Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 335/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 359/11
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) geworden ist.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger nahm zum 01.04.1958 eine Erwerbstätigkeit auf, in dem er eine Lehrstelle antrat. Im Anschluss daran machte er das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und absolvierte ein Ingenieurstudium. Von Januar 1979 bis zum 12.01.1985 war er im Rahmen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Mitglied der Beklagten. Nach der Insolvenz des Arbeitgebers machte der Kläger sich selbstständig und war vom 13.01.1985 bis 29.12.1988 privat krankenversichert. Zum 30.12.1988 wechselte der Kläger erneut zur Beklagten und nimmt seitdem Versicherungsschutz über diese in Anspruch, wobei er als Selbstständiger dem freiwillig versicherten Personenkreis angehörte.
Am 18.02.2009 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Gewährung von Altersrente, wobei zeitgleich die Durchführung der KVdR beantragt wurde.
Mit Schreiben vom 26.02.2009 wies die Beklagte darauf hin, dass die erforderlichen Vorversicherungszeiten innerhalb der für den Kläger geltenden Rahmenfrist nicht vorliegen, woraufhin der Kläger mitteilte, er habe gerade wegen der Möglichkeit der Mitgliedschaft in der KVdR die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillig Versicherter wieder begründet und weiter aufrechterhalten. Im Übrigen müsse auch berücksichtigt werden, dass er auf eine 48-jährige Mitgliedschaft zurückblicken könne. Es sei daher ungerechtfertigt, ihn von der KVdR auszuschließen.
Mit dem angefochtenem Bescheid vom 24.03.2009 stellte die Beklagte erneut fest, dass die Vorversicherungszeit für die KVdR nicht erfüllt ist. Die Rahmenfrist beginne am 01.04.1958 mit Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu laufen und ende am 18.02.2009. Die zweite Hälfte des Erwerbslebens beginne damit am 10.09.1983 zu laufen. In dieser Zeit sei der Kläger nur vom 10.09.1983 bis 12.01.1985 und vom 31.12.1988 bis 18.02.2009 gesetzlich versichert gewesen. Damit sei er mehr als 1/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens nicht Mitglied der Gesetzlichen Krankenversicherung gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er vertritt die Auffassung, das Gesetz komme in seinem Falle zu verfassungswidrigen Ergebnissen, weil er bereits im Alter von 14 Jahren in das Erwerbsleben eingetreten sei. Hätte sich die gesamte Laufbahn nach hinten verschoben, so sei die Vorversicherungszeit leichter zu erreichen gewesen. Im Übrigen sei er von 1985 bis Ende 1988 finanziell nicht in der Lage gewesen, eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten zu zahlen. Er habe außerdem Ende 1988 von einem Mitarbeiter der Beklagten die Empfehlung erhalten, zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung zu gehen, um später im Rentenalter in die Krankenversicherung der Rentner zu kommen. Insoweit habe er in der Folgezeit deutlich höhere Beiträge gezahlt, als er in der privaten Krankenversicherung hätte zahlen müssen. Insoweit ergebe sich entweder ein Anspruch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder aber jedenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz.
Nach einem aufklärenden Schreiben der Beklagten vom 12.05.2009 und weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten, in dem die Beklagte auch auf die historische Entwicklung der Krankenversicherung der Rentner hingewiesen hatte, wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2009 zurückgewiesen. Die Entscheidung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Auch das Bundessozialgericht habe in dem Urteil vom 26.06.1996 (12 RK 8/95, SozR 3-2500 § 5 Nr 29) keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Übergang von der Halbbelegung zur 9/10-Regelung geäußert.
Auf dieser rechtlichen Grundlage hatte die Beklagte bereits am 14.07.2009 einen Beitragsbescheid erteilt, wonach der Kläger Beiträge in Höhe von 142,84 Euro zur Krankenversicherung und 18,93 Euro zur Pflegeversicherung auf der Grundlage seiner monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 970,77 Euro zu zahlen habe.
Gegen den am 02.11.2009 versandten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 03.12.2009 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin begehrt, mit Wirkung vom 01.06.2009 als Pflichtmitglied der KVdR geführt zu werden. Es sei mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, dem Kläger die Krankenversicherung der Rentner zu verweigern. Die 9/10-Regelung in seinem Fall anzuwenden, führe zu schwerwiegenden Nachteilen, da er so früh in das Erwerbsleben eingetreten sei. Diejenigen, die später in die Pflichtversicherung eintreten, würden besser behandelt, da sie eine viel größere Chance hätten, 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens gesetzlich versichert zu sein als der Kläger. Im Übrigen sei ihm mündlich zugesagt worden, dass er im Rentenalter Mitglied der KVdR werden könne. In jedem Falle seien die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anwendbar und müssten zu einer Korrektur der Entscheidung der Beklagten führen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2009 zu verurteilen, den Kläger ab dem 01.06.2009 in die Krankenversicherung der Rentner aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30.10.2009.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2009 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist rechtmäßig. Eine Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner besteht nicht.
Versicherungspflichtig sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGBV) Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat zum 01.04.1958 seine Erwerbstätigkeit aufgenommen, so dass die gesamte Zeit der Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags am 18.02.2009 50 Jahre, 10 Monate und 18 Tage beträgt. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist hat die Beklagte zutreffend auf die Zeit vom 10.09.1983 bis 18.02.2009 festgelegt. In dieser Zeit hätte der Kläger 22 Jahre, 10 Monate und 27 Tage gesetzlich versichert gewesen sein müssen. An Vorversicherungszeiten kommen auf Grund der Durchführung der privaten Krankenversicherung vom 13.01.1985 bis 30.12.1988 lediglich 21 Jahre, 5 Monate und 22 Tage zusammen.
Soweit der Kläger meint, die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V könne für ihn keine Anwendung finden, da er sehr früh in das Erwerbsleben eingetreten sei, folgt ihm die Kammer nicht. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist am 01.01.1989 in Kraft getreten (Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988 – GRG, BGBl I 2477). Eine Ausnahmeregelung für langjährig Versicherte oder für diejenigen, die nach Aufnahme des Erwerbslebens im Rahmen des zweiten Bildungsweges Zusatzqualifikationen erhalten haben und in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgekommen sind, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, so dass die Argumentation des Klägers, die sozialpolitisch nachvollziehbar sein mag, nicht zum Tragen kommen kann.
Es ist zwar richtig, dass mit der Veränderung der Zugangsvoraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner eine erhebliche Beschränkung der KVdR-Berechtigung vorgenommen worden ist. Während bis zum 31.12.1988 eine Versicherungspflicht für diejenigen Rentner vorgesehen war, die von Beginn ihres Erwerbslebens bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens die Hälfte der Zeit in der GKV versichert waren (sog. Halbdeckung), konnte ab dem 01.01.1989 mit gesetzlichen Versicherungszeiten aus dem frühen Erwerbsleben nicht zwangsläufig eine Mitgliedschaft in der KVdR begründet werden. Der Gesetzgeber erkannte die für bestimmte Personengruppen hiermit verbundenen Nachteile und schaffte eine Übergangsregelung, wonach Personen, die bis zum 31.12.1993 eine Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung beantragen und die Voraussetzungen für den Bezug der Rente, nicht jedoch die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erfüllen, versichert werden, wenn sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 01.01.1950 bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied einer Krankenkasse waren (Artikel 56 GRG). Da der Kläger jedoch den Rentenantrag erst mehr als 10 Jahre nach Ablauf der Übergangsfrist gestellt hat, kann die Regelung für ihn nicht zur Anwendung kommen.
Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Veränderung der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR bestehen nach Auffassung der Kammer nicht. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass in seinem Fall der Regelung unechte Rückwirkung zukommt, da die Versicherungslücke in der Vorversicherungszeit bereits am 01.01.1989 bei einem voraussichtlichem Beginn der Regelaltersrente zum 01.06.2009 bestand, dennoch ist eine solche Rückwirkung verfassungsrechtlich zulässig, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 97, 378). Die mit Einführung der veränderten Zugangsvoraussetzungen zur KVdR verfolgten öffentlichen Belange überwiegen das Interesse des Einzelnen am Fortbestand des bisherigen Rechts, also der Halbbelegung. Die Beschränkung diente der Stabilisierung des Systems der GKV und soll jedenfalls nicht denjenigen die günstige KVdR ermöglichen, die vor der Rentenantragstellung im Wesentlichen Versicherungsschutz bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nachgesucht haben. Dem Interesse des Einzelnen ist durch die Übergangsregelung, beispielsweise im Falle des Auftretens einer Erkrankung oder für die ohnehin schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung älteren Versicherten, ausreichend Rechnung getragen werden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer für den einzelnen Versicherten günstigen Rechtslage jedenfalls gerichtet auf die Zukunft nicht schutzwürdig ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach dargelegt (vgl. zuletzt Beschluss vom 07.04.2008, 1 BVR 1924/07, SozR 4-2500 § 229 Nr 5).
Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 09.08.2007 im Zusammenhang mit den Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner auf Folgendes hingewiesen (L 5 KR 58/07, recherchiert bei www.juris.de):
"Der Gesetzgeber muss im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus Gründen des Allgemeinwohls Neuregelungen treffen können, die sich geänderten Erfordernissen anpassen (vgl. auch BVerfGE 69, 272 [311 ff.]). Solche Erfordernisse von einigem Gewicht lagen bei Erlass des GRG vor. Die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere der Krankenversicherung der Rentner, stellte sich besorgniserregend dar; die Aufwendungen für die KVdR waren gegenüber den Ausgaben für die übrigen Versicherten erheblich angestiegen (vergl. insoweit die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.04.1988, Bundestagsdrucksache 200/88, Seite 141). Dem Anliegen des Gesetzgebers, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Veränderung der Zugangsvoraussetzungen zu gewährleisten, gebührt insofern der Vorrang. Der Gesetzgeber muss die Möglichkeit haben, auf gestiegene Kosten im Gesundheitswesen mit einer Änderung der zugangsrechtlichen Vorschriften zur Verminderung der Ausgaben der Krankenkassen zu reagieren, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistungen und Beitragsaufkommen zu erreichen. Die Auffassung des Klägers würde dazu führen, dass eine zeitnahe Reaktion des Gesetzgebers ausgeschlossen wäre. Wäre die Auffassung des Klägers richtig, so könnten die Zugangsvoraussetzungen zur KVdR durch den Gesetzgeber wirksam erst dann geändert werden, wenn Versicherte die Möglichkeit hätten, ihr Erwerbsleben auf die zum 01.01.1989 erfolgte Änderung einzurichten. Dies würde bedeuten, dass die Neuregelung nur auf diejenigen angewandt werden könnte, die am 01.01.1989 noch mindestens 9/10 der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens zurückzulegen hatten. Hieraus folgt, dass die gesetzliche Neuregelung erst Jahrzehnte später ihre stabilisierende Wirkung auf die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung hätte entfalten können. Es liegt auf der Hand, dass dies den Gesetzgeber aller Möglichkeiten berauben würde, durch geeignete gesetzliche Maßnahmen den Bestand und die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten."
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer vollumfänglich an.
Ebenso wenig ist der Ansicht des Klägers zu folgen, der Beginn des Erwerbslebens müsse in seinem Fall auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden, da er bereits mit 14 Jahren eine Ausbildung begonnen hat und im Anschluss daran auf dem zweiten Bildungsweg Abitur und Studium absolviert hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG umfasst die Rahmenfrist des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V das gesamte Erwerbsleben. Es beginnt unabhängig davon, wie sich der weitere berufliche Werdegang darstellt, mit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne des früher geltenden § 165 Abs. 1 Nr. 3 a Reichsversicherungsordnung - RVO (BSG, Urteil vom 17.05.2001, B 12 KR 33/00 R recherchiert bei www. juris.de). Die Ausbildung, die der Kläger absolviert hat, erfüllt eindeutig die Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit, so dass dieser Zeitpunkt für den Beginn der Rahmenfrist maßgeblich bleibt. Im Übrigen ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sogar dann gegeben, wenn diese nicht zur Versicherungspflicht führt, denn wer eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, ist in der Regel sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in der Lage, für seinen Krankenversicherungsschutz zu sorgen. Läge nur dann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vor, wenn diese auch Versicherungspflicht begründete, wären diejenigen begünstigt, die zunächst zwar erwerbstätig, aber nicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren (BSG aa0). Wie sich der weitere berufliche Lebensweg des Versicherten gestaltet, ist seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit unterworfen und kann den Beginn der Erwerbstätigkeit nicht mehr beeinflussen. Der Zeitpunkt der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit steht damit für die Berechnung der Rahmenfrist fest und führt in der Folge zu einer längeren Periode der erforderlichen Vorversicherungszeit im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Pflichtmitgliedschaft müsse im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hergestellt werden, ist dem ebenso wenig zu folgen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist ein durch die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit aus dem allgemeinen Folgenbeseitungsanspruch entwickeltes und auf die Zielsetzungen des Sozialleitungsrechts ausgerichtetes Rechtsinstitut. Er setzt rechtswidriges Verwaltungshandeln insbesondere durch Verletzung von Betreuungspflichten voraus, das den Berechtigten zu nachteiligen Dispositionen veranlasst hat, die durch eine grundsätzlich zulässige Amtshandlung ausgeglichen werden können. Dem Berechtigten ist die Rechtsposition einzuräumen, die mutmaßlich bestehen würde, wenn er von vornherein pflichtgemäß betreut worden wäre (vgl. BSGE 49, 46).
Das Ziel, das der Kläger erreichen möchte, nämlich die Durchführung der Pflichtversicherung für die Zeit ab dem 01.06.2009, lässt sich mit diesem Rechtsinstitut jedoch nicht verwirklichen. Die Erfüllung der Vorversicherungszeit kann nämlich nicht durch eine zulässige Amtshandlung der Beklagten, vorausgesetzt eine Pflichtverletzung läge vor, hergestellt werden. Die fehlenden Versicherungszeiten beruhen auf einer in diesem Zeitraum durchgeführten privaten Krankenversicherung. Erst Ende 1988 hat sich der Kläger entschieden, möglicherweise auf der Grundlage der Kenntnis der Bestrebungen des Gesetzgebers, die Zugangsvoraussetzungen für die KVdR zu ändern, wieder in die Gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Ein früherer Wechsel kann auch mit Hilfe des sozialgerichtlichen Herstellungsanspruchs nicht fingiert werden, zumal die Beklagte keine Verpflichtung trifft, auf beabsichtigte gesetzgeberische Entscheidungen hinzuweisen, wenn diese noch in weiter Ferne liegen. Dem Kläger hätte ein Wechsel zur Gesetzlichen Krankenversicherung nur dann weiter geholfen, wenn dieser bereits Mitte 1987 erfolgt wäre. Zu diesem Zeitpunkt lagen konkrete Bestrebungen über die Änderung der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR, über die die Beklagte hätte informieren müssen, noch nicht vor.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) geworden ist.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger nahm zum 01.04.1958 eine Erwerbstätigkeit auf, in dem er eine Lehrstelle antrat. Im Anschluss daran machte er das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und absolvierte ein Ingenieurstudium. Von Januar 1979 bis zum 12.01.1985 war er im Rahmen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Mitglied der Beklagten. Nach der Insolvenz des Arbeitgebers machte der Kläger sich selbstständig und war vom 13.01.1985 bis 29.12.1988 privat krankenversichert. Zum 30.12.1988 wechselte der Kläger erneut zur Beklagten und nimmt seitdem Versicherungsschutz über diese in Anspruch, wobei er als Selbstständiger dem freiwillig versicherten Personenkreis angehörte.
Am 18.02.2009 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Gewährung von Altersrente, wobei zeitgleich die Durchführung der KVdR beantragt wurde.
Mit Schreiben vom 26.02.2009 wies die Beklagte darauf hin, dass die erforderlichen Vorversicherungszeiten innerhalb der für den Kläger geltenden Rahmenfrist nicht vorliegen, woraufhin der Kläger mitteilte, er habe gerade wegen der Möglichkeit der Mitgliedschaft in der KVdR die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillig Versicherter wieder begründet und weiter aufrechterhalten. Im Übrigen müsse auch berücksichtigt werden, dass er auf eine 48-jährige Mitgliedschaft zurückblicken könne. Es sei daher ungerechtfertigt, ihn von der KVdR auszuschließen.
Mit dem angefochtenem Bescheid vom 24.03.2009 stellte die Beklagte erneut fest, dass die Vorversicherungszeit für die KVdR nicht erfüllt ist. Die Rahmenfrist beginne am 01.04.1958 mit Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu laufen und ende am 18.02.2009. Die zweite Hälfte des Erwerbslebens beginne damit am 10.09.1983 zu laufen. In dieser Zeit sei der Kläger nur vom 10.09.1983 bis 12.01.1985 und vom 31.12.1988 bis 18.02.2009 gesetzlich versichert gewesen. Damit sei er mehr als 1/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens nicht Mitglied der Gesetzlichen Krankenversicherung gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er vertritt die Auffassung, das Gesetz komme in seinem Falle zu verfassungswidrigen Ergebnissen, weil er bereits im Alter von 14 Jahren in das Erwerbsleben eingetreten sei. Hätte sich die gesamte Laufbahn nach hinten verschoben, so sei die Vorversicherungszeit leichter zu erreichen gewesen. Im Übrigen sei er von 1985 bis Ende 1988 finanziell nicht in der Lage gewesen, eine freiwillige Versicherung bei der Beklagten zu zahlen. Er habe außerdem Ende 1988 von einem Mitarbeiter der Beklagten die Empfehlung erhalten, zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung zu gehen, um später im Rentenalter in die Krankenversicherung der Rentner zu kommen. Insoweit habe er in der Folgezeit deutlich höhere Beiträge gezahlt, als er in der privaten Krankenversicherung hätte zahlen müssen. Insoweit ergebe sich entweder ein Anspruch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs oder aber jedenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz.
Nach einem aufklärenden Schreiben der Beklagten vom 12.05.2009 und weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten, in dem die Beklagte auch auf die historische Entwicklung der Krankenversicherung der Rentner hingewiesen hatte, wurde der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2009 zurückgewiesen. Die Entscheidung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Auch das Bundessozialgericht habe in dem Urteil vom 26.06.1996 (12 RK 8/95, SozR 3-2500 § 5 Nr 29) keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Übergang von der Halbbelegung zur 9/10-Regelung geäußert.
Auf dieser rechtlichen Grundlage hatte die Beklagte bereits am 14.07.2009 einen Beitragsbescheid erteilt, wonach der Kläger Beiträge in Höhe von 142,84 Euro zur Krankenversicherung und 18,93 Euro zur Pflegeversicherung auf der Grundlage seiner monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 970,77 Euro zu zahlen habe.
Gegen den am 02.11.2009 versandten Widerspruchsbescheid richtet sich die am 03.12.2009 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin begehrt, mit Wirkung vom 01.06.2009 als Pflichtmitglied der KVdR geführt zu werden. Es sei mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, dem Kläger die Krankenversicherung der Rentner zu verweigern. Die 9/10-Regelung in seinem Fall anzuwenden, führe zu schwerwiegenden Nachteilen, da er so früh in das Erwerbsleben eingetreten sei. Diejenigen, die später in die Pflichtversicherung eintreten, würden besser behandelt, da sie eine viel größere Chance hätten, 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens gesetzlich versichert zu sein als der Kläger. Im Übrigen sei ihm mündlich zugesagt worden, dass er im Rentenalter Mitglied der KVdR werden könne. In jedem Falle seien die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anwendbar und müssten zu einer Korrektur der Entscheidung der Beklagten führen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2009 zu verurteilen, den Kläger ab dem 01.06.2009 in die Krankenversicherung der Rentner aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30.10.2009.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 24.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2009 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist rechtmäßig. Eine Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner besteht nicht.
Versicherungspflichtig sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGBV) Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat zum 01.04.1958 seine Erwerbstätigkeit aufgenommen, so dass die gesamte Zeit der Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags am 18.02.2009 50 Jahre, 10 Monate und 18 Tage beträgt. Die zweite Hälfte der Rahmenfrist hat die Beklagte zutreffend auf die Zeit vom 10.09.1983 bis 18.02.2009 festgelegt. In dieser Zeit hätte der Kläger 22 Jahre, 10 Monate und 27 Tage gesetzlich versichert gewesen sein müssen. An Vorversicherungszeiten kommen auf Grund der Durchführung der privaten Krankenversicherung vom 13.01.1985 bis 30.12.1988 lediglich 21 Jahre, 5 Monate und 22 Tage zusammen.
Soweit der Kläger meint, die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V könne für ihn keine Anwendung finden, da er sehr früh in das Erwerbsleben eingetreten sei, folgt ihm die Kammer nicht. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist am 01.01.1989 in Kraft getreten (Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988 – GRG, BGBl I 2477). Eine Ausnahmeregelung für langjährig Versicherte oder für diejenigen, die nach Aufnahme des Erwerbslebens im Rahmen des zweiten Bildungsweges Zusatzqualifikationen erhalten haben und in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgekommen sind, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, so dass die Argumentation des Klägers, die sozialpolitisch nachvollziehbar sein mag, nicht zum Tragen kommen kann.
Es ist zwar richtig, dass mit der Veränderung der Zugangsvoraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner eine erhebliche Beschränkung der KVdR-Berechtigung vorgenommen worden ist. Während bis zum 31.12.1988 eine Versicherungspflicht für diejenigen Rentner vorgesehen war, die von Beginn ihres Erwerbslebens bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens die Hälfte der Zeit in der GKV versichert waren (sog. Halbdeckung), konnte ab dem 01.01.1989 mit gesetzlichen Versicherungszeiten aus dem frühen Erwerbsleben nicht zwangsläufig eine Mitgliedschaft in der KVdR begründet werden. Der Gesetzgeber erkannte die für bestimmte Personengruppen hiermit verbundenen Nachteile und schaffte eine Übergangsregelung, wonach Personen, die bis zum 31.12.1993 eine Rente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung beantragen und die Voraussetzungen für den Bezug der Rente, nicht jedoch die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erfüllen, versichert werden, wenn sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 01.01.1950 bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied einer Krankenkasse waren (Artikel 56 GRG). Da der Kläger jedoch den Rentenantrag erst mehr als 10 Jahre nach Ablauf der Übergangsfrist gestellt hat, kann die Regelung für ihn nicht zur Anwendung kommen.
Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Veränderung der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR bestehen nach Auffassung der Kammer nicht. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass in seinem Fall der Regelung unechte Rückwirkung zukommt, da die Versicherungslücke in der Vorversicherungszeit bereits am 01.01.1989 bei einem voraussichtlichem Beginn der Regelaltersrente zum 01.06.2009 bestand, dennoch ist eine solche Rückwirkung verfassungsrechtlich zulässig, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE 97, 378). Die mit Einführung der veränderten Zugangsvoraussetzungen zur KVdR verfolgten öffentlichen Belange überwiegen das Interesse des Einzelnen am Fortbestand des bisherigen Rechts, also der Halbbelegung. Die Beschränkung diente der Stabilisierung des Systems der GKV und soll jedenfalls nicht denjenigen die günstige KVdR ermöglichen, die vor der Rentenantragstellung im Wesentlichen Versicherungsschutz bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nachgesucht haben. Dem Interesse des Einzelnen ist durch die Übergangsregelung, beispielsweise im Falle des Auftretens einer Erkrankung oder für die ohnehin schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung älteren Versicherten, ausreichend Rechnung getragen werden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer für den einzelnen Versicherten günstigen Rechtslage jedenfalls gerichtet auf die Zukunft nicht schutzwürdig ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach dargelegt (vgl. zuletzt Beschluss vom 07.04.2008, 1 BVR 1924/07, SozR 4-2500 § 229 Nr 5).
Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner Entscheidung vom 09.08.2007 im Zusammenhang mit den Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner auf Folgendes hingewiesen (L 5 KR 58/07, recherchiert bei www.juris.de):
"Der Gesetzgeber muss im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus Gründen des Allgemeinwohls Neuregelungen treffen können, die sich geänderten Erfordernissen anpassen (vgl. auch BVerfGE 69, 272 [311 ff.]). Solche Erfordernisse von einigem Gewicht lagen bei Erlass des GRG vor. Die finanzielle Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere der Krankenversicherung der Rentner, stellte sich besorgniserregend dar; die Aufwendungen für die KVdR waren gegenüber den Ausgaben für die übrigen Versicherten erheblich angestiegen (vergl. insoweit die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 29.04.1988, Bundestagsdrucksache 200/88, Seite 141). Dem Anliegen des Gesetzgebers, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Veränderung der Zugangsvoraussetzungen zu gewährleisten, gebührt insofern der Vorrang. Der Gesetzgeber muss die Möglichkeit haben, auf gestiegene Kosten im Gesundheitswesen mit einer Änderung der zugangsrechtlichen Vorschriften zur Verminderung der Ausgaben der Krankenkassen zu reagieren, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistungen und Beitragsaufkommen zu erreichen. Die Auffassung des Klägers würde dazu führen, dass eine zeitnahe Reaktion des Gesetzgebers ausgeschlossen wäre. Wäre die Auffassung des Klägers richtig, so könnten die Zugangsvoraussetzungen zur KVdR durch den Gesetzgeber wirksam erst dann geändert werden, wenn Versicherte die Möglichkeit hätten, ihr Erwerbsleben auf die zum 01.01.1989 erfolgte Änderung einzurichten. Dies würde bedeuten, dass die Neuregelung nur auf diejenigen angewandt werden könnte, die am 01.01.1989 noch mindestens 9/10 der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens zurückzulegen hatten. Hieraus folgt, dass die gesetzliche Neuregelung erst Jahrzehnte später ihre stabilisierende Wirkung auf die finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung hätte entfalten können. Es liegt auf der Hand, dass dies den Gesetzgeber aller Möglichkeiten berauben würde, durch geeignete gesetzliche Maßnahmen den Bestand und die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten."
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer vollumfänglich an.
Ebenso wenig ist der Ansicht des Klägers zu folgen, der Beginn des Erwerbslebens müsse in seinem Fall auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden, da er bereits mit 14 Jahren eine Ausbildung begonnen hat und im Anschluss daran auf dem zweiten Bildungsweg Abitur und Studium absolviert hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG umfasst die Rahmenfrist des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V das gesamte Erwerbsleben. Es beginnt unabhängig davon, wie sich der weitere berufliche Werdegang darstellt, mit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne des früher geltenden § 165 Abs. 1 Nr. 3 a Reichsversicherungsordnung - RVO (BSG, Urteil vom 17.05.2001, B 12 KR 33/00 R recherchiert bei www. juris.de). Die Ausbildung, die der Kläger absolviert hat, erfüllt eindeutig die Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit, so dass dieser Zeitpunkt für den Beginn der Rahmenfrist maßgeblich bleibt. Im Übrigen ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sogar dann gegeben, wenn diese nicht zur Versicherungspflicht führt, denn wer eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, ist in der Regel sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich in der Lage, für seinen Krankenversicherungsschutz zu sorgen. Läge nur dann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vor, wenn diese auch Versicherungspflicht begründete, wären diejenigen begünstigt, die zunächst zwar erwerbstätig, aber nicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren (BSG aa0). Wie sich der weitere berufliche Lebensweg des Versicherten gestaltet, ist seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit unterworfen und kann den Beginn der Erwerbstätigkeit nicht mehr beeinflussen. Der Zeitpunkt der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit steht damit für die Berechnung der Rahmenfrist fest und führt in der Folge zu einer längeren Periode der erforderlichen Vorversicherungszeit im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.
Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Pflichtmitgliedschaft müsse im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hergestellt werden, ist dem ebenso wenig zu folgen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist ein durch die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit aus dem allgemeinen Folgenbeseitungsanspruch entwickeltes und auf die Zielsetzungen des Sozialleitungsrechts ausgerichtetes Rechtsinstitut. Er setzt rechtswidriges Verwaltungshandeln insbesondere durch Verletzung von Betreuungspflichten voraus, das den Berechtigten zu nachteiligen Dispositionen veranlasst hat, die durch eine grundsätzlich zulässige Amtshandlung ausgeglichen werden können. Dem Berechtigten ist die Rechtsposition einzuräumen, die mutmaßlich bestehen würde, wenn er von vornherein pflichtgemäß betreut worden wäre (vgl. BSGE 49, 46).
Das Ziel, das der Kläger erreichen möchte, nämlich die Durchführung der Pflichtversicherung für die Zeit ab dem 01.06.2009, lässt sich mit diesem Rechtsinstitut jedoch nicht verwirklichen. Die Erfüllung der Vorversicherungszeit kann nämlich nicht durch eine zulässige Amtshandlung der Beklagten, vorausgesetzt eine Pflichtverletzung läge vor, hergestellt werden. Die fehlenden Versicherungszeiten beruhen auf einer in diesem Zeitraum durchgeführten privaten Krankenversicherung. Erst Ende 1988 hat sich der Kläger entschieden, möglicherweise auf der Grundlage der Kenntnis der Bestrebungen des Gesetzgebers, die Zugangsvoraussetzungen für die KVdR zu ändern, wieder in die Gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Ein früherer Wechsel kann auch mit Hilfe des sozialgerichtlichen Herstellungsanspruchs nicht fingiert werden, zumal die Beklagte keine Verpflichtung trifft, auf beabsichtigte gesetzgeberische Entscheidungen hinzuweisen, wenn diese noch in weiter Ferne liegen. Dem Kläger hätte ein Wechsel zur Gesetzlichen Krankenversicherung nur dann weiter geholfen, wenn dieser bereits Mitte 1987 erfolgt wäre. Zu diesem Zeitpunkt lagen konkrete Bestrebungen über die Änderung der Zugangsvoraussetzungen zur KVdR, über die die Beklagte hätte informieren müssen, noch nicht vor.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193SGG.
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