L 11 KR 1362/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 6548/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1362/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.03.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin weitere Kosten zweier Widerspruchsverfahren zu erstatten hat, wobei insbesondere der Erlass von Überprüfungsbescheiden nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig ist.

Die 1947 geborene Klägerin, die bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist, ist gelernte Verlagskauffrau und war zuletzt bei einem Verlag im Außendienst in Vollzeit beschäftigt. Seit dem 01.07.2008 war sie aufgrund eines psychovegetativen Erschöpfungssyndroms bei Belastung am Arbeitsplatz arbeitsunfähig. Sie bezog deswegen ab dem 12.08.2008 Krankengeld (Krg). Die Beklagte holte die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 23.07.2008 ein, wonach aus medizinischer Sicht auf Zeit Arbeitsunfähigkeit bestehe. Eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit könne nicht abschließend beurteilt werden. Zunächst sei eine fachpsychiatrische Mitbehandlung angezeigt. Mit Schreiben vom 26.08.2008 beantragte die Klägerin unter Beifügung des ärztlichen Befundberichts des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. vom 20.08.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme. Mit Schreiben vom 25.09.2008 forderte die Beklagte die Klägerin "nachgehend" auf, ihren bereits gestellten Rehabilitationsantrag nicht zurückzunehmen. Anderenfalls werde die Krg-Zahlung eingestellt werden. Die DRV lehnte den Antrag zunächst ab. Nachdem die Beklagte das weitere Gutachten des MDK vom 22.09.2008 eingeholt hatte, in dem dieser von einer erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit ausging, genehmigte die DRV auf den Widerspruch der Klägerin hin die beantragte Rehabilitationsmaßnahme, die vom 05.01. bis 16.02.2009 in der Rehaklinik G. stattfand. Laut Mitteilung der Rehaklinik G. vom 16.02.2009 wurde die Klägerin arbeitsunfähig entlassen. Daraufhin bat die Beklagte den MDK um eine weitere Stellungnahme. In seinem Gutachten vom 24.03.2009 teilte dieser mit, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich gemindert sei, weshalb ein Arbeitsplatzwechsel zu prüfen sei. Hierüber unterrichtete die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2009, die daraufhin mitteilte, der Arbeitgeber solle über den vorgeschlagenen Arbeitsplatzwechsel nicht informiert werden. Mit weiterem Schreiben vom 06.05.2009 forderte die Beklagte die Klägerin auf, einen Antrag auf Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme beim Rentenversicherungsträger zu beantragen und die Stellung des Antrags bis spätestens 17.07.2009 ihr gegenüber zu bestätigen. Andernfalls werde die Krg-Zahlung eingestellt. Am 15.06.2009 erkundigte sich die Beklagte nach dem Zwischenstand und kündigte telefonisch gegenüber der Klägerin den am 16.06.2009 erlassenen Bescheid an. Darin wurde die Klägerin unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht aufgefordert, den Arbeitsplatzwechsel selbst mit ihrem Arbeitgeber zu klären. Der Klägerin wurde eine Frist bis zum 07.07.2009 gesetzt und sie wurde darauf hingewiesen, dass die Beklagte bei Nichteinhaltung der Frist kein Krankengeld mehr zahle.

Der klägerische Bevollmächtigte legte am 17.06.2009 gegen das "als Verwaltungsakt zu qualifizierende Handeln" vom 15.06.2009 und am 22.06.2009 gegen den Bescheid vom 16.06.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte sei nicht befugt, sich in die arbeitsrechtlichen Verhältnisse seiner Mandantin einzumischen. Hierfür bestehe ebenso wenig eine Rechtsgrundlage im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wie für die daraufhin angekündigte Nichtzahlung von Krankengeld. Mit Bescheid vom 26.06.2009 hob die Beklagte den "Verwaltungsakt vom 15.06.2009 sowie 16.06.2009" auf, sodass den Widersprüchen abgeholfen sei.

Am 22.06.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, die Überprüfung der Bescheide vom 25.09.2008 und 06.05.2009 gemäß § 44 SGB X. In beiden Bescheiden habe die Beklagte ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Sie seien daher rechtswidrig. Dies folge bereits daraus, dass bereits ein Rehabilitationsantrag aus "freien Stücken" gestellt worden sei. Mit Bescheiden vom 07.07.2009 lehnte die Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 25.09.2008 und 06.05.2009 ab. Sämtliche vorliegende Informationen, insbesondere die Ergebnisse des MDK, seien genutzt worden, um das Ermessen auszuüben. Die Bescheide seien daher nicht rechtswidrig. Hiergegen erhob die Klägerin jeweils mit Schreiben vom 10.07.2009 und 13.07.2009 Widerspruch. Mit Bescheid vom 10.11.2009 half die Beklagte den Widersprüchen ab und hob die Überprüfungsbescheide vom 07.07.2009 und die zugrundeliegenden Bescheide vom 25.09.2008 und 06.05.2009 auf. Auf Antrag erstatte die Beklagte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen, die der Klägerin durch die beiden Widerspruchsverfahren jeweils entstanden seien. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines Bevollmächtigten sei erforderlich gewesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die nachträgliche Aufforderung, einen Antrag auf eine Rehabilitationsmaßnahme oder Rente zu stellen, sei rechtswidrig gewesen. Denn im Bescheid vom 25.09.2008 sei kein Ermessen ausgeübt worden. Die zweite Aufforderung vom 06.05.2009 sei rechtswidrig, da die Klägerin aus einer vorangegangenen Rehabilitationsmaßnahme arbeitsunfähig entlassen worden sei, so dass sich die entsprechende Aufforderung als ungeeignet und daher rechtswidrig darstelle.

Daraufhin beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Kostennoten vom 17.11.2009 (im Hinblick auf den Widerspruch vom 10.07.2009) nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zum einen die Erstattung der Summe von 1.261,40 EUR ("Vergütungsrechnung I", die sich wie folgt zusammensetzte: Geschäftsgebühr nach § 3 RVG iVm Nr 2400 des Vergütungsverzeichnisses [VV] iHv 520,- EUR, Einigungsgebühr nach Nr 1005 VV iHv 520,- EUR und Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV iHv 20,- EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV iHv 201,40 EUR) und "alternativ" die Erstattung der Summe von 642,60 EUR für das Überprüfungsverfahren ("Vergütungsrechnung II", die sich wie folgt zusammensetzte: Geschäftsgebühr nach § 3 RVG iVm Nr 2400 VV iHv 520,- EUR, Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV iHv 20,- EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV iHv 102,60 EUR) bzw von 499,80 EUR für das Widerspruchsverfahren ("Vergütungsrechnung II", die sich wie folgt zusammensetzte: Geschäftsgebühr nach § 3 RVG iVm Nr 2400 VV iHv 120,- EUR, Einigungsgebühr nach Nr 1005 VV iHv 120,- EUR und Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV iHv 20,- EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV iHv 79,80 EUR). Mit Kostennoten vom 18.11.2009 (im Hinblick auf den Widerspruch vom 13.07.2009) beantragte er zum einen die Erstattung der Summe von insgesamt 1.259,02 EUR ("Vergütungsrechnung I", die sich wie folgt zusammensetzte: Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV iHv 519,- EUR, eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV iHv 519,- EUR, eine Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV iHv 20,- EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV iHv 201,02 EUR) und "alternativ" die Erstattung der Summe von 641,41 EUR für das Überprüfungsverfahren ("Vergütungsrechnung II", die sich wie folgt zusammensetzte: Geschäftsgebühr nach § 3 RVG iVm Nr 2400 VV iHv 519,- EUR, Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV iHv 20,- EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV iHv 102,41 EUR) bzw 497,42 EUR für das Widerspruchsverfahren ("Vergütungsrechnung II", die sich wie folgt zusammensetzte: Geschäftsgebühr nach § 3 RVG iVm Nr 2400 VV iHv 119,- EUR, Einigungsgebühr nach Nr 1005 VV iHv 119,- EUR und Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV iHv 20,- EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV iHv 79,42 EUR). Die Vergütungsrechnungen I gingen davon aus, dass die Beklagte die Kosten für das Vorverfahren nicht trage und die Beklagte deshalb im Widerspruchsverfahren nicht kostenprivilegiert sei. Die Vergütungsrechnungen II gingen davon aus, dass die Beklagte die Kosten für das Verwaltungsverfahren trage und deshalb im Widerspruchsverfahren kostenprivilegiert sei.

Die Beklagte teilte dem Bevollmächtigten der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 10.12.2009 mit, dass sie beabsichtigte, einen Betrag von insgesamt 166,60 EUR (bestehend aus Geschäftsgebühr von 120,- EUR, Auslagenpauschale von 20,- EUR sowie Umsatzsteuer von 26,60 EUR) bzw 165,41 EUR (bestehend aus Geschäftsgebühr von 119 EUR, Auslagenpauschale 20,- EUR sowie Umsatzsteuer von 26,41 EUR) zur Erstattung festzusetzen, da er bereits im Antragsverfahren nach § 44 SGB X tätig geworden sei. Die Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Nachdem der Bevollmächtigte der Klägerin hierauf nicht reagiert hatte, setzte die Beklagte mit Bescheiden vom 28.12.2009 die zu erstattenden Kosten wie angekündigt fest. Die Bescheide wurden den Bevollmächtigten der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 31.12.2009 zugestellt.

Am 01.02.2010 erhob der Klägervertreter zwei Widersprüche "gegen den Bescheid vom 10.11.2009" und gegen den "Abhilfebescheid vom 10.11.2009". Die Widersprüche enthielten keine Begründung. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen "den Bescheid vom 10.11.2009" zurück. Der Widerspruch sei nicht zulässig, da eine Beschwer aufgrund des Abhilfebescheids nicht mehr vorgelegen habe. Der Klägerin fehle mithin auch das Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus sei der Widerspruch auch unbegründet.

Am 22.04.2010 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin schriftlich die Überprüfung der Bescheide vom 28.12.2010. In diesem Zusammenhang gab er an, dass es doch wohl klar gewesen sei, dass sich seine Widersprüche vom 01.02.2010 gegen die Bescheide vom 28.12.2012 gerichtet hätten. Mit Schreiben vom 19.07.2010 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit, nachdem weder neue sachliche oder rechtliche Tatsachen vorgebracht worden seien, bestünde kein Anlass, die Kostenfestsetzungsbescheide vom 28.12.2009 erneut materiell zu prüfen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten die Schreiben nicht. Sie wurden dem Bevollmächtigten der Klägerin allerdings mit Postzustellungsurkunde am 21.07.2010 zugestellt.

Gegen die beiden Bescheide vom 19.07.2010 legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 09.08.2010 jeweils getrennt Widerspruch ein. Die Beklagte habe keine Überprüfung vorgenommen. Damit sei die Klägerin nicht einverstanden. Die Beklagte sei verpflichtet, über einen Antrag nach § 44 SGB X in der Sache zu entscheiden.

Am 09.08.2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) zwei Untätigkeitsklagen erhoben (S 14 KR 4068/10 und S 14 KR 4069/10), die das SG mit Beschluss vom 08.02.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az: S 14 KR 4068/10 verbunden hat.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 hat die Beklagte die Widersprüche vom 09.08.2010 gegen die Bescheide vom 19.07.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kostenfestsetzungsbescheide seien nach § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unanfechtbar, da sie bestandskräftig geworden seien. Hierauf habe sich die Beklagte auch berufen dürfen. Denn die Klägerin habe keine Anhaltspunkte vorgetragen, die bei einer Ermessensentscheidung im Rahmen des § 44 Abs 2 Satz 2 SGB X zu einer anderen Entscheidung hätten führen können. Soweit sich aus einem Überprüfungsantrag nichts ergebe, was für die Unrichtigkeit der ursprünglichen Entscheidung sprechen könne, dürfe sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der ursprünglichen Entscheidung berufen. Eine erneute Entscheidung in der Sache sei nicht notwendig gewesen, da die Klägerin neue Tatsachen, Erkenntnisse oder Beweismittel weder vorgebracht habe noch seien sie anderweitig bekannt geworden. Im Übrigen seien die Kostenfestsetzungsbescheide formell und materiell rechtmäßig. Dies hat die Beklagte in der Widerspruchsbegründung weiter ausgeführt.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.12.2010 beim SG zwei weitere Klagen erhoben (S 14 KR 6548/10 und S 14 KR 6549/10), die das SG mit Beschluss vom 14.02.2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az: S 14 KR 6548/10 verbunden hat.

Zur Begründung ihrer Klagen hat die Klägerin ausgeführt, die Beklagte habe sich geweigert, im Rahmen von § 44 SGB X eine Überprüfung der Bescheide vom 28.12.2009 vorzunehmen. Dies ergebe sich eindeutig aus den Bescheiden vom 19.07.2010. Damit gebe es aber keinen Bescheid, der hätte mit Widerspruch angefochten werden können, weshalb auch keine Möglichkeit bestehe, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Der Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 sei insoweit nichtig. Das Verfahren richte sich nach § 44 Abs 2 SGB X. Da es um die Aufhebung für die Vergangenheit gehe, müsse die Beklagte Ermessen ausüben. Da eine solche Ermessensausübung nirgends erkennbar sei, könnten die Bescheide vom 19.07.2010 keine Überprüfungsbescheide sein.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.03.2011 hat das SG die Klage (gemeint: die Klagen) abgewiesen. Die Klage sei im Hauptantrag unbegründet. Der Widerspruchsbescheid ist nicht isoliert allein deshalb aufzuheben, weil ihm kein Ausgangsbescheid vorausgegangen sei. Dem Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 seien am 19.7.2010 zwei Bescheide vorausgegangen, die die Klägerin am 06.08.2010 mit Widerspruch angefochten habe. Der Widerspruchsbescheid sei auch nicht deshalb aufzuheben, weil er erstmals in die materielle Prüfung der Bescheide vom 28.12.2009 eingestiegen sei. Die Beklagte habe vielmehr dem Begehren der Klägerin Rechnung getragen, noch einmal eine materielle Prüfung zu erlangen, obwohl die Bescheide vom 28.12.2009 bereits bestandskräftig gewesen seien. Insofern sei die Klägerin durch den Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 jedenfalls nicht beschwert. Der Widerspruchsbescheid sei auch nicht nichtig. Selbst wenn es sich um die erste Entscheidung über die Überprüfungsanträge vom 22.04.2010 gehandelt hätte, so wäre er nicht nichtig im Sinne von § 40 SGB X, denn die Bezeichnung eines Erstbescheids als Ausgangsbescheid sei kein schwerwiegender offenkundiger Fehler im Sinne dieser Vorschrift, sondern führe allenfalls zu einer Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung, denn gegen einen erstmaligen Bescheide sei ein erneuter Widerspruch zulässig. Den Anforderungen des § 44 Abs 2 SGB X genügten die Bescheide vom 19.7.2010 gerade noch. Durch den Hinweis auf den fehlenden Vortrag neuer Tatsachen habe die Beklagte gerade noch hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie den bei der Entscheidung am 28.12.2009 bekannten Sachverhalt weiter für maßgeblich halte und bei ihrer Rechtsauffassung bleibe. Der Hinweis, dass sie keinen Anlass sehe, den Bescheid erneut materiell zu prüfen, könne nur im Zusammenhang mit dem fehlenden neuen Sachvortrag verstanden werden. Er bedeutete bei Auslegung nach einem objektiven Empfängerhorizont, dass die Beklagte davon ausgehe, dass der zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend gewesen sei und die Bescheide vom 28.12.2009 rechtmäßig seien. Im Übrigen habe die Beklagte der Klägerin zu Recht für den Widerspruch vom 10.07.2009 166,60 EUR und für den Widerspruch vom 13.07.2009 165,41 EUR erstattet. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten habe sich auf die Einlegung und kurze Begründung des Widerspruchs unter Hinweis auf die Gesetzeslage und das Vorbringen in der Antragsschrift beschränkt. Er habe nicht erkennbar daran mitgewirkt, dass die Beklagte von der Unrichtigkeit der Schreiben vom 25.09.2008 und 06.05.2009 überzeugt worden sei und die Aufforderung an die Klägerin einen Antrag auf Rehabilitation beim Rentenversicherungsträger zu stellen aufgehoben worden sei. Weiterhin sei die Beklagte zu Recht von einer Anwendbarkeit der Nr 2401 VV RVG und nicht der Nr 2004 VV RVG ausgegangen. Der Klägervertreter habe bereits den Antrag auf Überprüfung der Schreiben vom 25.09.2008 und 06.05.2009 gefertigt. Er sei insofern im Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen, das zunächst zu den ablehnenden Bescheiden vom 07.07.2009 geführt habe. Für die Anwendung der Nr 2401 VV RVG komme es nicht darauf an, wer die Kosten des Rechtsanwalts - oder wie vorliegend des Rentenberaters - im Verwaltungsverfahren trage. Maßgeblich sei allein, ob der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren eine Tätigkeit entfaltet habe. Darüber hinaus habe die Beklagte zu Recht die Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr bzw um 1 EUR darunter festgesetzt. Die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten sei weder umfangreich noch schwierig gewesen. Schließlich stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Verwaltungsverfahren zu. Einen Anspruch könne sie aus § 63 SGB X nicht herleiten, denn dieser Anspruch beschränke sich nach dem insofern eindeutigen Wortlaut auf die Kosten des Widerspruchsverfahrens. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Antragsverfahren nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Denn die Beklagte habe die Aufforderung zur Antragstellung auf Rehabilitation zurückgenommen.

Hiergegen richtet sich die am 01.04.2011 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, die nicht begründet wurde.

Die Klägerin beantragt - sachdienlich ausgelegt ,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.03.2011 sowie die Bescheide vom 19.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kostenbescheide vom 28.12.2009 aufzuheben und weitere Kosten zu erstatten gemäß der am 17.11. und 18.11.2009 bei der Beklagten eingereichten Vergütungsrechnungen I, hilfsweise gemäß der Vergütungsrechnungen II.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs 2 SGB X keinen Anspruch auf die Erstattung weiterer Aufwendungen für die hier streitige Vertretung durch den bevollmächtigten Rentenberater. Die Kostenfestsetzungsbescheide vom 28.12.2009 sind rechtmäßig. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, diese Bescheide abzuändern. Daraus folgt, dass die Bescheide vom 19.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag konnte daher keinen Erfolg haben.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich vorliegend nach § 44 Abs 2 SGB X. Danach ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach der Rechtsprechung des BSG darf sich die zuständige Behörde ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung (§ 77 SGG) berufen, wenn sich im Verlauf des Überprüfungsverfahrens nichts ergibt, was für die Unrichtigkeit der Ausgangsentscheidung sprechen könnte (vgl BSGE 63, 33; 79, 297; 88, 75; ebenso Merten in Hauck/Noftz, § 44 SGB X RdNr 37 ff, 40 f, Stand 8/2011; kritisch Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 44 RdNr 40). Werden keine neue Tatsachen oder rechtliche Hinweise vorgebracht, hat danach eine erneute Sachprüfung zu unterbleiben. Die das Überprüfungsverfahren durchführende Behörde darf sich deshalb darauf beschränken, in eine Sachprüfung erst dann einzusteigen, wenn Tatsachen oder rechtliche Hinweise vorgebracht werden, die im Rahmen der Ausgangsentscheidung übersehen worden sind und die Berücksichtigung der neuen Umstände zu einer anderen Sachentscheidung führen würde (Merten, aaO, RdNr 40).

So liegt der Fall hier. Die Kostenfestsetzungsbescheide vom 28.12.2009, die eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, sind bestandskräftig geworden. Sie wurden dem Bevollmächtigten der Klägerin am 31.12.2009 zugestellt. Dies ergibt sich aus der Postzustellungsurkunde vom 31.12.2009. Einen Rechtsbehelf hiergegen hat die Klägerin innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nicht eingelegt. Die Klägerin hat mit ihren Überprüfungsanträgen vom 22.04.2010 im Wesentlichen nur angegeben, dass es doch wohl klar gewesen sei, dass sich ihre Widersprüche vom 01.02.2010 gegen die Bescheide vom 28.12.2012 gerichtet hätten. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Die Widersprüche vom 01.02.2010 bezogen sich ausdrücklich und eindeutig auf den Bescheid vom 10.11.2009. Eine Begründung, weshalb die Entscheidungen vom 28.12.2009 rechtswidrig sein sollten, wurde von der Klägerin im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nicht vorgelegt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den zu überprüfenden Bescheiden fehlt mithin völlig. In einer solchen Situation kann die Behörde – wie vorliegend durch die Bescheide vom 19.07.2010 geschehen – eine erneute materielle Prüfung ablehnen. Daraus folgt, dass die Überprüfungsanträge vom 22.04.2010 durch die Bescheide vom 19.07.2010 beschieden wurden. Hierbei ist unschädlich, dass die Rechtsbehelfsbelehrung (vgl § 36 SGB X) fehlte. Dies wirkt sich lediglich auf den Lauf von Rechtsbehelfsfristen aus (§ 66 Abs 2 SGG). Entscheidend ist der Regelungsgehalt. Die Schreiben vom 19.07.2010 sind dem Bevollmächtigten der Klägerin im Übrigen auch zugegangen, was sich aus der Postzustellungsurkunde vom 21.07.2010 ergibt.

Nachdem die Klägerin gegen die Bescheide vom 19.07.2010 fristgemäß Widerspruch eingelegt hat, hat die Beklagte das Vorverfahren durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2010 ordnungsgemäß beendet. Anhaltspunkte dafür, dass der Widerspruchsbescheid vom 29.11.2010 iSv § 40 SGB X nichtig sein könnte, liegen nicht vor. Die gegenteilige Ansicht des Prozessbevollmächtigten ist vor dem Hintergrund des vom Senat festgestellten Geschehensablaufs abwegig.

Die Kostenfestsetzungsbescheide vom 28.12.2009 sind nicht rechtswidrig und damit auch nicht nach § 44 Abs 2 SGB X aufzuheben bzw abzuändern. Das SG und die Beklagte sind zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend keine höhere als die in Nr 2401 VV vorgesehene Gebühr zu erstatten ist, da die im Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nicht erstattungsfähig ist (Diering in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, § 63 RdNr 38; LSG Hessen, 19.03.2008, L 4 SB 51/07, juris). Auch hat das SG zutreffend entschieden, dass vorliegend keine Erledigungsgebühr entstanden und lediglich die Schwellengebühr zugrunde zu legen ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der Vergütungsrechnung II vom 18.11.2009 selbst die um einen Euro verminderte Schwellengebühr (119,- EUR) beantragt hat. Nachdem die Berufung nicht begründet wurde, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Gründe des Gerichtsbescheids des SG (S 9 bis 11 der Entscheidungsgründe) und sieht gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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