L 4 KR 1529/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 534/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1529/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin Einsicht in ein nach seinen Angaben im Jahr 2005 erstelltes Gutachten und Stellungnahme zu den von ihm im Schriftsatz vom 22. März 2012 aufgeworfenen Punkten durch einen Richter.

Der 1970 geborene Antragsteller war zumindest im Jahr 2005 bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Ausweislich des Betreuerausweises vom 18. März 2011 bestellte das Amtsgericht F. - Betreuungsgericht - (Geschäftsnummer 13c XVII 1128/10) Rechtsanwalt R. zum Betreuer des Antragstellers u.a. für die Gesundheitsfürsorge und Versicherungsangelegenheiten. Die Beschwerde gegen den die Betreuung anordnenden Beschluss nahm der Antragsteller ausweislich der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Landgerichts F. (Aktenzeichen: 4 T 272/11) vom 08. Dezember 2011 zurück. Nach der Niederschrift wurde mit dem Betreuer Rechtsanwalt R. und dem Antragsteller besprochen, dass Rechtsanwalt R. bis zur nächsten Prüfung, also bis März 2012, keine weiteren Maßnahmen vornehme und dem Antragsteller nur zur Verfügung stehe, wenn es Probleme gebe oder wenn er Fragen habe. Auf diesem Wege solle der Antragsteller selbst schauen, dass er selbst wieder alleine zurechtkomme. Bei der nächsten anstehenden Prüfung, ob die Betreuung aufrechtzuerhalten sei, sollten diese Überlegungen berücksichtigt werden. Bis heute hat das Amtsgericht Freiburg - Betreuungsgericht - über die weitere Betreuung des Antragstellers nicht entschieden.

Am 03. Februar 2012 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Er begehrte die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm Einsicht in ein im Jahr 2005 erstelltes Gutachten, das zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Therapie erstellt worden sei, zu gewähren. Trotz mehrfacher Anträge habe ihm die Antragsgegnerin die Einsicht in das über ihn erstellte Gutachten verweigert. Im Jahr 2011 sei ein Gutachten von Dr. K. über ihn erstattet worden und ihm im Anschluss daran ein Betreuer bestellt worden. Da er mit dieser Betreuung nicht einverstanden sei, weil er aufgrund seines Gesundheitszustands keinen Betreuer benötige, sei er dringend auf die Einsicht in dieses vorher erstellte Gutachten angewiesen. Mit Schriftsatz vom 22. März 2012 beantragte der Antragsteller außerdem die schriftliche Stellungnahme eines Richters zu folgenden Fragen: 1. Wieso ist es nicht möglich, mündlich eine Stellungnahme bei Gericht persönlich abzugeben? 2. Wo steht im Grundgesetz, dass man sich nur schriftlich verteidigen und seine Ansicht kund tun dürfe? 3. Wieso ist es nicht möglich, im Gericht auf einem Computer oder einer Schreibmaschine seine Stellungnahme zu tippen? 4. Weshalb bekommen und haben Richter ein Recht darauf, dass ihnen der volle Gesetzestext ausgedruckt zu den Unterlagen zur Verfügung gestellt werde und das gemeine Volk nicht? 5. Weshalb ist es nicht möglich, per Internet/E-Mail mit dem Gericht zu kommunizieren? 6. Wo bleibt das Recht auf Verteidigung und Kundmachung der Ansichten, wenn ein Gutachten anonymisiert werde?

Die Antragsgegnerin trat dem Antrag unter Verweis darauf, dass ihr kein Gutachten vorliege, entgegen. Ein Gutachten würde ihr auch dann nicht vorliegen, wenn tatsächlich im Jahre 2005 im Rahmen einer verhaltenstherapeutischen Behandlung ein solches erstellt worden sei. Ursächlich hierfür sei der Umstand, dass die zur Bewilligung oder weiteren Bewilligung von Psychotherapie eingereichten Unterlagen anonymisiert an Gutachter weitergeleitet würden, die ihr, der Antragsgegnerin, ihrerseits lediglich das Begutachtungsergebnis mitteilten, ohne die Gutachten selbst zu übersenden. Dies gelte zumindest dann, wenn nicht bereits die Einschaltung eines Gutachters entbehrlich gewesen sei, weil der Therapeut von der Notwendigkeit der Antragsbegutachtung befreit gewesen sei und aufgrund dessen die ersten 25 Sitzungen ohne Gutachten hätten bewilligt werden können. Im Übrigen sei ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 28. März 2012 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung ab. Es sei bereits nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Antragsgegnerin tatsächlich im Besitz eines im Jahr 2005 erstellten Gutachtens befinde. Ebenso wenig sei nachvollziehbar dargelegt, von welcher Bedeutung dieses Gutachten gegebenenfalls für das vom Antragsteller erwähnte Betreuungsverfahren sein könne.

Gegen den ihm am 31. März 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 04. April 2012 Beschwerde eingelegt. Er habe keine Stellungnahme zu den von ihm gestellten Fragen erhalten. Ergänzend hat er außerdem noch einmal darauf hingewiesen, dass er in seinem Recht auf Verteidigung beschnitten werde, wenn Gutachten anonymisiert erstellt würden, ohne dass er, der Antragsteller, davon etwas mitbekomme.

Der Senat hat Rechtsanwalt R. um Mitteilung gebeten, ob er das vom Antragsteller eingeleitete Verfahren führe. Dieser teilte mit (Schreiben vom 23. April, 14., 15. Juni und 06. Juli 2012), dass er selbstverständlich bereit wäre, das vom Antragsteller eingeleitete Verfahren vor dem Senat zu führen, er deshalb jedoch entsprechend der bei der Anhörung des Antragstellers vor dem Landgericht Freiburg getroffenen Absprache, den Antragsteller zur Stellungnahme aufgefordert habe. Ohne ausdrücklichen Auftrag werde er den Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht vertreten. Auf die Anfrage von Rechtsanwalt R. hat sich der Antragsteller bei Rechtsanwalt R. nicht gemeldet.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 28. März 2012 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm Einsicht in das im Jahr 2005 erstellte Gutachten zur Notwendigkeit einer Therapie zu gewähren und von Seiten des Senats zu den von ihm mit Schriftsatz vom 22. März 2012 aufgeworfenen Punkten Stellung zu nehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend.

Auf telefonische Anfrage des Senats am 14. Juni 2012 hat das SG angegeben, dass dort keine weiteren Verfahren anhängig seien oder anhängig gewesen seien.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte und die Akte des SG Bezug genommen.

II.

Gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Antragsteller die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist auch statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, denn sie betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

Der Senat geht trotz gewisser Bedenken von der Prozessfähigkeit des Antragstellers aus. Nach § 71 Abs. 1 SGG ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozessfähigkeit ist hierbei ebenso wie die Beteiligtenfähigkeit Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen berücksichtigt und geprüft werden muss (§ 71 Abs. 6 SGG i.V.m. § 56 Abs.1 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dass der Antragsteller zumindest zu einem früheren Zeitpunkt prozessunfähig gewesen sein könnte, ergibt sich aus der Bestellung von Rechtsanwalt R. als Betreuer am 18. März 2011 durch das Amtsgericht F. Betreuungsgericht -. Im vorliegenden Verfahren vertritt Rechtsanwalt R. den Antragsteller nicht. Dadurch, dass der Betreuer ausweislich der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Landgerichts F. vom 08. Dezember 2011 nur noch Maßnahmen vornehmen und dem Antragsteller zur Verfügung stehen soll, wenn es Probleme gibt oder wenn er Fragen hat, liegen jedoch Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller mittlerweile wieder prozessfähig ist.

Die Beschwerde des Antragstellers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller begehrten einstweiligen Rechtsschutz ist hier § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Denn ein Fall des § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage angeordnet oder wiederhergestellt werden kann, ist nicht gegeben. Die Verweigerung der Akteneinsicht in das nach dem Vorbringen des Antragstellers im Jahr 2005 erstattete Gutachten verfügte die Antragsgegnerin nicht mit einem Bescheid. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, sodass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes überwiegend wahrscheinlich sind. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, desto weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden.

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sind danach vorliegend bezüglich beider Anträge nicht erfüllt.

Bezüglich des Begehrens des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm Einsicht in ein im Jahr 2005 erstelltes Gutachten zur Notwendigkeit einer Therapie zu gewähren, fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Zwar dürfte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Leistungsantrag gerichtet darauf, Einsicht in ein Gutachten zu erhalten, grundsätzlich möglich sein (vgl. dazu etwa Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 24). Zwingende Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass ein Gutachten der Antragsgegnerin, in das Einsicht gewährt werden kann, tatsächlich vorliegt. Die Existenz eines solchen Gutachtens wird von der Antragsgegnerin verneint. Erläuternd hat sie nachvollziehbar ausgeführt, auch wenn ein Gutachten erstattet worden wäre, wären im Falle der Bewilligung oder weiteren Bewilligung von Psychotherapie eingereichte Unterlagen anonymisiert an den Gutachter weitergeleitet worden, der seinerseits ihr, der Antragsgegnerin, lediglich das Begutachtungsergebnis mitteilen würde, ohne das Gutachten selbst zu übersenden. Dies vermochte der Antragsteller, der mit Blick auf das Gutachten auch keine näheren Angaben machen konnte, nicht zu widerlegen. Die Existenz eines bei der Antragsgegnerin vorliegenden Gutachtens, in das ihm Einsicht zu gewähren wäre, vermochte er nicht glaubhaft zu machen.

Im Übrigen fehlt jedoch auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat schon nicht glaubhaft gemacht, dass er sein Begehren mit einer Klage in der Hauptsache verfolge. Mangels jeglichen Vortrags des Antragstellers und der Auskunft des SG vom 14. Juni 2012, wonach keine weiteren Verfahren des Antragstellers beim SG anhängig seien, muss der Senat davon ausgehen, dass eine solche Hauptsache nicht anhängig ist, womit ein Anordnungsgrund fehlt.

Soweit der Antragsteller die Stellungnahme eines Richters zu den von ihm aufgeworfenen Fragen begehrt, ist ein solches Begehren abgesehen davon, dass insoweit ebenfalls kein Anordnungsgrund ersichtlich ist, bereits unzulässig. Er begehrt damit eine Auskunft zu ihn interessierenden Verfahrensfragen, die keinen Bezug zu einem konkreten Rechtsverhältnis haben. Ein solcher Anspruch auf Beantwortung von allgemeinen Fragen durch Richter losgelöst von einem konkreten Rechtsstreit besteht nicht. Aufgabe der Gerichte ist, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit das notwendig ist (Keller a.a.O. vor § 51 Rdnr. 16), nicht jedoch allgemeine Auskünfte zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der (weiteren) Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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