L 13 R 2075/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 423/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2075/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 17. April 2012 aufgehoben.

Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. Sch. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung für das Klageverfahren S 2 R 423/12 bewilligt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; dem Kläger ist für das Klageverfahren S 2 R 423/12 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH - Antrags (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Februar 2009 - L 13 AS 4995/08 PKH-B, BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2003 - 1 BvR 1152/02 - beide veröffentlicht in Juris). Entscheidungsreife tritt dann ein, wenn alle für die Bewilligung der PKH erforderlichen Unterlagen vorgelegt sind, insbesondere der vollständig ausgefüllte Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die entsprechenden Belege (vgl. §§ 117 Abs. 2 und 4 ZPO) sowie der Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sind die Bewilligungsvoraussetzungen erst aufgrund eines später hinzutretenden Umstands erfüllt, ist dieser vom Beschwerdegericht bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zu berücksichtigen.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH liegen vor; der Kläger ist nach seinen sich aus der Erklärung vom 7. Februar 2012 ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Darüber hinaus kann auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage unter Beachtung obiger Maßstäbe nicht verneint werden. Bereits zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs hatte die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine solche ist auch dann zu bejahen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (BVerfG a.a.O. und BSG a.a.O.). Gegenstand der in der Hauptsache geführten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2012, mit dem die Beklagte den Rentenantrag des Klägers vom 25. Januar 2011 abgelehnt hat. Ob sich dieser als rechtswidrig und den Kläger in subjektiven Rechten verletzend erweist, der Kläger also Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung beanspruchen kann, hängt maßgeblich von einer von Amts wegen (noch) durchzuführenden Klärung weiterer medizinischer Tatsachen ab.

Der Kläger hat sowohl seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Februar 2011 als auch seine am 8. Februar 2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage u. a. damit begründet, die Beklagte habe bei ihm auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegende Erkrankungen nicht ausreichend berücksichtigt. Jedenfalls aufgrund dieses Vorbringens hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, den medizinischen Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens ist von der Beklagten der Befundbericht des behandelnden Facharztes für Psychiatrie-Psychotherapie Dr. St. vom 16. März 2011 beigezogen worden. Dieser hat u. a. eine schwere depressive Episode beschrieben. Am 27. Oktober 2011 hat Dr. St. handschriftlich ergänzt, der Kläger sei trotz regelmäßiger ambulanter Behandlung und mehrfacher Medikamentenanpassung weiter ausgeprägt depressiv; sein Zustand habe sich nur wenig gebessert. Die Einschätzung der Ärztin für innere Medizin Dr. Dr., die den Kläger gerade zwei Wochen später begutachtet und keinen Anhalt für das Vorliegen einer relevanten depressiven Störung finden konnte, steht hierzu in diametralem Widerspruch. Durch diese fachfremde Einschätzung von Dr. Dr., der - naturgemäß - eine psychiatrische Begutachtung im eigentlichen Sinn nicht zugrunde gelegen hat, kann der vom behandelnden Facharzt Dr. St. erhobene Befund jedenfalls nicht als widerlegt angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als - nach dem Vortrag des Klägers im Beschwerdeverfahren - zwischenzeitlich eine weitere Verschlechterung des psychiatrischen Krankheitsbildes eingetreten und eine sechswöchige stationäre Behandlung in der Psychosomatischen Klinik Schwetzingen erforderlich geworden ist. Im Ergebnis kann damit auch nicht davon ausgegangen werden, die vom SG durchzuführenden Ermittlungen würden mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen; eine lediglich entfernte Erfolgswahrscheinlichkeit liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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