L 10 U 2687/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1580/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2687/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 04.06.2012 aufgehoben. Dem Kläger wird für das beim Sozialgericht Konstanz anhängige Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und ihm Rechtsanwalt E. beigeordnet.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Denn der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Gemäß § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger mit seinem Begehren durchdringt. Eine solche Möglichkeit bejaht der Senat.

Das Sozialgericht begründet seine Auffassung, die beim Kläger vorhandene psychische Störung sei nicht unfallbedingt, entscheidend damit, dass "sich die psychischen Beschwerden nicht direkt unter dem Eindruck der Kündigung des bisherigen Arbeitgebers bzw. der eingetretenen Arbeitslosigkeit entwickelt haben, sondern erst Jahre nach dem Unfall, als sich die soziale Situation zunehmend verschlimmerte". Auch Dr. St. hat am Ende seines Gutachtens angenommen, dass es für eine psychische Reaktion direkt nach dem Unfallereignis keine ausreichenden Belege gäbe. Der Kläger weist in seiner Beschwerde zutreffend darauf hin, dass gegenteilige Hinweise aktenkundig sind. So gab die den Kläger ab Dezember 2004 behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. unter Hinweis auf den zuvor behandelnden Dr. R., M., an, der Kläger sei "seit dem Verkehrsunfall 2001 ... vollkommen verändert, apathisch, depressiv, antriebslos"; er leide unter Angstsymptomen, Schlafstörungen, Alpträumen und einer Anhedonie (vgl. Bl. 509 f. sowie Bl. 495 f. VA). Insoweit hat das Sozialgericht noch nicht den Beginn der in Rede stehenden psychischen Störung und deren Verlauf durch zielgerichtete Ermittlungen geklärt, insbesondere die den Kläger gerade zum Zeitpunkt des Unfalls, ggf. schon zuvor, jedenfalls danach behandelnden Nervenärzte, ggf. auch den Hausarzt, ermittelt, als sachverständige Zeugen zu befragt und ggf. vorhandene Befundbericht beigezogen. Erst auf der Basis derartiger Ermittlungen ist es - auch dem gerichtlichen Sachverständigen - möglich, eine fundierte Kausalitätsbetrachtung anzustellen. Dass Dr. St. sich - so das Sozialgericht - gründlich mit den vorliegenden ärztlichen Dokumentationen beschäftigt hat, genügt hierfür nicht. Denn die "vorliegenden ärztlichen Dokumentationen" sind aus den genannten Gründen unvollständig. Schon deshalb ist eine Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen.

Es bedarf daher im Rahmen der Entscheidung über die Beschwerde keiner weiteren Überlegungen zu dem - vom Kläger allerdings zu Recht angesprochenen - Umstand, dass Dr. St. die beim Kläger bestehende psychische Störung durchaus in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall sieht und lediglich aus rechtlichen Gründen einen Zusammenhang verneint. Es obliegt dem Sozialgericht, nach Durchführung der angesprochenen Ermittlungen durch Hinweise an den Sachverständigen die korrekte Anwendung der im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebenden Theorie der wesentlichen Bedingung durch den Sachverständigen sicherzustellen, also zunächst vom Sachverständigen den naturwissenschaftlichen Zusammenhang beurteilen zu lassen und dann, falls dieser naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen ist, im zweiten Schritt zur Prüfung der Wesentlichkeit und Abwägung der gesamten Umstände, einschließlich der vom Sachverständigen bereits erwähnten "anderen Faktoren", zu gelangen.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen ebenfalls vor; Raten sind nicht zu erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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