbeitskraft des Klägers nicht als Teil ihrer betrieblichen Organisation mit Gewinnerzielungsabsicht in andere Unternehmen ein. Nicht die von kommerziellen Gesichtspunkten geprägte entgeltliche Überlassung von Arbeitnehmern war das Ziel des zwischen dem Kläger und der FAA geschlossenen Vertrages. Vielmehr gab der vorrangige Zweck des Abbaus von Vermittlungshemmnissen in der Person des Klägers dem Vertragsverhältnis seinen prägenden Charakter.

Zudem war der Kläger während der Teilnahme an dem "Projekt Chance" bei der FAA weder zur Berufsausbildung beschäftigt noch wurde er im Rahmen eines mit der FAA geschlossenen Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsausbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet. Es fehlt bereits an einem zwischen dem Kläger und der FAA geschlossenen Berufsausbildungsvertrag nach dem Berufsbildungsgesetz. Sonstige Ausbildungen oder Weiterbildungen nach dem SGB III bei freien Bildungsträgern, die – wie im hier zu erkennenden Fall – nicht auf der Grundlage eines Berufsausbildungsvertrages absolviert werden, sind Beschäftigungen zur Berufsausbildung nicht gleichzustellen.

Die Annahme eines Versicherungspflichtverhältnisses unter Heranziehung der maßgebenden Vorschriften ist auch nicht durch die Tätigkeit in den beiden Praktikaunternehmen veranlasst. Der Kläger war bei diesen Unternehmen weder gegen Arbeitsentgelt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB III) noch zur Berufsausbildung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. und Satz 2 SGB III) beschäftigt. Voraussetzung für das Vorliegen eines faktischen Arbeitsverhältnisses ist u.a. ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Fehlt jede rechtsgeschäftliche Übereinkunft, scheidet auch ein faktisches Arbeitsverhältnis aus (BAG, Urteil vom 26. September 2007, 5 AZR 857/06; BSG, Urteil vom 27. August 2011, B 4 AS 1/10 R, jeweils zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Einen – über die Durchführung des "Projektes Chance" hinausgehenden – Vertragsschluss mit diesen Unternehmen nach bürgerlich-rechtlichen Regeln hat der Kläger nicht dargelegt. Auch sind keine Umstände ersichtlich, die Anhaltspunkte dafür liefern, dass der Kläger und die Praktikaunternehmen nach ihrem übereinstimmenden Willen konkludent auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem von der Praktikumszuweisung abweichenden Inhalt verständigt haben und insoweit eine Einigung über einen Austausch von Arbeitskraft gegen Arbeitsentgelt zustande kam. Es ist nach dem Sachvortrag und dem Inhalt der Akten vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger seine Arbeitsleistung in den Praktikaunternehmen ausschließlich als Teilnehmer einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Maßnahme und nicht unter Missachtung der Vorgaben des "Projektes Chance" als Gegenstand einer eigenständigen arbeitsrechtlichen Vereinbarung zwischen ihm und den Praktikaunternehmen erbracht hat. So hat auch der Zeuge S. hervorgehoben, dass der Kläger keine Arbeitsleistung erbracht hat und auch von seinen Arbeitszeiten nicht in den produktiven Bereich eingegliedert war.

Im Weiteren ist es nicht erheblich, dass Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet worden sind. Zu Unrecht entrichtete Beiträge sind für die Erfüllung der Anwartschaftszeit unbeachtlich. Die Erfüllung der Anwartschaftszeit ist nicht abhängig von einer Beitragszahlung, sondern ausschließlich von einer die Anwartschaftszeit begründenden tatsächlichen Versicherungspflicht einer Tätigkeit, an der es im vorliegenden Fall gerade fehlt. Die Rechtsfigur der sog. Formalversicherung kennt die Arbeitslosenversicherung nicht (BSG a.a.O.). In Fällen, in denen rechtsirrig Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet wurden, ist auf die Durchführung eines Erstattungsverfahrens zu verweisen.

Der Kläger kann seinen Anspruch auf Gewährung von Alg I auch nicht auf eine seitens der Beklagten gegebene Zusicherung stützen. Die Beklagte hat dem Kläger nicht verbindlich zugesichert, dass er durch die Teilnahme an der Maßnahme innerhalb des Projektes "Chance" einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I erwirbt (wenn er arbeitslos wird).

Das Schreiben der Beklagten vom 30. November 2005 enthält keine solche Zusicherung im Sinne des § 34 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).

Nach § 34 SGB X bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Die Zusicherung hat die Aufgabe, den Adressaten über das künftige Verhalten der Verwaltungsbehörde bei Erlass des Verwaltungsaktes Gewissheit zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2001 – B 2 U 39/00 R – zitiert nach juris). Es handelt sich um eine verbindliche Selbstverpflichtung der Behörde in Form eines Verwaltungsaktes. Abzugrenzen ist die Zusicherung von der Auskunft. Bei der Auskunft handelt es sich um eine "Wissenserklärung", die sich in der Mitteilung des Wissens erschöpft (vgl. BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 10 RKg 19/92 – zitiert nach juris). Während die Zusicherung mit Verpflichtungswille auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet ist, fehlt ein solcher Regelungswille bei der Auskunftserteilung. Die Auslegung, ob mit dem Schreiben vom 30. November 2005 ein solcher Verwaltungsakt der Zusicherung erlassen worden ist oder nicht, richtet sich nach den allgemeinen Auslegungskriterien. Dabei ist das gesamte Verhalten der Erklärenden zu berücksichtigen, neben dem Erklärungswortlaut, kommt es auch auf Begleitumstände, insbesondere dem Zusammenhang und dem Zweck der Erklärung an. Hierbei ist insbesondere auch das erkennbare Bedürfnis für die Selbstverpflichtung der Behörde maßgebend. Bei der Auslegung kommt es auf die Sicht des Erklärungsempfängers an. Es kommt also nicht darauf an, was die Verwaltung mit der Erklärung gewollt hat, sondern wie der Empfänger sie vom objektiven Empfängerhorizont verstehen durfte und musste.

Ein für eine Zusicherung notwendiger Verpflichtungswille ist der Erklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht zu entnehmen.

Der Wortlaut der Erklärung zeigt, dass sich das Schreiben auf einen individuellen Sachverhalt bezieht "Ihrer Versicherungspflicht" und nicht lediglich allgemeine Aussagen trifft. Auch durch die Formulierung "nach Prüfung der vorliegenden Bewerberdaten" deutet auf eine Auseinandersetzung mit dem konkreten Sachverhalt hin. Die genannte Rechtsfolge " wird ein Neuanspruch auf Arbeitslosengeld I entstehen" ist ohne Einschränkungen formuliert. Die Formulierung deutet auf die Beschreibung der Rechtslage bzw. Kundgabe der Rechtsansicht der Behörde und nicht eine konkrete Inaussichtstellung eines Verwaltungsaktes hin. Der Wortlaut könnte aber auch ausnahmsweise einen Verpflichtungswillen der Behörde dokumentieren. In besonderen Fällen kann auch die Mitteilung, ein Auskunftsersuchender werde einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung haben, sofern er bestimmte Voraussetzungen erfüllt, eine Zusicherung darstellen (so BSG, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 10 RKg 19/92 – a. a. O.). Voraussetzung hierfür ist, dass der Hinweis eine erhebliche Bedeutung für den Empfänger hat, diesen in seinen Dispositionen maßgeblich beeinflusst bzw. für den Empfänger nur so verstanden werden konnte, dass es ihn in seinen Handlungen beeinflussen sollte. In dem zitierten Beispiel des BSG lagen Besonderheiten in der Weise vor, dass die Behörde erkennbar mit dem rechtlichen Hinweis, die Disposition des Klägers beeinflussen wollte, um bis zum Eintritt der Bedingung den Betreffenden von Anträgen und Widersprüchen abzuhalten, was in der Folge auch passierte.

Eine vergleichbare Fallkonstellation, bei der die Behörde erkennbar bereits mit der Kundgabe einer Rechtsansicht, die Disposition des Betreffenden beeinflussen will, liegt hier nicht vor. Vorliegend ist das Schreiben an den Kläger versandt worden, ohne von diesem veranlasst zu sein. Es gab keinen konkreten Streit, keine konkrete Anfrage des Klägers an die Beklagte und es stand auch nicht eine Handlung des Klägers bevor, die von einer Auskunft der Beklagten abhing. Vielmehr hatte der Kläger bereits die Maßnahme im Rahmen des Projektes "Chance" begonnen. Eine Abhängigkeit von Handlungen des Klägers von der Auskunft über den zu erwartenden Alg I-Anspruch ist weder vorgetragen noch zu erkennen. Auch aus der Sicht des Leistungsempfängers gab es keinen Grund für die Behörde, sich bereits vorab zu einer Bewilligung von Arbeitslosengeld zu verpflichten. Die Behörde hat in dem Schreiben ihre damalige Rechtsansicht kundgetan. Alle Beteiligten gingen damals davon aus, dass die Teilnahme an einer Maßnahme innerhalb des Projektes "Chance" eine versicherungspflichtige Tätigkeit darstellt. Auch die Kundgabe einer falschen Rechtsansicht begründet ein Vertrauen des Empfängers, welches sich ggf. in Sekundäransprüchen auswirkt, sie ist aber von der Abgabe einer Zusicherung zu unterscheiden. Es ist daher unbeachtlich, dass der Bürger jedes offizielle Schreiben der Behörde, in dem ihm eine Mitteilung zu seinen Verhältnissen gemacht wird, als vertrauensbegründend ansieht. Für den Kläger als Empfänger des Schreibens wurde deutlich, dass das Schreiben dazu diente, dass er rechtzeitig einen Antrag auf Alg I stellen sollte. Hierauf deutet schon die Überschrift " Betreff: Arbeitslosmeldung" als auch die Übersendung des "Arbeitspackets" hin. Eine weitergehende Bedeutung konnte nach den dargestellten Begleitumständen das unaufgefordert zugesandte Schreiben für den Empfänger nicht entfalten.

Nach alledem ist ein neuer Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht entstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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