L 11 KR 2524/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1125/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2524/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.05.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Weitergewährung von Krankengeld über den 09.03.2012 hinaus.

Die 1957 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Bis zum 29.02.2012 war sie wegen abhängiger Beschäftigung pflichtversichertes Mitglied; zu diesem Tag wurde die Antragstellerin innerhalb der Probezeit gekündigt. Im Januar 2012 erhielt die Antragsstellerin ein Arbeitsentgelt in Höhe von 2.574,41 EUR brutto und - nach Abzug der Steuern - von 1.886.42 EUR netto; ihr Arbeitsentgelt wurde nach Monaten bemessen. Am 02.02.2012 erkrankte die Antragstellerin und wurde von Dr. K. aufgrund von Unwohlsein und Ermüdung und später ab 13.02.2012 aufgrund einer depressiven Episode arbeitsunfähig geschrieben. Bis einschließlich 29.02.2012 erhielt sie Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber. Vom 01.03.2012 an bezog sie wegen einer am 02.02.2012 von Dr. K. attestierten Arbeitsunfähigkeit von der Antragsgegnerin Krankengeld. Seit 10.03.2012 besteht eine freiwillige Mitgliedschaft.

Arbeitsunfähigkeit wurde wie folgt attestiert:

Datum der Bescheinigung Arzt AU-Zeitraum Erst-/Folge- bescheinigung Diagnose 02.02.2012 Dr. K. 02.02.2012 - 08.02.2012 E r53g 07.02.2012 Dr. K. 02.02.2012 - 10.02.2012 F r53g 13.02.2012 Dr. K. 02.02.2012 - 26.02.2012 F r53g; f32.9g 27.02.2012 Dr. K. 02.02.2012 - 09.03.2012 F r53g Auszahlschein 12.03.2012 Dr. K. vorauss bis 26.03.2012 r53g; f32.9 Auszahlschein 09.03.2012 Dr. K. vorauss bis 26.03.2012 r53g; f32.9 26.03.2012 M.-L. 26.03.2012 - 25.04.2012 E mittelgr Depression Auszahlschein 26.03.2012 Dr. K. mittelgr Depression Auszahlschein 24.04.2012 M.-L. vorauss bis 01.06.2012 f32.1g 24.04.2012 M.-L. 26.03.2012 - 01.06.2012 F f32.1g 31.05.2012 M.-L. 26.03.2012 - 25.06.2012 F f32.1g Auszahlschein 31.05.2012 M.-L. vorauss bis 25.06.2012 f32.1g

Am 28.02.2012 fand zwischen den Beteiligten ein Beratungsgespräch statt. Offen ist, ob dabei die Antragstellerin mündlich auf die Notwendigkeit nahtloser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hingewiesen wurde. Fest steht allerdings, dass diese das Formular "Wichtige Hinweise zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und zur mitgliedschaftserhaltenden Wirkung des Bezuges von Krankengeld" unterzeichnete.

Nachdem Dr. K. die Antragstellerin zunächst bis 09.03.2012 arbeitsunfähig geschrieben hatte, ging am 12.03.2012 bei der Antragsgegnerin ein Auszahlschein von Dr. K. ein, der der Antragstellerin Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 26.03.2012 bescheinigte. Mit Bescheid vom 16.03.2012 lehnte die Antragsgegnerin die Weitergewährung von Krankengeld über den 09.03.2012 hinaus ab. Mangels eines Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld könne für die ab 13.03.2012 bestehende Arbeitsunfähigkeit kein Krankengeld gewährt werden. Daraufhin reichte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.03.2012 einen "berichtigten" Auszahlschein ein, auf dem der Feststellungstag mit dem Datum des 09.03.2012 angegeben war. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin bei Dr. K., wann er die Antragstellerin in den Monaten Februar und März behandelt habe, gab dieser zunächst an, die Antragstellerin am 09.03.2012 behandelt zu haben. Noch am selben Tag korrigierte er dies und teilte mit, am 09.03.2012 habe kein Arztkontakt stattgefunden.

Am 20.03.2012 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.03.2012, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 zurückwies. Hiergegen hat die Klägerin am 30.05.2012 beim SG Klage erhoben (S 12 KR 1803/12).

Im Widerspruchsverfahren hatte Dr. K. ausgeführt, aus medizinischer Sicht werde ihr durchgehende Arbeitsunfähigkeit ab dem 02.02.2012 attestiert. Eine medikamentöse Therapie sei eingeleitet.

Am 30.03.2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Fortzahlung von Krankengeld begehrt, den das SG mit Beschluss vom 08.05.2012 abgelehnt hat. Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung scheide ohnedies aus. Im Übrigen sei ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden. Die Antragstellerin sei nur bis 09.03.2012 mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Sie habe ab 10.03.2012 weder Krankengeld bezogen noch habe sie für diesen Tag Anspruch auf Krankengeld gehabt. Ihr Anspruch sei entsprechend der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. K. vom 27.02.2012 bis zum 09.03.2012 befristet gewesen. Am 09.03.2012 habe unstreitig kein Arzt-Patient-Kontakt stattgefunden. Die am 12.03.2012 auf den 09.03.2012 rückwirkend attestierte Arbeitsunfähigkeit sei unerheblich. Seit dem 10.03.2012 habe lediglich Versicherungsschutz der Antragstellerin als freiwillig Versicherte ohne Anspruch auf Krankengeld bestanden. Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise - rückwirkend - nachgeholt werden könne, liege nicht vor. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Antragstellerin gehindert gewesen sei, alles in ihrem Verantwortungsbereich Mögliche zu unternehmen, um vor Ablauf des Arbeitsunfähigkeitszeitraums eine rechtzeitige Verlängerung der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über den 09.03.2012 hinaus zu erlangen. Es sei schon nicht ersichtlich, weshalb sie bei einer sich offenbar schon abzeichnenden fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit Dr. K. nicht bereits vor dem 09.03.2012 aufgesucht habe, zumal ihr dieser anlässlich eines Telefonates am 05.03.2012 mitgeteilt habe, er sei am 09.03.2012 nicht in der Praxis, und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von jedem, nicht nur dem behandelnden Arzt, ausgestellt werden könnten. Schließlich sei die Antragstellerin seitens der Antragsgegnerin bei dem Gespräch am 28.02.2012 explizit über die Notwendigkeit durchgehender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgeklärt und die entsprechende Belehrung von der Antragstellerin eigenhändig unterzeichnet worden. Sei die Mitgliedschaft auch unter Berücksichtigung der Erhaltungstatbestände in § 192 SGB V beendet, bestehe gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V noch ein nachgehender Leistungsanspruch längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Da § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V eine Ausnahmevorschrift zur Vermeidung sozialer Härten darstelle, entfalle die Schutzbedürftigkeit wenn es keine Sicherungslücke (mehr) gebe. Eine solche Lücke sei nicht gegeben, wenn entweder unmittelbar im Anschluss eine bisherige Pflichtmitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V ein neues Versicherungsverhältnis begründet werde. Das aktuelle Versicherungsverhältnis habe Vorrang gegenüber dem nachgehenden Anspruch. Da für die Antragstellerin rückwirkend zum 10.03.2012 eine freiwillige Versicherung bei der Antragsgegnerin abgeschlossen worden sei, bestehe mangels Schutzbedürftigkeit kein Anspruch aufgrund eines nachgehenden Leistungsanspruches mehr. Ein solcher habe ohnehin lediglich bis zum 09.04.2012 bestanden. Selbst wenn eine freiwillige Versicherung den nachgehenden Leistungsanspruch nach § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V nicht ausschließe, würde für den hier zu prüfenden Zeitraum zumindest ein Anordnungsgrund fehlen. Denn es sei nicht ersichtlich, welche schweren oder unzumutbaren Nachteile der Antragstellerin durch ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache über 11 Tage Krankengeld entstehen könnten.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 09.05.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 08.06.2012 beim SG, eingegangen am 14.06.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG), Beschwerde eingelegt. Vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sei sie bereits wegen einer depressiven Episode und eines Burnout-Syndroms erkrankt und seither durchgehend arbeitsunfähig. Auch wenn die Antragsgegnerin behaupte, am 28.02.2012 habe zwischen ihr und einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin ein Beratungsgespräch stattgefunden, bei dem sie ausdrücklich auf die Notwendigkeit nahtloser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hingewiesen worden sei, so stelle sie dies in Abrede. Ihr Ehemann sei zugegen gewesen und könne bezeugen, dass von einer nahtlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht die Rede gewesen sei. Ihr sei eine Reihe von Dokumenten zur Unterschrift vorgelegt worden, ohne dass der Inhalt und die Bedeutung dieser Dokumente im Einzelnen diskutiert worden sei. Dr. K. habe sie bereits am 27.02.2012 bis zum 26.03.2012 krankschreiben wollen, da sie am 26.03.2012 einen Termin bei dem Neurologen und Psychiater M.-L. gehabt habe. Aus Gründen, die ihr nicht bekannt seien, sei die Krankschreibung vom 27.02.2012 zum 26.03.2012 "aus PC-technischen Gründen nicht möglich" gewesen, weshalb sie vorläufig nur bis zum 09.03.2012 krankgeschrieben worden sei. Sie habe dann wegen eines Termins für den 09.03.2012 in der Praxis angerufen. Dr. K. selbst habe ihr gesagt, er sei an diesem Tag nicht in der Praxis, sie solle am Montag, 12.03.2012, vorbeikommen. Sie erhalte dann einen neuen Auszahlschein. Sie habe Dr. K. gefragt, ob sie deshalb Schwierigkeiten bekommen könne. Dr. K., habe ihr gesagt, es gebe überhaupt keine Probleme. Am 05.03.2012 habe Dr. K. telefonisch feststellen können, dass sie weiterhin arbeitsunfähig krank sei. Nachdem Ende der Kalenderwoche 11 eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin angerufen habe und ihr gesagt habe, sie sei nicht mehr versichert und bekomme Krankengeld nur bis zum 09.03.2012, weil der Auszahlschein und die Krankschreibung lückenlos sein müssten, habe Dr. K. den Auszahlschein mit Datum 09.03.2012 neu ausgestellt. In der Zwischenzeit habe sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert. Am 19.05.2012 sei sie so schwer gestürzt, dass sie im Krankenhaus habe behandelt werden müssen. Nachdem Dr. K. aber bereits am 05.03.2012 anlässlich des Telefongesprächs die ärztliche Feststellung habe fassen können, sie sei weiterhin auf nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig krank, habe für sie deshalb nicht vor der Frage gestanden, am 09.03.2012 einen anderen Vertragsarzt aufzusuchen. Soweit Dr. K. darauf hingewiesen habe, es schade nicht, wenn sie am 09.03.2012 nicht weiterhin arbeitsunfähig krankgeschrieben werde, müsse sich die Antragsgegnerin sein Verschulden zurechnen lassen. Hätte man sie nicht durch das Verschulden des Vertragsarztes davon abgehalten, wäre sie in der Lage gewesen, einen anderen Arzt aufzusuchen und Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.05.2012 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über den 09.03.2012 hinaus Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu bezahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 11.08.2010 geltenden Fassung des Art 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache wäre die Berufung nicht unzulässig, da die Antragstellerin die Gewährung von Krankengeld im Wert von mehr als 750,00 EUR begehrt. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu Recht abgelehnt. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht deshalb von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).

Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung wird ergänzend ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, welchen Inhalt das Gespräch zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin am 28.02.2012 hatte. Die Antragstellerin hat durch ihre Unterschrift bestätigt, von dem nur eine Seite umfassenden Merkblatt "Wichtige Hinweise zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und zur mitgliedschaftserhaltenden Wirkung des Bezugs von Krankengeld" Kenntnis genommen zu haben. In dem Merkblatt heißt es ua: "Das bedeutet, dass Sie spätestens am letzten Tag [Fettdruck im Original] der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wieder den Arzt aufsuchen, um deren Fortbestand feststellen [Fettdruck im Original] zu lassen." Außerdem hätte die Antragstellerin, die bereits befürchtet hatte, bei einer Krankschreibung erst am 12.03.2012 Schwierigkeiten zu bekommen, bei der Antragsgegnerin nachfragen oder die Praxis Dr. K. am 09.03.2012 dennoch aufsuchen können, um sich von einem anderen Arzt der Gemeinschaftspraxis untersuchen zu lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved