Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 328/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5622/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.11.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die am 1953 in Serbien geborene Klägerin erlernte nach ihren eigenen Angaben keinen Beruf und siedelte im Jahr 1974 in die Bundesrepublik Deutschland über. Seit 1978 arbeitete sie als Küchenhilfe und Zimmermädchen zunächst vollschichtig und ab dem Jahr 2004 zwei Stunden pro Tag in einem Hotel in B. D. Diese Tätigkeit übt sie auch weiterhin auf 400 EUR Basis zwei bis drei Stunden täglich an vier Tagen in der Woche aus. In der Zeit vom 20.02.2003 bis 19.02.2008 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 S 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit dem 02.12.2002 festgestellt (Schwerbehindertenausweis vom 18.01.2003).
Im Oktober 2002 wurde bei der Klägerin ein Mamakarzinom links diagnostiziert. Es erfolgte eine brusterhaltende Operation mit anschließender Chemotherapie und Bestrahlung der linken Brust. Sie nahm deshalb vom 28.05. bis 25.06.2003 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teil, wobei sie als arbeitsunfähig entlassen wurde. Im Entlassungsbericht vom 27.06.2003 wurde die Einschätzung vertreten, die Klägerin könne als Zimmermädchen bzw Küchenhilfe nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichteten. Die daraufhin am 13.10.2003 beantragte Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.01.2004, Widerspruchsbescheid vom 04.05.2004).
Am 20.02.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie leide an Brustkrebs, psychischen Störungen, Schlafstörungen, Nervenschmerzen, an einem Erschöpfungszustand, an Bluthochdruck und an Rückenproblemen. Sie könne max. zwei Stunden am Tag arbeiten. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Internisten Dr. M. vom 28.03.2008 ein. Dieser gelangte für die Klägerin zu folgenden Diagnosen: Zumindest leichtgradige Anpassungsstörung, ganz diskretes Lymphoedem des linken Armes, Brustkrebs links nach Brust erhaltende Operation (Chemotherapie und Bestrahlung 2003 ohne Hinweis für Rezidiv oder Metastasen), medikamentös gut eingestellter Bluthochdruck und Übergewicht. Die Bestimmung des Serumspiegels habe ergeben, dass die Klägerin ihre Medikamente nicht regelmäßig einnehme, was darauf hindeute, dass sie nicht sehr unter den angegebenen Symptomen leide. Die Klägerin könne als Zimmermädchen nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie jedoch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich verrichteten. Mit Bescheid vom 11.04.2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen sei sie noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.04.2008 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten lehnte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2009 ohne weitere Ermittlungen ab. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen geprüft und sei zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.02.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie arbeite täglich zwei Stunden als Zimmermädchen. Damit sei ihre Leistungsfähigkeit ausgeschöpft. Sie leide unter Depressionen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit sowie unter ständigen Ängsten. Möglicherweise bestehe zwischenzeitlich ein chronisches Schmerzsyndrom. Seit ihrer Brustoperation mit anschließender Chemotherapie sei sie nicht mehr erwerbstätig. Sie arbeite nur noch geringfügig.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Arzt für Neurologie Dr. G. hat mitgeteilt (Auskunft vom 09.07.2009), die Klägerin leide an einer Angst- und depressiven Störung mittelgradiger Ausprägung. Er hat seiner Auskunft mehrere Arztberichte beigefügt. Arzt Schröder hat angegeben (Auskunft vom 15.07.2009), im Laufe der Behandlung habe sich eigentlich keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes ergeben. Die Klägerin klage immer wieder über depressive Symptome. Er glaube nicht, dass sie in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Sie sei sicherlich schon nach einer Stunde total erschöpft. Auch er hat seiner Auskunft Arztberichte beigefügt. Frauenärztin Dr. A. hat mitgeteilt (Auskunft vom 17.08.2009), im Laufe der Nachuntersuchungen seien keine wesentlichen Veränderungen des Gesundheitszustandes festgestellt worden. Die Klägerin klage ständig über Schmerzen in der linken Brust und des Armes, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit könne nicht behoben werden.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 25.10.2009 eingeholt. Die Klägerin leide an einer chronifizierten schweren depressiven Episode bei maligner Tumorerkrankung der linken Brust. Die Klägerin werde mit ihrer Krebserkrankung seelisch nicht fertig. Der Antrieb sei deutlich reduziert und sie sei auch rasch erschöpft. In der Untersuchungssituation habe festgestellt werden können, dass die Konzentrationsfähigkeit abgenommen habe, sodass die Leistungsfähigkeit drastisch eingeschränkt sei. Es sei mit einer dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf weniger als drei Stunden täglich zu rechnen. Sie benötige zudem zusätzliche Pausen. Insgesamt könne davon ausgegangen werden, dass sie nur noch in der Lage sei, unter drei Stunden an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten. Diese Einschätzung wird dadurch gestützt, dass die Klägerin nach ihrer derzeit praktizierten zweistündigen beruflichen Arbeit pro Tag zuhause kaum in der Lage sei, ihren Haushalt zu schaffen oder sonstige Aktivitäten in ihrer Freizeit zu entwickeln. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.11.2009 hat Dr. B. ausgeführt, über den Alltag der Klägerin sei wenig zu erfahren gewesen. Das inaktive Freizeitverhalten sei jedoch als kongruent mit der fehlenden Leistungsfähigkeit in beruflicher Hinsicht anzusehen. Derzeit sei die psychopharmakologische Behandlung von untergeordneter Bedeutung. Auch sei nicht sicher, welcher Serumspiegel therapeutisch tatsächlich wirksam sei.
Nachdem die Beklagte durch Obermedizinalrat Fischer (Stellungnahme vom 16.12.2009) zu dem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme des Dr. B. Stellung genommen hatte, hat das SG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. vom 02.07.2010 eingeholt. Dieser hat zum Tagesablauf der Klägerin festgehalten, sie stehe um 6:30 Uhr auf und fahre um 7:30 Uhr mit dem Bus nach B. D. Die Fahrt dauere 15 Minuten. Wenn Sie mit der Arbeitszeit nach zwei bis zu zweieinhalb Stunden fertig sei, gehe sie ins Gasthaus R. und rede mit Kollegen. Sie bekomme dort auch zu essen. Dann laufe sie oft etwas spazieren. Sie habe keine feste Zeit, wann sie heimfahre. Sie treffe sich dann mit anderen und schaue sich auch mal einen Laden an. Der Haushalt zuhause mache für zwei Personen nicht viel Arbeit. Am Wochenende schaue sie fern oder gehe spazieren. Im Januar sei sie zuletzt mit dem Bus in Serbien gewesen. Die Busfahrt dauere 28 Stunden. Im Sommer sei wieder ein Urlaub in Serbien geplant. Sie sei jedes Jahr zweimal im Sommer und im Winter in Serbien. Die Klägerin leide Dysthymia und an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert. Durch zumutbare Behandlungsmaßnahmen könne die Störung und das subjektive Wohlbefinden in einem überschaubaren Zeitraum noch weiter deutlich gebessert werden. Zu vermeiden seien Akkord-Fließbandarbeiten, Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderer Verantwortung sowie Arbeit in Wechselschicht. Es solle sich auch um Tätigkeiten ohne Beanspruchung des linken Armes handeln. Unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sei die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Der Einschätzung des Dr. B. sei nicht zu folgen. Bereits bei den anamnestischen Angaben seien wesentliche Teilbereiche nicht erhoben worden. Bei dem mitgeteilten psychischen Befund seien einfach die anamnestischen Angaben wiederholt worden. Darüber hinaus stünde die Beurteilung des Dr. B. in völligem Gegensatz zu der Beurteilung des Nervenarztes Dr. G., der zu keinem Zeitpunkt eine schwere Depression beschrieben habe, sondern durchaus Besserungen und auch länger anhaltende Stabilisierungen. Darüber hinaus enthalte das Gutachten spekulative Elemente. So sei der Gutachter von einem Trauma ausgegangen, ohne zu überprüfen, ob die Klägerin ein Vorkommnis in ihrem Leben überhaupt als Traumatisierung erlebt habe. Neben einer ausgesprochen kurz gehaltenen Beurteilung lasse das Gutachten jede ernstzunehmende sozialmedizinische Feststellung und Diskussion vollständig vermissen.
Mit Urteil vom 16.11.2011, das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.11.2011 zugestellt worden ist, hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin stünden die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet. Diese führten jedoch nur zu quantitativen, nicht jedoch zu qualitativen Einschränkungen. Dies ergebe sich aus den Gutachten des Dr. St. und des Dr. M ... Dr. St. habe überzeugend dargelegt, dass die Klägerin nunmehr nur noch an einer Dysthymia und an einer rezidivierenden depressiven Störung leide. Dabei spreche insbesondere die gesamte Lebens- und Alltagsgestaltung der Klägerin gegen eine relevante depressive Störung. Weitere psychische Störungen von Krankheitswert lägen nicht vor. Die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Dr. B. überzeugten hingegen nicht. Dr. St. habe ausführlich dargelegt, weshalb das Gutachten des Dr. B. die Anforderungen an ein nervenärztliches Sachverständigengutachten teilweise nicht erfülle. Dieser Kritik werde voll umfänglich gefolgt.
Hiergegen richtet sich die am 21.12.2011 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Die Klägerin hat jedoch weder einen Antrag gestellt noch die Berufung – trotz Erinnerung – begründet.
Der Senat hat mit Schreiben vom 15.05.2012 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG (SGG) als unbegründet zurückzuweisen, da die Entscheidung des SG zutreffend ist. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Beklagte hat sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Die Klägerin hat nicht reagiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2009 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder ab dem 20.02.2008 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (auch nicht bei Berufsunfähigkeit), da sie noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargestellt und hat zudem zutreffend entschieden, dass nach diesen Maßstäben unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder eine volle noch eine teilweise (auch nicht bei Berufsunfähigkeit) Erwerbsminderung vorliegt, weil die Klägerin noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie verweisbar ist, und unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch der Senat folgt der schlüssigen und überzeugenden Leistungseinschätzung des Dr. St ... Die gegenteilige Einschätzung des Dr. B. überzeugt hingegen nicht. Dies hat das SG unter Bezugnahme auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. St. zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich - nachdem die Berufung nicht begründet wurde - den Entscheidungsgründen des SG vollumfänglich an und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Die am 1953 in Serbien geborene Klägerin erlernte nach ihren eigenen Angaben keinen Beruf und siedelte im Jahr 1974 in die Bundesrepublik Deutschland über. Seit 1978 arbeitete sie als Küchenhilfe und Zimmermädchen zunächst vollschichtig und ab dem Jahr 2004 zwei Stunden pro Tag in einem Hotel in B. D. Diese Tätigkeit übt sie auch weiterhin auf 400 EUR Basis zwei bis drei Stunden täglich an vier Tagen in der Woche aus. In der Zeit vom 20.02.2003 bis 19.02.2008 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 S 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet; insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit dem 02.12.2002 festgestellt (Schwerbehindertenausweis vom 18.01.2003).
Im Oktober 2002 wurde bei der Klägerin ein Mamakarzinom links diagnostiziert. Es erfolgte eine brusterhaltende Operation mit anschließender Chemotherapie und Bestrahlung der linken Brust. Sie nahm deshalb vom 28.05. bis 25.06.2003 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teil, wobei sie als arbeitsunfähig entlassen wurde. Im Entlassungsbericht vom 27.06.2003 wurde die Einschätzung vertreten, die Klägerin könne als Zimmermädchen bzw Küchenhilfe nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichteten. Die daraufhin am 13.10.2003 beantragte Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.01.2004, Widerspruchsbescheid vom 04.05.2004).
Am 20.02.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab sie an, sie leide an Brustkrebs, psychischen Störungen, Schlafstörungen, Nervenschmerzen, an einem Erschöpfungszustand, an Bluthochdruck und an Rückenproblemen. Sie könne max. zwei Stunden am Tag arbeiten. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Internisten Dr. M. vom 28.03.2008 ein. Dieser gelangte für die Klägerin zu folgenden Diagnosen: Zumindest leichtgradige Anpassungsstörung, ganz diskretes Lymphoedem des linken Armes, Brustkrebs links nach Brust erhaltende Operation (Chemotherapie und Bestrahlung 2003 ohne Hinweis für Rezidiv oder Metastasen), medikamentös gut eingestellter Bluthochdruck und Übergewicht. Die Bestimmung des Serumspiegels habe ergeben, dass die Klägerin ihre Medikamente nicht regelmäßig einnehme, was darauf hindeute, dass sie nicht sehr unter den angegebenen Symptomen leide. Die Klägerin könne als Zimmermädchen nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie jedoch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich verrichteten. Mit Bescheid vom 11.04.2008 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen sei sie noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.04.2008 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten lehnte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2009 ohne weitere Ermittlungen ab. Der sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen geprüft und sei zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.02.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie arbeite täglich zwei Stunden als Zimmermädchen. Damit sei ihre Leistungsfähigkeit ausgeschöpft. Sie leide unter Depressionen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit sowie unter ständigen Ängsten. Möglicherweise bestehe zwischenzeitlich ein chronisches Schmerzsyndrom. Seit ihrer Brustoperation mit anschließender Chemotherapie sei sie nicht mehr erwerbstätig. Sie arbeite nur noch geringfügig.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Arzt für Neurologie Dr. G. hat mitgeteilt (Auskunft vom 09.07.2009), die Klägerin leide an einer Angst- und depressiven Störung mittelgradiger Ausprägung. Er hat seiner Auskunft mehrere Arztberichte beigefügt. Arzt Schröder hat angegeben (Auskunft vom 15.07.2009), im Laufe der Behandlung habe sich eigentlich keine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes ergeben. Die Klägerin klage immer wieder über depressive Symptome. Er glaube nicht, dass sie in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Sie sei sicherlich schon nach einer Stunde total erschöpft. Auch er hat seiner Auskunft Arztberichte beigefügt. Frauenärztin Dr. A. hat mitgeteilt (Auskunft vom 17.08.2009), im Laufe der Nachuntersuchungen seien keine wesentlichen Veränderungen des Gesundheitszustandes festgestellt worden. Die Klägerin klage ständig über Schmerzen in der linken Brust und des Armes, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit könne nicht behoben werden.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. vom 25.10.2009 eingeholt. Die Klägerin leide an einer chronifizierten schweren depressiven Episode bei maligner Tumorerkrankung der linken Brust. Die Klägerin werde mit ihrer Krebserkrankung seelisch nicht fertig. Der Antrieb sei deutlich reduziert und sie sei auch rasch erschöpft. In der Untersuchungssituation habe festgestellt werden können, dass die Konzentrationsfähigkeit abgenommen habe, sodass die Leistungsfähigkeit drastisch eingeschränkt sei. Es sei mit einer dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf weniger als drei Stunden täglich zu rechnen. Sie benötige zudem zusätzliche Pausen. Insgesamt könne davon ausgegangen werden, dass sie nur noch in der Lage sei, unter drei Stunden an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten. Diese Einschätzung wird dadurch gestützt, dass die Klägerin nach ihrer derzeit praktizierten zweistündigen beruflichen Arbeit pro Tag zuhause kaum in der Lage sei, ihren Haushalt zu schaffen oder sonstige Aktivitäten in ihrer Freizeit zu entwickeln. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13.11.2009 hat Dr. B. ausgeführt, über den Alltag der Klägerin sei wenig zu erfahren gewesen. Das inaktive Freizeitverhalten sei jedoch als kongruent mit der fehlenden Leistungsfähigkeit in beruflicher Hinsicht anzusehen. Derzeit sei die psychopharmakologische Behandlung von untergeordneter Bedeutung. Auch sei nicht sicher, welcher Serumspiegel therapeutisch tatsächlich wirksam sei.
Nachdem die Beklagte durch Obermedizinalrat Fischer (Stellungnahme vom 16.12.2009) zu dem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme des Dr. B. Stellung genommen hatte, hat das SG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. vom 02.07.2010 eingeholt. Dieser hat zum Tagesablauf der Klägerin festgehalten, sie stehe um 6:30 Uhr auf und fahre um 7:30 Uhr mit dem Bus nach B. D. Die Fahrt dauere 15 Minuten. Wenn Sie mit der Arbeitszeit nach zwei bis zu zweieinhalb Stunden fertig sei, gehe sie ins Gasthaus R. und rede mit Kollegen. Sie bekomme dort auch zu essen. Dann laufe sie oft etwas spazieren. Sie habe keine feste Zeit, wann sie heimfahre. Sie treffe sich dann mit anderen und schaue sich auch mal einen Laden an. Der Haushalt zuhause mache für zwei Personen nicht viel Arbeit. Am Wochenende schaue sie fern oder gehe spazieren. Im Januar sei sie zuletzt mit dem Bus in Serbien gewesen. Die Busfahrt dauere 28 Stunden. Im Sommer sei wieder ein Urlaub in Serbien geplant. Sie sei jedes Jahr zweimal im Sommer und im Winter in Serbien. Die Klägerin leide Dysthymia und an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert. Durch zumutbare Behandlungsmaßnahmen könne die Störung und das subjektive Wohlbefinden in einem überschaubaren Zeitraum noch weiter deutlich gebessert werden. Zu vermeiden seien Akkord-Fließbandarbeiten, Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderer Verantwortung sowie Arbeit in Wechselschicht. Es solle sich auch um Tätigkeiten ohne Beanspruchung des linken Armes handeln. Unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen sei die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Der Einschätzung des Dr. B. sei nicht zu folgen. Bereits bei den anamnestischen Angaben seien wesentliche Teilbereiche nicht erhoben worden. Bei dem mitgeteilten psychischen Befund seien einfach die anamnestischen Angaben wiederholt worden. Darüber hinaus stünde die Beurteilung des Dr. B. in völligem Gegensatz zu der Beurteilung des Nervenarztes Dr. G., der zu keinem Zeitpunkt eine schwere Depression beschrieben habe, sondern durchaus Besserungen und auch länger anhaltende Stabilisierungen. Darüber hinaus enthalte das Gutachten spekulative Elemente. So sei der Gutachter von einem Trauma ausgegangen, ohne zu überprüfen, ob die Klägerin ein Vorkommnis in ihrem Leben überhaupt als Traumatisierung erlebt habe. Neben einer ausgesprochen kurz gehaltenen Beurteilung lasse das Gutachten jede ernstzunehmende sozialmedizinische Feststellung und Diskussion vollständig vermissen.
Mit Urteil vom 16.11.2011, das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.11.2011 zugestellt worden ist, hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin stünden die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet. Diese führten jedoch nur zu quantitativen, nicht jedoch zu qualitativen Einschränkungen. Dies ergebe sich aus den Gutachten des Dr. St. und des Dr. M ... Dr. St. habe überzeugend dargelegt, dass die Klägerin nunmehr nur noch an einer Dysthymia und an einer rezidivierenden depressiven Störung leide. Dabei spreche insbesondere die gesamte Lebens- und Alltagsgestaltung der Klägerin gegen eine relevante depressive Störung. Weitere psychische Störungen von Krankheitswert lägen nicht vor. Die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Dr. B. überzeugten hingegen nicht. Dr. St. habe ausführlich dargelegt, weshalb das Gutachten des Dr. B. die Anforderungen an ein nervenärztliches Sachverständigengutachten teilweise nicht erfülle. Dieser Kritik werde voll umfänglich gefolgt.
Hiergegen richtet sich die am 21.12.2011 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Die Klägerin hat jedoch weder einen Antrag gestellt noch die Berufung – trotz Erinnerung – begründet.
Der Senat hat mit Schreiben vom 15.05.2012 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG (SGG) als unbegründet zurückzuweisen, da die Entscheidung des SG zutreffend ist. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Beklagte hat sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt. Die Klägerin hat nicht reagiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2009 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder ab dem 20.02.2008 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (auch nicht bei Berufsunfähigkeit), da sie noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargestellt und hat zudem zutreffend entschieden, dass nach diesen Maßstäben unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder eine volle noch eine teilweise (auch nicht bei Berufsunfähigkeit) Erwerbsminderung vorliegt, weil die Klägerin noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den sie verweisbar ist, und unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch der Senat folgt der schlüssigen und überzeugenden Leistungseinschätzung des Dr. St ... Die gegenteilige Einschätzung des Dr. B. überzeugt hingegen nicht. Dies hat das SG unter Bezugnahme auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. St. zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich - nachdem die Berufung nicht begründet wurde - den Entscheidungsgründen des SG vollumfänglich an und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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