L 8 SO 13/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 10 SO 27/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 13/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren: Ast.) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe – SGB XII) unter Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 1 von dem Antrags- und Beschwerdegegner (im Weiteren: Ag.) beanspruchen kann.

Die am ... 1976 geborene Ast. lebt gemeinsam mit ihren Eltern in einem Einfamilienhaus. Bei ihr sind aufgrund einer geistigen Behinderung ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Merkzeichen "G" anerkannt. Sie hat ihrer Mutter und ihrem Stiefvater am 22. März 2004 eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Die Ast. wird in der Werkstatt für Behinderte W. betreut; sie erzielte dort im Jahr 2011 Werkstatteinkommen Höhe von 165,72 EUR monatlich und erhält seit Januar 2012 178,56 EUR monatlich. Ferner bezieht sie von dem Ag. dauerhaft Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII.

Mit Bescheid vom 5. März 2012 bewilligte der Ag. der Ast. für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012 monatlich 322,40 EUR. Er legte u.a. einen Regelbedarf in Höhe von 299,00 EUR gemäß § 42 i.V.m. § 27a SGB XII, einen Mehrbedarf gemäß § 42 i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in Höhe von 50,83 EUR sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 39,20 EUR und damit einen Gesamtbedarf in Höhe von 389,03 EUR zugrunde. Abzüglich des anrechenbaren Einkommens in Höhe von 66,63 EUR (Werkstatteinkommen 178,56 EUR abzüglich Freibetrag Werkstatteinkommen 71,90 EUR, Arbeitsmittelpauschale 5,20 EUR, Arbeitsförderungsgeld 26,00 EUR und Haftpflichtversicherung Kfz 8,83 EUR) errechnete sich der bewilligte Betrag in Höhe von 322,40 EUR. Mit Bescheid vom 7. März 2012 hob der Ag. den Bescheid vom 5. März 2012 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 auf und bewilligte 283,99 EUR für Januar 2012, 313,57 EUR für Februar 2012, 215,43 EUR für März 2012 und 300,76 EUR für April 2012; sofern keine wesentlich Änderung eintrete, gelte die Bewilligung der Leistung weiter bis zum 31. Dezember 2012. Die Änderungen beruhten auf Veränderungen der Hauslasten und dem Wegfall der Einkommensbereinigung des Kfz-Haftpflichtbeitrags.

Gegen die Bescheide vom 5. und 7. März 2012 legte die Ast. am 2. April 2012 Widerspruch ein.

Am 5. April 2012 hat die Ast. beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau die Verpflichtung des Ag. zur Zahlung weiterer Grundsicherungsleistungen in Höhe von 87,75 EUR monatlich im Wege einer einstweiligen Anordnung "ab Rechtshängigkeit dieses Antrags" beantragt. Sie habe bereits gegen die Einstufung in die Regelsatzstufe 3 anstelle der Regelsatzstufe 1 für die Grundsicherungsleistungen für das Jahr 2011 Klage beim SG Dessau-Roßlau erhoben; das Hauptsacheverfahren S 10 SO 78/11 sei aber noch nicht abgeschlossen. Gegen die Bescheide des Ag. vom 5. und 7. März 2012 habe sie Widerspruch eingelegt. Bis zum Abschluss der Hauptsacheverfahren sei der Ag. verpflichtet, ihr Leistungen der Grundsicherung nach der Regelbedarfsstufe 1 (374,00 EUR) sowie einen entsprechend höheren Mehrbedarf (12,75 EUR) und damit monatlich insgesamt weitere 87,75 EUR zu zahlen. Sie bilde mit ihren Eltern weder eine Bedarfs- noch eine Haushaltsgemeinschaft. Weder wirtschafte sie mit den Eltern gemeinsam noch könne sie von ihrer Mutter Leistungen zum Lebensunterhalt erwarten. Eine andere Sichtweise wäre weder mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) noch mit Art. 3 bis 5 und 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention) vereinbar. Hierzu seien bereits mehrere einschlägige Gerichtsentscheidungen ergangen. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 23. März 2010 in dem Verfahren B 8 SO 17/09 R klargestellt, dass es trotz der neuen Rechtslage an seiner Auffassung festhalte. Die Benachteiligung behinderter Menschen durch die Regelbedarfsstufe 3 habe schließlich auch der Landtag von Sachsen-Anhalt so unerträglich gefunden, dass er mehrheitlich am 11. November 2011 die Bundesregierung aufgefordert habe, die Regelbedarfsstufe 3 abzuschaffen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Blatt 12 bis 18 der Gerichtsakte Bezug genommen. Ferner hat die Ast. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts beantragt.

Der Ag. hat an seiner Auffassung festgehalten, dass der Ast. Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 zustünden.

Die Ast. hat auf die Aufforderung des SG, die Eilbedürftigkeit einer Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile glaubhaft zu machen, Kontoauszüge vom 1. Januar bis zum 19. April 2012 vorgelegt; insoweit wird auf Blatt 31 bis 34 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 2. Mai 2012 hat das SG Dessau-Roßlau den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie den PKH-Antrag abgelehnt. Streitgegenständlich sei der Zeitraum vom Beginn der Rechtshängigkeit des Antrags, d.h. vom 5. April an, bis zum 31. Dezember 2012, dem Ende des vom angefochtenen Bescheid erfassten Bewilligungsabschnitts. Ob ein Anordnungsanspruch bestehe, könne dahin stehen. Denn es liege bereits kein Anordnungsgrund vor. Ausweislich der von der Ast. eingereichten Unterlagen sei diese Inhaberin eines Girokontos mit einem Guthaben in Höhe von 1.076,55 EUR (Stand: 19. April 2012). Die nach Ansicht der Ast. vorliegende Bedarfsunterdeckung in Höhe von 87,75 EUR monatlich könne durch den Rückgriff auf das verfügbare Girokontoguthaben im streitgegenständlichen Zeitraum von neun Monaten überbrückt werden, so dass ihr das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zumutbar sei. Wegen der fehlenden Erfolgsaussicht sei ihr keine PKH zu bewilligen gewesen.

Gegen den ihr am 5. Mai 2012 zugestellten Beschluss hat die Ast. am 1. Juni 2012 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie ihre Ausführungen aus dem ersten Rechtszug wiederholt; insoweit wird auf Blatt 71 bis 83 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Ast. beantragt ausdrücklich:

Der Beschwerdegegner wird unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Dessau-Roßlau einstweilen dazu verpflichtet, an die Beschwerdeführerin ab dem 01.01.2012 weitere Sozialhilfe als Grundsicherung von monatlich 87,75 EUR zu zahlen.

Der Ag. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und verweist auf sein Vorbringen im ersten Rechtszug.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Ag., die sämtlich Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Ast. gegen den Beschluss des SG Dessau-Roßlau vom 2. Mai 2012 ist nur zum Teil zulässig.

Sie ist unzulässig, soweit die Ast. mit der Beschwerde Grundsicherungsleistungen vom 1. Januar bis zum 4. April 2012 beantragt. Denn über einen solchen Antrag hat das SG nicht entschieden, da die Ast. dort beantragt hat, ihr "ab Rechtshängigkeit des Antrags", d.h. ab dem 5. April 2012, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.

Im Übrigen ist die Beschwerde insbesondere nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung (eingefügt durch Art. 1 Nr. 29 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008, BGBl. I 2008, S. 444) ist die Beschwerde ausgeschlossen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Nach § 144 Abs.1 Satz 1 und 2 SGG i.d.F. des Art. 1 Nr. 24 Buchst. a SGGArbGGÄndG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die von der Ast. beim SG geltend gemachten weiteren über die mit Bescheid vom 7. März 2012 hinaus bewilligten Grundsicherungsleistungen in Höhe von 87,75 EUR monatlich für den Zeitraum vom 5. April 2012 bis zumindest zum 31. Dezember 2012 überschreiten die maßgebende Grenze für eine zulassungsfreie Berufung in der Hauptsache.

Die Beschwerde der Ast. ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Das SG hat dem Antrag der Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht nicht stattgegeben.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Gemäß § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hier liegen weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor.

1.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der zu sichernde Anspruch in der Hauptsache dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der im Widerspruchsverfahren angefochtene Bescheid des Ag. vom 7. März 2012, mit dem die Grundsicherungsleistungen ab dem 1. Januar 2012 festgestellt worden sind, ist nicht zu beanstanden. Der Ag. hat insbesondere entgegen der Rechtsauffassung der Ast. zu Recht den Berechnungen des Regelsatzes die seit dem 1. Januar 2011 geltenden Vorschriften der §§ 8 RBEG, 27a SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII i.V.m § 42 Nr. 1 SGB XII zugrunde gelegt. Nach § 8 RBEG und der Anlage zu § 28 SGB XII ist die Regelbedarfsstufe 1 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person vorgesehen, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt. Die Regelbedarfsstufe 3 gilt für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Die monatliche Leistung beträgt ab dem 1. Januar 2012 374,00 EUR für die Regelbedarfsstufe 1 und 299,00 EUR für die Regelbedarfsstufe 3.

Die Ast. ist vom Ag. zutreffend in die Regelbedarfsstufe 3 eingruppiert worden. Denn sie führt nach summarischer Prüfung keinen eigenen Haushalt, sondern wird entweder in einer Werkstatt für Behinderte oder von ihrer Mutter und dem Stiefvater betreut, mit denen sie in einem Haus wohnt. Nach ihren Angaben ist die Ast. wegen einer geistigen Behinderung schwerbehindert; es sind ein GdB von 100 und das Merkzeichen "G" anerkannt. Ein eigenständiges Führen eines Pkw ist der Ast. nach ihrem Vorbringen nicht möglich. Sie hat ihre Mutter und ihren Stiefvater mit einer umfassenden General- und Vorsorgevollmacht ausgestattet. Das selbstständige Führen eines Haushaltes, Einkaufen, Waschen, Kochen, Verlassen der Wohnung, Reisen, etc. sind ihr nicht möglich. Insoweit ergeben sich durch das Wirtschaften und Handeln der Mutter und des Stiefvaters für die Ast. Einsparungen von Kosten, die sich bei der selbstständigen Führung eines Haushaltes von mehreren erwachsenen Personen nebeneinander nicht ergeben können.

Der Gesetzgeber hat seit dem 1. Januar 2011 mit den Vorschriften der §§ 8 RBEG, 27a SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII eine neue Rechtslage geschaffen. Er hat insoweit auf die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 8/08 R -, zitiert nach juris) reagiert und einerseits zwar eine weitgehende Gleichstellung zwischen Leistungsberechtigten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende - SGB II) und dem SGB XII erreicht. Es erhalten ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, der alleinstehend oder alleinerziehend oder dessen Partnerin oder Partner minderjährig ist, gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II einen Regelsatz in der gleichen Höhe wie eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt und nach der Anlage zu § 28 SGB XII in die Regelbedarfsstufe 1 gehört. Andererseits hat der Gesetzgeber eine unterschiedliche Regelung insoweit vorgenommen, als erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SGB II mit Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft bilden (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) und damit einen vollen Regelsatz von derzeit 374,00 EUR erhalten, während dauerhaft voll Erwerbsgeminderten nach dem 4. Kapitel des SGB XII auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres nach der Regelbedarfsstufe 3 als Haushaltsangehörigem nur ein Regelsatz von 299,00 EUR zusteht.

Diese unterschiedliche Behandlung ist im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung problematisiert worden, wie sich aus den Fragen des M. K. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) und den Antworten des Staatssekretärs H. vom 19. November 2010 (Bundestagsdrucksache (BT-DS) 17/3807, S. 36 bis 40) sowie aus den Änderungsanträgen 17(11)353 und 17(11)352 ergibt (BT-DS 17/4095 S. 11 bis 13). Gleichwohl ist sie vom Gesetzgeber bewusst herbeigeführt und in der Gesetzesbegründung (BT-DS 17/4095, S. 27) mit Systemunterschieden zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe begründet worden: "Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wendet sich ihrer Zielrichtung nach vornehmlich an einen dem Grunde nach erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehend der Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen bedarf. Aus der Erwerbsfähigkeit ergeben sich im SGB II Pflichten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Diese gelten insbesondere auch für im Haushalt der Eltern lebende Erwachsene ab 25 Jahren, die Arbeitslosengeld II beziehen. Von ihnen ist deshalb ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung und wirtschaftlicher Beweglichkeit einzufordern, woraus sich auch die Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit durch einen Regelbedarf entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 ableitet". Derartige Obliegenheiten treffen nicht erwerbsfähige erwachsene Kinder nicht. Es ergibt sich deshalb keine Grundlage für eine Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit, wenn ein eigener Haushalt nicht geführt wird.

Ein weiterer Systemunterschied zwischen dem SGB II und dem 4. Kapitel des SGB XII ergibt sich u.a. aus der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen, dem Einsatz von Vermögen oder der Anrechnung von Erwerbseinkommen. Während nach dem SGB II nach § 9 Abs. 2 SGB II das Einkommen und Vermögen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist, ist im Rahmen der Leistungsberechtigung nach dem 4. Kapitel des SGB XII die Einsatzgemeinschaft und Unterhaltsverpflichtung zwischen Eltern und erwachsenem Kind weitestgehend aufgehoben. Allerdings war mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht die Absicht verbunden, diesen im Haushaltszusammenhang lebenden Personen einen Anspruch einzuräumen, wie er Alleinstehenden in Höhe des Eckregelsatzes oder Paaren in Höhe des später eingeführten Partnerregelsatzes zusteht (BT-DS 17/4095 S. 41). Dies hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Einordnung dieser Personen in die Regelbedarfsstufe 3 klargestellt.

Der Ag. hat somit entsprechend der derzeitigen Rechtslage den Grundsicherungsanspruch der Ast. berechnet und bewilligt. Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen im Übrigen unzutreffend berechnet wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Den Einwand der Ast., die Einstufung in die Regelbedarfsstufe 3 benachteilige insbesondere behinderte Erwachsene in Personenhaushalten und widerspreche dem Ziel der UN-Behindertenkonvention zur gesellschaftlichen Inklusion von behinderten Menschen, teilt der Senat nicht. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen der Regelbedarfsstufe 3, d.h. des Nichtführens eines eigenen oder eines gemeinsamen Haushalts, können auch aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls von einer nicht behinderten Person erfüllt werden. Insoweit knüpft die Vorschrift nicht ausschließlich an eine Behinderung an und zieht hieraus eine benachteiligende Rechtsfolge.

2.

Darüber hinaus hat die Ast. keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Auf die Aufforderung des SG, die Eilbedürftigkeit einer Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile glaubhaft zu machen, hat die Ast. ausschließlich Kontoauszüge vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass sie Inhaberin eines Girokontos mit einem Guthaben in Höhe von 1.076,55 EUR (Stand: 19. April 2012) ist. Die nach Ansicht der Ast. vorliegende Bedarfsunterdeckung in Höhe von 87,75 EUR monatlich kann durch den Einsatz des verfügbaren Girokontoguthabens im streitgegenständlichen Zeitraum von neun Monaten überbrückt werden; weitere Gründe für eine Eilbedürftigkeit sind von der Ast. weder vorgetragen noch ersichtlich.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.

4.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Klamann gez. Dr. Fischer gez. Müller-Rivinius
Rechtskraft
Aus
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