L 1 R 140/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 631/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 140/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. September 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers ein weiterer Zeitraum als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen mit den dabei erzielten Entgelten nach Nr. 4 der Anlage 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzustellen ist.

Der am ... 1943 geborene Kläger war nach Abschluss seiner pädagogischen Ausbildung (vom 05. September 1961 bis zum 24. Juli 1965) vom August 1965 bis zum September 1971 als Lehrer beim Rat der Stadt H., Abteilung Volksbildung, beschäftigt. Im Anschluss daran war er bis zum August 1976 als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Hochschule für Chemie "C. S." L.-M. in der Sektion Marxismus-Leninismus tätig. Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. September 1976 bis zum 30. Juni 1990 arbeitete er an der M.-L.-Universität H.-W. (MLU) als Leiter der Abteilung Kultur entsprechend der Verwaltungsmitteilung der MLU vom 09. Januar 2006 über die Arbeitsentgelte nach § 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG an die Beklagte.

Der Kläger entrichtete keine Beitragszahlungen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Er kann für den streitgegenständlichen Zeitraum keine schriftliche Versorgungszusage nachweisen.

Auf Antrag des Klägers vom 02. November 2001 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2006 dessen Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen vom 01. August 1965 bis zum 31. August 1976 fest. Die Beschäftigungszeit an der MLU könne jedoch keinem Zusatzversorgungssystem (ZV-System) zugeordnet werden; eine entsprechende Feststellung werde daher abgelehnt. Am 22. Februar 2006 legte der Kläger Widerspruch gegen den vorgenannten Bescheid ein, soweit für den Zeitraum 01. September 1976 bis zum 30. Juni 1990 – seine Beschäftigungszeit an der MLU – eine weitere Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem abgelehnt worden war. Hierzu trug er vor, an der MLU sei er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig gewesen. Wegen eines Diebstahls seiner diesbezüglichen Unterlagen in seiner Wohnung verfüge er nicht mehr über einen Nachweis. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, da er im streitgegenständlichen Zeitraum als Leiter der Abteilung Kultur nicht wissenschaftlich an der MLU tätig gewesen sei und daher die sachliche Voraussetzung für den anspruchsberechtigten Personenkreis nicht erfülle.

Daraufhin hat der Kläger am 08. August 2006 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. In der Funktion als Leiter der Abteilung Kultur im Prorektorat für Gesellschaftswissenschaften und später im Rektorat sei er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig gewesen. Aus dem Höherstufungsformular vom 25. Juni 1980 in Anerkennung seiner besonderen Leistungen ergebe sich dies aus dem (vorgedruckten) Einleitungssatz: "Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der (MLU) tragen Sie eine hohe gesellschaftliche Verantwortung." Auch der an ihn gerichtete Einstufungsbescheid zur Einführung leistungsorientierter Erhöhung der Gehälter aus 1988 wende sich an Wissenschaftler. Nach der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Juli 1951 (GBl. Nr. 85 S. 675, im Folgenden: AVIwiss) stehe seine Funktion als Leiter neben den hauptberuflich tätigen Wissenschaftlern. Es handele sich um zwei selbständige, voneinander unabhängige Personenkreise. Da er Leiter gewesen sei, komme es nicht darauf an, ob er daneben noch hauptberuflich wissenschaftlich tätig gewesen sei. Für die Funktion als Leiter bedürfe es keiner Wertung der ausgeübten Beschäftigung als solcher. Er sei jedoch auch hauptberuflich wissenschaftlich tätig gewesen und unterfalle zudem auch als Angehöriger der künstlerischen Intelligenz § 5 AVIwiss. Ihm seien unter anderem das Akademische Orchester, die Tanzgruppe sowie die Vereinigungen für Theater und Literatur unterstellt gewesen. Er habe auch am Aufbau des Studentenklubs M. mitgewirkt und eine Vielzahl von Veranstaltungen initiiert. Daneben habe er auch Tagungen und Kongresse organisiert.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Beschäftigung als Leiter der Abteilung Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit im Prorektorat für Gesellschaftswissenschaften sei eine Tätigkeit der Verwaltung und nicht die eines Wissenschaftlers und zähle daher nicht zur wissenschaftlichen Intelligenz. Entsprechend seien einem Ministerratsbeschluss von 1974 zufolge die Mitarbeiter der zentralen Leitungsorgane der Akademie der Wissenschaften auch in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates einzubeziehen. Dieser Entscheidung hätte es nicht bedurft, wenn diese Mitarbeiter bereits von der AVIwiss erfasst worden wären.

Mit Urteil vom 12. September 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht dem ZV-System Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG im Sinne von § 5 Abs. 1 AAÜG angehört habe, insbesondere habe er keine Versorgungszusage erhalten. Mit seiner Tätigkeit an der MLU erfülle der Kläger zwar die betriebliche Voraussetzung nach §§ 1, 6 AVIwiss, nicht aber die persönliche und sachliche Voraussetzung zum Stichtag des 30. Juni 1990, da er nicht zur wissenschaftlichen Intelligenz gemäß § 2 AVIwiss zähle. Er habe keine der in § 2 AVIwiss aufgeführten Beschäftigungen ausgeübt und sei nicht hauptberuflich tätiger Wissenschaftler gewesen. Der Kläger trage auch nicht vor, eine hauptamtliche Tätigkeit in Forschung und Lehre ausgeübt zu haben. Als Leiter der Abteilung Kultur sei er kein wissenschaftlicher Mitarbeiter gewesen. Die Einstufungsmitteilung vom 25. Juni 1980 und der Einstufungsbescheid vom 01. Oktober 1988 beinhalteten den Begriff des "wissenschaftlichen Mitarbeiters" als Formtext; daher könne diesen Schriftstücken insoweit keine konstitutive Bedeutung beigemessen werden. Maßgeblich seien die Tätigkeitsbezeichnung im Arbeitsvertrag und die Einträge im Sozialversicherungsausweis. Nach dem Wortlaut von § 2a AVIwiss müsse der Leiter nicht zugleich auch wissenschaftlich tätig gewesen sein. Aus der Präambel könne aber der Begriff des Leiters dahingehend verstanden werden, dass hier eine Leitungstätigkeit einer wissenschaftlichen Einrichtung gemeint sei. Dieses Verständnis mache auch nachvollziehbar, weshalb in § 2b AVIwiss ausdrücklich "Verwaltungsdirektoren und Herstellungsleiter in bedeutenden volkseigenen Verlagen oder Verlagsleiter, Chefredakteure oder Cheflektoren" einbezogen worden seien. Dies wäre nicht erforderlich, wenn jedweder Leiter einer Einrichtung bzw. eines Instituts gemeint gewesen wäre. Aus der ausdrücklichen Nennung ergebe sich, dass der Leiter nach § 2a AVIwiss nur derjenige sein könne, der einer wissenschaftlichen Einrichtung vorgestanden habe. Dies treffe für den Kläger als Leiter der Abteilung Kultur im Verwaltungsapparat der MLU nicht zu. Ein Anspruch auf nachträgliche Einbeziehung in das ZV-System bestehe daher nicht.

Der Kläger hat am 21. November 2008 gegen das ihm am 21. Oktober 2008 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt unter Bezugnahme auf den Höherstufungsbescheid vom 25. Juni 1980 und den Einstufungsbescheid vom 01. Oktober 1988 als Belege für seine Einstufung als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Halle vom 12. September 2008 den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, auch den Zeitraum vom 01. September 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz nach Anlage 1 Nr. 4 AAÜG mit den dabei erzielten Entgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. September 2008 zurückzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidungen und das sie bestätigende Urteil des SG für zutreffend.

Auf Antrag der Beteiligten hat das Verfahren vom 02. November 2009 bis zum 21. April 2011 geruht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 und das bestätigende Urteil des SG sind nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert ist.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 des AAÜG. Im umstrittenen Zeitraum gehörte er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der AVIwiss (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG) an.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm für den streitbefangenen Zeitraum von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.

Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung (bzw. Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) vorliegen kann (siehe nachfolgend unter 1.). Aber auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt (nachfolgend 2.).

1.

a)

Der Senat ist nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12; nunmehr BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22, 23). Die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die erweiternde Auslegung des BSG nicht hergibt. Es ist deshalb auch nicht angezeigt, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Im Übrigen waren dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG auch nach der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG nur zwei Tatbestände zu entnehmen, die zu einer Anwendbarkeit des AAÜG führen: Entweder war der Betreffende tatsächlich Inhaber einer Versorgungsanwartschaft oder er hatte diese durch Ausscheiden vor dem Leistungsfall wieder verloren (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – juris, Rdnr. 17, 16).

Selbst wenn man wegen des verwendeten Begriffs "Zugehörigkeit" zu einem Verständnis der Norm gelangen würde, welches nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abstellt, sondern auch eine fiktive Einbeziehung erfasst (so nunmehr der 5. Senat des BSG, siehe Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 23, 24, 27), verbietet sich dieses Ergebnis bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien (Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik, siehe zu den Auslegungskriterien z. B. BVerfG, Beschluss vom 08. Februar 1999 – 1 BvL 25/97 – juris). In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Es trifft auch nicht zu, dass bereits durch den EVertr das Neueinbeziehungsverbot modifiziert worden ist (so aber BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22). In Art. 17 EVertr wurde die Absicht bekräftigt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, rehabilitieren zu können. Hier ist schon fraglich, ob einer bloßen Absichtserklärung überhaupt ein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Darüber hinaus ist dem Wortlaut von Art. 17 EVertr nicht zu entnehmen, wie die Rehabilitierung im Einzelfall erfolgen sollte und insbesondere auch nicht, dass diese unter Durchbrechung des Neueinbeziehungsverbotes durch Einbeziehung in ein Versorgungssystem möglich sein sollte. Dementsprechend ergeben sich aus dem Rehabilitierungsgesetz vom 06. September 1990 (RehabG, GBl. I S. 1459) Hinweise, dass das Neueinbeziehungsverbot auch bei Rehabilitierungsmaßnahmen zu berücksichtigen war (zur Heranziehung des RehabG zum Verständnis des Art. 17 EVertr siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Januar 1999 – 3 C 5/98 – juris, dort Rdnr. 21). Nach § 9 Nr. 2 RehabG waren nämlich Zeiten des Freiheitsentzuges bei einem Rehabilitierten nur dann als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzurechnen, wenn er vor Beginn des Freiheitsentzuges dem Zusatzversorgungssystem angehörte. Es geht also nicht um eine Neueinbeziehung, sondern um die Feststellung weiterer Zeiten, vergleichbar der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG. Auch dem Wortlaut von Art. 19 Satz 2 EVertr ist eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots nicht zu entnehmen. Darüber hinaus behandelt er, soweit danach untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – a. a. O.), keine Fälle der Neu-, sondern der Wiedereinbeziehung. Art. 17 EVertr und Art. 19 EVertr lassen damit nur Schlussfolgerungen für die Fälle zu, in denen bereits, im Gegensatz zu der fiktiven Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG, eine durch Zusage oder dergleichen dokumentierte Beziehung zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem vorlag.

Den Senat überzeugt auch nicht, dass aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei. In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".

Der Gesetzgeber ging auch nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales F.-J. L.-M. auf eine Frage der Abgeordneten Dr. M. B., BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009).

b)

Außerdem überzeugt den erkennenden Senat im Rahmen der fiktiven Einbeziehung nicht die Stichtagsregelung des 30. Juni 1990, an der der nunmehr für Streitigkeiten aus dem Bereich der Zusatzversorgung zuständige 5. Senat des BSG ebenfalls festhält (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris). Die Stichtagsregelung erscheint insbesondere deshalb problematisch, weil der 5. Senat § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt und – insofern in der Begründung anders als der 4. Senat – nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG heranzieht (BSG, a.a.O., Rdnr. 20). Denn es stellt sich angesichts Art. 3 Abs. 1 GG die Frage, warum eine weite Auslegung nicht auch für den Personenkreis, den das BSG von der fiktiven Einbeziehung ausschließt, gelten müsste.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird aber verletzt, wenn eine Gruppe anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36). Aus Sicht des erkennenden Senats sind hier entsprechend gewichtige Unterschiede nicht vorhanden. Vielmehr handelt es sich hinsichtlich der rechtlich entscheidenden Gesichtspunkte um wesentlich gleiche Sachverhalte, die deshalb eine Gleichbehandlung erfordern. Diejenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen, hatten zu Zeiten der DDR aufgrund der fehlenden Versorgungszusage keine Rechtsposition inne, die ihnen eine zusätzliche Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem eröffnete. Allerdings erfüllten sie – zumindest zeitweise – die notwendigen Voraussetzungen für eine Einbeziehung. Es fehlte jedoch unter den gegebenen Voraussetzungen während des Bestehens der DDR die Möglichkeit, den an sich vorhandenen Anspruch auch durchzusetzen. Die gleichen Überlegungen gelten aber auch für den Personenkreis, den das BSG von der fiktiven Einbeziehung ausschließt. Das sind diejenigen, die keine Versorgungszusage hatten, jedoch irgendwann vor dem – nicht aber am – 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Dies legt nahe, im Rahmen der (vom erkennenden Senat abgelehnten) fiktiven Einbeziehung die genannten Personenkreise im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gleich zu behandeln. Die Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 rechtfertigt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht die unterschiedliche Behandlung der genannten Personenkreise, zumal wenn § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit ausgelegt und zur Begründung nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG herangezogen wird.

2.

Aber auch wenn man der Rechtsprechung des BSG folgen würde, hätte das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß §§ 2, 6 AVIwiss i.V.m. den beiden Durchführungsbestimmungen zur VO-AVIwiss vom 26. September 1951 und 11. Juni 1959 (DDR GBl. Nr. 117 S. 879 und GBl. I S. 612) von zwei Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für

Angehörige der wissenschaftlich tätigen Intelligenz (persönlich/sachliche Voraussetzung),

die an den Akademien, Instituten, wissenschaftlichen Bibliotheken und Museen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen tätig waren (betriebliche Voraussetzung).

Der Kläger erfüllte am maßgeblichen Stichtag die betriebliche Voraussetzung, denn die MLU fällt unter den Anwendungsbereich der AVIwiss. Die MLU als Universität war ohne Zweifel eine selbständige staatliche wissenschaftliche Einrichtung im Sinne des § 6 AVIwiss, die dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellt war.

Allerdings ist bereits die persönliche Voraussetzung zweifelhaft, da ein Nachweis über eine pädagogische Hochschulausbildung mit Abschluss nicht vorliegt. Auch wurde für Lehrer mit Hochschulausbildung regelmäßig erst nach einem fünfjährigen Studium der Grad "Diplom-Lehrer" verliehen. Nach den Zeiten der Ausbildung hat der Kläger aber lediglich knapp vier Jahre studiert und konnte auch keine Diplomurkunde vorweisen. Auf Nachfrage des Senats zu seiner zu kurzen Studienzeit teilte er im Termin mit, hierzu sei es deshalb gekommen, weil seine Ehefrau und er den Stadtsingechor H. hätten übernehmen und konsolidieren sollen. Die insoweit vom Kläger gegebene Antwort vermag indes die Zweifel am Bestehen der persönlichen Voraussetzung nicht auszuräumen.

Selbst wenn man die persönliche Voraussetzung zugunsten des Klägers als gegeben unterstellt, erfüllt er jedenfalls am maßgeblichen Stichtag nicht die sachliche Voraussetzung, denn er gehörte nicht zur wissenschaftlich tätigen Intelligenz. Die als Angehörige der wissenschaftlich tätigen Intelligenz geltenden Beschäftigten sind in § 2 AVIwiss gesetzlich definiert. Der Kläger hat keine Beschäftigung ausgeübt, die einer der dort genannten Beschäftigungen entspricht. Insbesondere war der Kläger kein hauptberuflich tätiger Wissenschaftler, denn nach seinem Arbeitsvertrag wie auch nach seinen Angaben bestand seine Aufgabe darin, unterschiedlichste Kulturangelegenheiten der Universität zu organisieren und zu verwalten, nicht jedoch darin, eigenständig Forschungsleistungen im wissenschaftlichen Prozess zu erbringen. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine hauptberufliche Lehr- oder Forschungstätigkeit. Ebenso sind auch keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen bekannt.

Der Kläger ist auch nicht als Leiter an einer wissenschaftlichen Einrichtung zu qualifizieren. Der Begriff des Leiters in § 2a AVIwiss ist in dieser gesetzlichen Vorschrift nicht näher definiert. Jedoch ergibt sich aus der Präambel der AVIwiss, dass das Zusatzversorgungssystem der wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Intelligenz zur Förderung von Wissenschaftlern, Künstlern, Lehrern, Erziehern und Ärzten eingerichtet ist, die sich durch ihr erfolgreiches und aufopferndes Wirken um den friedlichen Aufbau der DDR verdient gemacht haben. Danach vermag der Begriff des Leiters nur dahingehend verstanden zu werden, dass eine Leitungstätigkeit in einer wissenschaftlichen Einrichtung die Zugehörigkeit zur wissenschaftlich tätigen Intelligenz begründet. Demgegenüber war der Kläger als Leiter der Abteilung Kultur im Prorektorat und später im Rektorat im Rahmen seines Aufgabenbereiches nicht vorrangig mit der Leitung wissenschaftlich arbeitender Struktureinheiten befasst. Bei vergleichender Betrachtung mit den sachlichen Anforderungen zur Feststellung der Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz dürfte der Begriff des Leiters im Sinne des § 2 AVIwiss sogar noch enger beschränkt auf den jeweiligen Instituts- oder Akademieleiter zu verstehen sein. Für die AVItech wird in § 1 Abs. 1 der 2. DB zwar ausdrücklich festgestellt, dass die Werkdirektoren zur technischen Intelligenz zählen, nicht jedoch andere Personen mit verwaltungstechnischen Funktionen wie stellvertretende Direktoren, Produktionsleiter, Abteilungsleiter, Laboratoriumsleiter, Leiter von produktionstechnischen Abteilungen usw. Der Kläger hat aber eine ausschließlich verwaltende Tätigkeit ausgeführt (vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 06. November 2007 – L 4 R 334/06 – juris).

Auch und gerade unter Bezugnahme auf die in der Versorgungsordnung der AVIwiss genannten verwaltungsleitenden Funktionen wird deutlich, dass unter dem Begriff "Leiter" im Sinne von § 2a und b AVIwiss nicht jedwede Leiter eines Instituts zu erfassen sind, sondern nur solche Leiter, die einem wissenschaftlichen Institut vorgestanden haben. Anderenfalls wäre es nicht erforderlich gewesen, in § 2b AVIwiss ausdrücklich auf die Verwaltungsdirektoren und auch die Herstellungsleiter in bedeutenden volkseigenen Verlagen oder in § 2a AVIwiss auf Verlagsleiter, Chefredakteure oder Cheflektoren hinzuweisen und diese zum berechtigten Personenkreis der AVIwiss zu zählen. Wenn nämlich durch die Formulierung "Leiter" in § 2a AVIwiss jedwede Leiter eines jeden Instituts oder einer jeden Einrichtung gemeint gewesen wären, würde hierunter bereits automatisch auch ein Verlagsleiter fallen, wie auch die Verwaltungsdirektoren. Vielmehr ergibt sich aus der ausdrücklichen Nennung dieser Berufsgruppen gerade, dass der "Leiter" im Sinne von § 2a AVIwiss nur derjenige sein soll, der seinerseits einem wissenschaftlichen Institut vorsteht. Hieran scheitert es jedoch bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Leiter der Abteilung Kultur. Auch ergibt sich ein derartiges Verständnis des Begriffs des Leiters in Zusammenschau mit den dort im ersten Teilsatz weiterhin genannten berechtigten Personengruppen, nämlich den hauptberuflich tätigen Hochschullehrern und den hauptberuflich tätigen Wissenschaftlern an den Akademien, Instituten, wissenschaftlichen Bibliotheken und Museen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen. Beiden Berufsgruppen (hauptberuflich tätige Hochschullehrer und hauptberuflich tätige Wissenschaftler) ist immanent, dass diese an wissenschaftlichen Einrichtungen tätig sind. Dies muss dann erst recht für den Leiter gelten, der gegebenenfalls Dienstvorgesetzter der hauptberuflich tätigen Wissenschaftler ist, auch wenn er als Leiter auf Grund dieser Funktion nicht nur wissenschaftliche Tätigkeiten, sondern zunehmend und möglicherweise auch im überwiegenden Maße verwaltungsleitende Tätigkeiten verrichtet (vgl. auch Sächsisches LSG a.a.O.).

Hinsichtlich der Behauptung des Klägers, als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet zu haben, wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG verwiesen. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Arbeit in Forschung und Lehre. Soweit in den Formvordrucken zur Gehaltsmitteilung der Begriff "wissenschaftliche Mitarbeiter" verwandt worden war, vermag dies den Arbeitsvertrag und die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung des Klägers nicht abzuändern. Hierdurch wird keine wissenschaftliche Tätigkeit des Klägers begründet. Die Verwendung von Formularvordrucken war der Vereinfachung im Massenbetrieb an der Hochschule geschuldet, ohne dass auf den individuellen Arbeitsvertrag besondere Rücksicht genommen worden wäre. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die MLU als Arbeitgeberin den Kläger als Wissenschaftler beschäftigen wollte. Eine solche Rechtsposition kann aus den Gehaltsmitteilungen nicht abgeleitet werden.

Soweit der Kläger schließlich noch auf eine Einbeziehung nach § 5 AVIwiss abstellt, gibt es keine Anhaltspunkte, ihn als Angehörigen der künstlerisch tätigen Intelligenz einzubeziehen. Der Kläger gehörte keiner der in §§ 5a, 5b oder 5c AVIwiss genannten Berufsgruppen an. In diesem Zusammenhang ist die Berufsbezeichnung im Arbeitsvertrag des Klägers maßgeblich.

Eine korrigierende Auslegung von § 2a oder § 5 AVIwiss dahingehend, dass nicht nur die dort Genannten erfasst waren, ist aus bundesrechtlicher Sicht nicht möglich. Die Regelungen des Versorgungsrechts haben sich strikt an deren Wortlaut zu orientieren, da das Analogieverbot einer erweiternden Auslegung entgegen steht (BSG, Beschluss vom 14. Februar 2008 – B 4 RS 133/07 B – juris). Mithin kann für den umstrittenen Zeitraum unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine nachträgliche Einbeziehung in ein ZV-System festgestellt werden.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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