L 15 SF 423/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SF 423/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Prüfung, was nach Stellung des Entschädigungsantrags zu erstatten ist, ist von Amts wegen durchzuführen. Aus dem Antragsprinzip folgt lediglich eine Begrenzung des maximal festzusetzenden Entschädigungsbetrags auf die beantragte Entschädigung (Rechnungsbetrag). Eine Bindung an einzelne Berechnungselemente des Antrags, die letztlich nur der Begründung des Antrags zuzurechnen sind, besteht nicht.
Die Entschädigung für die mit Schreiben vom 06.07.2009 erfolgte Übersendung von Kopien aus den Behandlungsunterlagen wird auf 76,58 EUR festgesetzt.



Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt die Entschädigung für die Übersendung von Kopien seiner Behandlungsunterlagen nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In einem am Bayer. Landessozialgericht (Bayer. LSG) anhängig gewesenen unfallversicherungsrechtlichen Rechtsstreit übersandte der Antragsteller auf Anforderung des Gerichts mit Schreiben vom 06.07.2009 Kopien der bei ihm vorhandenen Behandlungsunterlagen. Dafür stellte er, ausgehend von 255 Kopien, einen Betrag in Höhe von 76,85 EUR in Rechnung, der sich wie folgt ergibt:

50 Kopien à 0,50 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 25,00 EUR
205 Kopien à 0,15 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 30,75 EUR
Porto, Verpackung
§ 7 Abs. 1 JVEG 8,60 EUR
Umsatzsteuer in Höhe von 19% 12,23 EUR
Insgesamt 76,58 EUR

Mit Schreiben vom 04.09.2009 bewilligte der Kostenbeamte des Bayer. LSG unter Hinweis darauf, dass 223 Kopien übersandt worden seien, 59,55 EUR, die sich wie folgt aufschlüsseln:

50 Kopien à 0,50 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 25,00 EUR
173 Kopien à 0,15 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 25,95 EUR
Porto, Verpackung
§ 7 Abs. 1 JVEG 8,60 EUR
Insgesamt 59,55 EUR

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 15.12.2009 gewandt und an die vollständige Zahlung erinnert. Er sei seit der Änderung des Umsatzsteuerrechts verpflichtet, die Mehrwertsteuer zu berechnen und abzuführen.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 15.12.2009 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Übersendung der Kopien der Behandlungsunterlagen ist antragsgemäß mit 76,58 EUR festzusetzen.

Der Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keinen Rechtsbehelf gegen die Festsetzung des Kostenbeamten dar. Vielmehr handelt es sich bei der gemäß § 4 Abs. 1 JVEG zu treffenden Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigung um eine originäre Entscheidung des Gerichts. Die zuvor erfolgte Festsetzung des Kostenbeamten hat lediglich provisorischen Charakter und wird durch die gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Bei der Festsetzung der Entschädigung hat das Gericht von Amts wegen alle für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Umstände zu prüfen, unabhängig davon, ob sie der Antragsteller aufgreift oder nicht. Eine Bindung des Gerichts an die Höhe der einzelnen Berechnungselemente der Rechnung des zu entschädigenden Antragstellers besteht dabei nicht. Wegen des Antragsprinzips kann lediglich keine höhere als die beantragte Gesamtentschädigung zugesprochen werden (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.01.2005, Az.: L 6 SF 745/04).

Im zu entscheidenden Fall liegen der Festsetzung des Gerichts folgende Einzelpositionen zugrunde:

50 Kopien à 0,50 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 25,00 EUR
193 Kopien à 0,15 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 28,95 EUR
11 Farbkopien à 2,00 EUR
§ 7 Abs. 2 JVEG 22,00 EUR
Porto, Verpackung
§ 7 Abs. 1 JVEG 8,60 EUR

Im Detail begründet sich der Entschädigungsanspruch wie folgt:

Mit der Übersendung der Kopien ist der Antragsteller als ("einfacher") Zeuge tätig geworden. Ein solcher Zeuge hat eigene Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen und Zuständen zu bekunden, ein sachverständiger Zeuge hingegen solche, für die eine besondere Sachkunde - z.B. die medizinisch-ärztliche - erforderlich ist (vgl. BSG - Bundessozialgericht -, Urteil vom 26.11.1991, Az.: 9a RV 25/90 - m.w.N.). Die bloße Wiedergabe ärztlicher Aufzeichnungen und damit auch die Anfertigung von Kopien, wie dies hier der Fall war, gehören damit nicht zur Aufgabe eines sachverständigen Zeugen. Denn eine derartige Tätigkeit könnte auch von einer nicht medizinisch vorgebildeten Schreibkraft vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 11.11.1987, Az.: 9a RVs 3/86).

Die Entschädigung von Zeugen ergibt sich aus § 19 JVEG in Verbindung mit den dort angeführten weiteren Regelungen, nämlich §§ 5 bis 7 und §§ 20 bis 22 JVEG.

1. Kopierkosten

Die berücksichtigungsfähigen Kosten für die Anfertigung von Kopien hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG geregelt. Danach sind für die ersten 50 Seiten 0,50 EUR je Seite und danach 0,15 EUR je Seite zu ersetzen. Handelt es sich um Farbkopien, sind pro Seite 2,00 EUR zu ersetzen.

Angefertigt und dem Gericht vorgelegt worden sind, wie der Senat durch Abzählen der vorliegenden Kopien ermittelt hat, 243 Schwarz-Weiß-Kopien. Dafür sind 53,95 EUR zu erstatten.

Weiter hat der Antragsteller 11 Farbkopien übersandt. Dafür ist bei der Erstattung ein Betrag von 22,00 EUR zugrunde zu legen. Dass der Antragsteller die vom Gesetzgeber vorgesehenen höheren Kosten für die Anfertigung von Farbkopien in seiner Rechnung nicht angesetzt hat, steht einer Erstattung des dafür anzusetzenden höheren Betrags nicht entgegen. Die Prüfung, was nach Stellung des Entschädigungsantrags zu erstatten ist, ist von Amts wegen durchzuführen. Aus dem Antragsprinzip folgt lediglich eine Begrenzung des maximal festzusetzenden Entschädigungsbetrags auf die beantragte Entschädigung (Rechnungsbetrag). Eine Bindung an einzelne Berechnungselemente des Antrags, die letztlich nur der Begründung des Antrags zuzurechnen sind, besteht nicht.

Die Differenz der vom Senat ermittelten Seitenzahl zu der Seitenangabe des Antragstellers von einer Seite ist damit zu erklären, dass als erste Seite beim übersandten Aktengeheft ein Aktenvermerk zur gerichtlichen Anforderung von Kopien der Behandlungsunterlagen eingeheftet ist. Dieser gehört nicht zu den notwendig anzufertigenden Kopien. Die vom Kostenbeamten zugrunde gelegte geringere Seitenzahl ist jedenfalls teilweise dadurch zu erklären, dass er offensichtlich die in eine Seitentasche des übersandten Kopienordners eingelegten Farbkopien übersehen hat.

2. Porto und Verpackung

Kosten für Verpackung und Porto werden antragsgemäß mit 8,60 EUR zugrunde gelegt und gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG erstattet.

3. Ergebnis

Bereits aus den Kosten für die Anfertigung von Kopien und Porto sowie Verpackung ergibt sich mit einem erstattungsfähigen Betrag von 84,55 EUR ein Betrag, der über dem Rechnungsbetrag des Antragstellers in Höhe von 76,58 EUR liegt.

Wegen des Antragsprinzips ist der vom Antragsteller geltend gemachte Rechnungsbetrag in Höhe 76,58 EUR zu erstatten, nicht aber ein höherer Betrag, auch wenn dies nach den gesetzlichen Regelungen möglich wäre. Einer höheren Erstattung steht das Antragsprinzip entgegen.

Auf die Frage einer Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuer kommt es nicht mehr an, wobei angesichts des Urteils des BSG vom 02.10.2008, Az.: B 9 SB 7/07 R, wenig für eine Erstattungsfähigkeit von Umsatzsteuer spricht.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf richterliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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