L 10 R 760/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 709/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 760/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.01.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Die am 1959 geborene Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Friseurin und war kurzzeitig in diesem Beruf tätig. Im Anschluss war sie in verschiedenen Branchen als ungelernte Kraft tätig, zuletzt bis Juni 2007 als Reinigungskraft geringfügig (Bl. 191 VA). Im Zuge ihrer Ehescheidung und zur Klärung der nachehelichen Unterhaltsansprüche beantragte die Klägerin bei der Beklagten im August 2008 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte das Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie mit der Zusatzbezeichnung Sozialmedizin Dr. U. ein, die auf Grund Untersuchung im Mai 2009 (äußerst angespannter und subdepressiver Affekt bei reduzierter Modulationsbreite, verarmte Mimik, wenig Blickkontakt, reduziertes Energieniveau, reduzierte psychomentale Belastbarkeit, Schlafstörungen, Grübelneigung, sozialer Rückzug) eine mittelschwere Depression, eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung sowie eine Psoriasis-Arthritis diagnostizierte und das Leistungsvermögen der Klägerin auf drei bis unter sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten einschätzte. Schon damals machte die Klägerin keine konkreten Angaben zum Tagesablauf. Auf dieser Grundlage bewilligte die Beklagte im September 2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.10.2010. Vor dem Hintergrund des Scheidungsverfahrens teilte die Klägerin der Beklagten daraufhin mit, dass sie die Erwerbsminderungsrente nicht in Anspruch nehmen werde, was die Beklagte als Rücknahme des Rentenantrages bestätigte (Bl. 453 VA).

Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2010 wurde die Ehe der Klägerin mit Urteil des Amtsgerichts P. vom 19.02.2010 geschieden. Auf den Antrag der Klägerin von Ende Januar 2010 bewilligte die Beklagte auf der Grundlage der früheren Sachaufklärung Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.01. bis 31.10.2010.

Auf den Weiterzahlungsantrag veranlasste die Beklagte eine weitere Begutachtung bei Dr. U. , die auf Grund Untersuchung vom September 2010 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig im Stadium der Kompensation, eine Psoriasis-Arthritis sowie ein rezidivierendes HWS-Syndrom bei Bandscheibenprolaps HWK 5/6, derzeit ohne radikuläre Defizite, diagnostizierte und das Leistungsvermögen der Klägerin angesichts lediglich leichtgradiger psychischer Beeinträchtigungen auf täglich sechs Stunden und mehr für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten einschätzte. Sie schloss Tätigkeiten mit besonderer psychischer Beanspruchung, besonderer Anforderung an das Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, mit Zeitdruck und mit Nachtschicht aus. Auch Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie unter Nässe, Zugluft oder extrem schwankenden Temperaturen sollten vermieden werden. Im Rahmen der Untersuchung machte die Klägerin erneut zum Tagesablauf auch auf Nachfrage keine konkreten Angaben. Sie gab lediglich an, die Tochter habe sich von ihrem Mann getrennt und zwei kleine Kinder verlassen. Sie, die Klägerin, müsse ihn und die Kinder unterstützen. Außerdem kümmere sie sich regelmäßig um die demenzkranke Mutter, die lediglich eine Straße weiter wohne, und die in vielen alltäglichen Dingen, z.B. Einkaufengehen, unterstützt werden müsse. Seit den Gewalterfahrungen in ihrer Ehe habe sie Angst vor Männern, sie könne sie auch nicht mehr ertragen. Sie gab aber auch an, einen festen Partner zu haben. Manchmal habe sie nachts taube Hände, mitunter sei der linke Daumen taub, dies sei allerdings kein Problem. Schlafstörungen verneinte die Klägerin und gab gelegentliche Gelenkbeschwerden an. Die Gutachterin schloss auf Grund neurologischer Untersuchung Affektionen der Nerven aus. Im psychischen Befund beschrieb sie Vigilanz und Orientierungsvermögen unbeeinträchtigt. Anders als bei der Voruntersuchung habe sich die Klägerin zunehmend geöffnet, sei dabei durchgehend in einer mürrisch-vorwürflichen Grundhaltung gewesen. Unwirsch habe sie auf die Frage einer eventuellen Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit reagiert, schließlich sei sie schon sehr lange draußen, sehe keine Perspektive mehr am Arbeitsmarkt und außerdem könne man dort auch nicht sagen, was man denke, sonst fliege man sofort wieder raus. Den Affekt beschrieb die Gutachterin dysphorisch, die Modulationsbreite etwas eingeschränkt, den Antrieb situationsadäquat, die psychomentale Belastbarkeit ausreichend gut. Morgentief, phasischer Verlauf, Phobien, Panikerleben und Zwänge wurden verneint. Kognitive Funktionsstörungen fand die Gutachterin nicht, sie beschrieb das formale und inhaltliche Denken regelrecht. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.09.2010 und Widerspruchsbescheid vom 14.01.2011 die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Das hiergegen am 15.02.2011 mit dem Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.10.2010 hinaus angerufene Sozialgericht Karlsruhe hat, nachdem die Klage nicht begründet worden ist, die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2012 abgewiesen. Nach Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hat es ausgeführt, seine Überzeugung auf die erhobenen Befunde und die eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. U. zu stützen. Deren Beurteilung korrespondiere mit der Angabe der Klägerin, sich regelmäßig um ihre demenzkranke Mutter zu kümmern und wieder einen neuen Lebenspartner zu haben. Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren behauptete Tagesmüdigkeit und Beschwerden wegen Rheuma habe Dr. U. hingegen nicht bestätigt.

Gegen den ihr am 23.01.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21.02.2012 Berufung eingelegt. Sie meint, schon allein die gesundheitlichen Einschränkungen wegen Arthritis im Bereich beider Knie, die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und die zusätzlichen rheumatischen Beeinträchtigungen führten zu einer Erwerbsminderung. Zur Beurteilung dieser orthopädischen Einschränkungen sei Dr. U. nicht berufen. Außerdem sei das Gutachten offensichtlich lückenhaft, weil es keinen allgemeinen Tagesablauf der Klägerin enthalte. Die Frage der Erwerbsfähigkeit richte sich aber grundsätzlich nach den Auswirkungen auf das tägliche Umfeld. Dr. U. habe auch nicht dargelegt, worauf sie die Behauptung der Kompensation der bei der Klägerin vorliegenden Depression stütze. Demgegenüber habe die behandelnde Psychotherapeutin R.-S. im Arztbrief an den Hausarzt Dr. E. vom Juni 2010 dargelegt, dass sie, die Klägerin, sich weiterhin in einem labilen und behandlungsbedürftigen psychischen Zustand befinde. Die psychiatrische Erkrankung führe zu einer nicht vorhandenen Leistungsfähigkeit, dies resultiere insbesondere aus einer täglichen Antriebslosigkeit und der Unfähigkeit, ohne extrinsische Motivationssituation Zeiten pünktlich einzuhalten. Auch den Geschwindigkeitsanforderungen des letzten Arbeitgebers beim Reinemachen habe sie nicht gerecht werden können. Sie sei nicht in der Lage, regelmäßig an die notwendigen Dinge des täglichen Lebens zu denken. Dass sie sich um ihre kranke Mutter kümmern müsse, stehe dem nicht entgegen. Das Sozialgericht habe hierzu keine Feststellungen zu Art und Umfang der Hilfen getroffen. Außerdem liege eine regelmäßige Tagesmüdigkeit auf Grund von Schlafstörungen vor. Nicht berücksichtigt worden sei ihre Angst vor männlichem Kontakt, dem sie am freien Arbeitsmarkt nahezu täglich ausgesetzt wäre.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.01.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2011 zu verurteilen, ihr ab dem 01.11.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 17.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.01.2011, mit dem die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte, ausweislich der schriftsätzlich und im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes gestellten Antrages allein in Bezug auf die (Weiter)Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dementsprechend hat auch das Sozialgericht zutreffend allein über einen derartigen Rentenanspruch entschieden. Soweit es gleichwohl in den Entscheidungsgründen § 230 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) als Rechtsgrundlage genannt (Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit) und einem Berufsschutz verneint hat, geht dies am Streitgegenstand vorbei.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Das Sozialgericht hat in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Klägerin angesichts des von der Beklagten eingeholten Gutachtens der Dr. U. nicht erwerbsgemindert ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist zu ergänzen, dass nicht Dr. U. und damit die Beklagte darzulegen und zu begründen hat, aus welchen Gründen die Klägerin noch in der Lage ist, wenigstens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Denn mit Auslaufen der zuvor bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die bis zum 31.10.2010 erfolgte bestandskräftige Befristung macht die Klägerin für die hier allein streitige Zeit ab 01.11.2010 einen neuen, weiteren Rentenanspruch geltend. Dementsprechend geht es streitentscheidend nicht um die Frage, ob bzw. inwieweit seit der ersten Begutachtung durch Dr. U. , die Grundlage für die nachfolgende Rentenbewilligung war, eine Änderung in Form einer Besserung des Gesundheitszustandes eintrat. Maßgebend ist allein, ob das Leistungsvermögen der Klägerin auf ein Maß abgesunken ist, das volle Erwerbsminderung begründet.

Hiervon kann - wie vom Sozialgericht dargelegt - nicht ausgegangen werden. Das Gutachten von Dr. U. lässt keine Umstände erkennen, die eine zeitliche Limitierung der Leistungsfähigkeit der Klägerin belegen. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Denn die anspruchsbegründenden Tatsachen - hier die rentenrelevante Leistungsminderung - müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Damit greift zum einen die Rüge der Klägerin, das Sozialgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang sie sich um ihre demenzkranke Mutter kümmert, nicht durch. Denn die Klägerin machte gegenüber Dr. U. keine Angaben zu ihrem Tagesablauf und damit auch nicht zum Umfang der Versorgung ihrer Mutter; dass die Klägerin sich um ihre Mutter kümmert, ergibt sich aus den entsprechenden Angaben gegenüber Dr. U. , aus weiteren Unterlagen (s. Arztbrief des Facharzte für Neurologie R. , Bl. 857 VA: "ihre Mutter sei sehr kompliziert in der Versorgung") und wird von der Klägerin auch nicht bestritten. Aus fehlenden Angaben der Klägerin zum Umfang dieser Tätigkeit lässt sich keine Leistungseinschränkung herleiten. Bei Anwendung der beschriebenen Beweisgrundsätze ist zum anderen aber auch der Kritik der Klägerin am Gutachten von Dr. U. der Boden entzogen. Denn das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin greift das Gutachten unter dem Aspekt an, die Gutachterin habe nicht hinreichend untersucht und begründet, warum sie - anders als nach der früheren Einschätzung der Gutachterin - noch wenigstens sechs Stunden täglich arbeiten können soll. Auch mit diesem Vorbringen verkennt die Klägerin die maßgebenden Grundsätze der Beweislast. Dementsprechend ist es ohne Bedeutung, dass das Gutachten - so die Klägerin - keinen allgemeinen Tagesablauf der Klägerin beschreibt. Denn dieses "Manko" ist allein von der Klägerin zu verantworten, die insoweit Angaben verweigerte. Nur aus einem "auffälligen Tagesablauf" könnten eventuell Rückschlüsse auf das von der Klägerin zu beweisende eingeschränkte Leistungsvermögen gezogen werden. Verweigert die Klägerin aber entsprechende Angaben, lässt sich ein solcher Rückschluss schon mangels entsprechend feststellbarer Umstände nicht ziehen, sodass auch dies nach den dargelegten Beweisgrundsätzen zu Lasten der Klägerin geht.

Dass Dr. U. keine ausdrückliche Begründung für ihre Annahme bietet, die Depression sei derzeit kompensiert, ist unerheblich. Denn diese Beurteilung lässt sich zwanglos aus dem erhobenen und im Tatbestand wiedergegebenen Befund ableiten, der keine relevanten psychischen Einschränkungen belegt. Die Einschätzung der behandelnden Psychotherapeutin in dem von der Klägerin zur Begründung ihrer Berufung vorgelegten Schreiben war der Gutachterin bekannt und wurde durch ihr Gutachten gerade nicht bestätigt.

Soweit die Klägerin zeitlich limitierende Einschränkungen durch die psychische Erkrankung behauptet, folgt ihr der Senat nicht. Insbesondere trifft es nach dem Gutachten von Dr. U. nicht zu, dass Schlafstörungen zu einer regelmäßigen Tagesmüdigkeit führen. So verneinte die Klägerin gegenüber Dr. U. Schlafstörungen (s. die Dokumentation unter Vegetativum: "Schlafstörungen wurden verneint"). Auch die von der Klägerin behauptete Antriebslosigkeit findet im Gutachten von Dr. U. keine Bestätigung. Die Gutachterin beschrieb vielmehr die psychomentale Belastbarkeit als ausreichend gut. Soweit die Klägerin diese Antriebslosigkeit dahingehend konkretisiert, sie sei unfähig, ohne extrinsische Motivationssituation Zeiten pünktlich einzuhalten, ist dieser Einwand in Bezug auf die Frage der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht überzeugend. Denn gerade die Bezahlung geleisteter Arbeit wäre eine die Klägerin im Falle von Erwerbstätigkeit dann antreibende extrinsische Motivation. Auch aus dem Umstand, dass nach Angaben der Klägerin es ihr nicht möglich war, den Geschwindigkeitsanforderungen als Reinigungskraft im letzten Arbeitsverhältnis gerecht zu werden, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung sind nicht die Anforderungen des letzten Arbeitsplatzes, sondern leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Schließlich vermag der Senat aus den Angaben der Klägerin, sie habe auf Grund einer Vergewaltigungssituation Angst vor Männern keine Leistungseinschränkung abzuleiten. Es mag sein, dass die Klägerin eine besondere Nähe zu Männern ablehnt. Indessen kann einer derartigen Abneigung durch qualitative Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen werden (ohne näheren körperlichen und emotionalen Kontakt zu Männern), wobei derartige Anforderungen ohnehin für - eine allein in Rede stehende - leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Eine absolute Abneigung gegenüber Männern liegt bei der Klägerin jedenfalls nicht vor. So hat sie einen männlichen Lebenspartner gefunden, sie unterstützt nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. U. den von der Tochter verlassenen Schwiegersohn, sie ist langjährig von einem männlichen Hausarzt (Dr. E. ) behandelt worden, sie wurde von einem männlichen Neurologen behandelt (Facharzt für Neurologie R. , Bl. 857 VA) und sie wird nach wie vor von männlichen Orthopäden behandelt (aktenkundig im März 2011 von Dr. D. , Bl. 15 LSG-Akte, und im April 2010 sowie im Mai 2012 durch Dr. Sorg, Bl. 855 VA, 22 LSG-Akte); selbst ihr Prozessbevollmächtigter im vorliegenden Verfahren ist männlich. Auch Dr. U. sah insoweit keinen Grund für die Annahme einer relevanten Leistungseinschränkung.

Aus dem Vorbringen der Klägerin zu ihren Erkrankungen im Bereich der Knie, der Wirbelsäule und zu rheumatischen Beschwerden resultiert ebenfalls keine zeitliche Leistungseinschränkung. Vielmehr kann den aus diesen Erkrankungen resultierenden funktionellen Einschränkungen typischerweise und auch im Falle der Klägerin durch qualitative Einschränkungen - im Wesentlichen indem der Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Ausschluss von Zwangshaltungen (so zutreffend Dr. U. ) zugemutet werden - Rechnung getragen werden. Ohnehin hat die Klägerin nicht dargelegt, welche wesentlichen, dauerhaften funktionellen Einschränkungen aus diesen Erkrankungen folgen sollen. Gegenüber Dr. U. berichtete sie lediglich von gelegentlichen Gelenkbeschwerden (s. unter Vegetativum) und darüber, dass sie nachts manchmal taube Hände habe, insbesondere sei der linke Daumen taub, dies sei allerdings derzeit kein Problem (s. unter "Jetzige Beschwerden"). Dr. U. beschrieb in Bezug auf den Halte- und Bewegungsapparat keine Auffälligkeiten. Soweit die Klägerin meint, Dr. U. sei als Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie zur Beurteilung orthopädischer Störungen nicht kompetent, trifft dies so nicht zu. Vielmehr gehört es zum Aufgabenbereich des neurologischen Gutachters, auch Auffälligkeiten im Haltungs- und Bewegungsapparat zu dokumentieren und entweder selbst, in Bezug auf das neurologische Fachgebiet, abzuklären oder auf die Notwendigkeit ergänzender Begutachtung hinzuweisen. Dabei kommt im Falle von Bandscheibenvorfällen - im Falle der Klägerin im Bereich HWK 5/6 - der Frage einer radikulären Beschwerdesituation maßgebliche Bedeutung zu; als Neurologin aber ist Dr. U. zur Abklärung einer solchen Auswirkung eines Bandscheibenvorfalls berufen und sie schloss radikuläre Defizite auf Grund ihrer neurologisch-technischen Untersuchung ausdrücklich aus. Im Übrigen führt Dr. U. die Zusatzbezeichnung Sozialmedizin und verfügt damit über gerade für die streitige Leistungsfähigkeit relevante Fachkompetenzen, die über das eigentliche nervenärztliche Gebiet hinausreichen. Wenn die Gutachterin dann angesichts des Beschwerdevorbringens (nur gelegentliche Gelenkbeschwerden und gelegentliche Taubheitsgefühle) und in Ermangelung in der Untersuchungssituation erkennbarer Auffälligkeiten im Bereich des Halte- und Bewegungsapparates diesem Bereich ansonsten keine maßgebliche Bedeutung für das Leistungsvermögen beimaß, ist dies überzeugend und führt zu dem Schluss, dass in diesem Bereich keine rentenrelevanten Einschränkungen vorliegen.

Die Hinweise der Klägerin auf das vorgelegte Schreiben von Dr. D. vom Februar 2012 führen ebenso wenig weiter wie der vorgelegte Befundbericht über eine Kernspintomografie des rechten Kniegelenkes. Denn solcher Art auffällige Befunde im Kernspintomogramm lassen keinen Rückschluss auf funktionelle Einschränkungen zu. In Bezug auf das rechte Kniegelenk hat im Übrigen zwischenzeitlich eine Arthroskopie stattgefunden, sodass insoweit von einer Besserung auszugehen ist. Entsprechend sind hinsichtlich der Gehfähigkeit der Klägerin anlässlich des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes keinerlei Einschränkungen erkennbar gewesen und sind Einschränkungen auch nicht behauptet worden. Der Bericht von Dr. D. bestätigt die Beurteilung von Dr. U. , wonach seitens der Wirbelsäule keine Wurzelreizsymptomatik nachzuweisen ist. Dass die im Bericht von Dr. D. beschriebenen Auffälligkeiten im Bereich der linken Schulter (schmerzhaftes joint play, Kapselmuster) von Dauer sind, ist dem Bericht nicht zu entnehmen und von der Klägerin nicht behauptet. Jedenfalls lassen sich hieraus keine zeitlichen, sondern allenfalls qualitative Einschränkung ableiten (keine Arbeiten mit dem linken Arm in Vorhalte oder gar über Kopf). Soweit sich die Klägerin auf eine im September 2011 erteilte Therapieempfehlung wegen eines Rheumaschubes beruft, folgt hieraus nichts anderes. Es ist nicht ersichtlich, dass die empfohlene Therapie fehlgeschlagen wäre.

Die Klägerin ist somit nicht gehindert, die beispielsweise in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise geforderten Verrichtungen, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, kleinere Reinigungstätigkeiten, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) mindestens sechs Stunden täglich auszuüben und entsprechende Arbeitsplätze aufzusuchen. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung liegen somit nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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