Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 183/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 254/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Erwerbsminderung eines Versicherten (hier: psychische Erkrankung, Intelligenzminderung).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.02.2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1977 geborene Kläger erlernte von 1993 bis 1996 den Beruf eines Maurers und übte diesen in der Folgezeit bis 1998 aus. Eine im Jahr 2000 durchgeführte Umschulungsmaßnahme wurde nicht erfolgreich abgeschlossen. Der Kläger war in diesem Rahmen als Lagerarbeiter und als Zimmermann tätig gewesen. Im Zeitraum 2006/2007 absolvierte der Kläger eine befristete Maßnahme (sog. 1-Euro-Job). Zuletzt wurde der Lebensunterhalt durch eine Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung und bis zum 30.09.2008 ergänzend durch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bestritten. Vom 01.10.2008 bis 31.10.2010 ist im Versicherungsverlauf des Klägers die Ausübung einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung vermerkt.
Am 06.06.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten zum dritten Mal eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er wurde am 05.09.2007 in der sozialmedizinischen Begutachtungsstelle B-Stadt durch den Chirurgen Dr.v. G. und die Psychiaterin Dr.H. untersucht. Zusammengefasst wurden in deren Gutachten folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger beschrieben:
1. Fehlhaltung und Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule nach Halswirbelkörperoperation 5/2006 mit Implantat wegen Bandscheibenvorfall.
2. Postdiskektomiesyndrom mit Bewegungseinschränkung aber ohne lumbale Wurzelläsion bei Zustand nach mehrfachen lumbalen Wirbelsäulenoperationen.
3. Anamnestisch Neurodermitis und Allergie gegen Nickel und Kobalt.
4. Persönlichkeitsakzentuierung und Somatisierung.
5. Rezidivierende Cervikobrachialgien bei Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls rechts am 27.03.2007.
Der Kläger könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne zeitliche Einschränkung ausüben. Tätigkeiten mit häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Bücken, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten, Überschulterarbeiten müssten ausgeschlossen sein. Diese sozialmedizinische Beurteilung wurde vom Internisten und Sozialmediziner Dr.E. bestätigt.
Mit Bescheid vom 14.09.2007 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab, da weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegen würde.
Hiergegen erhob der Kläger am 15.10.2007 Widerspruch und legte im Weiteren ein Attest des prakt. Arztes J. W. vom 30.11.2007 vor. Danach bestehe beim Kläger Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit, weil er die Tätigkeiten als Maurer und ebenso mittelschwere Tätigkeiten insgesamt nur mehr weniger als 3 Stunden ausüben könne. Am 09.01.2008 nahm Dr.L. von der sozialmedizinischen Begutachtungsstelle B-Stadt dahingehend Stellung, dass die im Attest bestätigten Gesundheitsstörungen den sozialmedizinischen Feststellungen der Gutachter nicht widersprechen würden. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 den Widerspruch zurück.
Am 03.03.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das Sozialgericht hat ermittelt, dass beim Kläger ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt worden war. Der Kläger hat mitgeteilt, dass keine laufende fachorthopädische Behandlung stattfinde. Daraufhin hat das SG einen Befundbericht beim prakt. Arzt J. W. eingeholt, den dieser am 25.07.2008 vorgelegt hat. Als neue Leiden sind hierin Schmerzen im Knie mitgeteilt worden, wozu jedoch Facharztunterlagen bereits vom Januar 2008 beigefügt waren. Anschließend ist vom Sozialgericht ein orthopädisches Fachgutachten bei Dr.M. eingeholt worden, das dieser am 08.10.2008 erstellt hat. Der Gutachter hat angegeben, dass beim Kläger ein operierter Bandscheibenschaden L5/S1 (2000, 2001), eine implantierte Bandscheibenprothese L5/S1 (2002), ein operierter Bandscheibenvorfall C5/C6 und ein eingesteiftes Bewegungssegment C5/C6 (2007) sowie eine operierte Erkrankung der rechten Hand und operierte Frakturen des 5. Mittelhandknochen links festzustellen gewesen seien. Aufgrund der Gesundheitsstörungen seien dem Kläger schwere Arbeiten und Arbeiten in monoton gebückter Körperhaltung nicht mehr möglich. Leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er noch 8 Stunden täglich erbringen.
Mit Urteil vom 10.02.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Beim Kläger seien die medizinischen Voraussetzungen für teilweise oder volle Erwerbsminderung aufgrund der einhelligen gutachterlichen Feststellungen nicht erfüllt.
Der Kläger hat hiergegen am 18.03.2009 Berufung eingelegt und im weiteren geltend gemacht, dass sich sein Gesundheitszustand in den letzten Jahren verschlechtert habe und zu bedenken sei, dass er zuvor eine - wenn auch befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung schon einmal bezogen habe. Der Kläger sei eher handwerklich orientiert und z.B. für allgemeine Bürotätigkeiten eventuell auch mit Computereinsatz nicht geeignet. Seit April 2009 stehe er nun in ständiger ärztlicher Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F.; dieser hat in einem - mit vorgelegten - Arztbrief vom 23.04.2009 neben den Bandscheibenbeschwerden, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Anpassungsstörung, eine affektive Störung und einen Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeit als weitere Diagnosen angegeben. Der Senat hat einen Befundbericht bei Dr.F. und einen neuerlichen Befundbericht bei J. W. angefordert. Die von J. W. angenommene, neu aufgetretene Depression hat sich in den beigefügten fachärztlichen Unterlagen nicht wiederfinden lassen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Gutachten durch den Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten Dr.D. erstellt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 03.01.2011 ausgeführt, dass bei dem Kläger nach Untersuchung vom 19.11.2010 seelische Gesundheitsstörungen und eine geistige Behinderung vorliegen würden. Im Einzelnen handele es sich um eine kombinierte Persönlichkeitsstörung aus histrionischen und emotional instabilen Anteilen vom impulsiven Typ, eine Somatisierungsstörung, eine anhaltende Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom und eine intellektuelle Minderbegabung leichten Grades. Der Kläger bedürfe eines beschützten Arbeitsplatzes; er sei den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht gewachsen. Die gesundheitlichen Einschränkungen seien schon seit der Kindheit vorhanden gewesen und hätten sich durch die Misserfolge am Ausbildungsplatz verstärkt. Für den Zeitraum ab Juli 2007, der in der Beweisanordnung erfragt sei, sei sicher davon auszugehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt qualitativ und quantitativ in seiner Leistungsfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen sei.
Die Beklagte hat auf Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes verwiesen. Danach sei das psychiatrische Krankheitsbild der intellektuellen Minderbegabung durch das vorliegende Gutachten nicht schlüssig belegt; ihm komme bei der Beurteilung der übrigen psychiatrischen Erkrankungen und ihrer Prognose jedoch ausschlaggebende Bedeutung zu. Eine wesentliche Veränderung zu einer früheren Begutachtung durch Dr.W. im Jahr 2003 (SG-Verfahren S 10 RJ 247/02) sei nicht zu erkennen.
Die Klägerseite hat darauf verwiesen, dass der Kläger schon während seiner Schullaufbahn eine Förderschule habe besuchen müssen. Die psychiatrische Behandlung ist vom Kläger in der Folgezeit nicht aktuell fortgesetzt worden.
Der Senat hat im Folgenden ein psychologisches Gutachten beim Dipl.-Psychologen R.C. eingeholt. Dieser hat mit dem Kläger sechs psychodiagnostische Testverfahren durchgeführt, deren Bewältigung der Kläger auch durchhielt. Allerdings hat sich gezeigt, dass er seine Belastbarkeit schlecht einschätzen konnte. Im Ergebnis hat der psychologische Gutachter beim Kläger eine Minderbegabung, ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität und eine Anpassungsstörung als gegeben angesehen. Das aktuelle Intelligenzniveau sei zwischen Minderbegabung und Intelligenzminderung anzusiedeln, wobei deutliche Hinweise auf ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität im Kindheitsalter vorliegen würden, das in das Erwachsenenalter hin fortbestanden habe. Eine hirnorganische Veränderung sei nicht zu belegen. Die vorliegenden Symptome würden gegen eine dauerhafte Persönlichkeitsänderung und für eine behandelbare Anpassungsstörung sprechen. Weitere Diagnostik sei aus Sicht seines Fachgebietes nicht erforderlich.
Die Klägerseite hat durch das vorliegende Gutachten das Gutachtenergebnis des Dr.D. als gestärkt angesehen. Die Beklagte hat unter Berufung auf Stellungnahmen des Dr.S. und der Dr.H. von ihrem ärztlichen Dienst ausgeführt, dass psychologische Testungen aus psychiatrischer Sicht kritisch zu bewerten seien und nur vorsichtig interpretierbar seien. Die vom psychologischen Gutachter im psychiatrischen Fachgebiet genannten Diagnosen würden im Gegensatz zum psychiatrischen Vorgutachten durch Dr.D. stehen. Es liege ein komplexes Krankheitsbild vor, das eine längerfristige Beobachtung durch einen erfahrenen nervenärztlichen Gutachter erforderlich mache. Auch sei selbst bei einem möglicherweise bestehenden Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sowie einer aktuell vorliegenden Anpassungsstörung nicht unbedingt von einem aufgehobenen Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.02.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 14.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer auf den Antrag vom 06.06.2007 hin zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.02.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Vorprozessakte S 10 RJ 247/02 und die Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger weder einen Anspruch auf Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung noch wegen Berufsunfähigkeit hat.
Nach § 43 Abs 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein; volle Erwerbsminderung liegt nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI vor, wenn die Einschränkungen es noch nicht einmal erlauben mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Leistungsfähigkeit des Klägers stellt sich zur Überzeugung des Senats folgendermaßen dar: Er ist auch weiterhin in der Lage, einfachste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von täglich mindestens 6 Stunden zu verrichten. Dabei ergeben sich hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit Einschränkungen durch Rückenbeschwerden und allergische Hauterkrankungen. Die somatischen Beschwerden sind zuletzt im Gutachten des Dr.M. (Oktober 2008) näher beschrieben worden und haben sich nach den fortlaufend beigezogenen ärztlichen Unterlagen und Berichten in der Folgezeit nicht wesentlich geändert. Aus den somatischen Beschwerden leiten sich zur Überzeugung des Senats eindeutig nur Einschränkungen hinsichtlich der zumutbaren Arbeitsbedingungen, nicht aber hinsichtlich der zeitlichen Einsatzfähigkeit an geeigneten Arbeitsplätzen ab. Zu beachten ist, dass der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausüben kann und Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Bücken, Überkopfarbeiten, Überschulterarbeiten sowie häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ausgeschlossen sind. Die körperlichen Einschränkungen des Klägers stellen keine schwere spezifische Behinderung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen dar, so dass in dieser Hinsicht keiner der so genannten Katalogfälle des Bundessozialgerichts vorliegt (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 43 SGB VI Rn. 37 ff), und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit durch die Beklagte nicht erforderlich ist.
Aber auch aus den psychischen Gesundheitsstörungen sowie aus dem Zusammenspiel von körperlichen und psychischen Gesundheitsstörungen werden keine Einschränkungen belegt, die so weitgehend wären, dass sie die zeitliche Einsatzfähigkeit des Klägers an ansonsten geeigneten Arbeitsplätzen in einem Umfang beschränken würden, wie er in diesen Vorschriften aufgezeigt wird, oder sonst zum Eintritt des Leistungsfalls der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung führen würden.
Die beim Kläger von den gerichtlichen Gutachtern beschriebene Intelligenzminderung ist zur Überzeugung des Senates durch die vorliegenden Untersuchungen zwar hinreichend belegt und entgegen der Äußerung der Beklagten auch schon in früheren Gutachten aufgeschienen, so z.B. in dem seitens der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten der Sozialmedizinerin Dr.D. vom Oktober 2001. Entgegen den Schlussfolgerungen des Dr. D. ergibt sich jedoch aus dieser Intelligenzminderung nicht, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch an ansonsten geeigneten Arbeitsplätzen nicht einsatzfähig wäre. Der Kläger hat in der Vergangenheit eine Ausbildung abgeschlossen und war auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig. Soweit der Gutachter Dr. D. darauf hinweist, dass es sich bei der Ausbildung um eine Ausbildung im geschützten familiären Rahmen gehandelt habe, ist dies zwar richtig, hat aber allenfalls dafür Bedeutung, dass der Kläger sonst nicht zu einem qualifizierten Berufsabschluss gelangt wäre. In der konkreten beruflichen Karriere des Klägers wird kein Beleg dafür gesehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen der Intelligenzminderung nicht einsatzfähig (gewesen) wäre. Selbstverständlich wird die Art der für den Kläger in Frage kommenden Arbeitsplätze durch das geringe intellektuelle Leistungsvermögen limitiert; ein Einsatz in einer höher qualifizierten Tätigkeit kann nicht - auch nicht durch Umschulung - erreicht werden, worauf die Beklagte schon seit längerem hingewiesen hat.
Wollte man die Ausführungen des Dr. D. dagegen so verstehen, dass die unverändert vorliegende Intelligenzminderung schon von vornherein nur einen Einsatz des Klägers in beschützendem Rahmen und damit nur an Behindertenarbeitsplätzen ermöglicht hätte, so wäre die entsprechende Erwerbsminderung schon bei Eintritt in das Erwerbsleben vorhanden gewesen. Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung würde in einem derartigen Fall erst dann bestehen, wenn vom Kläger die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt wäre (§ 43 Abs 6 SGB VI). Dies ist nicht der Fall.
Die unverändert vorliegende Intelligenzminderung kann also für sich allein betrachtet nicht zu einer Rentengewährung führen, weil sie entweder eine Teilnahme am Erwerbsleben zulässt und somit nicht ausreicht, um eine volle Erwerbsminderung zu begründen, oder aber bereits beim Eintritt in das Erwerbsleben eine volle Erwerbsminderung vorgelegen hatte, eine dementsprechende Rentengewährung nach § 43 Abs. 6 SGB VI aber an der klaren Nichterfüllung der hierfür erforderlichen Wartezeit von 20 Jahren scheitert.
Beim Kläger treten allerdings neben die Intelligenzminderung weitere Einschränkungen aus psychischen Ursachen. Diese sind symptomatisch als Reaktionen auf den Umgang des Umfeldes mit der eingeschränkten intellektuellen Leistungsfähigkeit und der mangelnden sozialen Kompetenz des Klägers zu verstehen. Dabei ist die Frage, ob es sich um eine Anpassungsstörung aus einer erworbenen Persönlichkeitsstörung oder um Folgeerscheinungen eines Aufmerksamkeit-Defizits-Hyperaktivitäts-Syndroms handelt, für die Beurteilung der momentanen Leistungsfähigkeit weitgehend unerheblich und nur insofern bedeutsam, welche Besserungsaussichten eingeräumt werden und welche zeitliche Perspektive für eine Besserung der bestehenden Einschränkungen angenommen wird. Der nachvollziehbar beschriebenen Schilderung der psychodynamischen Entwicklung entsprechend schreiten die Folgen dieser Störungen umso mehr voran, je ausgeprägter die leistungsmäßigen Misserfolge des Klägers auf ihn einwirken. Insofern könnte eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Klägers in psychischer Hinsicht im Verlaufe der vorliegenden Auseinandersetzung über seine Leistungsfähigkeit zwar durchaus in Betracht gekommen sein; wesentliche Einschränkungen durch eine derartige Verschlechterung können für einen Zeitpunkt vor den Untersuchungen durch Dr.D. zwar vermutet werden, lassen sich aber aus den bis dahin vorhandenen fachärztlichen Feststellungen nicht nachweisen und könnten daher frühestens nach der Untersuchung durch Dr.D. als belegt angenommen werden. Gegen eine tatsächliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers zu diesem Zeitpunkt spricht jedoch, dass der Kläger praktisch zeitgleich mit der Untersuchung bei Dr.D. eine neue - wenn auch geringfügige und versicherungsfreie - Beschäftigung aufgenommen hatte. Insofern wäre zu diesem Zeitpunkt wohl eher eine psychische Stabilisierung als eine nachgewiesene Verschlechterung anzunehmen. Zumindest die sich aus den Darlegungen des Dr.D. aufdrängenden grundsätzlichen Bedenken, dass der Kläger überhaupt nicht in der Lage wäre, sich in die Gegebenheiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einzupassen, scheinen durch die tatsächliche Ausübung einer derartigen Tätigkeit nicht weiter aufrecht erhalten werden können.
Eine zeitliche Limitierung der psychischen Einsatzfähigkeit des Klägers lässt sich in den einschlägigen Unterlagen nicht ersehen: Zwar liegen beim Kläger Konzentrationsschwächen vor; diese sind jedoch nicht erst ab einer gewissen Zeitdauer der Beschäftigung einsetzend oder verstärkt auftretend, sondern für die gesamte Tätigkeit gleichbleibend zu beobachten. Deshalb sieht der Senat einen Einsatz des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen nach wie vor in einem Umfang von täglich mindestens 6 Stunden als möglich und zumutbar an. Nach § 43 Abs 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert im Sinne der Rentenversicherung, wer unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Eine schwere spezifische Leistungseinschränkung wäre in diesem Zusammenhang nur anzunehmen, wenn eine besonders schwerwiegende Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit vorliegen würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 26.10.2010 - L 16 R 1383/03; BSG Urteil vom 19.08.1997 - B 13 RJ 39/96; jeweils zitiert nach juris). Leichte Reizbarkeit, teilweise Unflexibilität und Fehlanpassung und damit im Zusammenhang stehende Konflikte in der Arbeitsumgebung würden erst bei sehr schweren Ausprägungen die Teilnahme am Erwerbsleben verhindern (vgl. Urteil des Senats vom 10.02.2010 - L 19 R 477/08 - zitiert nach juris). Ein solcher Schweregrad der Einschränkungen ist beim Kläger nicht zu beobachten gewesen, nachdem ihm auch in jüngerer Zeit die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung noch möglich gewesen ist.
Somit liegt keine volle und auch keine teilweise Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 1, 2 SGB VI beim Kläger vor.
Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI oder wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI setzt im Übrigen neben der vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung voraus, dass vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt wurde und in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorgelegen haben. Unproblematisch hat der Kläger die allgemeine Wartezeit mit einer Mindestanzahl von 60 Monaten an Pflichtbeiträgen erfüllt (§ 50 Abs 1 SGB VI). Dagegen hat der Kläger nach dem 30.09.2008 keine rentenrechtlich relevanten Zeiten mehr aufzuweisen, so dass für einen eventuellen Leistungsfall, der zu einem aktuellen Zeitpunkt nach dem 31.10.2010 - d.h. z.B. auch zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr.D. am 19.11.2010 - nachgewiesen worden wäre, eine Rentengewährung schon wegen des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht in Betracht kommen würde. Weitere Ermittlungen waren daher nicht veranlasst. Auch sind weitere Ermittlungen, insbesondere eine mehrtägige Untersuchung, nicht erforderlich; der Kläger ist in den letzten Jahren vielfach gutachterlich untersucht worden und im Rahmen von stationären Rehabilitationsmaßnahmen wurden auch sozialmedizinische Aussagen getroffen, die auf längerfristigen Beurteilungszeiträumen gründeten. Zudem hat aktuell der über langjährige klinische Erfahrung verfügende klinische Psychologe C. aus Sicht seines Fachgebietes einen weiteren Erkenntnisgewinn durch eine derartige Untersuchung nicht angenommen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, weil er nach seinem Geburtsjahrgang nicht zu dem von § 240 Abs 1 Nr 1 SGB VI erfassten Personenkreis der vor dem 02.01.1961 Geborenen gehört.
Die ablehnenden Bescheide der Beklagten und das erstinstanzielle Urteil sind somit im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1977 geborene Kläger erlernte von 1993 bis 1996 den Beruf eines Maurers und übte diesen in der Folgezeit bis 1998 aus. Eine im Jahr 2000 durchgeführte Umschulungsmaßnahme wurde nicht erfolgreich abgeschlossen. Der Kläger war in diesem Rahmen als Lagerarbeiter und als Zimmermann tätig gewesen. Im Zeitraum 2006/2007 absolvierte der Kläger eine befristete Maßnahme (sog. 1-Euro-Job). Zuletzt wurde der Lebensunterhalt durch eine Rente aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung und bis zum 30.09.2008 ergänzend durch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bestritten. Vom 01.10.2008 bis 31.10.2010 ist im Versicherungsverlauf des Klägers die Ausübung einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung vermerkt.
Am 06.06.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten zum dritten Mal eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er wurde am 05.09.2007 in der sozialmedizinischen Begutachtungsstelle B-Stadt durch den Chirurgen Dr.v. G. und die Psychiaterin Dr.H. untersucht. Zusammengefasst wurden in deren Gutachten folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger beschrieben:
1. Fehlhaltung und Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule nach Halswirbelkörperoperation 5/2006 mit Implantat wegen Bandscheibenvorfall.
2. Postdiskektomiesyndrom mit Bewegungseinschränkung aber ohne lumbale Wurzelläsion bei Zustand nach mehrfachen lumbalen Wirbelsäulenoperationen.
3. Anamnestisch Neurodermitis und Allergie gegen Nickel und Kobalt.
4. Persönlichkeitsakzentuierung und Somatisierung.
5. Rezidivierende Cervikobrachialgien bei Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls rechts am 27.03.2007.
Der Kläger könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne zeitliche Einschränkung ausüben. Tätigkeiten mit häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Bücken, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten, Überschulterarbeiten müssten ausgeschlossen sein. Diese sozialmedizinische Beurteilung wurde vom Internisten und Sozialmediziner Dr.E. bestätigt.
Mit Bescheid vom 14.09.2007 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab, da weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegen würde.
Hiergegen erhob der Kläger am 15.10.2007 Widerspruch und legte im Weiteren ein Attest des prakt. Arztes J. W. vom 30.11.2007 vor. Danach bestehe beim Kläger Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit, weil er die Tätigkeiten als Maurer und ebenso mittelschwere Tätigkeiten insgesamt nur mehr weniger als 3 Stunden ausüben könne. Am 09.01.2008 nahm Dr.L. von der sozialmedizinischen Begutachtungsstelle B-Stadt dahingehend Stellung, dass die im Attest bestätigten Gesundheitsstörungen den sozialmedizinischen Feststellungen der Gutachter nicht widersprechen würden. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008 den Widerspruch zurück.
Am 03.03.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das Sozialgericht hat ermittelt, dass beim Kläger ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt worden war. Der Kläger hat mitgeteilt, dass keine laufende fachorthopädische Behandlung stattfinde. Daraufhin hat das SG einen Befundbericht beim prakt. Arzt J. W. eingeholt, den dieser am 25.07.2008 vorgelegt hat. Als neue Leiden sind hierin Schmerzen im Knie mitgeteilt worden, wozu jedoch Facharztunterlagen bereits vom Januar 2008 beigefügt waren. Anschließend ist vom Sozialgericht ein orthopädisches Fachgutachten bei Dr.M. eingeholt worden, das dieser am 08.10.2008 erstellt hat. Der Gutachter hat angegeben, dass beim Kläger ein operierter Bandscheibenschaden L5/S1 (2000, 2001), eine implantierte Bandscheibenprothese L5/S1 (2002), ein operierter Bandscheibenvorfall C5/C6 und ein eingesteiftes Bewegungssegment C5/C6 (2007) sowie eine operierte Erkrankung der rechten Hand und operierte Frakturen des 5. Mittelhandknochen links festzustellen gewesen seien. Aufgrund der Gesundheitsstörungen seien dem Kläger schwere Arbeiten und Arbeiten in monoton gebückter Körperhaltung nicht mehr möglich. Leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er noch 8 Stunden täglich erbringen.
Mit Urteil vom 10.02.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Beim Kläger seien die medizinischen Voraussetzungen für teilweise oder volle Erwerbsminderung aufgrund der einhelligen gutachterlichen Feststellungen nicht erfüllt.
Der Kläger hat hiergegen am 18.03.2009 Berufung eingelegt und im weiteren geltend gemacht, dass sich sein Gesundheitszustand in den letzten Jahren verschlechtert habe und zu bedenken sei, dass er zuvor eine - wenn auch befristete - Rente wegen voller Erwerbsminderung schon einmal bezogen habe. Der Kläger sei eher handwerklich orientiert und z.B. für allgemeine Bürotätigkeiten eventuell auch mit Computereinsatz nicht geeignet. Seit April 2009 stehe er nun in ständiger ärztlicher Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F.; dieser hat in einem - mit vorgelegten - Arztbrief vom 23.04.2009 neben den Bandscheibenbeschwerden, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Anpassungsstörung, eine affektive Störung und einen Verdacht auf eine emotional instabile Persönlichkeit als weitere Diagnosen angegeben. Der Senat hat einen Befundbericht bei Dr.F. und einen neuerlichen Befundbericht bei J. W. angefordert. Die von J. W. angenommene, neu aufgetretene Depression hat sich in den beigefügten fachärztlichen Unterlagen nicht wiederfinden lassen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist ein Gutachten durch den Neurologen, Psychiater und Psychotherapeuten Dr.D. erstellt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 03.01.2011 ausgeführt, dass bei dem Kläger nach Untersuchung vom 19.11.2010 seelische Gesundheitsstörungen und eine geistige Behinderung vorliegen würden. Im Einzelnen handele es sich um eine kombinierte Persönlichkeitsstörung aus histrionischen und emotional instabilen Anteilen vom impulsiven Typ, eine Somatisierungsstörung, eine anhaltende Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom und eine intellektuelle Minderbegabung leichten Grades. Der Kläger bedürfe eines beschützten Arbeitsplatzes; er sei den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht gewachsen. Die gesundheitlichen Einschränkungen seien schon seit der Kindheit vorhanden gewesen und hätten sich durch die Misserfolge am Ausbildungsplatz verstärkt. Für den Zeitraum ab Juli 2007, der in der Beweisanordnung erfragt sei, sei sicher davon auszugehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt qualitativ und quantitativ in seiner Leistungsfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen sei.
Die Beklagte hat auf Stellungnahmen ihres ärztlichen Dienstes verwiesen. Danach sei das psychiatrische Krankheitsbild der intellektuellen Minderbegabung durch das vorliegende Gutachten nicht schlüssig belegt; ihm komme bei der Beurteilung der übrigen psychiatrischen Erkrankungen und ihrer Prognose jedoch ausschlaggebende Bedeutung zu. Eine wesentliche Veränderung zu einer früheren Begutachtung durch Dr.W. im Jahr 2003 (SG-Verfahren S 10 RJ 247/02) sei nicht zu erkennen.
Die Klägerseite hat darauf verwiesen, dass der Kläger schon während seiner Schullaufbahn eine Förderschule habe besuchen müssen. Die psychiatrische Behandlung ist vom Kläger in der Folgezeit nicht aktuell fortgesetzt worden.
Der Senat hat im Folgenden ein psychologisches Gutachten beim Dipl.-Psychologen R.C. eingeholt. Dieser hat mit dem Kläger sechs psychodiagnostische Testverfahren durchgeführt, deren Bewältigung der Kläger auch durchhielt. Allerdings hat sich gezeigt, dass er seine Belastbarkeit schlecht einschätzen konnte. Im Ergebnis hat der psychologische Gutachter beim Kläger eine Minderbegabung, ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität und eine Anpassungsstörung als gegeben angesehen. Das aktuelle Intelligenzniveau sei zwischen Minderbegabung und Intelligenzminderung anzusiedeln, wobei deutliche Hinweise auf ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit Hyperaktivität im Kindheitsalter vorliegen würden, das in das Erwachsenenalter hin fortbestanden habe. Eine hirnorganische Veränderung sei nicht zu belegen. Die vorliegenden Symptome würden gegen eine dauerhafte Persönlichkeitsänderung und für eine behandelbare Anpassungsstörung sprechen. Weitere Diagnostik sei aus Sicht seines Fachgebietes nicht erforderlich.
Die Klägerseite hat durch das vorliegende Gutachten das Gutachtenergebnis des Dr.D. als gestärkt angesehen. Die Beklagte hat unter Berufung auf Stellungnahmen des Dr.S. und der Dr.H. von ihrem ärztlichen Dienst ausgeführt, dass psychologische Testungen aus psychiatrischer Sicht kritisch zu bewerten seien und nur vorsichtig interpretierbar seien. Die vom psychologischen Gutachter im psychiatrischen Fachgebiet genannten Diagnosen würden im Gegensatz zum psychiatrischen Vorgutachten durch Dr.D. stehen. Es liege ein komplexes Krankheitsbild vor, das eine längerfristige Beobachtung durch einen erfahrenen nervenärztlichen Gutachter erforderlich mache. Auch sei selbst bei einem möglicherweise bestehenden Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sowie einer aktuell vorliegenden Anpassungsstörung nicht unbedingt von einem aufgehobenen Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.02.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 14.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer auf den Antrag vom 06.06.2007 hin zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.02.2009 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Vorprozessakte S 10 RJ 247/02 und die Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger weder einen Anspruch auf Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung noch wegen Berufsunfähigkeit hat.
Nach § 43 Abs 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein; volle Erwerbsminderung liegt nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI vor, wenn die Einschränkungen es noch nicht einmal erlauben mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Leistungsfähigkeit des Klägers stellt sich zur Überzeugung des Senats folgendermaßen dar: Er ist auch weiterhin in der Lage, einfachste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von täglich mindestens 6 Stunden zu verrichten. Dabei ergeben sich hinsichtlich der körperlichen Leistungsfähigkeit Einschränkungen durch Rückenbeschwerden und allergische Hauterkrankungen. Die somatischen Beschwerden sind zuletzt im Gutachten des Dr.M. (Oktober 2008) näher beschrieben worden und haben sich nach den fortlaufend beigezogenen ärztlichen Unterlagen und Berichten in der Folgezeit nicht wesentlich geändert. Aus den somatischen Beschwerden leiten sich zur Überzeugung des Senats eindeutig nur Einschränkungen hinsichtlich der zumutbaren Arbeitsbedingungen, nicht aber hinsichtlich der zeitlichen Einsatzfähigkeit an geeigneten Arbeitsplätzen ab. Zu beachten ist, dass der Kläger nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausüben kann und Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Bücken, Überkopfarbeiten, Überschulterarbeiten sowie häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ausgeschlossen sind. Die körperlichen Einschränkungen des Klägers stellen keine schwere spezifische Behinderung und auch keine Summierung ungewöhnlicher Einschränkungen dar, so dass in dieser Hinsicht keiner der so genannten Katalogfälle des Bundessozialgerichts vorliegt (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 43 SGB VI Rn. 37 ff), und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit durch die Beklagte nicht erforderlich ist.
Aber auch aus den psychischen Gesundheitsstörungen sowie aus dem Zusammenspiel von körperlichen und psychischen Gesundheitsstörungen werden keine Einschränkungen belegt, die so weitgehend wären, dass sie die zeitliche Einsatzfähigkeit des Klägers an ansonsten geeigneten Arbeitsplätzen in einem Umfang beschränken würden, wie er in diesen Vorschriften aufgezeigt wird, oder sonst zum Eintritt des Leistungsfalls der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung führen würden.
Die beim Kläger von den gerichtlichen Gutachtern beschriebene Intelligenzminderung ist zur Überzeugung des Senates durch die vorliegenden Untersuchungen zwar hinreichend belegt und entgegen der Äußerung der Beklagten auch schon in früheren Gutachten aufgeschienen, so z.B. in dem seitens der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten der Sozialmedizinerin Dr.D. vom Oktober 2001. Entgegen den Schlussfolgerungen des Dr. D. ergibt sich jedoch aus dieser Intelligenzminderung nicht, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch an ansonsten geeigneten Arbeitsplätzen nicht einsatzfähig wäre. Der Kläger hat in der Vergangenheit eine Ausbildung abgeschlossen und war auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig. Soweit der Gutachter Dr. D. darauf hinweist, dass es sich bei der Ausbildung um eine Ausbildung im geschützten familiären Rahmen gehandelt habe, ist dies zwar richtig, hat aber allenfalls dafür Bedeutung, dass der Kläger sonst nicht zu einem qualifizierten Berufsabschluss gelangt wäre. In der konkreten beruflichen Karriere des Klägers wird kein Beleg dafür gesehen, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen der Intelligenzminderung nicht einsatzfähig (gewesen) wäre. Selbstverständlich wird die Art der für den Kläger in Frage kommenden Arbeitsplätze durch das geringe intellektuelle Leistungsvermögen limitiert; ein Einsatz in einer höher qualifizierten Tätigkeit kann nicht - auch nicht durch Umschulung - erreicht werden, worauf die Beklagte schon seit längerem hingewiesen hat.
Wollte man die Ausführungen des Dr. D. dagegen so verstehen, dass die unverändert vorliegende Intelligenzminderung schon von vornherein nur einen Einsatz des Klägers in beschützendem Rahmen und damit nur an Behindertenarbeitsplätzen ermöglicht hätte, so wäre die entsprechende Erwerbsminderung schon bei Eintritt in das Erwerbsleben vorhanden gewesen. Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung würde in einem derartigen Fall erst dann bestehen, wenn vom Kläger die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt wäre (§ 43 Abs 6 SGB VI). Dies ist nicht der Fall.
Die unverändert vorliegende Intelligenzminderung kann also für sich allein betrachtet nicht zu einer Rentengewährung führen, weil sie entweder eine Teilnahme am Erwerbsleben zulässt und somit nicht ausreicht, um eine volle Erwerbsminderung zu begründen, oder aber bereits beim Eintritt in das Erwerbsleben eine volle Erwerbsminderung vorgelegen hatte, eine dementsprechende Rentengewährung nach § 43 Abs. 6 SGB VI aber an der klaren Nichterfüllung der hierfür erforderlichen Wartezeit von 20 Jahren scheitert.
Beim Kläger treten allerdings neben die Intelligenzminderung weitere Einschränkungen aus psychischen Ursachen. Diese sind symptomatisch als Reaktionen auf den Umgang des Umfeldes mit der eingeschränkten intellektuellen Leistungsfähigkeit und der mangelnden sozialen Kompetenz des Klägers zu verstehen. Dabei ist die Frage, ob es sich um eine Anpassungsstörung aus einer erworbenen Persönlichkeitsstörung oder um Folgeerscheinungen eines Aufmerksamkeit-Defizits-Hyperaktivitäts-Syndroms handelt, für die Beurteilung der momentanen Leistungsfähigkeit weitgehend unerheblich und nur insofern bedeutsam, welche Besserungsaussichten eingeräumt werden und welche zeitliche Perspektive für eine Besserung der bestehenden Einschränkungen angenommen wird. Der nachvollziehbar beschriebenen Schilderung der psychodynamischen Entwicklung entsprechend schreiten die Folgen dieser Störungen umso mehr voran, je ausgeprägter die leistungsmäßigen Misserfolge des Klägers auf ihn einwirken. Insofern könnte eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des Klägers in psychischer Hinsicht im Verlaufe der vorliegenden Auseinandersetzung über seine Leistungsfähigkeit zwar durchaus in Betracht gekommen sein; wesentliche Einschränkungen durch eine derartige Verschlechterung können für einen Zeitpunkt vor den Untersuchungen durch Dr.D. zwar vermutet werden, lassen sich aber aus den bis dahin vorhandenen fachärztlichen Feststellungen nicht nachweisen und könnten daher frühestens nach der Untersuchung durch Dr.D. als belegt angenommen werden. Gegen eine tatsächliche Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers zu diesem Zeitpunkt spricht jedoch, dass der Kläger praktisch zeitgleich mit der Untersuchung bei Dr.D. eine neue - wenn auch geringfügige und versicherungsfreie - Beschäftigung aufgenommen hatte. Insofern wäre zu diesem Zeitpunkt wohl eher eine psychische Stabilisierung als eine nachgewiesene Verschlechterung anzunehmen. Zumindest die sich aus den Darlegungen des Dr.D. aufdrängenden grundsätzlichen Bedenken, dass der Kläger überhaupt nicht in der Lage wäre, sich in die Gegebenheiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einzupassen, scheinen durch die tatsächliche Ausübung einer derartigen Tätigkeit nicht weiter aufrecht erhalten werden können.
Eine zeitliche Limitierung der psychischen Einsatzfähigkeit des Klägers lässt sich in den einschlägigen Unterlagen nicht ersehen: Zwar liegen beim Kläger Konzentrationsschwächen vor; diese sind jedoch nicht erst ab einer gewissen Zeitdauer der Beschäftigung einsetzend oder verstärkt auftretend, sondern für die gesamte Tätigkeit gleichbleibend zu beobachten. Deshalb sieht der Senat einen Einsatz des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen nach wie vor in einem Umfang von täglich mindestens 6 Stunden als möglich und zumutbar an. Nach § 43 Abs 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert im Sinne der Rentenversicherung, wer unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Eine schwere spezifische Leistungseinschränkung wäre in diesem Zusammenhang nur anzunehmen, wenn eine besonders schwerwiegende Einschränkung der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit vorliegen würde (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 26.10.2010 - L 16 R 1383/03; BSG Urteil vom 19.08.1997 - B 13 RJ 39/96; jeweils zitiert nach juris). Leichte Reizbarkeit, teilweise Unflexibilität und Fehlanpassung und damit im Zusammenhang stehende Konflikte in der Arbeitsumgebung würden erst bei sehr schweren Ausprägungen die Teilnahme am Erwerbsleben verhindern (vgl. Urteil des Senats vom 10.02.2010 - L 19 R 477/08 - zitiert nach juris). Ein solcher Schweregrad der Einschränkungen ist beim Kläger nicht zu beobachten gewesen, nachdem ihm auch in jüngerer Zeit die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung noch möglich gewesen ist.
Somit liegt keine volle und auch keine teilweise Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 1, 2 SGB VI beim Kläger vor.
Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI oder wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI setzt im Übrigen neben der vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung voraus, dass vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt wurde und in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorgelegen haben. Unproblematisch hat der Kläger die allgemeine Wartezeit mit einer Mindestanzahl von 60 Monaten an Pflichtbeiträgen erfüllt (§ 50 Abs 1 SGB VI). Dagegen hat der Kläger nach dem 30.09.2008 keine rentenrechtlich relevanten Zeiten mehr aufzuweisen, so dass für einen eventuellen Leistungsfall, der zu einem aktuellen Zeitpunkt nach dem 31.10.2010 - d.h. z.B. auch zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr.D. am 19.11.2010 - nachgewiesen worden wäre, eine Rentengewährung schon wegen des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht in Betracht kommen würde. Weitere Ermittlungen waren daher nicht veranlasst. Auch sind weitere Ermittlungen, insbesondere eine mehrtägige Untersuchung, nicht erforderlich; der Kläger ist in den letzten Jahren vielfach gutachterlich untersucht worden und im Rahmen von stationären Rehabilitationsmaßnahmen wurden auch sozialmedizinische Aussagen getroffen, die auf längerfristigen Beurteilungszeiträumen gründeten. Zudem hat aktuell der über langjährige klinische Erfahrung verfügende klinische Psychologe C. aus Sicht seines Fachgebietes einen weiteren Erkenntnisgewinn durch eine derartige Untersuchung nicht angenommen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, weil er nach seinem Geburtsjahrgang nicht zu dem von § 240 Abs 1 Nr 1 SGB VI erfassten Personenkreis der vor dem 02.01.1961 Geborenen gehört.
Die ablehnenden Bescheide der Beklagten und das erstinstanzielle Urteil sind somit im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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