Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 24 KN 138/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 82/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 8/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 22.02.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist (Regelalters-)Rente.
Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsbürger. Er war vom 7.4.1964 bis zum 29.4.1965, vom 29.10.1965 bis zum 27.4.1967 und vom 14.6.1967 bis 30.8.1968 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt und hat in dieser Zeit Beiträge zur knappschaftlichen und zur allgemeinen Rentenversicherung entrichtet. Er kehrte 1969 nach Marokko zurück und bezieht seit Juli 2005 eine marokkanische Rente.
Auf der von der Beklagten 1964 für den Kläger angelegten "Stammkarte für Ausländer" wurde das der Rentenversicherung gemeldete versicherungspflichtige Entgelt für die Zeiträume vom 7.4.1964 bis 29.4.1965 und vom 29.10.1965 bis 27.4.1967 vermerkt. Auf dieser Karte wurde am 19.4.1972 ein Stempel mit der Überschrift "Beitragserstattung" aufgebracht und handschriftlich ergänzt. Danach wurden dem Kläger "lt. Mitteilung vom 6.1.1972" für die Zeit vom 7.4.1964 bis 27.4.1967 (knappschaftliche Rentenversicherung) DM 1.665,13 und für die Zeit vom 14.6.1967 bis 30.8.1968 (Rentenversicherung der Arbeiter) DM 328,57 erstattet.
Im Februar 2007 erbat der Kläger eine Rentenauskunft und legte dazu eine Kopie seines Bergmannsbuchs vor. Dort befand sich unter den auf den Seiten 2 und 3 bescheinigten Beschäftigungszeiten ein Stempelaufdruck der (damaligen) Landesversicherungsanstalt(LVA) Westfalen - mit handschriftlicher Ergänzung - wie folgt:
"Beiträge wurden gemäß § 1303 - § 1304 RVO erstattet. Erst.Z.: 424/3 - 271045 Qerr (unleserlich)11.71 (Handzeichen)" LVA 11"
Die Beklagte ging von einem Rentenantrag aus und lehnte diesen ab (Bescheid vom 1.3.2007). Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, für die Zeit vom 19.4.1972 an und vom 7.4.1964 bis 30.8.1964 keine Erstattung erhalten zu haben. Er habe Deutschland 1969 aus gesundheitlichen Gründen verlassen und nun ein Recht auf eine Rente. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Der Kläger erfülle nicht die Wartezeit für eine Rente; die in der Zeit vom 7.4.1964 bis 30.8.1968 entrichteten Beiträge seien ihm auf Antrag vom 6.1.1972 mit Bescheid vom 19.4.1972 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 19.4.1972 lägen nicht vor (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007, zugestellt am 16.8.2007).
Seine beim Sozialgericht (SG) Dortmund am 19.10.2007 erhobene Klage hat das SG abgewiesen: Es bestünden keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Kläger die Beiträge, die für seine in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Zeiten gezahlt worden sind, erstattet worden sind. Dies ergebe sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel und den Eintragungen auf der Stammkarte und im Bergmannsbuch. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Beiträge von der Beklagten mit Bescheid vom 19.4.1972 erstattet worden sind (Gerichtsbescheid vom 22.2.2010, zugestellt am 4.3.2010).
Mit seiner Berufung vom 23.3.2010 wendet der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung des SG ein, er habe keine Erstattung seiner an die Deutsche Rentenversicherung in Augsburg geleisteten Beiträge erhalten. Der Betrag von 1.993,70 DM habe ihm auch nicht überwiesen werden können, da er 1972 schon in Marokko gelebt und dort kein Konto unterhalten habe. Er weist darauf hin, dass er eine Familie zu unterhalten habe und alt und krank sei. Er habe 9.545 Tage in der marokkanischen Sozialversicherung zurückgelegt. Bei der Gewährung seiner marokkanischen Rente seien deutsche Versicherungszeiten nicht berücksichtigt worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Auf die ihm am 27.2.2012 zugestellte Ladung hat der Kläger (sinngemäß) mitgeteilt, er könne persönlich nicht kommen, vertraue aber darauf, dass das Gericht in seinem Sinne entscheiden werde.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie könne nicht erklären, weshalb die LVA den Stempel zur Beitragserstattung im Bergmannsbuch bereits 1971 angebracht habe und auf der Stammkarte der Beklagten im April 1972 eine vollständige Beitragserstattung vermerkt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, kann der Senat aufgrund (einseitiger) mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG. Das Schreiben des Klägers vom 14.4.2012 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich erklärt hat, er werde zum Termin nicht erscheinen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 1.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (Regelalters-)Rente.
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger bereits 2007 mit seinem - jedenfalls im Widerspruchsverfahren deutlich gewordenen - Begehren eine (Alters-)Rente aus der deutschen Rentenversicherung begehrt und deshalb ausschließlich Regelaltersrente im Streit ist, weil sonstige Altersrenten für den in Marokko lebenden Kläger ersichtlich nicht in Betracht kommen.
Nach § 235 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhalten Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1.1.1947 geboren sind, Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar zwischenzeitlich (nämlich 2010) das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, dass der Kläger bereits in Deutschland keine fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten (sondern nur 47 Monate) hatte, weil nach Art. 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kläger überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit Unterbrechungen) von April 1964 bis August 1968 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1971 oder 1972 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) (gleichlautend: § 95 Abs 7 Reichsknappschaftsgesetz (RKG)) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Denn durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az. 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr. 2).
Nach Lage der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam (mindestens einmal) erstattet worden sind.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.09.2011, Az L 18 (2) KN 223/07 und vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Eintragungen in dem vom Kläger (in Kopie) vorgelegten Bergmannsbuch, den Vermerken auf der Stammkarte für Ausländer sowie dem Kontospiegel der Beklagten vom 4.6.2009 mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN). Denn hier ist von einem wirksamen Antrag und einem dadurch in Gang gebrachten Erstattungsverfahren auszugehen. Zwar sind die entsprechenden Unterlagen (Antrag und Erstattungsbescheid) nicht mehr in den Akten. Dass auf einen Erstattungsantrag des Klägers durch Verwaltungsakt entschieden worden ist, entnimmt der Senat jedoch den Eintragungen im Bergmannsbuch und auf der Stammkarte. Der 1969 nach Marokko zurückgekehrte Kläger hat das Bergmannsbuch mit dem Stempel über die Beitragserstattung aus dem Jahr 1971 selbst vorgelegt. Aus der Formulierung "Beiträge wurden gem. § 1303 [ ] RVO erstattet" (Präteritum) und den handschriftlichen und mit einem Datum und einem Handzeichen versehenen Eintragungen gibt sich für den Senat eindeutig, dass der Kläger das Bergmannsbuch bei der LVA (als zuletzt zuständigem Leistungsträger) eingereicht und diese die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge im November 1971 bescheinigt und das dazu Erforderliche veranlasst hat. Da handschriftlich das Geburtsdatum des Klägers und eine Abkürzung seines Namens ("Qerr") eingetragen sind, ist eine Verwechslung auszuschließen. Nach den Eintragungen auf der Stammkarte ist der Vorgang sodann am 6.1.1972 von der LVA an die Beklagte weitergegeben worden, die die Mitteilung als Antrag gewertet und dann die (Gesamt-)Beitragserstattung am 19.4.1972 veranlasst hat. Aus dem Umstand, dass die vorliegenden Dokumenten Eintragungen zur Beitragserstattung von zwei verschiedenen Rentenversicherungsträgern enthalten, steht für den Senat fest, dass der Kläger einen Erstattungsantrag gestellt und dieser durch die die LVA oder - wegen Weiterleitung an die Beklagte - durch die Beklagte auch beschieden worden ist. Soweit der Kläger behauptet, er haben keinen Erstattungsantrag gestellt, sieht der Senat dies als widerlegt an. Dass die LVA das Bergmannsbuch zu einem Zeitpunkt, als der Kläger längst schon wieder in Marokko lebte, erhalten und den besagten Stempel aufgebracht hat, lässt sich nur dadurch erklären, dass der Kläger von Marokko aus die Erstattung durch einen entsprechenden Antrag in die Wege geleitet hatte. Das Bergmannsbuch ist danach offenbar wieder an ihn zurückgelangt. Dabei kann dahinstehen, ob die Rückgabe zusammen mit der Bekanntgabe des Erstattungsbescheids (oder bereits früher) erfolgt ist. Die Tatsache, dass das Bergmannsbuch mit diesem Stempel wieder an den Kläger zurückgelangt ist und deshalb von ihm bei der Beklagten (in Ablichtung) vorgelegt werden konnte, lässt für den Senat nur den Schluss zu, dass der Kläger selbst die Erstattung beantragt hat. Dafür spricht schließlich auch der Zeitpunkt der Antragstellung im November 1971, also etwa 2 Jahre nach der Rückkehr nach Marokko. Eine Beitragserstattung war nämlich damals frühestens nach Ablauf der in § 95 Abs 1 Satz 2 RKG geregelten zweijährigen Wartefrist möglich (gleichlautend: § 1303 Abs 1 Satz 3 RVO; heute: § 210 Abs 2 SGB VI).
Der Senat ist schließlich auch überzeugt, dass dem Kläger ein Erstattungsbescheid zugegangen ist und die Beklagte die darin begründete Erstattungsschuld auch erfüllt hat. Die Tatsache, dass der Kläger wieder in den Besitz des Bergmannsbuches gelangte, lässt den Schluss zu, dass dem Kläger (als Adressat) auch ein Erstattungsbescheid zugegangen ist. Zwar ergibt sich aus den Akten nur, dass die Beklagte die Beitragserstattung nach Erhalt der Mitteilung vom 6.1.1972 durch den Erlass des Bescheids vom 19.4.1972 in die Wege geleitet und einen Erstattungsbetrag von insgesamt 1.993,70 DM ermittelt hat. Urkunden, die den Zugang bzw. den Erhalt des Bescheids und des Geldbetrags unmittelbar belegen (wie Zustellungszeugnis, Empfangsquittung), befinden sich nicht bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der Erstattungsbescheid zugegangen und der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist, die Beklagte also die Leistung auch bewirkt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 9. Auflage 2008. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer. AaO. Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch eigenen Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein (Erstattungs-)Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (LSG NRW, Urteil vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06).
Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist hier auch unter Berücksichtigung des (abweichenden) Klägervorbringens auszugehen.
Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren dokumentiert und besteht kein besonderer Anlass zu Zweifeln, dass der verfolgte Zweck erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung beendetes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der eine Erstattung beantragt, aber keinen entsprechenden Bescheid erhält oder derjenige, der einen Erstattungsbescheid aber keine entsprechende Zahlung erhält, zeitnah nachfragt, um drohende Nachteile (hier das dauerhafte Ausbleiben einer erwarteten höheren Geldzahlung) zu verhindern. Der Kläger hat aber offenbar zu keinem Zeitpunkt nachgefragt, weshalb sein Antrag von 1971 noch nicht beschieden worden sei bzw. warum er noch keine Erstattung erhalten habe. Auch hat er nach Rückgabe des Bergmannsbuchs dem Vermerk "Beiträge wurden gemäß § 1303 - § 1304 RVO erstattet" nicht widersprochen oder wenigstens nachgefragt, was es damit auf sich habe. Ob vor diesem Hintergrund nach langer Zeit (hier: nach etwa 40 Jahren) einfaches Bestreiten genügte, um die Tatsachenvermutung zu erschüttern, kann dahin stehen. Seine Behauptungen, weder Bescheid noch Erstattungszahlung erhalten zu haben, sind schon deshalb nicht glaubhaft, weil der Kläger (auch) bestritten hat, einen Erstattungsantrag gestellt zu haben und dies - wie oben ausgeführt - durch seine Vorlage einer Ablichtung aus dem Bergmannsbuch widerlegt ist. Auch die Einlassung, er habe nach seiner Rückkehr nach Marokko 1969 dort kein Konto unterhalten und daher den Betrag von 1.993,70 DM auch gar nicht erhalten können, ist nicht überzeugungshindernd. Denn dem Senat ist aus einer Vielzahl ähnlicher Verfahren bekannt, dass für die Auszahlung des Erstattungsbetrags ein Bankkonto nicht erforderlich war. Die Beträge wurden vielmehr nach Umrechnung in die Landeswährung (DH = marokkanische Dirham) vielfach von der "Banque Marocaine Du Commerce Exterieur" an die Berechtigten in bar ausgezahlt. Hinzu kommt, dass der Kläger mit der Beitragserstattung 1971/72 die (damals) einzige Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung seiner Beiträge wahrgenommen hat. Denn es gab im Zeitpunkt der Beitragserstattung (noch) keine Möglichkeit, Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in ihrem Heimatland lebende Marokkaner zu zahlen; damit war es für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Marokkaner sinnlos, die Beiträge auf seinem Versicherungskonto stehen zu lassen. Einer (späteren) Rentenzahlung stand die Regelung des § 105 Abs 1 Nr 1 RKG aF (gleichlautend § 1315 Abs 1 Nr 1 RVO aF) entgegen; danach ruhte die Rente eines Ausländers, der sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Bundesgebiets aufhielt. Deshalb konnte der Kläger zur damaligen Zeit die entrichteten Rentenversicherungbeiträge lediglich in Form der Beitragserstattung (§ 95 RKG, entsprechend § 1303 RVO) verwerten. Etwas anderes galt damals auch nicht kraft eines Sozialversicherungsabkommens, da das Deutsch-Marokkanische Sozialversicherungsabkommen vom 25.3.1981 erst 1986 in Kraft trat (BGBl II 1986; 550ff, 562, 772; vgl zu alledem BSG SozR 3 - 6610 Artikel 5 Nr 1). Dies alles spricht aus Sicht des Senats dafür, dass die jetzigen abweichenden Angaben des Klägers zweckgerichtet sind. Der Senat hält sie deshalb insgesamt für unglaubhaft und nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des angenommenen typischen Geschehensablaufs zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Sätze 1 und 3, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tatbestand:
Streitig ist (Regelalters-)Rente.
Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsbürger. Er war vom 7.4.1964 bis zum 29.4.1965, vom 29.10.1965 bis zum 27.4.1967 und vom 14.6.1967 bis 30.8.1968 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt und hat in dieser Zeit Beiträge zur knappschaftlichen und zur allgemeinen Rentenversicherung entrichtet. Er kehrte 1969 nach Marokko zurück und bezieht seit Juli 2005 eine marokkanische Rente.
Auf der von der Beklagten 1964 für den Kläger angelegten "Stammkarte für Ausländer" wurde das der Rentenversicherung gemeldete versicherungspflichtige Entgelt für die Zeiträume vom 7.4.1964 bis 29.4.1965 und vom 29.10.1965 bis 27.4.1967 vermerkt. Auf dieser Karte wurde am 19.4.1972 ein Stempel mit der Überschrift "Beitragserstattung" aufgebracht und handschriftlich ergänzt. Danach wurden dem Kläger "lt. Mitteilung vom 6.1.1972" für die Zeit vom 7.4.1964 bis 27.4.1967 (knappschaftliche Rentenversicherung) DM 1.665,13 und für die Zeit vom 14.6.1967 bis 30.8.1968 (Rentenversicherung der Arbeiter) DM 328,57 erstattet.
Im Februar 2007 erbat der Kläger eine Rentenauskunft und legte dazu eine Kopie seines Bergmannsbuchs vor. Dort befand sich unter den auf den Seiten 2 und 3 bescheinigten Beschäftigungszeiten ein Stempelaufdruck der (damaligen) Landesversicherungsanstalt(LVA) Westfalen - mit handschriftlicher Ergänzung - wie folgt:
"Beiträge wurden gemäß § 1303 - § 1304 RVO erstattet. Erst.Z.: 424/3 - 271045 Qerr (unleserlich)11.71 (Handzeichen)" LVA 11"
Die Beklagte ging von einem Rentenantrag aus und lehnte diesen ab (Bescheid vom 1.3.2007). Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, für die Zeit vom 19.4.1972 an und vom 7.4.1964 bis 30.8.1964 keine Erstattung erhalten zu haben. Er habe Deutschland 1969 aus gesundheitlichen Gründen verlassen und nun ein Recht auf eine Rente. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Der Kläger erfülle nicht die Wartezeit für eine Rente; die in der Zeit vom 7.4.1964 bis 30.8.1968 entrichteten Beiträge seien ihm auf Antrag vom 6.1.1972 mit Bescheid vom 19.4.1972 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 19.4.1972 lägen nicht vor (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007, zugestellt am 16.8.2007).
Seine beim Sozialgericht (SG) Dortmund am 19.10.2007 erhobene Klage hat das SG abgewiesen: Es bestünden keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Kläger die Beiträge, die für seine in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Zeiten gezahlt worden sind, erstattet worden sind. Dies ergebe sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel und den Eintragungen auf der Stammkarte und im Bergmannsbuch. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Beiträge von der Beklagten mit Bescheid vom 19.4.1972 erstattet worden sind (Gerichtsbescheid vom 22.2.2010, zugestellt am 4.3.2010).
Mit seiner Berufung vom 23.3.2010 wendet der Kläger gegen die ablehnende Entscheidung des SG ein, er habe keine Erstattung seiner an die Deutsche Rentenversicherung in Augsburg geleisteten Beiträge erhalten. Der Betrag von 1.993,70 DM habe ihm auch nicht überwiesen werden können, da er 1972 schon in Marokko gelebt und dort kein Konto unterhalten habe. Er weist darauf hin, dass er eine Familie zu unterhalten habe und alt und krank sei. Er habe 9.545 Tage in der marokkanischen Sozialversicherung zurückgelegt. Bei der Gewährung seiner marokkanischen Rente seien deutsche Versicherungszeiten nicht berücksichtigt worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Auf die ihm am 27.2.2012 zugestellte Ladung hat der Kläger (sinngemäß) mitgeteilt, er könne persönlich nicht kommen, vertraue aber darauf, dass das Gericht in seinem Sinne entscheiden werde.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie könne nicht erklären, weshalb die LVA den Stempel zur Beitragserstattung im Bergmannsbuch bereits 1971 angebracht habe und auf der Stammkarte der Beklagten im April 1972 eine vollständige Beitragserstattung vermerkt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Obwohl für den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, kann der Senat aufgrund (einseitiger) mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG. Das Schreiben des Klägers vom 14.4.2012 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen solchen Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich erklärt hat, er werde zum Termin nicht erscheinen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 1.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (Regelalters-)Rente.
Der Senat geht davon aus, dass der Kläger bereits 2007 mit seinem - jedenfalls im Widerspruchsverfahren deutlich gewordenen - Begehren eine (Alters-)Rente aus der deutschen Rentenversicherung begehrt und deshalb ausschließlich Regelaltersrente im Streit ist, weil sonstige Altersrenten für den in Marokko lebenden Kläger ersichtlich nicht in Betracht kommen.
Nach § 235 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhalten Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1.1.1947 geboren sind, Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar zwischenzeitlich (nämlich 2010) das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, dass der Kläger bereits in Deutschland keine fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten (sondern nur 47 Monate) hatte, weil nach Art. 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kläger überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit Unterbrechungen) von April 1964 bis August 1968 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1971 oder 1972 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) (gleichlautend: § 95 Abs 7 Reichsknappschaftsgesetz (RKG)) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Denn durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az. 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr. 2).
Nach Lage der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam (mindestens einmal) erstattet worden sind.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.09.2011, Az L 18 (2) KN 223/07 und vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Eintragungen in dem vom Kläger (in Kopie) vorgelegten Bergmannsbuch, den Vermerken auf der Stammkarte für Ausländer sowie dem Kontospiegel der Beklagten vom 4.6.2009 mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN). Denn hier ist von einem wirksamen Antrag und einem dadurch in Gang gebrachten Erstattungsverfahren auszugehen. Zwar sind die entsprechenden Unterlagen (Antrag und Erstattungsbescheid) nicht mehr in den Akten. Dass auf einen Erstattungsantrag des Klägers durch Verwaltungsakt entschieden worden ist, entnimmt der Senat jedoch den Eintragungen im Bergmannsbuch und auf der Stammkarte. Der 1969 nach Marokko zurückgekehrte Kläger hat das Bergmannsbuch mit dem Stempel über die Beitragserstattung aus dem Jahr 1971 selbst vorgelegt. Aus der Formulierung "Beiträge wurden gem. § 1303 [ ] RVO erstattet" (Präteritum) und den handschriftlichen und mit einem Datum und einem Handzeichen versehenen Eintragungen gibt sich für den Senat eindeutig, dass der Kläger das Bergmannsbuch bei der LVA (als zuletzt zuständigem Leistungsträger) eingereicht und diese die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge im November 1971 bescheinigt und das dazu Erforderliche veranlasst hat. Da handschriftlich das Geburtsdatum des Klägers und eine Abkürzung seines Namens ("Qerr") eingetragen sind, ist eine Verwechslung auszuschließen. Nach den Eintragungen auf der Stammkarte ist der Vorgang sodann am 6.1.1972 von der LVA an die Beklagte weitergegeben worden, die die Mitteilung als Antrag gewertet und dann die (Gesamt-)Beitragserstattung am 19.4.1972 veranlasst hat. Aus dem Umstand, dass die vorliegenden Dokumenten Eintragungen zur Beitragserstattung von zwei verschiedenen Rentenversicherungsträgern enthalten, steht für den Senat fest, dass der Kläger einen Erstattungsantrag gestellt und dieser durch die die LVA oder - wegen Weiterleitung an die Beklagte - durch die Beklagte auch beschieden worden ist. Soweit der Kläger behauptet, er haben keinen Erstattungsantrag gestellt, sieht der Senat dies als widerlegt an. Dass die LVA das Bergmannsbuch zu einem Zeitpunkt, als der Kläger längst schon wieder in Marokko lebte, erhalten und den besagten Stempel aufgebracht hat, lässt sich nur dadurch erklären, dass der Kläger von Marokko aus die Erstattung durch einen entsprechenden Antrag in die Wege geleitet hatte. Das Bergmannsbuch ist danach offenbar wieder an ihn zurückgelangt. Dabei kann dahinstehen, ob die Rückgabe zusammen mit der Bekanntgabe des Erstattungsbescheids (oder bereits früher) erfolgt ist. Die Tatsache, dass das Bergmannsbuch mit diesem Stempel wieder an den Kläger zurückgelangt ist und deshalb von ihm bei der Beklagten (in Ablichtung) vorgelegt werden konnte, lässt für den Senat nur den Schluss zu, dass der Kläger selbst die Erstattung beantragt hat. Dafür spricht schließlich auch der Zeitpunkt der Antragstellung im November 1971, also etwa 2 Jahre nach der Rückkehr nach Marokko. Eine Beitragserstattung war nämlich damals frühestens nach Ablauf der in § 95 Abs 1 Satz 2 RKG geregelten zweijährigen Wartefrist möglich (gleichlautend: § 1303 Abs 1 Satz 3 RVO; heute: § 210 Abs 2 SGB VI).
Der Senat ist schließlich auch überzeugt, dass dem Kläger ein Erstattungsbescheid zugegangen ist und die Beklagte die darin begründete Erstattungsschuld auch erfüllt hat. Die Tatsache, dass der Kläger wieder in den Besitz des Bergmannsbuches gelangte, lässt den Schluss zu, dass dem Kläger (als Adressat) auch ein Erstattungsbescheid zugegangen ist. Zwar ergibt sich aus den Akten nur, dass die Beklagte die Beitragserstattung nach Erhalt der Mitteilung vom 6.1.1972 durch den Erlass des Bescheids vom 19.4.1972 in die Wege geleitet und einen Erstattungsbetrag von insgesamt 1.993,70 DM ermittelt hat. Urkunden, die den Zugang bzw. den Erhalt des Bescheids und des Geldbetrags unmittelbar belegen (wie Zustellungszeugnis, Empfangsquittung), befinden sich nicht bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der Erstattungsbescheid zugegangen und der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist, die Beklagte also die Leistung auch bewirkt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 9. Auflage 2008. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer. AaO. Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch eigenen Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein (Erstattungs-)Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (LSG NRW, Urteil vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06).
Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist hier auch unter Berücksichtigung des (abweichenden) Klägervorbringens auszugehen.
Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren dokumentiert und besteht kein besonderer Anlass zu Zweifeln, dass der verfolgte Zweck erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung beendetes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der eine Erstattung beantragt, aber keinen entsprechenden Bescheid erhält oder derjenige, der einen Erstattungsbescheid aber keine entsprechende Zahlung erhält, zeitnah nachfragt, um drohende Nachteile (hier das dauerhafte Ausbleiben einer erwarteten höheren Geldzahlung) zu verhindern. Der Kläger hat aber offenbar zu keinem Zeitpunkt nachgefragt, weshalb sein Antrag von 1971 noch nicht beschieden worden sei bzw. warum er noch keine Erstattung erhalten habe. Auch hat er nach Rückgabe des Bergmannsbuchs dem Vermerk "Beiträge wurden gemäß § 1303 - § 1304 RVO erstattet" nicht widersprochen oder wenigstens nachgefragt, was es damit auf sich habe. Ob vor diesem Hintergrund nach langer Zeit (hier: nach etwa 40 Jahren) einfaches Bestreiten genügte, um die Tatsachenvermutung zu erschüttern, kann dahin stehen. Seine Behauptungen, weder Bescheid noch Erstattungszahlung erhalten zu haben, sind schon deshalb nicht glaubhaft, weil der Kläger (auch) bestritten hat, einen Erstattungsantrag gestellt zu haben und dies - wie oben ausgeführt - durch seine Vorlage einer Ablichtung aus dem Bergmannsbuch widerlegt ist. Auch die Einlassung, er habe nach seiner Rückkehr nach Marokko 1969 dort kein Konto unterhalten und daher den Betrag von 1.993,70 DM auch gar nicht erhalten können, ist nicht überzeugungshindernd. Denn dem Senat ist aus einer Vielzahl ähnlicher Verfahren bekannt, dass für die Auszahlung des Erstattungsbetrags ein Bankkonto nicht erforderlich war. Die Beträge wurden vielmehr nach Umrechnung in die Landeswährung (DH = marokkanische Dirham) vielfach von der "Banque Marocaine Du Commerce Exterieur" an die Berechtigten in bar ausgezahlt. Hinzu kommt, dass der Kläger mit der Beitragserstattung 1971/72 die (damals) einzige Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung seiner Beiträge wahrgenommen hat. Denn es gab im Zeitpunkt der Beitragserstattung (noch) keine Möglichkeit, Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in ihrem Heimatland lebende Marokkaner zu zahlen; damit war es für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Marokkaner sinnlos, die Beiträge auf seinem Versicherungskonto stehen zu lassen. Einer (späteren) Rentenzahlung stand die Regelung des § 105 Abs 1 Nr 1 RKG aF (gleichlautend § 1315 Abs 1 Nr 1 RVO aF) entgegen; danach ruhte die Rente eines Ausländers, der sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Bundesgebiets aufhielt. Deshalb konnte der Kläger zur damaligen Zeit die entrichteten Rentenversicherungbeiträge lediglich in Form der Beitragserstattung (§ 95 RKG, entsprechend § 1303 RVO) verwerten. Etwas anderes galt damals auch nicht kraft eines Sozialversicherungsabkommens, da das Deutsch-Marokkanische Sozialversicherungsabkommen vom 25.3.1981 erst 1986 in Kraft trat (BGBl II 1986; 550ff, 562, 772; vgl zu alledem BSG SozR 3 - 6610 Artikel 5 Nr 1). Dies alles spricht aus Sicht des Senats dafür, dass die jetzigen abweichenden Angaben des Klägers zweckgerichtet sind. Der Senat hält sie deshalb insgesamt für unglaubhaft und nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des angenommenen typischen Geschehensablaufs zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Sätze 1 und 3, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
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