L 6 VG 3708/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VG 1130/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3708/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Auszahlung von Leistungen nach dem sozialen Entschädigungsrecht unter Nichtanrechnung der ihm aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten Leistungen.

Der Kläger wurde 1996 im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit auf dem Gelände eines Golfplatzes von einem Geschäftspartner, der deswegen mit Strafurteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts B. vom 25.04.1997 rechtskräftig wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, niedergeschossen und erlitt hierbei schwere Verletzungen.

Auf den Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) vom 10.09.1996 erließ der Beklagte den Vorbehaltsbescheid vom 26.11.1997, mit dem Schädigungsfolgen festgestellt sowie Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H., Pflegezulage nach Stufe I, Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe II und halbe Ausgleichsrente gewährt wurden.

Nach hiergegen erhobenem Widerspruch erging der Bescheid vom 27.11.1998, mit dem der Vorbehaltsbescheid vom 26.11.1997 aufgehoben wurde. Als Folgen einer Schädigung nach dem OEG wurden anerkannt: "Versteifung beider Schultergelenke und linkes Ellenbogengelenk. Bewegungseinschränkung rechtes Ellenbogengelenk und beider Handgelenke und der Fingergelenke. Schädigung des Nervus ulnaris links. Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke. Kraftminderung der Arme und Beine. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. Thoraxstarre mit Lungenfunktionsbeeinträchtigung. Verhärtung und Atrophie der Haut am oberen Brustkorb. Multiple Narben an Hals, Brust, Rücken und Armen". Dem Kläger wurde ab Juli 1996 Grundrente nach einer MdE um 100 v. H. und Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V, ab März 1997 Pflegezulage nach Stufe I, halbe Ausgleichsrente und Kinderzuschlag sowie ab Juli 1997 Ehegattenzuschlag gewährt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte, nachdem er zwischenzeitlich mit den Bescheiden vom 22.02.1999 und 15.12.1999 wegen Änderung des Kindergeldes und einer Gesetzesänderung den Versorgungsanspruch neu festgestellt hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2000 zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 6 VG 2246/00) mit dem Begehren, ihm Pflegezulage nach Stufe IV und volle Ausgleichsrente zu gewähren.

Im Hinblick darauf, dass die BGN den Angriff als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannte und ebenfalls Leistungen gewährte, hatte der Beklage zunächst mit Bescheid vom 17.01.2001 ausgeführt, das von der BGN gezahlte Pflegegeld sei auf die Pflegezulage anzurechnen, sowie die Bescheide vom 12.04.2001 und 08.05.2001, wonach in Abänderung des Bescheides vom 27.11.1998 und aller Folgebescheide die Zahlung der Versorgungsbezüge vom 01.01.1998 bis zum 31.05.2001 und ab 01.06.2001 unter Anrechnung der von der BGN gezahlten Verletztenrente erfolgte, erlassen. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2001 zurück. Rechtsbehelfe gegen diesen Widerspruchsbescheid wurden nicht eingelegt. Am 29.10.2001 beantragte der Kläger eine Überprüfung dieser Bescheide.

Mit Bescheid vom 11.10.2001 stellte der Beklagte unter anderem fest, dass für die Zeit ab 15.05.2001 ein Anspruch auf Heilbehandlung auch für Gesundheitsstörungen bestehe, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt seien, und der Anspruch auf Heilbehandlung für Schädigungsfolgen in Höhe entsprechender berufsgenossenschaftlicher Leistungen ruhe. Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2002 zurückgewiesen.

Nachdem die BGN die dem Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehenden Leistungen endgültig berechnet hatte, hatte der Beklagte den Bescheid vom 26.11.2001, mit dem insbesondere unter Aufhebung des Bescheides vom 08.05.2001 die von der BGN neu festgestellte Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge angerechnet wurde, erlassen.

Mit Urteil vom 12.12.2003 wies das Sozialgericht die mit einer weiteren Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundene Klage ab. Hiergegen erhob der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (L 8 VG 1018/04). Mit Urteil vom 13.05.2005 änderte das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts vom 12.12.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27.11.1998, 22.02.1999 und 15.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2000 ab, verurteilte den Beklagten, dem Kläger ab 01.03.1997 Pflegezulage nach Stufe II zu gewähren, und wies im Übrigen die Berufung zurück. Es führte zur Begründung unter anderem aus, die Anrechnung der Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge sei rechtmäßig erfolgt.

Mit Ausführungsbescheid vom 05.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2006 nahm der Beklagte die Bescheide vom 27.11.1998, 22.02.1999 und 15.12.1999 insoweit zurück, als dass ab 01.03.1997 Pflegezulage nach Stufe II zu gewähren war, und führte aus, der Anspruch auf Pflegezulage ruhe in Höhe des von der BGN gezahlten Pflegegeldes.

Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dipl.-Med. S. vom 01.08.2005 führte der Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2005 aus, die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Ausgleichsrente sowie eines Berufsschadensausgleichs seien ab 01.07.1996 dem Grunde nach gegeben, setzte die Höhe der Ausgleichsrente sowie des Berufsschadensausgleichs für die Zeit vom 01.07.1996 bis zum 31.12.2001 fest und führte aus, der Anspruch auf die Versorgungsbezüge ruhe in Höhe der von der BGN gewährten Leistungen. Hiergegen legte der Kläger am 28.10.2005 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ferner hatte der Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 unter anderem ausgeführt, der Anspruch auf Heilbehandlung ruhe insoweit, als aus derselben Ursache Anspruch auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit einer Punktzahl von weiterhin 260 seien lediglich die Voraussetzungen für eine Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V gegeben. Mit Bescheid vom 09.08.2006 führte der Beklagte aus, es bestehe Anspruch auf Alterserhöhungsbetrag zur Grundrente ab 01.09.2005, setzte die Höhe der Ausgleichsrente sowie des Berufsschadensausgleichs für die Zeit ab 01.01.2002 vorläufig fest und führte aus, der Anspruch auf die Versorgungsbezüge ruhe in Höhe der von der BGN gewährten Leistungen. In Bezug auf die Höhe der Pflegezulage und die mit Bescheid vom 27.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2006 überprüfte Höhe der Schwerstbeschädigtenzulage sowie die Höhe des mit Bescheid vom 30.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2006 berechneten Berufsschadensausgleichs sind unter den Aktenzeichen L 6 VG 1310/09, L 6 VG 1311/09 und L 6 VG 1312/09 Berufungsverfahren anhängig.

Mit Schreiben vom 06.12.2007 bat der Kläger um Auszahlung der OEG-Leistungen. Bei den ihm vorenthaltenen OEG-Leistungen handele es sich um die Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage, die halbe Ausgleichsrente und den Ehegattenzuschlag. Diese Leistungen seien vom Beklagten zusätzlich zu den von der BGN gewährten Leistungen zu gewähren. Ausgangspunkt für seinen Anspruch sei § 3 Abs. 4 OEG, wonach nur konkurrierende Leistungen nach § 65 Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgerechnet werden könnten. Er erwarte daher eine Abschlagszahlung durch den Beklagten. Hierzu führte der Beklagte unter dem 02.01.2008 aus, eine Verletztenrente habe mit Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden und Mehrbedarfsausgleich unterschiedliche Funktionen. So setze sich immer mehr die Ansicht durch, dass Verletztenrenten in Höhe der Grundrente des BVG auf andere Leistungen nicht anzurechnen seien, also in der Praxis eine Zuweisung eines Teiles der Verletztenrente zum Bereich der immateriellen Schäden beziehungsweise zum Ausgleich eines Mehrbedarfs erfolge. Auch wäre zu beachten, dass dem Gesetz selbst jedenfalls eine prozentuale Zuweisung der Verletztenrente als Entgelt beziehungsweise Entschädigungsfunktion nicht zu entnehmen sei. Es verbleibe daher bei den bisherigen Entscheidungen zur Anwendung des § 65 BVG.

In seinem Schreiben vom 03.05.2008 wies der Kläger erneut darauf hin, die OEG-Leistungen seien zusätzlich zur Verletztenrente zu gewähren. Da sich inzwischen die ihm gesetzes- und verfassungswidrig vorenthaltenen OEG-Leistungen auf einen sehr hohen Betrag summiert hätten, beantrage er die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens als Vorschusszahlung auf überfällige OEG-Leistungen. Mit Bescheid vom 06.06.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens ab.

Mit Bescheid vom 19.06.2008 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Vorschussleistung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, wegen des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes sei es ihm verwehrt, aus eigener Kraft und ohne gesetzliche Grundlage, einem Bürger ein Recht auf Gewährung einer Geldleistung als Vorschussleistung zu bewilligen.

Hiergegen legte der Kläger am 25.07.2008 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, in der Verletztenrente seien keine OEG-Entschädigungsleistungen enthalten. Die immateriell und ideell geprägte Grundrente dürfe dem Opfer einer Gewalttat nicht einfach entzogen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Vorschuss könne nur gezahlt werden, wenn dem Grunde nach ein Leistungsanspruch bestehe. Dies treffe hier aber nicht zu, da das OEG-Ereignis gleichzeitig auch einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall darstelle und somit Leistungen nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) bezogen würden. Die Anrechnung dieser Leistungen führe zu keinem Zahlungsbetrag nach dem OEG.

Hiergegen hat der Kläger am 17.04.2009 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben (S 1 VG 1130/09). Er hat dargelegt, von einer Konkurrenz zwischen Verletztenrente und Grundrente könne keine Rede sein, da die Verletztenrente ausschließlich Einkommensersatz für den erlittenen Arbeitsunfall sei und die Grundrente von ihrem ideellen Gehalt geprägt werde. Bestätigt werde diese Auffassung durch die Anrechnungsfreiheit der Grundrente für Empfänger von Sozialhilfe gemäß § 82 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehungsweise Arbeitslosengeld II gemäß § 11 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dass nicht sämtliche Leistungen des OEG gemäß § 3 Abs. 4 OEG mit den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung konkurrierten, ergebe sich aus der verschiedenartigen Zweckbestimmung dieser Leistungen. Im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts gebe es mit einkommensabhängigen Leistungen, Fürsorgeleistungen und von ihrem ideellen Gehalt geprägten Leistungen unterschiedliche Leistungsgruppen. Der Genugtuungsfaktor der Grundrente zeige sich vor allem darin, dass sie unabhängig von den persönlichen Lebensverhältnissen des Geschädigten gewährt werde. Anders als bei den einkommensabhängigen Leistungen bleibe sie bei der Bemessung anderer staatlicher Leistungen grundsätzlich unberücksichtigt. Dies ergebe sich auch aus § 194 Abs. 3 Nr. 6 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 76 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Durch § 65 Abs. 1 BVG solle eine Doppelversorgung vermieden werden. Dies bedeute jedoch nicht, dass wahllos und ohne Rücksicht auf ihre Zweckbestimmung sämtliche Leistungen beziehungsweise Leistungsanteile zur Aufrechnung gestellt werden könnten.

Mit Schreiben vom 10.09.2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 26.11.2001. Er führte zur Begründung aus, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien gegeben. Bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 26.11.2001 sei das Recht unrichtig angewandt worden. Zu Unrecht seien die OEG-Entschädigungsleistungen zum Ruhen gebracht worden. Da die Verletztenrente ausschließlich Einkommensersatz habe, fehle jede rechtliche Möglichkeit, die Verletztenrente gegen die ideell geprägte Grundrente aufzurechnen und diese entgegen ihrer immateriellen Komponente zum Ruhen zu bringen. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die Verletztenrente bis zur Höhe des Pfändungsfreibetrages gepfändet werden dürfe, während die Grundrente gemäß §§ 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) unpfändbar sei. Das Ruhen der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage sei daher rechtswidrig. Mit Bescheid vom 17.04.2009 lehnte der Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 26.11.2011 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 BVG solle lediglich eine Doppelversorgung ausgeschlossen werden.

Hiergegen legte der Kläger am 14.05.2009 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, besonders auffällig sei, dass gemäß § 65 Abs. 1 BVG die OEG-Entschädigungsleistungen ausschließlich durch die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zum Ruhen gebracht würden. Habe der Unternehmer jedoch eine private Unfallversicherung abgeschlossen, so würden hieraus resultierende Leistungen nicht angerechnet. Die Ungleichbehandlung sei offensichtlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, neue rechtliche Gesichtspunkte ergäben sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 24.07.2009 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben (S 1 VG 1993/09). Er hat weiterhin die Ansicht vertreten, die ideelle Komponente der OEG-Entschädigung, die allen Gewaltopfern zustehe, werde ihm vorenthalten. Ferner werfe in diesem Zusammenhang die Ausgleichsrente ein besonderes Problem auf. Bei dieser Leistung handele es sich um eine fürsorgliche Leistung. Sie liege damit zwischen den einkommensabhängigen Leistungen und der Genugtuungsfunktion der Grundrente. Aber gemäß § 33 Abs. 4 BVG erhielten Empfänger einer Pflegezulage die Hälfte der vollen Ausgleichsrente und Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III sogar die volle Ausgleichsrente. Hier müsse die rechtlich bedeutsame Frage gestellt werden, ob es sich leidglich um eine Verstärkung der fürsorglichen Leistung oder um eine Erhöhung der Grundentschädigung für besonders schwer Geschädigte, denen ohnehin ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 100 zustehe und die angemessen entschädigt werden sollten, handele. Der Beklagte hat hierzu eingewandt, streitig sei die Auszahlung der Grundrente sowie der Schwerstbeschädigtenzulage und nach dem neuerlichen Vorbringen nun auch die Auszahlung der Hälfte der vollen Ausgleichsrente ohne Anrechnung der Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung aus gleicher Ursache. Bezüglich des neuen Klagegegenstandes im Hinblick auf die Auszahlung der Hälfte der vollen Ausgleichsrente existiere keine bestandskräftige Entscheidung, so dass die diesbezügliche Klage unzulässig sei. Er hat ferner ausgeführt, er habe im angefochtenen Bescheid nach geltendem Recht korrekt entschieden.

Mit Beschluss vom 12.11.2009 hat das Sozialgericht die beiden Klageverfahren verbunden und sie unter dem Aktenzeichen S 1 VG 1130/09 fortgeführt. Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat der Kläger ausgeführt, die Verletztenrente sei als Einkommensersatzzahlung die kongruente Leistung zum Berufsschadensausgleich. Die höheren Leistungen durch die Berufsgenossenschaften ergäben sich aus der vom Gesetzgeber gewollten besseren Absicherung der geschädigten Arbeitnehmer während der Berufsausübung. Für diese Absicherung und persönliche Freistellung bezahlten die Unternehmer Pflichtbeiträge. Der niedrigere Berufsschadensausgleich sei dagegen eine rein staatliche Leistung, für die weder das normale Gewaltopfer als Anspruchsberechtiger noch irgend ein Arbeitgeber jemals zuvor Beiträge bezahlt habe. Alle Verwaltungsakte, mit denen ein Ruhen der OEG-Leistungen mit Verweis auf § 65 BVG begründet worden seien, seien wegen schwerwiegender Rechtsfehler und eines schweren Verfassungsverstoßes nichtig und deshalb rückwirkend aufzuheben. Der Beklagte hat weiterhin die Ansicht vertreten, die gewährten Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung hätten neben der gleichen Ursache auch in vollem Umfang den gleichen Leistungszweck wie die Leistungen nach dem OEG. Auch bezüglich der teilweisen Vergleichbarkeit von Verletztenrente und OEG-Grundrente sei auf § 93 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu verweisen. Nach dieser Vorschrift werde offensichtlich, dass die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung einen immateriellen Anteil in Höhe eines der Grundrente entsprechenden Betrags enthalte. Im Ergebnis dieser Betrachtung komme damit neben den sonstigen Leistungen auch die OEG-Grundrente nach § 65 BVG vollständig zum Ruhen. Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruhe nach dem Wortlaut des § 65 BVG, da die Verletztenrente und die OEG-Leistungen auf derselben Ursache beruhten. Diese Ansicht habe bereits das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 13.05.2005 vertreten. Dem schließe man sich voll inhaltlich an. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung von Beschädigtenversorgung, weil diese Leistungen insgesamt geringer als die Ansprüche gegen die BGN seien und daher in voller Höhe ruhten. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 65 BVG bestünden nicht. Es bestehe ein System des Nebeneinanders von gesetzlicher Unfallversicherung und Opferentschädigung mit dem Prinzip der Subsidiarität letzterer, was in § 65 BVG zum Ausdruck komme. Nur dann und soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach dem Versorgungsrecht zurück blieben, seien aus diesem rein steuerfinanzierten System zusätzliche Leistungen zu erbringen. Es sei nicht vorgesehen, beide Leistungen nebeneinander zu beziehen. Dem Geschädigten verbleibe jedoch aufgrund der Anrechnungsvorschrift in jedem Fall eine Gesamtleistung in Höhe des höheren Anspruchs. Hierbei sei nicht erheblich, ob die Zweckrichtung der Leistungen völlig identisch sei. Während die Grundrente eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität darstelle, habe die Verletztenrente verschiedene Funktionen. Dies seien Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden und Mehrbedarfsausgleich. Die Verletztenrente diene dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens im Erwerbseinkommen. Daneben werde der Verletztenrente auch die Funktion des Ersatzes immaterieller Schäden zugesprochen. Die Zweckbestimmungen der Grundrente, der sonstigen Versorgungsleistungen nach dem BVG einerseits und der Verletztenrente andererseits seien somit zwar nicht völlig deckungsgleich. In Teilen seien die Leistungen jedoch, etwa was den Verlust von entgangenem Einkommen, den Ausgleich von schädigungsbedingten Mehraufwendungen und die Genugtuungsfunktion betreffe, durchaus vergleichbar. Indes komme es nicht darauf an, ob die Leistungen eine identische Zweckbestimmung hätten, denn § 65 BVG knüpfe lediglich an die gemeinsame tatsächliche Ursache der beiden Ansprüche, nicht jedoch an deren Zweckbestimmung, an. So habe auch das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 13.05.2005 überzeugend ausgeführt, dass ein Vergleich der Einzelleistungen nicht stattfinde, weil dem Gesetzgeber durchaus bewusst gewesen sei, dass die Zusammensetzung der Einzelleistungen und ihre Berechnung im Versorgungsrecht einerseits und in der Unfallversicherung sowie im Beamtenrecht andererseits jeweils eigenen und unterschiedlichen Vorschriften folge. Da kein Anspruch auf Auszahlung der Geldleistungen nach dem BVG bestehe, habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses.

Mit Urteil vom 16.06.2010 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe kein Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 65 BVG. Es bestehe ein System des Nebeneinanders von gesetzlicher Unfallversicherung und Opferentschädigung mit dem Prinzip der Subsidiarität letzterer, was in § 65 BVG zum Ausdruck komme. Nur dann und soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach Versorgungsrecht zurückblieben, seien aus diesem rein steuerfinanzierten System (zusätzliche) Leistungen zu erbringen. Es sei nicht vorgesehen, beide Leistungen nebeneinander zu beziehen. Hierbei sei es nicht erheblich, ob die Zweckrichtung der Leistungen völlig identisch sei. Der Versorgungsanspruch des BVG stelle eine Entschädigung im Sinne eines generalisierenden und pauschalen Schadensausgleichs dar. Die Verletztenrente habe mit Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden und Mehrbedarfsausgleich verschiedene Funktionen. Die Zweckbestimmungen des Versorgungsanspruchs nach dem BVG und der Verletztenrente seien somit in Teilen vergleichbar. Indes komme es nicht darauf an, ob die Leistungen eine identische Zweckbestimmung hätten, denn § 65 BVG knüpfe lediglich an die gemeinsame tatsächliche Ursache der beiden Ansprüche an. Auch bestehe kein Anspruch auf einen Vorschuss, da kein Anspruch auf Auszahlung von Geldleistungen nach dem BVG vorliege.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 12.07.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.08.2010 Berufung eingelegt. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, nur wenn Leistungen nach dem OEG mit Leistungen aus der Unfallversicherung konkurrierten, gelte gemäß § 3 Abs. 4 OEG die Regelung des § 65 BVG. Damit werde das Nebeneinander der nicht konkurrierenden Versorgungsleistungen klargestellt. Im Übrigen wiederholt der Kläger seine bisher vertretene Rechtsansicht und nochmals ausgeführt, die Verletztenrente sei auf den Ausgleich einer MdE im Interesse materieller Existenzsicherung gerichtet. Dieser Rente komme in vollem Umfang Lohnersatzfunktion zu. Sie diene nicht auch dem Ausgleich immaterieller Schäden oder der Deckung verletzungsbedingtem Mehrbedarfs. Die Grundrente, die Schwerstbeschädigtenzulage und die Ausgleichsrente nach dem OEG sollten neben ihrer Genugtuungsfunktion gerade die Probleme des gesteigerten Bedarfs infolge des Schadensereignisses abmildern. Daher dienten diese Leistungen auch nicht der Existenzsicherung oder dem Bestreiten des Lebensunterhalts und stünden allein dem Gewaltopfer ohne Rücksicht auf dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu. Die Verletztenrente stelle eine abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung dar, die ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhaltes diene.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. Juni 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Vorschuss zu gewähren, sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 26. November 2001 sowie alle Folgebescheide, soweit mit ihnen eine Auszahlung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz abgelehnt worden ist, zurückzunehmen und die ihm zustehenden Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz auszubezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat dargelegt, das Begehren des Klägers sei vom Sozialgericht eingehend geprüft und gewürdigt worden.

Am 01.08.2008 hat der Beklagte die Versorgungsaufgaben vom Freistaat Sachsen übernommen und ist für das streitgegenständliche Verfahren zuständig geworden.

Mit Beschluss vom 23.03.2009 hat das Amtsgericht Ravensburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet und Rechtsanwalt G. zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 08.12.2009 hat der Insolvenzverwalter sämtliche Ansprüche, die mit dem Klage- und Berufungsverfahren verfolgt werden, aus der Masse freigegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des Sozialgerichts und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaft und zulässig.

Der Entscheidung steht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers nicht entgegen (vgl. hierzu auch LSG München, Urteil vom 22.01.2009 - L 8 AL 110/08 - juris). Denn zu einer Unterbrechung des Gerichtsverfahrens (§ 202 SGG i. V. m. § 240 Zivilprozessordnung) kommt es nur dann, wenn die Insolvenzmasse (§ 35 Insolvenzordnung - InsO) betroffen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 114 Rdnr. 2a). Da vorliegend der Insolvenzverwalter die Forderung freigegeben hat, es aber ablehnt, den Rechtsstreit aufzunehmen, kann der Kläger diesen selbst weiterführen (§ 85 Abs. 2 InsO).

Streitgegenstand sind - wie ausdrücklich vom Kläger angegriffen - der Bescheid des Beklagten vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2009 und der Bescheid des Beklagten vom 19.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010. Regelungsgegenstand dieser Bescheide ist einerseits eine Überprüfung des Bescheides vom 26.11.2001 samt Folgebescheide gemäß § 44 SGB X und mithin die Frage, ob der Beklagte in Übereinstimmung mit der Rechtslage die Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge nach dem OEG angerechnet hat sowie andererseits die Frage, ob dem Kläger ein Vorschuss auf noch zu gewährende OEG-Leistungen besteht.

Die Berufung ist nicht begründet.

Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 26.11.2001 samt Folgebescheide zutreffend die Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge nach dem OEG angerechnet. Er hat daher zu Recht in seinem Bescheid vom 17.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2009 von einer Rücknahme dieser Bescheide abgesehen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist maßgebliche Rechtsgrundlage § 44 SGB X.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).

Ob der den Bescheid vom 08.05.2001 aufhebende Bescheid vom 26.11.2001 und alle Folgebescheide rechtmäßig sind, richtet sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht in erster Linie nach § 48 SGB X.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, hat das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 13.05.2005 zutreffend wie folgt dargelegt:

"Der Bescheid vom 26.11.2001 ist nicht schon deshalb formell rechtswidrig, weil es der Beklagte unterlassen hat, den Kläger vor Erlass des Bescheides anzuhören. Denn nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen. Diese Regelung beruht auf der Überlegung, dass allein die dem Betroffenen bereits bekannten geänderten Einkommensverhältnisse für die getroffene Entscheidung relevant sind (von Wulffen SGB X 5. Auflage 2005 § 24 RdNr. 14). Damit ist der hier gegebene Sachverhalt ohne weiteres vergleichbar. Denn der Beklagte hatte bereits zuvor mit den bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 17.04.2001 und 08.05.2001 die Verletztenrente des Klägers auf die Versorgungsbezüge angerechnet. Somit war dem Kläger bekannt, dass seine Ansprüche nach dem OEG davon abhängig sind, in welchem Umfang ihm Leistungen nach dem SGB VII zustehen. Mit dem Bescheid vom 26.11.2001 hat der Beklagte lediglich eine weitere Entscheidung der BGN zur Höhe der Verletztenrente umgesetzt und damit nur eine Anpassung an tatsächliche Verhältnisse - Höhe der Leistungen nach dem SGB VII - vorgenommen, die dem Kläger bereits bekannt waren. Aus diesem Grund war hier eine nochmalige Anhörung durch den Beklagten entbehrlich.

Die inhaltlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X sind hier erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte im Bescheid vom 26.11.2001 zwar das Ruhen des Versorgungsanspruchs bereits für die Zeit ab Januar 1998 ausgesprochen hat, daraus aber keine Konsequenzen in Bezug auf die Zahlung der Versorgungsbezüge gezogen hat. Der Beklagte hat im Gegenteil ausdrücklich entschieden, dass für die Zeit bis Ende 2001 keine Forderung gegenüber dem Kläger geltend gemacht wird, die Zahlung der Versorgungsbezüge also gerade nicht eingeschränkt wird. Der Sache nach hat der Beklagte den Kläger insoweit lediglich darüber informiert, in welcher Höhe er gegenüber der BGN einen Erstattungsbetrag geltend machen wird. Darin ist keine Regelung iS einer (rückwirkenden) Aufhebung des Bescheides vom 27.11.1998 zu sehen. Der Bescheid vom 27.11.2001 wurde vielmehr nur insoweit abgeändert, als dem Kläger für die Zeit ab 01.01.2002, und damit nur mit Wirkung für die Zukunft, keine Leistungen nach dem OEG mehr zugesprochen wurden."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.

Ferner richtet sich die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 26.11.2001 und aller Folgebescheide in materiellrechtlicher Hinsicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, § 3 Abs. 4 OEG und § 65 BVG.

Versicherungsfrei sind Personen, soweit für sie das BVG oder Gesetze, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, gelten, es sei denn, dass der Versicherungsfall zugleich die Folge einer Schädigung im Sinne dieser Gesetze ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 a SGB VII). Bei Schäden nach dem OEG gilt § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht (§ 3 Abs. 4 OEG). Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen, in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG).

Dass auch die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG vorliegend erfüllt sind und diese Vorschrift verfassungsgemäß ist, mithin der Beklagte zu Recht die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die OEG-Leistungen, abgesehen von den Sonderregelungen hinsichtlich Heilbehandlung sowie Pauschbetrag als Ersatz für Kleider- und Wäscheverschleiß in § 65 Abs. 3 BVG, angerechnet hat, hat das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 13.05.2005 ebenfalls zutreffend unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.06.2003 - B 9 VG 4/02 R, SozR 4-3100 § 65 Nr. 1 - wie folgt dargelegt:

"Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruht nach § 65 Abs. 1 BVG in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen. Versorgungsbezüge im Sinne dieser Vorschrift sind sämtliche Dienst-, Sach- und Geldleistungen (§ 11 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - , SGB I), die in den jeweiligen Einzelgesetzen vorgesehen sind. Grundsätzlich ist der Gesamtwert der Bezüge maßgeblich. Ein Vergleich der Einzelleistungen findet nicht statt, weil dem Gesetzgeber durchaus bewusst war, dass die Zusammensetzung der Einzelleistungen und ihre Berechnung im Versorgungsrecht einerseits und in der Unfallversicherung und im Beamtenrecht andererseits jeweils eigenen und unterschiedlichen Vorschriften folgen. Erbrachte oder geschuldete Sachleistungen sind mit ihrem jeweiligen Wert, d.h. in Höhe der Kosten, die der Verwaltung entstehen, in Ansatz zu bringen. Allerdings hat der Gesetzgeber den Anspruch auf Heilbehandlung, den Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiss sowie die Kinderzulage zur gesetzlichen Unfallversicherung in § 65 BVG einer Sonderregelung unterworfen. Diese Anteile an den Versorgungsbezügen werden mit den jeweils entsprechenden Leistungen aus anderen Bereichen verglichen. Heilbehandlung und Pauschbetrag ruhen nur, sofern es auch aus der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechende Leistungsansprüche gibt. Allein insoweit gilt der Grundsatz, dass bei Anwendung der Ruhensvorschrift nur die dem gleichen Zweck dienenden Leistungen aus den verschiedenen Bereichen einander gegenüberzustellen sind. Im Übrigen ist jedoch auf den Gesamtbetrag der zuerkannten Leistungen abzustellen (vgl. BSG vom 10.11.1993 - 9/9a RVg 2/92 - ).

Der Senat hält die Ruhensvorschrift des § 65 BVG für verfassungsgemäß. Soweit der Kläger einwendet, dass die Grundrente nach dem BVG aufgrund ihrer Genugtuungsfunktion nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden dürfe, gilt dies für Leistungen, die Bedürftigkeit voraussetzen. Insoweit darf die Grundrente nicht als eigenes Einkommen des Beschädigten bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Davon unterscheidet sich der in § 65 BVG geregelte Sachverhalt. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Gesetzgeber vor der Wahl stand, Personen, die durch eine mit Strafe bedrohte Handlung verletzt worden sind, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen oder für diese Fälle eine Leistung des sozialen Entschädigungsrechts vorzusehen. Der Gesetzgeber hat sich mit § 3 Abs. 4 OEG zwar dafür entschieden, auch Schäden der Opfer von Straftaten unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen, dies allerdings nur, um sicherzustellen, dass Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, die höher sind als die Versorgungsleistungen nach dem BVG, den Opfern von Straftaten nicht vorenthalten werden. Er hat aber gleichzeitig mit § 65 BVG klargestellt, dass auch Opfer von Straftaten nicht Leistungen aus beiden Systemen nebeneinander erhalten. Nur wenn und soweit die primär von der ausschließlich beitragsgestützten gesetzlichen Unfallversicherung zu tragenden Leistungen hinter dem Anspruch nach dem Versorgungsrecht zurück bleiben, sind aus diesem rein steuerfinanzierten System zusätzliche Leistungen zu erbringen (BSG SozR 4-3100 § 65 Nr. 1)."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und führt zum Vorbringen des Klägers und unter Berücksichtigung der seither ergangenen Rechtsprechung ergänzend aus, dass das Bundessozialgericht auch in seinem Urteil vom 05.09.2007 - B 11b AS 15/06 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 5 - dargelegt hat, dass die Verletztenrente mit Einkommensersatz, Kompensation immaterieller Schäden und Mehrbedarfsausgleich verschiedene Funktionen hat.

Nichts anderes folgt aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.03.2011 - 1 BvR 591/08 und 1 BvR 593/08, SGb 2011, 702, in dem zu der Frage, ob es verfassungsgemäß ist, dass bei der Berechnung von Leistungen nach dem SGB II eine Verletztenrente in vollem Umfang als Einkommen berücksichtigt wird, dargelegt worden ist, dass im Hinblick darauf, dass die Verletztenrente nach der gesetzgeberischen Konzeption eine abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung darstelle, die ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhalts diene, es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass Zuflüsse aus der Verletztenrente auch nicht teilweise als zweckbestimmte Einnahme bewertet würden. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ferner ausgeführt, eine eindeutige gesetzgeberische Bestimmung der Verletztenrente zu einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhalts folge insbesondere nicht daraus, dass der Teil der Verletztenrente, der einer Grundrente des sozialen Entschädigungsrechts entspreche, nicht auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet werde, da die betreffende Regelung auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt sei und dies ausschließe, dem Gesetzgeber zu unterstellen, dass er generell und damit unabhängig davon, welche Sozialleistung der Leistungsempfänger neben der Verletztenrente beziehe, habe anordnen wollten, dass die Verletztenrente zumindest teilweise nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sei. Desweiteren hat das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Nichtannahmebeschluss die Ansicht vertreten, auch zwischen den Beziehern einer Grundrente des sozialen Entschädigungsrechts, die nicht als Einkommen berücksichtigt werde, und den Beziehern einer Verletztenrente bestünden hinreichend gewichtige Unterschiede, da die Grundrente anders als die Verletztenrente nicht zur Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts bestimmt sei, sondern eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität darstelle und zugleich die Mehraufwendungen ausgleichen solle, die der Geschädigte gegenüber einem gesunden Menschen habe. Dass der Gesetzgeber demgegenüber die Verletztenrente als Leistung der Sozialversicherung generell als abstrakten Erwerbsschadensausgleich konzipiert habe, stehe in seinem Gestaltungsermessen. Aus diesen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich im Kern aber nur, dass es sich bei der Verletztenrente allein nach der gesetzgeberischen Konzeption um eine abstrakt berechnete Verdienstausfallentschädigung, die ebenso wie der Arbeitslohn selbst der Sicherung des Lebensunterhalts dient, handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss aber auch gesehen, dass der Verletztenrente durch die fachgerichtliche Rechtsprechung (vergleiche auch BSG, Urteil vom 19.06.1986 - 12 RK 7/85; BSG, Urteil vom 08.12.1992 - 1 RK 9/92; BSG, Urteil vom 31.03.1998 - B 4 RA 49/96 R; BSG, Urteil vom 03.12.2002 - B 2 U 12/02 R; BSG, Urteil vom 10.04.2003 - B 4 RA 32/02 R; BSG, Beschluss vom 20.07.2005 - B 13 RJ 38/04 R; BSG, Urteil vom 08.12.2005 - B 13 RJ 38/04 R; siehe dazu auch BSG, Beschluss vom 12.12.2006 - B 13 RJ 25/05 R; BSG, Beschluss vom 29.11.2007 - B 13 RJ 25/05 R) und die Literatur (Kranig, in Hauck, SGB VII, September 2010, § 56 Rn. 7b) auch die Funktion zugesprochen wird, Nichterwerbsschäden abzugelten, also immaterielle Schäden auszugleichen und verletzungsbedingte Mehraufwendungen zu decken und sie daher als teilweise zweckbestimmte Leistung bewertet wird. Diese Funktion der Verletztenrente wird, soweit ersichtlich, überwiegend nicht durch Auslegung aus den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung oder des SGB VII hergeleitet, sondern mit einer tatsächlichen Änderung der wirtschaftlichen, technischen und sozialen Rahmenbedingungen begründet, die dazu geführt hat, dass eine MdE bei leichten oder mittelschweren Unfällen keine oder fast keine Lohneinbußen und auch bei schweren Unfällen nur teilweise Lohneinbußen verursachen. An keiner Stelle seines Beschlusses hat aber das Bundesverfassungsgericht diese Auslegung für unzutreffend gehalten. Es hat vielmehr nur dargelegt, dass dieser von der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur angenommene Funktionswandel nur nicht mit einer Zweckbestimmung durch den Gesetzgeber selbst, die allein die Privilegierung der Einnahmen im Sinne der in der dort streitgegenständlichen Norm des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II rechtfertigt, gleichzusetzen ist.

Mithin hat auch das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 16.05.2012 - L 3 AS 828/08 - völlig zu Recht dargelegt, dass die in dem Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgerichts getroffene Entscheidung, es verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, wenn die Sozialgerichte der Verletztenrente eine besondere Zweckbestimmung absprächen, nicht bedeutet, dass diese Auslegung verfassungsrechtlich geboten wäre. Dass der Gesetzgeber der Verletztenrente eine - auch nicht teilweise - besondere Zweckbestimmung bislang nicht beigemessen hat, hindert aber nicht eine verfassungskonforme Auslegung in die andere Richtung der Gestalt, dass ihr - wie vom Landessozialgericht in der oben zitierten Entscheidung geschehen - im Rahmen der Vorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II alter Fassung eine besondere Zweckbestimmung beigemessen wird, und gebietet auch nicht, im Rahmen der Vorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG, ihr eine besondere Zweckbestimmung abzusprechen.

Auch aus dem vom Kläger ins Feld geführten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.12.2002 - VI ZR 304/01, BGHZ 153, 113 - folgt nichts Anderes. Zwar wird in diesem Urteil die Ansicht vertreten, die Verletztenrente habe ausschließlich Lohnersatzfunktion. Der Bundesgerichtshof hat aber auch dargelegt, die vom Bundessozialgericht behandelte Frage, ob es angemessen ist, die Verletztenrente nur in eingeschränktem Umfang als Einkommen des Verletzten zu behandeln, nach spezifisch sozialrechtlichen Gesichtspunkten zu beantworten und es in diesem Zusammenhang durchaus angebracht sein mag, wegen des tatsächlichen Funktionswandels der Verletztenrente zwischen einem auf den Ersatz des Erwerbsschadens bezogenen und einem den Ausgleich immaterieller Schäden betreffenden Anteil zu unterscheiden.

Aus alledem folgt, dass gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG der Anspruch des Klägers auf Versorgungsbezüge in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung ruht, da die Ansprüche auf Versorgungsbezüge und aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf derselben Ursache beruhen, eine darüber hinausgehende Kongruenz dieser Leistungen gesetzlich nicht angeordnet ist und selbst bei Annahme einer vorausgesetzten Kongruenz aufgrund dessen, dass beispielsweise die Verletztenrente ebenso wie die Grundrente immaterielle Schäden ausgleicht, gegeben wäre.

Da mithin der Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung der OEG-Leistungen hat, hat der Beklagte zutreffend mit Bescheid vom 19.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2010 die Gewährung eines Vorschuss abgelehnt, da nach § 42 Abs. 1 SGB X der zuständige Leistungsträger Vorschüsse nur zahlen kann, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved