Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 17 AS 914/09
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 107/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei nur teilweisen Aufhebungsentscheidungen von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II widerspricht es dem Bestimmtheitsgebot aus § 33 Abs. 1 SGB X den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nur durch die Benennung eines nach Anfang und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages zu bestimmen.
2. Es ist Aufgabe der Behörde, den Verfügungssatz der Aufhebungsbescheide unter Berücksichtigung eventueller Anlagen und Ergänzungen im Widerspruchsverfahren so klar zu fassen, dass der Inhalt der Entscheidung eindeutig ist, wozu im Falle von Teilaufhebungen auch der monatsbezogene Umfang der Aufhebung bezogen auf den einzelnen Leistungsempfänger gehört. Nur so kann der Hilfebedürftige auch sachgerecht zu seinem Einkommen während des Leistungsbezugs vortragen.
3. Dem Bestimmtheitserfordernis wird nicht dadurch Rechnung getragen, dass Akteneinsicht gewährt wird oder Übersichten über internen Berechnungen übermittelt werden, die aus sich heraus nicht verständlich sind.
2. Es ist Aufgabe der Behörde, den Verfügungssatz der Aufhebungsbescheide unter Berücksichtigung eventueller Anlagen und Ergänzungen im Widerspruchsverfahren so klar zu fassen, dass der Inhalt der Entscheidung eindeutig ist, wozu im Falle von Teilaufhebungen auch der monatsbezogene Umfang der Aufhebung bezogen auf den einzelnen Leistungsempfänger gehört. Nur so kann der Hilfebedürftige auch sachgerecht zu seinem Einkommen während des Leistungsbezugs vortragen.
3. Dem Bestimmtheitserfordernis wird nicht dadurch Rechnung getragen, dass Akteneinsicht gewährt wird oder Übersichten über internen Berechnungen übermittelt werden, die aus sich heraus nicht verständlich sind.
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 aufgehoben und der Bescheid vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 17. Juni 2008 zurückzunehmen. Der Beklagte trägt die Kosten der Klägerin für beide Instanzen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren um die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Erstattung von Leistungen in Höhe von jetzt noch 1.607,79 EUR für den Zeitraum März 2007 bis Februar 2008.
Die am 1981 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter der am 9. Oktober 2001 geborenen Jessica-Monique, der am 26. November 2003 geborenen Sarah-Marie und der am 29. Ja¬nuar 2005 geborenen Franziska-Michelle. Die Klägerin lebt seit Januar 2007 von ihrem Ehemann getrennt.
Am 26. Februar 2007 beantragte sie für sich und ihre Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie gab an, dass sie Unterhalt von ihrem getrenntlebenden Ehemann für ihre gemeinsamen Kinder und für sich selbst beanspruche, aber noch nicht erhalte und legte entsprechende Schriftsätze ihres Anwalts vor. Außerdem gab sie an, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragt zu haben, jedoch noch nicht zu erhalten. In dem Antragsformular versicherte sie, dass sie künftige Änderungen, insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse unaufgefordert und unverzüglich mitteilen werde.
Über Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder über Vermögen verfügten die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Die Kinder erhielten Kindergeld in Höhe von je 154,00 EUR monatlich. Die Kosten der Unterkunft, zu deren Anmietung eine Zustimmung des Grundsicherungsträgers erteilt wurde, betrugen einschließlich der Warmwasseraufbereitung monatlich 654,50 EUR (Kaltmiete 478,00 EUR, Heizkosten 76,50 EUR und weitere Nebenkosten 100,00 EUR).
Mit Bescheid vom 6. März 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2007 in Höhe von monatlich 881,50 EUR. Dabei berücksichtigte er neben der Regelleistung für die Klägerin und dem Sozialgeld für die drei Kinder einen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 634,50 EUR insgesamt. Als monatliches Einkommen rechnete er den Kindern das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und (fiktiv) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von je 127,00 EUR an. Die Gesamtleistung enthielt einen Individualanspruch der Klägerin in Höhe von 627,61 EUR (Regelleistung 469,00 EUR und KdU 158,61 EUR) monatlich und der drei Kinder in Höhe von je 84,63 EUR.
Unter dem Eingangsdatum 27. Juli 2007 ist ein von der Klägerin allerdings nicht unterschriebener Fortzahlungsantrag aktenkundig, auf dem jeweils angekreuzt ist, dass sich in den Verhältnissen – auch in den Einkommensverhältnissen – nichts verändert hat. Mit Schreiben vom 3. August 2007 forderte der Beklagte die Klägerin gemäß § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) auf, Unterlagen über den aktuellen Stand zur Unterhaltsforderung gegenüber ihrem Ehemann vorzulegen. Darauf reagierte sie nicht.
Mit Bescheid vom 6. August 2007 gewährte der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2007 Leistungen in Höhe von 893,50 EUR monatlich, und zwar für die Klägerin 630,61 EUR und für die drei Kinder nach Anrechnung von Kindergeld und fiktiven Unterhaltsvorschussleistungen je 87,63 EUR. Als Hinweis enthält der Bescheid den Zusatz: "Folgende Änderungen sind eingetreten: Änderung der Höhe des Unterhaltsvorschusses."
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Beklagte Leistungen in dieser Höhe auch für die Zeit vom 1. Septem¬ber 2007 bis 29. Februar 2008.
Im Rahmen des von ihr diesmal auch unterschriebenen Fortzahlungsantrages vom 22. Januar 2008 gab die Klägerin an, dass sie Unterhalt in Höhe von insgesamt 694,00 EUR monatlich von ihrem Ehemann erhalte. Der Unterhalt sei gekürzt worden von 747,00 EUR auf diesen Betrag. Hierzu bezog sie sich auf ein Anwaltsschreiben vom 11. Januar 2008, wonach Unterhalt für Jessica-Monique in Höhe von 162,00 EUR, für Sarah-Marie in Höhe von 216,00 EUR und für Franziska-Michelle ebenfalls in Höhe von 216,00 EUR gezahlt werde. Das Anwaltsschreiben enthält gleichzeitig die Aufforderung, künftig auf den titulierten Ehegattenunterhalt ab Januar 2008 zu verzichten. In der Folgezeit schrieb der Beklagte die Klägerin mehrfach – zuerst mit Schreiben vom 23. Januar 2008 - ergebnislos hinsichtlich der Offenlegung der erfolgten Unterhaltszahlungen im Rahmen von § 60 SGB I an und forderte schließlich die Kontoauszüge an. Daraus ergibt sich, dass in folgenden Monaten Unterhaltszahlungen des getrenntlebenden Mannes an die Klägerin erfolgt sind:
März 2007 (Buchungstag 05.03.2007) 769,84 EUR April 2007 667,34 EUR Mai 2007 647,38 EUR Juni 2007 747,00 EUR Juli 2007 747,00 EUR August 2007 747,00 EUR September 2007 747,00 EUR Oktober 2007 600,00 EUR November 2007 747,00 EUR Dezember 2007 747,00 EUR Januar 2008 694,00 EUR Februar 2008 694,00 EUR.
Mit Schreiben vom 25. März 2008 hörte der Beklagte die Klägerin gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu einer beabsichtigten Leistungsaufhebung für die Zeit von März 2007 bis Februar 2008 an. Aus den Kontoauszügen sei ersichtlich, dass die Klägerin regelmäßig Unterhaltszahlungen erhalte. Bei der Bedarfsberechnung seien jedoch Zahlungen der Unterhaltsvorschusskasse angerechnet worden, die niedriger als der gezahlte Unterhalt seien, weshalb seit Leistungsbeginn an von einem falschen Einkommen ausgegangen worden sei. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin die Überzahlung verursacht, da sie unvollständige und zum Teil falsche Angaben gemacht habe.
Der Klägerin, die inzwischen umgezogen war, ist das Mitwirkungsschreiben am 5. Juni 2008 nachgesendet worden, wobei die Frist für die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Juni 2008 verlängert wurde. Die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert. Der Bevollmächtigte der Klägerin im familiengerichtlichen Verfahren hat auf telefonische Anfrage des Beklagten mitgeteilt, dass im Jahr 2007 für die Kinder je 170,00 EUR Unterhalt und für die Klägerin ein Trennungsunterhalt in Höhe von 237,00 EUR gezahlt worden sei, ab Januar 2008 werde kein Trennungsunterhalt an die Klägerin mehr gezahlt.
Der Beklagte hat die teilweise schwankenden monatlichen Unterhaltsleistungen in seiner internen Berechnung zur Aufhebung der Leistungsbewilligung dahingehend aufgeteilt, dass er für das Jahr 2007 den Kindern jeweils eine Unterhaltsleistung von 170,00 EUR und den unterschiedlich hohen Rest der Klägerin als Einkommen zugeordnet hat. Aus dieser Berechnung ergeben sich nach der internen Berechnung für den maßgeblichen Zeitraum jeweils noch verbleibende - wenn auch deutlich geringere Leistungsansprüche der Kinder und ein jeweils niedrigerer monatlicher Individualanspruch der Klägerin. Für das Jahr 2008 hat der Beklagte in seinen internen Berechnungen eine Unterhaltsleistung für Jessica-Monique in Höhe von 262,00 EUR und die beiden anderen Kinder in Höhe von je 216,00 EUR als Einkommen berücksichtigt. Bezogen auf die Klägerin erfolgt mittelbar eine Einkommenszuordnung in Höhe des den Bedarf übersteigenden Kindergeldes, allerdings ohne Abzug der Versicherungspauschale.
Mit dem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 17. Juni 2008 nahm der Beklagte die Entscheidung für die Bewilligung der Leistungen für die Zeit vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 teilweise in Höhe von 3.760,59 EUR zurück, und zwar hinsichtlich "der Bescheide vom 06.03.2007 und 06.08.2007 und 23.01.2008 in der Fassung der letzten Änderung vom 06.08.2007". Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe für diesen Zeitraum Unterhaltszahlungen von dem Vater ihrer Kinder erhalten. Das in diesem Zeitraum erzielte Einkommen führe zu einer Minderung "Ihres Leistungsanspruchs". Eine Differenzierung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrages wird hinsichtlich des Zeitraums März bis Juni 2007 und Juli 2007 bis Februar 2008 vorgenommen. Im ersten Zeitraum seien 3.526,00 EUR ausgezahlt worden. Bei einem zutreffenden Anspruch auf 2.308,41 EUR bestehe eine Differenz von 1.217,59 EUR. Im zweitgenannten Zeitraum seien 7.148,00 EUR ausgezahlt worden. Bei einem zutreffenden Anspruch von 4.605,00 EUR bestehe eine Differenz von 2.543,00 EUR. Es sei daher zu einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 3.760,59 EUR gekommen. Eine monatsbezogene oder auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bezogene oder nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft differenzierte Aufschlüsselung enthält der Bescheid nicht. Eine Anlage zum Bescheid gibt es nicht. Es erfolgt im Text des Bescheides der Hinweis: Da das Einkommen im Rahmen von § 9 Abs. 2 SGB II auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werde, sei es bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu einer Überzahlung gekommen, weshalb gegen jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Rücknahme erfolgen müsse. Bei Überzahlungen hinsichtlich minderjähriger Personen der Bedarfsgemeinschaft richte sich die Rückforderung an den entsprechenden gesetzlichen Vertreter (Elternteil). Die Aufhebung ergehe gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III, da der Verwaltungsakt auf Angaben beruht habe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Die Klägerin habe verschwiegen, dass sie Unterhaltsleistungen von dem Vater der Kinder erhalten habe. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien vollständig zu erstatten.
Den am 6. August 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2008 als verfristet zurück.
Am 16. Oktober 2008 beantragte die inzwischen anwaltlich vertretene Klägerin die Überprüfung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide mit der Begründung, die Rückzahlungsansprüche hätten individualisiert werden müssen. Mit Bescheid vom 25. Mai 2009 änderte der Beklagte seinen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 im Rahmen von § 44 SGB X insoweit ab, als nur noch ein Betrag von 1.607,79 EUR zurückgefordert wird. Eine monatsbezogene oder bewilligungsabschnittsbezogene Aufschlüsselung der jeweils nur teilweise von der Aufhebung und Rückforderung betroffenen Leistungen enthält der Bescheid nicht. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid richte sich nunmehr nur noch gegen die Klägerin selbst, Rückforderungen gegen ihre Kinder würden nicht mehr geltend gemacht.
Die Klägerin erhob dagegen mit der Begründung Widerspruch, dass nicht dargetan sei, weshalb sie diesen Betrag zurückzahlen solle und wie er sich errechne. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin die internen Berechnungsgrundlagen und gewährte Akteneinsicht. Bei den internen Berechnungsgrundlagen handelt es sich um monatsbezogene Tabellen mit den Spalten "BV/EHB" und "MUK" sowie Einzelzeilen "vor Änderung", "nach Änderung" und "eingetretene ÜZ". Das zugeordnete Einkommen ist nicht erkennbar, wohl aber – durch Interpretation der Tabellenwerte – die "einzelnen Überzahlungsbeträge bezogen auf BV" und "MUK". Nachfragen durch den Bevollmächtigten erfolgten ebenso wenig wie eine ergänzende Widerspruchsbegründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin und ihre Kinder hätten im maßgeblichen Zeitraum Unterhaltsleistungen erzielt, die zu Unrecht nicht als Einkommen angerechnet worden seien. Daher seien die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 zu Recht teilweise aufgehoben worden. Die Rückforderungshöhe sei auch zutreffend berechnet worden. Eine Erläuterung des Rückforderungsbetrages erfolgte nicht, der Widerspruchsbescheid enthält keine Anlagen.
Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 2009 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass nicht dargetan sei, für welchen Zeitraum die Rückzahlung verlangt werde. Ebenso wenig sei spezifiziert, wie sich die Rückforderung von 1.607,79 EUR zusammensetze. Es sei auch keine Vertrauensschutzabwägung gemäß § 45 Abs. 2 SGB X vorgenommen worden. Im Übrigen habe sie darauf vertraut, dass die ihr erteilten Bescheide richtig seien, eine Überzahlung sei ihr nicht aufgefallen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 17. Juni 2008 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, dass dem Kläger-Vertreter sämtliche Berechnungen zur Verfügung gestellt worden seien. Die Leistungsbewilligung sei von Anfang an wegen verschwiegenen Einkommens rechtswidrig gewesen, weshalb die Bescheide zu Recht teilweise aufzuheben gewesen seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10. August 2011 die Klage abgewiesen. Grundlage für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsbescheide sei § 45 Abs. 2 SGB X, wonach eine gebundene Entscheidung zu treffen sei. Der Klägerin sei im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Bescheide grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen, nachdem noch vor Erlass des Bewilligungsbescheides am 5. März 2007 bei ihr die erste Unterhaltszahlung in Höhe von 769,84 EUR eingegangen sei. Die Klägerin habe es zudem unterlassen, diesen Einkommenszufluss dem Beklagten mitzuteilen, weshalb der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die die Begünstigte grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe. Der Aufhebungsbescheid sei auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Insoweit sei eine geltungserhaltene Reduktion vorzunehmen, da der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 ausschließlich an die Klägerin gerichtet gewesen sei. Aus dem Verfügungssatz ergebe sich nun unzweifelhaft, was der Beklagte von wem wolle. Die konkrete Berechnung des Rückforderungsbetrages sei keine Frage der hinreichenden Bestimmtheit, sondern der Begründung, weshalb das Fehlen einer derartigen Berechnung nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe. Die Berechnung der Überzahlung sei nicht zu beanstanden, insoweit seien auch keine Fehler vorgetragen worden. Die Rücknahmeentscheidung sei auch innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist erfolgt.
Gegen dieses der Klägerin am 21. Oktober 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. November 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass im Bescheid vom 25. Mai 2009 nicht dargetan sei, für welchen Zeitraum die Rückzahlung verlangt werde und wie sich die Summe des Rückforderungsbetrages zusammensetze. Ebenso fehle eine Vertrauensschutzabwägung nach § 45 Abs. 2 SGB X. Sie habe bereits im August 2008 dem Beklagten mitgeteilt, dass sie die Angaben bezüglich der Unterhaltszahlungen durch ihren Mann im März 2007 schriftlich vorgelegt habe und ihr die Überzahlung nicht aufgefallen sei. Sie habe daher darauf vertraut, dass die ihr erteilten Bescheide richtig seien und das Geld ausgegeben. Daher liege auch keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin eine Präzisierung der Unterhaltszahlungen bezogen auf die Empfänger vorgelegt. Die handschriftliche Aufschlüsselung enthält Beträge, die allerdings in der Gesamtaddition nicht immer der Summe des Gesamtunterhalts entsprechen. Überwiegend will die Klägerin danach im Jahr 2007 für sich selbst Unterhalt in Höhe von 237,00 EUR erhalten haben, für einzelne Monate (etwa Mai und Oktober 2007) jedoch keinen und im März und April einen niedrigeren Unterhalt (172,00 EUR und 50,00 EUR).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 17. Juni 2008 zurückzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Auf Nachfrage hat er mitgeteilt, dass im Januar und Februar 2008 kein Unterhalt, sondern nur das Einkommen der Kinder (Kindergeld) im Rahmen der Horizontalübersicht berücksichtigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2009 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz SGG ), mit dem der Beklagte die Rücknahme des bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 17. Juni 2008 für den streitigen Zeitraum vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 bezüglich der Klägerin abgelehnt hat.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie im Hinblick auf den Wert des Berufungsgegenstandes statthaft (§§ 143, 144 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 ist aufzuheben. Der Beklagte hat zu Unrecht im Zugunstenverfahren nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 nicht auch bezogen auf die Klägerin sondern nur hinsichtlich der Kinder der Klägerin zurückgenommen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden, ggf. jedoch aus heutiger Sicht "geläuterten" Recht (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 B 13 RJ 47/01 R - BSGE 90, 136, 138 zitiert nach juris). Gemessen daran ist der Aufhebungsbescheid von 17. Juni 2008 gegenüber der Klägerin auch nach den Korrekturen dieser Entscheidung im Überprüfungsverfahren rechtswidrig und von dem Beklagten zurückzunehmen. Damit ist auch die Grundlage für die Erstattungsforderung entfallen. Zwar hat der Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Entscheidung über die Aufhebung und Rückforderung der Leistungen angehört und ihr damit Gelegenheit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 SGB X). Die Aufhebungsentscheidung ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, denn die Teilaufhebung wegen des Zusammentreffens mit nicht näher zugeordnetem Einkommen lässt nicht erkennen, für welche Monate welche Leistungen in welcher Höhe aufgehoben worden sind.
Wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, kommt als Rechtsgrundlage für die teilweise Leistungsaufhebung für den Zeitraum März 2007 bis Februar 2008 allein § 45 Abs. 1, 2 SGB X in Betracht, da sämtliche Bewilligungsbescheide des Beklagten bereits bei ihrem Erlass wegen des Zusammentreffens mit Einkommen in Form von Unterhalt teilweise rechtswidrig waren. Der Klägerin und ihren Kindern standen Leistungen nach dem SGB II nicht in der gewährten vollen Höhe zu, da ihr Hilfebedarf teilweise durch den Unterhalt des getrennt lebenden Ehemanns der Klägerin bzw. des Vaters gedeckt war. Es kann offenbleiben, wie sich der in unterschiedlicher monatlicher Höhe im Zeitraum März 2007 bis Februar 2008 auf das Konto der Klägerin überwiesene Unterhalt auf die drei Kinder und die Klägerin verteilen sollte. Hierzu liegen für das Jahr 2007 unterschiedliche Angaben vor. Die Klägerin hat zunächst im Verwaltungsverfahren keine Angaben dazu gemacht. Der frühere Anwalt im familiengerichtlichen Verfahren hat zeitnah fernmündlich gegenüber dem Beklagten mitgeteilt, die Klägerin habe einen monatlichen Trennungsunterhalt von 237,00 EUR erhalten. Die Klägerin hat nunmehr im Berufungsverfahren unterschiedliche Beträge zwischen 50,00, 172,00 und 237,00 EUR für das Jahr 2007 genannt. Der Beklagte hat hingegen den Kindern jeweils einen Betrag von 170,00 EUR als Einkommen zugeordnet und den unterschiedlich hohen Rest bezogen auf die monatlichen Überweisungen als Unterhalt für die Klägerin bewertet und diese Werte der Berechnung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung vom 17. Juni 2008 zugrunde gelegt. Eindeutig ist nur, dass für die Monate Januar und Februar 2008 nur noch Unterhalt für die Kinder gezahlt wurde und Einkommen der Klägerin allenfalls hinsichtlich des für die Bedarfsdeckung der Kinder nicht mehr benötigten Kindergeldes zugerechnet werden kann. Die genauen Unterhaltsbeträge bezogen auf die Empfänger sind jedoch vom Senat nicht weiter aufzuklären, da der vom Beklagten auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützte Aufhebungsbescheid vom 17. Juni 2008 bereits deshalb rechtswidrig ist, weil er nicht hinreichend bestimmt ist.
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, was insbesondere den Adressaten und den Verfügungssatz betrifft. Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient. Zur hinreichenden Bestimmtheit muss eine behördliche Entscheidung so eindeutig formuliert sein, dass sich ohne Rückfrage ergibt, für wen was wie geregelt wird. Gegenstand, Ziel und Regelungsgehalt der Entscheidung müssen für den Adressaten so eindeutig und vollständig sein, dass er sein Handeln danach ausrichten und die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung in vollem Umfange abschätzen kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Mai 2009 – L 28 AS 1354/08 –, zitiert nach juris Rdnr. 39). Ein Rücknahmebescheid ist aufzuheben, wenn er dem Bestimmheitsgebot nicht genügt, was der Fall ist, wenn die von dem Bescheid ausgehende Regelungswirkung bei verständiger Auslegung ohne weitere Hilfsmittel nicht zu erkennen ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 1. November 2011 – L 9 AS 831/10 – zitiert nach juris Rdnr. 40; die Revision ist anhängig unter – B 14 AS 196/11 R -).
Ob hinreichend konkrete Verfügungen vorliegen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßstab für die Auslegung des Verwaltungsaktes ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (vgl. BSG, Urteil vom 14. August 1996 - 13 RJ 9/95 – zitiert nach juris Rn. 38 mwN). Ein Träger, der in der Vergangenheit gewährte existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zurückfordern und hierzu die aus seiner Sicht anfänglich oder nachträglich rechtswidrige Bewilligung dieser Leistungen beseitigen will, hat grundsätzlich den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nicht nur durch Benennung eines nach Anfang und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages rechtmäßig zu bestimmen. Vielmehr hat er hierzu die jeweils betroffenen Bewilligungsbescheide nach ihrem Datum zu bezeichnen und weiterhin anzugeben, für welchen (Teil-)Zeitraum diese Bewilligungs-Verwal¬tungsakte in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. März 2010 – L 3 AS 138/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2009 – L 9 AS 477/08; siehe auch BSG, 7. Senat, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 66/01 R - sowie Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 58/03 R - jeweils zitiert nach juris).
Diesen Anforderungen genügt der Aufhebungsbescheid vom 17. Juni 2007 auch nach den Veränderungen im Überprüfungsverfahren nicht. Es ergibt sich weder aus dem Ausgangs- noch aus dem Überprüfuungs- oder Widerspruchsbescheid, für welche Zeit und in welcher Höhe die jeweiligen Bescheide, mit denen Leistungen bewilligt worden waren, aufgehoben worden sind. Weder ist das zugerechnete Einkommen bezogen auf die Empfänger mitgeteilt worden noch der konkrete Umfang der Aufhebung. Da hier die Leistungsbewilligungen entsprechend den Regelungen in § 41 Abs. 1 SGB II monatsweise erfolgt waren, hätte aus dem Aufhebungsbescheid oder ergänzenden Anlagen hervorgehen müssen, in welchem Umfang die Bewilligungen für die einzelnen Monate nach erfolgter Teilaufhebung der Bewilligungsbescheide noch Bestand haben bzw. nicht mehr gelten sollen. Der Umfang der Teilaufhebung wird indes weder im Verfügungssatz geregelt noch an anderer Stelle erläutert, obwohl die Klägerin die fehlende Nachvollziehbarkeit der Beträge ausdrücklich im Überprüfungsverfahren gerügt hatte. Es handelt sich um eine pauschale Teilaufhebung aller Bescheide für die beiden Bewilligungszeiträume. Das vorliegende Verfahren mit einer unklaren Zuordnung des Einkommens und schwankenden monatlichen Einkünften zeigt nachdrücklich, dass die konkrete Aufhebungsentscheidung und die Grundlagen dafür aus Empfängersicht der Klägerin bei einer Pauschalaufhebung nicht nachvollziehbar sind. Das Bundessozialgericht hat zu Recht zum wochenweise bewilligten Arbeitslosengeld entschieden, dass ein Rücknahmebescheid mit einer Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages, ohne Konkretisierung dieses Betrages für die einzelnen Wochen, nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X genügt (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 66/01 R , Rdnr. 15 zitiert nach juris). Bei dieser Anforderung handelt es sich nicht (nur) um eine Frage der hinreichenden – und gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nachholbaren – Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X) der Verwaltungsentscheidung (in diesem Sinne jedoch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2011 L 29 AS 2038/09 – zitiert nach juris Rdnr. 49 – 51), sondern um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Verfügungssatzes.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dem Bestimmtheitserfordernis auch nicht dadurch Rechnung getragen, dass dem bevollmächtigten Anwalt der Klägerin im Überprüfungsverfahren Akteneinsicht gewährt wurde und die Übersichten über die internen Berechnungen übermittelt wurden. Zum einen sind die internen Berechnungsblätter aus sich heraus nicht für Außenstehende verständlich, da sie behördeninterne Abkürzungen und Zuordnungen enthalten und insbesondere die Namen der Klägerin und der Kinder nicht genannt sind. Zum anderen entbindet die Gewährung von Akteneinsicht und der Einblick in interne Berechnungen die Behörde nicht von der Aufgabe, den Verfügungssatz der Bescheide unter Berücksichtigung eventueller Anlagen und Ergänzungen im Widerspruchsverfahren so klar zu fassen, das der Inhalt der Entscheidung eindeutig ist, wozu im Falle von Teilaufhebungen auch der monatsbezogene Umfang der Aufhebung gehört. Nur so kann der Hilfebedürftige auch sachgerecht zu seinem Einkommen während des Leistungsbezugs vortragen.
Da die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig und von dem Beklagten zurückzunehmen ist, entfällt auch die Grundlage für die Rückforderung, die von dem Beklagten entsprechend der Vorgabe nach § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X mit dieser Entscheidung verbunden wurde. Es kommt daher nicht darauf an, dass allein bezogen auf den Erstattungsverwaltungsakt die Forderung gegenüber der Klägerin hinreichend bestimmt ist und insbesondere auch vollstreckbar wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 R – zitiert nach juris Rdnr. 33 – 36).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die klärungsbedürftige und bisher ausdrücklich offen gelassene Frage zugelassen worden, welche Anforderungen das Bestimmt-heitsgebot nach § 33 SGB X an Verwaltungsakte über die Aufhebung von Leistungen nach dem SGB II stellt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren um die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Erstattung von Leistungen in Höhe von jetzt noch 1.607,79 EUR für den Zeitraum März 2007 bis Februar 2008.
Die am 1981 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter der am 9. Oktober 2001 geborenen Jessica-Monique, der am 26. November 2003 geborenen Sarah-Marie und der am 29. Ja¬nuar 2005 geborenen Franziska-Michelle. Die Klägerin lebt seit Januar 2007 von ihrem Ehemann getrennt.
Am 26. Februar 2007 beantragte sie für sich und ihre Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie gab an, dass sie Unterhalt von ihrem getrenntlebenden Ehemann für ihre gemeinsamen Kinder und für sich selbst beanspruche, aber noch nicht erhalte und legte entsprechende Schriftsätze ihres Anwalts vor. Außerdem gab sie an, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragt zu haben, jedoch noch nicht zu erhalten. In dem Antragsformular versicherte sie, dass sie künftige Änderungen, insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse unaufgefordert und unverzüglich mitteilen werde.
Über Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder über Vermögen verfügten die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Die Kinder erhielten Kindergeld in Höhe von je 154,00 EUR monatlich. Die Kosten der Unterkunft, zu deren Anmietung eine Zustimmung des Grundsicherungsträgers erteilt wurde, betrugen einschließlich der Warmwasseraufbereitung monatlich 654,50 EUR (Kaltmiete 478,00 EUR, Heizkosten 76,50 EUR und weitere Nebenkosten 100,00 EUR).
Mit Bescheid vom 6. März 2007 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2007 in Höhe von monatlich 881,50 EUR. Dabei berücksichtigte er neben der Regelleistung für die Klägerin und dem Sozialgeld für die drei Kinder einen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 124,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 634,50 EUR insgesamt. Als monatliches Einkommen rechnete er den Kindern das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und (fiktiv) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von je 127,00 EUR an. Die Gesamtleistung enthielt einen Individualanspruch der Klägerin in Höhe von 627,61 EUR (Regelleistung 469,00 EUR und KdU 158,61 EUR) monatlich und der drei Kinder in Höhe von je 84,63 EUR.
Unter dem Eingangsdatum 27. Juli 2007 ist ein von der Klägerin allerdings nicht unterschriebener Fortzahlungsantrag aktenkundig, auf dem jeweils angekreuzt ist, dass sich in den Verhältnissen – auch in den Einkommensverhältnissen – nichts verändert hat. Mit Schreiben vom 3. August 2007 forderte der Beklagte die Klägerin gemäß § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) auf, Unterlagen über den aktuellen Stand zur Unterhaltsforderung gegenüber ihrem Ehemann vorzulegen. Darauf reagierte sie nicht.
Mit Bescheid vom 6. August 2007 gewährte der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2007 Leistungen in Höhe von 893,50 EUR monatlich, und zwar für die Klägerin 630,61 EUR und für die drei Kinder nach Anrechnung von Kindergeld und fiktiven Unterhaltsvorschussleistungen je 87,63 EUR. Als Hinweis enthält der Bescheid den Zusatz: "Folgende Änderungen sind eingetreten: Änderung der Höhe des Unterhaltsvorschusses."
Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage bewilligte der Beklagte Leistungen in dieser Höhe auch für die Zeit vom 1. Septem¬ber 2007 bis 29. Februar 2008.
Im Rahmen des von ihr diesmal auch unterschriebenen Fortzahlungsantrages vom 22. Januar 2008 gab die Klägerin an, dass sie Unterhalt in Höhe von insgesamt 694,00 EUR monatlich von ihrem Ehemann erhalte. Der Unterhalt sei gekürzt worden von 747,00 EUR auf diesen Betrag. Hierzu bezog sie sich auf ein Anwaltsschreiben vom 11. Januar 2008, wonach Unterhalt für Jessica-Monique in Höhe von 162,00 EUR, für Sarah-Marie in Höhe von 216,00 EUR und für Franziska-Michelle ebenfalls in Höhe von 216,00 EUR gezahlt werde. Das Anwaltsschreiben enthält gleichzeitig die Aufforderung, künftig auf den titulierten Ehegattenunterhalt ab Januar 2008 zu verzichten. In der Folgezeit schrieb der Beklagte die Klägerin mehrfach – zuerst mit Schreiben vom 23. Januar 2008 - ergebnislos hinsichtlich der Offenlegung der erfolgten Unterhaltszahlungen im Rahmen von § 60 SGB I an und forderte schließlich die Kontoauszüge an. Daraus ergibt sich, dass in folgenden Monaten Unterhaltszahlungen des getrenntlebenden Mannes an die Klägerin erfolgt sind:
März 2007 (Buchungstag 05.03.2007) 769,84 EUR April 2007 667,34 EUR Mai 2007 647,38 EUR Juni 2007 747,00 EUR Juli 2007 747,00 EUR August 2007 747,00 EUR September 2007 747,00 EUR Oktober 2007 600,00 EUR November 2007 747,00 EUR Dezember 2007 747,00 EUR Januar 2008 694,00 EUR Februar 2008 694,00 EUR.
Mit Schreiben vom 25. März 2008 hörte der Beklagte die Klägerin gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu einer beabsichtigten Leistungsaufhebung für die Zeit von März 2007 bis Februar 2008 an. Aus den Kontoauszügen sei ersichtlich, dass die Klägerin regelmäßig Unterhaltszahlungen erhalte. Bei der Bedarfsberechnung seien jedoch Zahlungen der Unterhaltsvorschusskasse angerechnet worden, die niedriger als der gezahlte Unterhalt seien, weshalb seit Leistungsbeginn an von einem falschen Einkommen ausgegangen worden sei. Nach den vorliegenden Unterlagen habe die Klägerin die Überzahlung verursacht, da sie unvollständige und zum Teil falsche Angaben gemacht habe.
Der Klägerin, die inzwischen umgezogen war, ist das Mitwirkungsschreiben am 5. Juni 2008 nachgesendet worden, wobei die Frist für die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 26. Juni 2008 verlängert wurde. Die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert. Der Bevollmächtigte der Klägerin im familiengerichtlichen Verfahren hat auf telefonische Anfrage des Beklagten mitgeteilt, dass im Jahr 2007 für die Kinder je 170,00 EUR Unterhalt und für die Klägerin ein Trennungsunterhalt in Höhe von 237,00 EUR gezahlt worden sei, ab Januar 2008 werde kein Trennungsunterhalt an die Klägerin mehr gezahlt.
Der Beklagte hat die teilweise schwankenden monatlichen Unterhaltsleistungen in seiner internen Berechnung zur Aufhebung der Leistungsbewilligung dahingehend aufgeteilt, dass er für das Jahr 2007 den Kindern jeweils eine Unterhaltsleistung von 170,00 EUR und den unterschiedlich hohen Rest der Klägerin als Einkommen zugeordnet hat. Aus dieser Berechnung ergeben sich nach der internen Berechnung für den maßgeblichen Zeitraum jeweils noch verbleibende - wenn auch deutlich geringere Leistungsansprüche der Kinder und ein jeweils niedrigerer monatlicher Individualanspruch der Klägerin. Für das Jahr 2008 hat der Beklagte in seinen internen Berechnungen eine Unterhaltsleistung für Jessica-Monique in Höhe von 262,00 EUR und die beiden anderen Kinder in Höhe von je 216,00 EUR als Einkommen berücksichtigt. Bezogen auf die Klägerin erfolgt mittelbar eine Einkommenszuordnung in Höhe des den Bedarf übersteigenden Kindergeldes, allerdings ohne Abzug der Versicherungspauschale.
Mit dem an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 17. Juni 2008 nahm der Beklagte die Entscheidung für die Bewilligung der Leistungen für die Zeit vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 teilweise in Höhe von 3.760,59 EUR zurück, und zwar hinsichtlich "der Bescheide vom 06.03.2007 und 06.08.2007 und 23.01.2008 in der Fassung der letzten Änderung vom 06.08.2007". Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe für diesen Zeitraum Unterhaltszahlungen von dem Vater ihrer Kinder erhalten. Das in diesem Zeitraum erzielte Einkommen führe zu einer Minderung "Ihres Leistungsanspruchs". Eine Differenzierung des Aufhebungs- und Erstattungsbetrages wird hinsichtlich des Zeitraums März bis Juni 2007 und Juli 2007 bis Februar 2008 vorgenommen. Im ersten Zeitraum seien 3.526,00 EUR ausgezahlt worden. Bei einem zutreffenden Anspruch auf 2.308,41 EUR bestehe eine Differenz von 1.217,59 EUR. Im zweitgenannten Zeitraum seien 7.148,00 EUR ausgezahlt worden. Bei einem zutreffenden Anspruch von 4.605,00 EUR bestehe eine Differenz von 2.543,00 EUR. Es sei daher zu einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 3.760,59 EUR gekommen. Eine monatsbezogene oder auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bezogene oder nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft differenzierte Aufschlüsselung enthält der Bescheid nicht. Eine Anlage zum Bescheid gibt es nicht. Es erfolgt im Text des Bescheides der Hinweis: Da das Einkommen im Rahmen von § 9 Abs. 2 SGB II auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt werde, sei es bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu einer Überzahlung gekommen, weshalb gegen jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Rücknahme erfolgen müsse. Bei Überzahlungen hinsichtlich minderjähriger Personen der Bedarfsgemeinschaft richte sich die Rückforderung an den entsprechenden gesetzlichen Vertreter (Elternteil). Die Aufhebung ergehe gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III, da der Verwaltungsakt auf Angaben beruht habe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Die Klägerin habe verschwiegen, dass sie Unterhaltsleistungen von dem Vater der Kinder erhalten habe. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien vollständig zu erstatten.
Den am 6. August 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2008 als verfristet zurück.
Am 16. Oktober 2008 beantragte die inzwischen anwaltlich vertretene Klägerin die Überprüfung der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide mit der Begründung, die Rückzahlungsansprüche hätten individualisiert werden müssen. Mit Bescheid vom 25. Mai 2009 änderte der Beklagte seinen Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 im Rahmen von § 44 SGB X insoweit ab, als nur noch ein Betrag von 1.607,79 EUR zurückgefordert wird. Eine monatsbezogene oder bewilligungsabschnittsbezogene Aufschlüsselung der jeweils nur teilweise von der Aufhebung und Rückforderung betroffenen Leistungen enthält der Bescheid nicht. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid richte sich nunmehr nur noch gegen die Klägerin selbst, Rückforderungen gegen ihre Kinder würden nicht mehr geltend gemacht.
Die Klägerin erhob dagegen mit der Begründung Widerspruch, dass nicht dargetan sei, weshalb sie diesen Betrag zurückzahlen solle und wie er sich errechne. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin die internen Berechnungsgrundlagen und gewährte Akteneinsicht. Bei den internen Berechnungsgrundlagen handelt es sich um monatsbezogene Tabellen mit den Spalten "BV/EHB" und "MUK" sowie Einzelzeilen "vor Änderung", "nach Änderung" und "eingetretene ÜZ". Das zugeordnete Einkommen ist nicht erkennbar, wohl aber – durch Interpretation der Tabellenwerte – die "einzelnen Überzahlungsbeträge bezogen auf BV" und "MUK". Nachfragen durch den Bevollmächtigten erfolgten ebenso wenig wie eine ergänzende Widerspruchsbegründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin und ihre Kinder hätten im maßgeblichen Zeitraum Unterhaltsleistungen erzielt, die zu Unrecht nicht als Einkommen angerechnet worden seien. Daher seien die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 zu Recht teilweise aufgehoben worden. Die Rückforderungshöhe sei auch zutreffend berechnet worden. Eine Erläuterung des Rückforderungsbetrages erfolgte nicht, der Widerspruchsbescheid enthält keine Anlagen.
Mit ihrer dagegen am 1. Oktober 2009 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass nicht dargetan sei, für welchen Zeitraum die Rückzahlung verlangt werde. Ebenso wenig sei spezifiziert, wie sich die Rückforderung von 1.607,79 EUR zusammensetze. Es sei auch keine Vertrauensschutzabwägung gemäß § 45 Abs. 2 SGB X vorgenommen worden. Im Übrigen habe sie darauf vertraut, dass die ihr erteilten Bescheide richtig seien, eine Überzahlung sei ihr nicht aufgefallen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 17. Juni 2008 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, dass dem Kläger-Vertreter sämtliche Berechnungen zur Verfügung gestellt worden seien. Die Leistungsbewilligung sei von Anfang an wegen verschwiegenen Einkommens rechtswidrig gewesen, weshalb die Bescheide zu Recht teilweise aufzuheben gewesen seien.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10. August 2011 die Klage abgewiesen. Grundlage für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsbescheide sei § 45 Abs. 2 SGB X, wonach eine gebundene Entscheidung zu treffen sei. Der Klägerin sei im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Bescheide grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen, nachdem noch vor Erlass des Bewilligungsbescheides am 5. März 2007 bei ihr die erste Unterhaltszahlung in Höhe von 769,84 EUR eingegangen sei. Die Klägerin habe es zudem unterlassen, diesen Einkommenszufluss dem Beklagten mitzuteilen, weshalb der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die die Begünstigte grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht habe. Der Aufhebungsbescheid sei auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X. Insoweit sei eine geltungserhaltene Reduktion vorzunehmen, da der ursprüngliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 ausschließlich an die Klägerin gerichtet gewesen sei. Aus dem Verfügungssatz ergebe sich nun unzweifelhaft, was der Beklagte von wem wolle. Die konkrete Berechnung des Rückforderungsbetrages sei keine Frage der hinreichenden Bestimmtheit, sondern der Begründung, weshalb das Fehlen einer derartigen Berechnung nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe. Die Berechnung der Überzahlung sei nicht zu beanstanden, insoweit seien auch keine Fehler vorgetragen worden. Die Rücknahmeentscheidung sei auch innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist erfolgt.
Gegen dieses der Klägerin am 21. Oktober 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. November 2011 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass im Bescheid vom 25. Mai 2009 nicht dargetan sei, für welchen Zeitraum die Rückzahlung verlangt werde und wie sich die Summe des Rückforderungsbetrages zusammensetze. Ebenso fehle eine Vertrauensschutzabwägung nach § 45 Abs. 2 SGB X. Sie habe bereits im August 2008 dem Beklagten mitgeteilt, dass sie die Angaben bezüglich der Unterhaltszahlungen durch ihren Mann im März 2007 schriftlich vorgelegt habe und ihr die Überzahlung nicht aufgefallen sei. Sie habe daher darauf vertraut, dass die ihr erteilten Bescheide richtig seien und das Geld ausgegeben. Daher liege auch keine grobe Fahrlässigkeit vor.
Auf Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin eine Präzisierung der Unterhaltszahlungen bezogen auf die Empfänger vorgelegt. Die handschriftliche Aufschlüsselung enthält Beträge, die allerdings in der Gesamtaddition nicht immer der Summe des Gesamtunterhalts entsprechen. Überwiegend will die Klägerin danach im Jahr 2007 für sich selbst Unterhalt in Höhe von 237,00 EUR erhalten haben, für einzelne Monate (etwa Mai und Oktober 2007) jedoch keinen und im März und April einen niedrigeren Unterhalt (172,00 EUR und 50,00 EUR).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 17. Juni 2008 zurückzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Auf Nachfrage hat er mitgeteilt, dass im Januar und Februar 2008 kein Unterhalt, sondern nur das Einkommen der Kinder (Kindergeld) im Rahmen der Horizontalübersicht berücksichtigt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten. Der wesentliche Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2009 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz SGG ), mit dem der Beklagte die Rücknahme des bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 17. Juni 2008 für den streitigen Zeitraum vom 1. März 2007 bis 29. Februar 2008 bezüglich der Klägerin abgelehnt hat.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie im Hinblick auf den Wert des Berufungsgegenstandes statthaft (§§ 143, 144 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2011 ist aufzuheben. Der Beklagte hat zu Unrecht im Zugunstenverfahren nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17. Juni 2008 nicht auch bezogen auf die Klägerin sondern nur hinsichtlich der Kinder der Klägerin zurückgenommen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden, ggf. jedoch aus heutiger Sicht "geläuterten" Recht (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 B 13 RJ 47/01 R - BSGE 90, 136, 138 zitiert nach juris). Gemessen daran ist der Aufhebungsbescheid von 17. Juni 2008 gegenüber der Klägerin auch nach den Korrekturen dieser Entscheidung im Überprüfungsverfahren rechtswidrig und von dem Beklagten zurückzunehmen. Damit ist auch die Grundlage für die Erstattungsforderung entfallen. Zwar hat der Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Entscheidung über die Aufhebung und Rückforderung der Leistungen angehört und ihr damit Gelegenheit gegeben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 SGB X). Die Aufhebungsentscheidung ist jedoch nicht hinreichend bestimmt, denn die Teilaufhebung wegen des Zusammentreffens mit nicht näher zugeordnetem Einkommen lässt nicht erkennen, für welche Monate welche Leistungen in welcher Höhe aufgehoben worden sind.
Wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, kommt als Rechtsgrundlage für die teilweise Leistungsaufhebung für den Zeitraum März 2007 bis Februar 2008 allein § 45 Abs. 1, 2 SGB X in Betracht, da sämtliche Bewilligungsbescheide des Beklagten bereits bei ihrem Erlass wegen des Zusammentreffens mit Einkommen in Form von Unterhalt teilweise rechtswidrig waren. Der Klägerin und ihren Kindern standen Leistungen nach dem SGB II nicht in der gewährten vollen Höhe zu, da ihr Hilfebedarf teilweise durch den Unterhalt des getrennt lebenden Ehemanns der Klägerin bzw. des Vaters gedeckt war. Es kann offenbleiben, wie sich der in unterschiedlicher monatlicher Höhe im Zeitraum März 2007 bis Februar 2008 auf das Konto der Klägerin überwiesene Unterhalt auf die drei Kinder und die Klägerin verteilen sollte. Hierzu liegen für das Jahr 2007 unterschiedliche Angaben vor. Die Klägerin hat zunächst im Verwaltungsverfahren keine Angaben dazu gemacht. Der frühere Anwalt im familiengerichtlichen Verfahren hat zeitnah fernmündlich gegenüber dem Beklagten mitgeteilt, die Klägerin habe einen monatlichen Trennungsunterhalt von 237,00 EUR erhalten. Die Klägerin hat nunmehr im Berufungsverfahren unterschiedliche Beträge zwischen 50,00, 172,00 und 237,00 EUR für das Jahr 2007 genannt. Der Beklagte hat hingegen den Kindern jeweils einen Betrag von 170,00 EUR als Einkommen zugeordnet und den unterschiedlich hohen Rest bezogen auf die monatlichen Überweisungen als Unterhalt für die Klägerin bewertet und diese Werte der Berechnung der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung vom 17. Juni 2008 zugrunde gelegt. Eindeutig ist nur, dass für die Monate Januar und Februar 2008 nur noch Unterhalt für die Kinder gezahlt wurde und Einkommen der Klägerin allenfalls hinsichtlich des für die Bedarfsdeckung der Kinder nicht mehr benötigten Kindergeldes zugerechnet werden kann. Die genauen Unterhaltsbeträge bezogen auf die Empfänger sind jedoch vom Senat nicht weiter aufzuklären, da der vom Beklagten auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützte Aufhebungsbescheid vom 17. Juni 2008 bereits deshalb rechtswidrig ist, weil er nicht hinreichend bestimmt ist.
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein, was insbesondere den Adressaten und den Verfügungssatz betrifft. Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung des aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) folgenden Rechtsstaatsprinzips, das der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dient. Zur hinreichenden Bestimmtheit muss eine behördliche Entscheidung so eindeutig formuliert sein, dass sich ohne Rückfrage ergibt, für wen was wie geregelt wird. Gegenstand, Ziel und Regelungsgehalt der Entscheidung müssen für den Adressaten so eindeutig und vollständig sein, dass er sein Handeln danach ausrichten und die rechtlichen Konsequenzen der Entscheidung in vollem Umfange abschätzen kann (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Mai 2009 – L 28 AS 1354/08 –, zitiert nach juris Rdnr. 39). Ein Rücknahmebescheid ist aufzuheben, wenn er dem Bestimmheitsgebot nicht genügt, was der Fall ist, wenn die von dem Bescheid ausgehende Regelungswirkung bei verständiger Auslegung ohne weitere Hilfsmittel nicht zu erkennen ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 1. November 2011 – L 9 AS 831/10 – zitiert nach juris Rdnr. 40; die Revision ist anhängig unter – B 14 AS 196/11 R -).
Ob hinreichend konkrete Verfügungen vorliegen, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßstab für die Auslegung des Verwaltungsaktes ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (vgl. BSG, Urteil vom 14. August 1996 - 13 RJ 9/95 – zitiert nach juris Rn. 38 mwN). Ein Träger, der in der Vergangenheit gewährte existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zurückfordern und hierzu die aus seiner Sicht anfänglich oder nachträglich rechtswidrige Bewilligung dieser Leistungen beseitigen will, hat grundsätzlich den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nicht nur durch Benennung eines nach Anfang und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages rechtmäßig zu bestimmen. Vielmehr hat er hierzu die jeweils betroffenen Bewilligungsbescheide nach ihrem Datum zu bezeichnen und weiterhin anzugeben, für welchen (Teil-)Zeitraum diese Bewilligungs-Verwal¬tungsakte in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. März 2010 – L 3 AS 138/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Dezember 2009 – L 9 AS 477/08; siehe auch BSG, 7. Senat, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 66/01 R - sowie Urteil vom 2. Juni 2004 – B 7 AL 58/03 R - jeweils zitiert nach juris).
Diesen Anforderungen genügt der Aufhebungsbescheid vom 17. Juni 2007 auch nach den Veränderungen im Überprüfungsverfahren nicht. Es ergibt sich weder aus dem Ausgangs- noch aus dem Überprüfuungs- oder Widerspruchsbescheid, für welche Zeit und in welcher Höhe die jeweiligen Bescheide, mit denen Leistungen bewilligt worden waren, aufgehoben worden sind. Weder ist das zugerechnete Einkommen bezogen auf die Empfänger mitgeteilt worden noch der konkrete Umfang der Aufhebung. Da hier die Leistungsbewilligungen entsprechend den Regelungen in § 41 Abs. 1 SGB II monatsweise erfolgt waren, hätte aus dem Aufhebungsbescheid oder ergänzenden Anlagen hervorgehen müssen, in welchem Umfang die Bewilligungen für die einzelnen Monate nach erfolgter Teilaufhebung der Bewilligungsbescheide noch Bestand haben bzw. nicht mehr gelten sollen. Der Umfang der Teilaufhebung wird indes weder im Verfügungssatz geregelt noch an anderer Stelle erläutert, obwohl die Klägerin die fehlende Nachvollziehbarkeit der Beträge ausdrücklich im Überprüfungsverfahren gerügt hatte. Es handelt sich um eine pauschale Teilaufhebung aller Bescheide für die beiden Bewilligungszeiträume. Das vorliegende Verfahren mit einer unklaren Zuordnung des Einkommens und schwankenden monatlichen Einkünften zeigt nachdrücklich, dass die konkrete Aufhebungsentscheidung und die Grundlagen dafür aus Empfängersicht der Klägerin bei einer Pauschalaufhebung nicht nachvollziehbar sind. Das Bundessozialgericht hat zu Recht zum wochenweise bewilligten Arbeitslosengeld entschieden, dass ein Rücknahmebescheid mit einer Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages, ohne Konkretisierung dieses Betrages für die einzelnen Wochen, nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X genügt (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 66/01 R , Rdnr. 15 zitiert nach juris). Bei dieser Anforderung handelt es sich nicht (nur) um eine Frage der hinreichenden – und gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nachholbaren – Begründung (§ 35 Abs. 1 SGB X) der Verwaltungsentscheidung (in diesem Sinne jedoch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2011 L 29 AS 2038/09 – zitiert nach juris Rdnr. 49 – 51), sondern um eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Verfügungssatzes.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dem Bestimmtheitserfordernis auch nicht dadurch Rechnung getragen, dass dem bevollmächtigten Anwalt der Klägerin im Überprüfungsverfahren Akteneinsicht gewährt wurde und die Übersichten über die internen Berechnungen übermittelt wurden. Zum einen sind die internen Berechnungsblätter aus sich heraus nicht für Außenstehende verständlich, da sie behördeninterne Abkürzungen und Zuordnungen enthalten und insbesondere die Namen der Klägerin und der Kinder nicht genannt sind. Zum anderen entbindet die Gewährung von Akteneinsicht und der Einblick in interne Berechnungen die Behörde nicht von der Aufgabe, den Verfügungssatz der Bescheide unter Berücksichtigung eventueller Anlagen und Ergänzungen im Widerspruchsverfahren so klar zu fassen, das der Inhalt der Entscheidung eindeutig ist, wozu im Falle von Teilaufhebungen auch der monatsbezogene Umfang der Aufhebung gehört. Nur so kann der Hilfebedürftige auch sachgerecht zu seinem Einkommen während des Leistungsbezugs vortragen.
Da die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig und von dem Beklagten zurückzunehmen ist, entfällt auch die Grundlage für die Rückforderung, die von dem Beklagten entsprechend der Vorgabe nach § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X mit dieser Entscheidung verbunden wurde. Es kommt daher nicht darauf an, dass allein bezogen auf den Erstattungsverwaltungsakt die Forderung gegenüber der Klägerin hinreichend bestimmt ist und insbesondere auch vollstreckbar wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 R – zitiert nach juris Rdnr. 33 – 36).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die klärungsbedürftige und bisher ausdrücklich offen gelassene Frage zugelassen worden, welche Anforderungen das Bestimmt-heitsgebot nach § 33 SGB X an Verwaltungsakte über die Aufhebung von Leistungen nach dem SGB II stellt.
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