L 11 EG 2929/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 EG 3786/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2929/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 2 BEEG liegt nicht vor, wenn die Familie in den USA lebt, die Mutter dort ihr Kind erzieht, der Vater bei einer Kapitalgesellschaft nach amerikanischem Recht angestellt ist und sein beim deutschen Arbeitgeber bestehendes Beschäftigungsverhältnis ruhend gestellt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.05.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung von Elterngeld für den Sohn der Klägerin.

Die im Jahr 1978 geborene Klägerin slowakischer Staatsangehörigkeit lebte seit Mai 2007 mit ihrem Ehemann in den USA. Ein Wohnsitz in Deutschland bestand nicht. Sie ist Mutter zweier Kinder, F. (geboren 2007) und H. (geboren 2009). Für ihre Tochter bezog die Klägerin Elterngeld in Höhe des Mindestbetrags (Bescheid vom 14.05.2007).

Der im Jahr 1973 geborene Ehemann der Klägerin arbeitete bei der Firma B. R. AG (iF: BRAG; Sitz in L. am Main, Tochter der R. B. GmbH) in Deutschland und wurde mit Vertrag vom 14.03.2007 ab dem 01.05.2007 zunächst befristet bis 30.04.2010 (später verlängert bis 30.04.2012) zur Tochtergesellschaft B. R. Corporation (iF: BRCorp) in den USA versetzt. Es handelt sich um eine juristische Person amerikanischen Rechts (Kapitalgesellschaft), deren Anteile zu 100 % von der R. B. North America Corporation gehalten werden. Die BRCorp führt eine Gewinn- und Verlustrechnung zusammen mit der R. B. North America Corporation durch. Der Ehemann der Klägerin schloss mit der BRCorp einen Arbeitsvertrag. Das Beschäftigungsverhältnis mit der BRAG wurde ruhend gestellt. Die Hauptleistungspflichten wurden für die Zeit der Versetzung suspendiert. Der Gehaltsanspruch des Ehemanns richtete sich gegen die BRCorp. Das Arbeitsentgelt wurde von der BRCorp steuerlich geltend gemacht. Das Direktionsrecht oblag ebenfalls der BRCorp.

Für die Zeit der Versetzung beantragte der Ehemann eine Ausnahmegenehmigung nach dem Deutsch-Amerikanischen Abkommen über Soziale Sicherheit bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland. Mit Bescheid vom 27.04.2007 wurde diesem Antrag entsprochen. Nach der Bescheinigung "D/USA101", ausgestellt am 29.05.2007 von der Gmünder Ersatzkasse (GEK), unterstand der Ehemann während seiner Tätigkeit in den USA ausschließlich den die Rentenversicherung betreffenden deutschen Rechtsvorschriften. Während seiner Auslandstätigkeit wurden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt. Den Arbeitgeberanteil trug die BRCorp, der Arbeitnehmeranteil wurde von dem Gehalt des Klägers einbehalten (Ziff 6.2 der Vereinbarung mit der BRAG). Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung wurde nicht abgeführt (Meldebescheinigung zur Sozialversicherung vom 20.03.2009). Der Ehemann der Klägerin versicherte sich freiwillig in der Arbeitslosenversicherung weiter. Die Familie war in Deutschland privat krankenversichert. Der Ehemann hatte zusätzlich eine Anwartschaftsversicherung bei seiner bisherigen gesetzlichen Krankenversicherung.

Am 09.03.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für ihren Sohn H ... Sie beantragte als alleiniger Elternteil für zwölf Monate ab der Geburt Elterngeld. Vor und nach der Geburt hatte die Klägerin kein Erwerbseinkommen. Mit Bescheid vom 23.04.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Voraussetzungen einer Entsendung ins Ausland nicht vorlägen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2009 als unbegründet zurück.

Am 28.08.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, aus der Entsendebescheinigung D/USA101 der GEK vom 29.05.2007 gehe hervor, dass für ihren Ehemann ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit Anwendung fänden. In den USA sei ihr Ehemann von der Sozialversicherung befreit. Bei der Beurteilung, ob eine Ausstrahlung im Sinne des § 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorliege, sei das Deutsch-Amerikanische Abkommen über die Soziale Sicherheit vorrangig zu beachten. Danach werde die Auslandstätigkeit ihres Ehemannes in sozialversicherungsrechtlichem Sinne als Entsendung betrachtet. Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung würden nur deshalb nicht abgeführt, weil es in den USA keine vergleichbaren Sozialversicherungszweige gebe. Trotzdem gelte auch für diese das zwischenstaatliche Abkommen. Aus der Meldebescheinigung gehe ebenfalls hervor, dass ihr Ehemann sozialversicherungspflichtig ist. Es sei von einer gesetzlichen Versicherungspflicht, nicht von einer freiwilligen Versicherung auszugehen. Die Beklagte müsse die vorgelegten Bescheinigungen akzeptieren. Zu berücksichtigen sei ferner, dass bei einer Entsendung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat Elterngeld bezahlt werde. Eine Differenzierung zwischen der Anwendung der Regelungen nach europäischem Recht und bilateraler Abkommen mit Staaten außerhalb der EU sei sicherlich nicht gewollt. Dass dies auch der gängigen Genehmigungspraxis entspreche, zeige sich daran, dass sie für ihr erstes Kind Elterngeld erhalten habe.

Mit Urteil vom 19.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Elterngeld lägen nicht vor. Der Ehemann der Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV. Er unterliege nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht. Dies gehe aus der Bescheinigung der GEK hervor und werde von der Klägerin auch nicht bestritten. Daran ändere die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nichts, da es sich dabei um freiwillige Beiträge handele. Es werde nicht verkannt, dass auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erbracht würden. Der Schwerpunkt der Beschäftigung des Ehemanns liege jedoch nicht bei der BRAG. Bei der BRCorp handele es sich nicht lediglich um einen rechtlich unselbständigen Unternehmensteil. Zudem werde der Gehaltsanspruch von dieser juristischen Person steuerlich geltend gemacht. Das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht werde ebenfalls von der BRCorp ausgeübt. Das in Deutschland bestehende Arbeitsverhältnis stelle nur ein Rumpfarbeitsverhältnis dar. Eine andere Beurteilung ließen auch die europarechtlichen Vorschriften nicht zu, da der Ehemann der Klägerin nicht im europäischen Ausland tätig gewesen sei.

Gegen das Urteil hat die Klägerin am 24.06.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG habe nicht berücksichtigt, dass nach der Bescheinigung der GEK Sozialversicherungspflicht ausschließlich nach den deutschen Rechtsvorschriften bestanden habe. Es stimme nicht, dass sie nicht bestritten habe, dass keine Sozialversicherungspflicht bestehe. Es handele sich nicht um freiwillige Beiträge, sondern um Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Das habe ihr die Deutsche Rentenversicherung bestätigt. Ihr Ehemann sei einem Entsandten gleichzustellen, auch wenn eine Ausstrahlung im Sinne von § 4 SGB IV nicht vorliege. Die Sozialversicherungspflicht in Deutschland werde nachgewiesen durch die Entsendebescheinigung D/USA 101. Das Abkommen erfasse nur die Rentenversicherung, weil es andere mit den deutschen vergleichbare Sozialversicherungszweige in den USA nicht gebe. Bei Einführung weiterer Sozialversicherungszweige in den USA werde das Abkommen auf diese erweitert. Ferner sei der Vergleich mit den Europäischen Regelungen zu berücksichtigen. Der Gleichheitsgrundsatz gebiete es, dass auch für Arbeitnehmer im nichteuropäischen Ausland mit Rumpfarbeitsverhältnis in Deutschland durch die vorrangige Beachtung zwischenstaatlichen Rechts Elterngeld zu gewähren sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.05.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate ihres am 01.02.2009 geborenen Sohnes H. Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält die Entscheidung für zutreffend. Ergänzend führt sie aus, das sozialversicherungsrechtliche Abkommen mit den USA mache unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von der an sich bestehenden Versicherungspflicht des Ehemanns der Klägerin in der Rentenversicherung der USA. Es bestünde keine Verpflichtung einen entsprechenden Antrag zu stellen. Es handele sich um zwischenstaatliches Kollisionsrecht, das verhindere, dass Mitarbeiter, die zeitlich befristet in den USA arbeiteten, ihren Versicherungsschutz im Heimatland verlieren. Europarechtliche Vorschriften seien nicht anwendbar. Die Privilegierung von Sachverhalten mit Bezug zur EU sei gewollt und verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich allein nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der Fassung vom 05.02.2009 (BGBl I 160) und den darin aufgestellten Voraussetzungen. Das zwischenstaatliche Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit (Gesetz zum Abkommen vom 07.01.1976, BGBl II 1976, 1358, idF des Zusatzabkommens vom 02.10.1986, BGBl II 1988, 82, und des Zweiten Zusatzabkommens vom 06.03.1995, BGBl II 1996, 301) enthält keine Bestimmungen zum Elterngeld oder anderen Familienleistungen. In Art 2 Abs 1 des Abkommens ist zum sachlichen Geltungsbereich geregelt, dass sich das Abkommen auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung für Arbeiter, die Rentenversicherung der Angestellten, die knappschaftliche Rentenversicherung, die hüttenknappschaftliche Zusatzversicherung und die Alterssicherung der Landwirte bezieht. Eine Analogie verbietet sich, da es sich um völlig anders geartete Leistungen handelt. Die aufgezählten Leistungen sind mit einer Beitragsleistung verknüpft. Das Elterngeld stellt dagegen eine freiwillige steuerfinanzierte Leistung des Staates ohne finanzielle Gegenleistung dar. Dies steht einer Übertragung des Abkommens auf das BEEG zwingend entgegen (vgl Urteil des Senats zum Erziehungsgeld vom 07.05.2002, L 11 EG 767/02).

Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte in den ersten zwölf Lebensmonaten ihres Sohnes vom 01.02.2009 bis 31.01.2010 weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

Anspruch auf Elterngeld hat nach § 1 Abs 2 Satz 1 BEEG auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr 1 zu erfüllen, nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist (Nr 1), Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e.V., des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist (Nr 2) oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt (Nr 3). Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten, Ehegattinnen, Lebenspartner oder Lebenspartnerinnen (§ 1 Abs 2 Satz 2 BEEG).

Keiner der genannten Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 BEEG ist vorliegend erfüllt. Der Ehemann der Klägerin unterlag insbesondere nicht nach § 4 SGB IV dem deutschen Sozialversicherungsrecht (§ 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 2 BEEG).

Nach § 4 SGB IV gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 SGB IV setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis zunächst voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat (BT-Drucks 7/4122, 30; BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Erforderlich ist ferner, dass das Beschäftigungsverhältnis während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weiter geführt werden soll, weshalb § 4 Abs 1 SGB IV eine "im Voraus" feststehende zeitliche Begrenzung fordert (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Maßgebend ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN). Voraussetzung ist regelmäßig, dass der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1 mwN).

Gemessen an diesen Voraussetzungen lag der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses des Ehemanns der Klägerin in den USA. Der Ehemann der Klägerin war nicht lediglich bei einem unselbständigen Unternehmensteil der BRAG tätig. Die BRCorp ist eine juristische Person amerikanischen Rechts in Form einer Kapitalgesellschaft. Nach den Angaben der BRAG wird sie nicht von ihr, sondern von der R. B. North America Corporation gehalten. Sie unterliegt einer von der BRAG getrennt geführten Gewinn- und Verlustrechnung. Schon dieser Umstand spricht gegen eine Ausstrahlung im Sinne des § 4 SGB IV (vgl BSG 05.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr 1). Des Weiteren waren die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag mit der BRAG suspendiert. Der Arbeitsvertrag sollte erst nach seiner Rückkehr wieder aufleben. Der Ehemann der Klägerin begründete ein neues Arbeitsverhältnis mit der BRCorp. Gegen diese richtete sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt. Die BRCorp machte die Entgeltzahlungen auch steuerlich geltend. Schließlich unterlag der Ehemann der Klägerin dem Direktionsrecht der BRCorp. Die Arbeitgeberfunktion lag während der Versetzung somit allein bei der BRCorp. In Deutschland bestand nur ein Rumpfarbeitsverhältnis fort, das die Merkmale einer Ausstrahlung im Sinne des § 4 SGB IV nicht erfüllt.

Eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BEEG auf den vorliegenden Fall scheidet aus. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist Voraussetzung, dass § 4 SGB IV erfüllt ist. Für den Anspruch auf Elterngeld genügt es nach dem Willen des Gesetzgebers demnach nicht, dass nur ein Rumpfarbeitsverhältnis fortbesteht (zum BErzGG: BSG 24.06.2010, B 10 EG 12/09 R, SozR 4-7833 § 1 Nr 11). Ebenso reicht es nicht aus, dass aufgrund über- oder zwischenstaatlichen Rechts Sozialversicherungspflicht (in einzelnen Sozialversicherungszweigen) begründet wird. § 6 SGB IV findet keine Anwendung. Der Gesetzgeber hat die insoweit anders lautende Vorschrift des Bundeserziehungsgeldgesetzes (§ 1 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BErzGG) gerade nicht übernommen. Eine erweiternde Auslegung der elterngeldrechtlichen Regelungen kommt nicht in Betracht (Buchner/Becker, BEEG, § 1 RdNr 18).

Ein Verstoß gegen Art 3 Grundgesetz (GG) kann hierin nicht gesehen werden. Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Bei einer Ungleichbehandlung von unter dem Schutz des Art 6 Abs 1 GG stehenden Familien kommt es darauf an, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (zum Kinder- und Erziehungsgeld: BVerfG 29.10.2002, ua 1 BvL 16/95, BVerfGE 106, 166; BVerfG 06.07.2004, 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160; BVerfG 06.07.2004, 1 BvR 2515/95, BVerfGE 111, 176). Die Anknüpfung an ein fortbestehendes inländisches Sozialversicherungsverhältnis als Voraussetzung für Elterngeld bei einem Auslandsaufenthalt ist sachgerecht. Über § 4 SGB IV soll gewährleistet werden, dass in Fällen, in denen das Beschäftigungsverhältnis im Inland nicht gelöst wird, der Arbeitnehmer aber im Interesse des Arbeitgebers vorübergehend ins Ausland geht, der Sozialversicherungsschutz (mit Beitragspflicht) während des Auslandsaufenthalts aufrechterhalten bleibt. Die Voraussetzungen des § 4 SGB IV stellen einen hinreichenden Inlandsbezug als zulässiges Differenzierungskriterium sicher (zum Erziehungsgeld: BSG 24.06.2010, B 10 EG 12/09 R, SozR 4-7833 § 1 Nr 11). Liegen die Voraussetzungen des § 4 SGB IV nicht vor, unterliegt es dem Willen der Vertragspartner zwischenstaatlicher Abkommen, ob Familienleistungen wie das Elterngeld von den Vereinbarungen erfasst werden sollen. Dabei ist es solchen Regelungen (auch in Bezug auf europäisches Ausland) immanent, dass je nach Einsatzland Unterschiedliches gelten kann. § 1 Abs 2 BEEG verstößt aber deshalb nicht gegen Art 3 GG. Denn der Gesetzgeber ist nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, sämtliche Fälle mit Bezug zum deutschen Sozialversicherungsrecht in den Anwendungsbereich des BEEG mit einzubeziehen. Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der steuerfinanzierten freiwilligen Leistungen des Staates vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zu (zum Erziehungsgeld: BSG 24.06.2010, B 10 EG 12/09 R, SozR 4-7833 § 1 Nr 11). Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (zum Kinder- und Erziehungsgeld: BVerfG 29.10.2002, ua 1 BvL 16/95, BVerfGE 106, 166; BVerfG 06.07.2004, 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160; BVerfG 06.07.2004, 1 BvR 2515/95, BVerfGE 111, 176).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der streitigen Rechtsfragen zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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