L 13 AS 500/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 6581/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 500/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Gerichtskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - Alg II - nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate November 2006 bis einschließlich Oktober 2007 streitbefangen.

Der 1970 geborene Kläger steht seit 1. Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II für die Zeit vom 1. November 2006 bis 30. April 2007 in Höhe von 519,90 EUR bzw. ab 1. Januar 2007 in Höhe von 623,90 EUR monatlich. Dabei legte der Beklagte der Bedarfsberechnung lediglich die von ihm als angemessen anerkannte Kaltmiete in Höhe von 229,95 EUR anstelle der tatsächlichen 363,02 EUR zu Grunde. Im Bescheid führte der Beklagte hierzu aus, dass ab November die "zu teure Kaltmiete nur jeweils nach Vorlage des Nachweises über die Bemühungen auf angemessenen Wohnraum vom Vormonat" nachbewilligt werden könnten. Auf eine vom Kläger am 8. November 2006 eingereichte Nebenkostenabrechnung mit einem auszugleichenden Betrag in Höhe von 128,72 EUR vom 19. Oktober 2006, fällig innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Abrechnung, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2007 46,29 EUR. Auf Fortzahlungsantrag des Klägers vom 26. März 2007 hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2007 Alg II in Höhe von monatlich 623,60 EUR für den Zeitraum vom Mai 2007 bis einschließlich Oktober 2007. Der Berechnung lag wiederum nur die vom Beklagten anerkannte monatliche Kaltmiete in Höhe von 229,95 EUR zu Grunde. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten legte der Kläger am 5. Juli 2007 Nachweise über seine Wohnungssuche für die Monate April und Mai 2007 vor. Auf elektronischem Wege legte er weitere Nachweise über Bemühungen um angemessenen Wohnraum für die Monate Juni, Juli und Januar 2007 vor. Er schrieb hierzu, der Beklagte habe ja im letzten Bewilligungsbescheid mitgeteilt, dass die erhöhten Kosten für seine derzeitige Wohnung übernommen werden würden, sofern er entsprechende Nachweise seiner Bemühungen vorlegen würde. Er hoffe sehr, dass dies immer noch möglich sei. Er hoffe ferner, dass sein Alg II nun rückwirkend für die Monate, für welche er Nachweise erbracht habe, wieder heraufgesetzt werden könne (E-Mail vom 27. August 2007).

Mit Änderungsbescheid vom 14. September 2007 (Bl. 141 der Verwaltungsakte) gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007 nur noch 585,12 EUR (September 2007) bzw. 504,15 EUR (Oktober 2007), da sich der Kläger seit dem 20. September 2007 im Krankenhaus befinde und für diese Zeit sein Bedarf an Ernährung durch das Krankenhaus sichergestellt sei. Mit Bescheid gleichen Datums (Bl. 144 der Verwaltungsakte) teilte der Beklagte mit, die Wohnungsbemühungen des Kläger seien eingegangen. Für den Zeitraum September 2006 bis Dezember 2006 lägen keine Nachweise vor. Eine weitere Übernahme der tatsächlichen Miete sei nicht möglich, da das Bemühen um eine angemessene Unterkunft kontinuierlich erfolgen müsse. Mit drittem Bescheid vom 14. September 2007, bezeichnet als Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, (Bl. 147 der Verwaltungsakte) machte der Beklagte eine Erstattungsforderung in Höhe von 40,48 EUR für die Monate September 2007 geltend, da der Kläger seit 20. September 2007 in einer stationären Einrichtung untergebracht sei. Näheres könne der Kläger dem Änderungsbescheid zum Bezug von Alg II gleichen Datums entnehmen. Letztlich lehnte der Beklagte mit einem vierten Bescheid vom 14. September 2007 den Antrag des Klägers vom 21. August 2007 auf Übernahme einer Stromnachzahlung ab (Bl. 145 der Verwaltungsakte).

Auf elektronischem Wege legte der Kläger am 19. September bzw. 24. Oktober 2007 Widerspruch gegen die Bescheide vom 14. September 2007 ein. In der E-Mail vom 24. Oktober 2007 "Widerspruch betreffend Ablehnung auf Anerkennung meiner Wohnungssuchbemühungen" teilte der Kläger mit, er halte seine Wohnung bezogen auf seinen Wohnort weder für unangemessen groß noch für unangemessen teuer. Unter dem 26. Oktober 2007 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid für Oktober 2007, mit dem er dem Kläger für diesen Monat 556,78 EUR zusprach. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger sei am 18. Oktober 2007 aus der Klinik entlassen worden, weshalb ab diesem Tag die Kürzungen der Regelleistung aus der Berechnung herausgenommen worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14. September 2007 wegen "Höhe der Leistungen für die Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)" als unbegründet zurück (Bl. 168 der Verwaltungsakte). Die Vorsprache des Klägers vom 5. Juli 2007 sei als Antrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewertet worden. Die vom Kläger dargelegten Gründe hätten aber nicht ergeben, dass die Entscheidung im Bescheid vom 23. Oktober 2006, ab dem 1. November 2006 nur noch die angemessene Kaltmiete als Bedarf zu berücksichtigen, unrichtig gewesen sei. Die Voraussetzung des § 44 SGB X seien somit nicht erfüllt.

Hiergegen richtete sich die Klage des Klägers vom 5. Dezember 2007 zum Sozialgericht Freiburg (SG - Az. S 13 AS 6275/07). Das SG unterbreitete in diesem Verfahren unter dem 3. März 2010 folgenden Vergleichsvorschlag zur vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits:

"1. Die Beklagte gewährt dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 448,96 EUR. 2. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit für erledigt. 3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu ein Viertel."

Die Kammer gehe davon aus, dass im vorliegenden Verfahren die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 streitbefangen seien, wobei Ausgangspunkt der Bescheid vom 14. September 2007 sei, mit dem sinngemäß ein Antrag nach § 44 SGB X betreffend den genannten Zeitraum abgelehnt worden sei. Der Beklagte erklärte unter dem 9. März 2010 (Eingang bei Gericht 10. März 2010), der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, unter dem 23. März 2010 die Annahme des Vergleichs. Bereits mit Bescheid vom 13. Februar 2009 hatte der Beklagte zuvor den Änderungs-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. September 2007 (Bl. 147 der Verwaltungsakte) aufgehoben.

Mit Schreiben vom 3. Mai 2010 teilte der Beklagte mit, dass dem Kläger in Vollzug des Vergleichs eine Nachzahlung von 448,96 EUR in den nächsten Tagen überwiesen werde. Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2010 (Eingang beim Beklagten am 7. Mai 2010 - Bl. 485 der Verwaltungsakte) beantragte der Bevollmächtigte des Klägers "gemäß § 44 SGB X den Bescheid vom 14. September 2007 zurückzunehmen". Die Leistungen seien rechtswidrig berechnet worden. Die Kosten der Unterkunft seien in zu niedrigem Maß übernommen worden. Mit weiterem Antrag gleichen Datums (Bl. 489 der Verwaltungsakte) beantragte der Bevollmächtigte die Zurücknahme des Änderungsbescheids vom 14. September 2007 ("Bewilligungszeitraum 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007"). Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 zum "Antrag auf Überprüfung meines Bescheides vom 14. September 2010 gemäß § 44 SGB X" (Bl. 496 der Verwaltungsakte) teilte der Beklagte mit, dass die Überprüfung ergeben habe, dass der Bescheid nicht zu beanstanden sei. Es müsse bei der bisherigen Entscheidung verbleiben. Auf Bitte des Beklagten, den Überprüfungsantrag vom 6. Mai 2010 dahingehend zu präzisieren, welcher Bescheid vom 14. September 2007 einer Überprüfung unterzogen werden solle, teilte der Bevollmächtigte des Klägers am 21. September 2010 mit, der Überprüfungsantrag habe sich gegen den Bescheid vom 14. September 2007 auf Seite 144 der Verwaltungsakte gerichtet. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2010 wies der Beklagte dann den Widerspruch des Klägers gegen den ablehnenden Bescheid vom 12. Juli 2010 zurück. Mit Bescheid vom 28. September 2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass eine Überprüfung des Bescheides vom 14. September 2007 (Bl. 144 der Verwaltungsakte) nicht möglich sei. Dieser Bescheid sei im Klageverfahren S 13 AS 6275/07 durch einen Prozessvergleich über den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 ersetzt worden. Bei diesem Vergleich handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, der einer Überprüfung nach § 44 SGB X zugänglich sei, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.

Der Kläger erhob am 23. September 2010 Klage zum SG, gerichtet gegen den Bescheid vom 12. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010 (S 2 AS 4872/10). Mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2012 wies das SG die Klage ab. Gegenstand des Verfahrens sei der Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010, mit dem der Beklagte die Korrektur des den Zeitraum vom 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007 betreffenden bestandskräftigen Änderungsbescheides vom 14. September 2007 abgelehnt habe. Die Klage sei unbegründet. Infolge des im März 2010 im Klageverfahren S 13 AS 6275/07 geschlossenen Vergleichs sei ein möglicher Anspruch des Klägers auf höhere Kosten der Unterkunft für die Monate September und Oktober 2007 untergegangen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 7. Mai 2012 zurück (L 13 AS 264/12 NZB).

Den Widerspruch des Klägers gegen das Schreiben des Beklagten vom 28. September 2010 verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2010 als unzulässig. Ein Widerspruch sei nur gegen Verwaltungsakte zulässig. Mit dem angefochtenen Schreiben vom 28. September 2010 sei aber keine Entscheidung über den Rechtsanspruch des Klägers getroffen worden. Vielmehr sei nur darauf hingewiesen worden, dass über den Bescheid vom 14. September 2007 bereits ein Klageverfahren anhängig gewesen sei, welches durch einen Vergleich beendet worden sei, so dass der Bescheid zwischenzeitlich durch eine vertragliche Einigung ersetzt worden sei. Hiergegen hat der Kläger am 22. Dezember 2010 Klage beim SG erhoben (S 2 AS 6581/10), mit welcher er beantragt hat, den Bescheid vom 28. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Alg II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Bei dem Schreiben des Beklagten vom 28. September 2010 handele es sich um einen Verwaltungsakt. Die Kosten für die Unterkunft seien zu niedrig und rechtswidrig berechnet worden. Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Das vom Kläger verfolgte Ziel, den Überprüfungsbescheid vom 14. September 2007 dahingehend zu ändern, dass die mit ihm überprüften Bewilligungsbescheide vom 23. Oktober 2006 und vom 19. April 2007 dahingehend korrigiert werden, dass die Kosten der Unterkunft ohne Abschlag in die Berechnung des Alg II eingestellt werden, habe keinen Erfolg da die Klage bereits unzulässig sei. Es sei schon fraglich, ob das Klageziel einer Änderung der Höhe der angesetzten Kosten der Unterkunft mit der Überprüfung eines ablehnenden Überprüfungsbescheides erreicht werden könne. Dies könne jedoch offenbleiben, weil ein Bescheid über den Überprüfungsantrag vom 6. Mai 2010 bis heute nicht erteilt worden sei. Mit dem Schreiben vom 28. September 2006 habe der Beklagte dem Kläger lediglich seine Rechtsansicht mitgeteilt. Der Beklagte habe lediglich mitgeteilt, dass er die Prüfung unterlassen habe. Dies mache die Mitteilung nicht zum Verwaltungsakt. Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet. Die Beteiligten hätten im März 2010 einen Vergleich abgeschlossen, mit dem sie sich für den Zeitraum 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 auf eine Nachzahlung von weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 448,96 EUR geeinigt hätten. Zwar enthalte die Einigung keine ausdrückliche Abgeltungsklausel; dies sei aber auch nicht zwingend notwendig. Bei lebensnaher Auslegung des Vergleichs könne nur von einer abschließenden Einigung für den Zeitraum November 2006 bis Oktober 2007 ausgegangen werden.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 31. Januar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am selben Tag beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Ein "Verzicht auf eine weitergehende Überprüfung" sei nicht "abgegeben" worden. Der Abschluss eines Vergleiches ändere nichts an der Überprüfbarkeit eines Bescheides nach § 44 SGB X. Die Kosten der Unterkunft seien zu niedrig und rechtswidrig berechnet worden, weshalb der Ablehnungsbescheid vom 14. September 2007 rechtswidrig sei.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 23. Oktober 2010 sowie vom 19. April 2007 abzuändern und dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 Alg II in gesetzlicher Höhe unter voller Berücksichtigung der Kaltmiete zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten (3 Bände) des Beklagten, auf die Klageakte des SG (S 2 AS 6581/10) sowie auf die weiterhin beigezogenen Akten des SG S 13 AS 6275/07 sowie S 2 AS 4872/10 und auf die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 i.V.m. § 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Beschwer liegt in der Differenz zwischen der vom Kläger geltend gemachten Kaltmiete in Höhe von 363,02 EUR und der tatsächlich gewährten Kaltmiete in Höhe von 229,95 EUR unter Berücksichtigung der vergleichsweisen Nachzahlung in Höhe von 448,96 EUR. Bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum von November 2006 bis Oktober 2007 beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands 1.147,88 EUR.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet; der angefochtene Überprüfungsbescheid vom 28. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2010 verletzt nicht die Rechte des Klägers, weil diesem für den streitgegenständlichen Zeitraum kein höheres Alg II zusteht.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Soweit der Kläger auch für den Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007 höheres Alg II begehrt, steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass dieser Zeitraum bereits Gegenstand der am 23. September 2010 zum SG erhobenen Klage mit dem Aktenzeichen S 2 AS 4872/10 war. Diese Klage war gegen den Bescheid vom 12. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2010 gerichtet, mit welchem der Beklagte es abgelehnt hat, den Änderungsbescheid vom 14. September 2007 für den Bewilligungszeitraum 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007 einer Prüfung gemäß § 44 SGB X zu unterziehen. Mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2012 hat das SG über den Alg II-Anspruch des Klägers für die Monate September und Oktober 2007 abschließend entschieden und die Klage als unbegründet abgewiesen; die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 7. Mai 2012 zurückgewiesen worden (L 13 AS 264/12 NZB). Mit dieser Entscheidung ist der Gerichtsbescheid in formelle Rechtskraft erwachsen (§ 202 SGG i.V.m. § 705 Zivilprozessordnung [ZPO]), womit die Rechtshängigkeit der Streitsache ihr Ende gefunden hat (Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl., § 94 Rdnr. 4). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob angesichts des Streitgegenstands dieser Klage doppelte Rechtshängigkeit bestand. Denn jedenfalls mit deren rechtskräftigem Abschluss wäre eine Sperrwirkung infolge andersweitiger Rechtshängigkeit für ein zweites Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand - d.h. für die hier zu entscheidende Klage, soweit darin auch der Zeitraum 1. September 2007 bis 31. Oktober 2007 zum Streitgegenstand gemacht wird - entfallen.

b) Der Kläger verfolgt sein Begehren zulässigerweise in einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, dürfte es außerordentlich zweifelhaft sein, ob der vom Bevollmächtigten gewählte Weg, eine Gewährung höherer Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum durch Überprüfung des seinerseits zu den maßgeblichen Bewilligungsbescheiden ergangenen Überprüfungsbescheides zu erreichen, sachdienlich ist. Gerade vor dem Hintergrund einer sehr schematischen Vorgehensweise des Klägerbevollmächtigten, der bezüglich vier unterschiedlicher Streitgegenstände jeweils denselben unpräzisen Antrag wie auch eine standardisierte Begründung ohne jede Individualisierung bezüglich des eigentlichen Streitgegenstandes gewählt hat, ist hier indes Raum für eine Auslegung der vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG). Der Kläger hat bei verständiger Würdigung mit seinem Antrag von vornherein die Überprüfung der die Leistungshöhe im streitgegenständlichen Zeitraum bestimmenden Bewilligungsbescheide des Beklagten vom 23. Oktober 2006 und vom 19. April 2007 begehrt. Diese vom Kläger erstrebte Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 23. Oktober 2006 und 19. April 2007 mit dem Ziel einer Gewährung höheren Alg II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kaltmiete im von den Bescheiden geregelten Zeitraum hat der Beklagte mit seinem Schreiben vom 28. September 2010 auch abgelehnt. In der dortigen Mitteilung, die begehrte Überprüfung sei "nicht möglich", kann bei verständiger Auslegung nur eine Regelung gesehen werden, so dass die "Mitteilung" vom 28. September 2010 jedenfalls aus objektivem Empfängerhorizont nur als Verwaltungsakt aufgefasst werden kann.

Begehrt der Kläger wie hier eine Leistungsgewährung durch den Beklagten unter Rücknahme der früheren (teil-)ablehnenden Bescheide, ist die richtige Klageart eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage; in solchen Fällen kann nicht unmittelbar ohne Verpflichtungsantrag auf Leistung geklagt werden, weil sich aus § 44 SGB X nichts dafür ergibt, dass die gesetzlich vorgesehene, vom Beklagten zu treffende Rücknahmeentscheidung durch das Gericht ersetzt werden darf (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnr. 20c m.w.N., auch zur Gegenauffassung, die hier eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage für statthaft erachtet).

2. Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen höheren Alg II-Anspruch.

Nach § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dem Kläger steht aber für den streitgegenständlichen Zeitraum kein höheres Alg II als mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 und 19. April 2007 gewährt sowie unter Berücksichtigung der - in Vollzug des vor dem SG im Verfahren S 13 AS 6275/07 geschlossenen Vergleichs erbrachten - Nachzahlung von 448,96 EUR zu. Ein möglicher weitergehender Anspruch des Klägers ist durch den gerichtlichen Vergleich im Verfahren S 13 AS 6275/07 ausgeschlossen. Hierbei handelt es sich um einen wirksamen gerichtlichen Vergleich im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO: Danach kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen (§ 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO). Der in § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit der Feststellung durch Beschluss kommt dabei ausschließlich deklaratorische Bedeutung zu. Demnach ist bereits durch Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags vom 3. März 2010 durch Schriftsatz der Beklagten vom 9. März 2010 und Schriftsatz des Klägervertreters vom 23. März 2010 ein wirksamer gerichtlicher Vergleich zustande gekommen. Dieser Vergleich enthält zulässigerweise einen materiell-rechtlichen Verzicht des Klägers im Sinne des § 46 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). In der Rechtsprechung des BSG ist bereits geklärt, dass ein gerichtlicher Vergleich ausdrücklich oder konkludent zugleich einen materiell-rechtlichen Verzicht enthalten kann, der auch in Ansehung des § 46 SGB I Bestand hat. (BSG vom 15. Oktober 1985 - 11a RA 58/84 = SozR 2200 § 1251 Nr. 115 - Juris Rdnr. 13).

Dass der hier zu beurteilende Vergleich einen solchen materiell-rechtlichen Verzicht im Sinne des § 46 SGB I und nicht lediglich einen "prozessualen" Verzicht des Inhalts, lediglich keine weiteren Ansprüche im Vorprozess mehr geltend machen zu wollen, enthielt, hat das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der Sach- und Rechtslage bereits in seiner Entscheidung festgestellt. Der Senat schließt sich dieser Einschätzung vollinhaltlich an und verweist zur Begründung auf die dortigen Entscheidungsgründe (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Mit dem SG ist der erkennende Senat der Überzeugung, dass bereits die ausführliche Darstellung der materiellen Rechtslage, welche das SG im Verfahren S 13 AS 6275/07 dem Vergleichsvorschlag vom 3. März 2010 vorangestellt hat, eine Auslegung ausschließt, der Vergleichsvorschlag habe lediglich dem Verzicht der Geltendmachung weiterer Ansprüche in diesem Verfahren gedient. Vielmehr zielte der Vergleichsvorschlag des SG eindeutig darauf ab, die materielle Rechtslage zwischen den Beteiligten neu zu regeln, einen eigenständigen materiell-rechtlichen Anspruch des Klägers auf die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 448,96 EUR zu begründen und darüber hinaus im Sinne einer endgültigen Gestaltung der materiellen Rechtslage einen Verzicht des Klägers auf mögliche, darüber hinausgehende Leistungsansprüche zu statuieren. Gemäß § 46 Abs. 1 SGB I ist ein solcher Verzicht im Wege einer schriftlichen Erklärung, die hier durch die gewählte Form des Prozessvergleichs umfasst wird, zulässig. Soweit im Überprüfungsantrag vom 6. Mai 2010 zugleich auch ein Widerruf des Verzichts gesehen wird, kann dieser lediglich mit Wirkung für die Zukunft erfolgen (vgl. § 46 Abs. 1 SGB I).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG.

a) Der Senat hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und die Rechtsverfolgung auch im Berufungsverfahren keinen Erfolg hatte.

b) Die Entscheidung über die Missbrauchskosten beruht auf §§ 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3, 184 Abs. 2 SGG. Der Senat hat dem Kläger Verschuldenskosten auferlegt, weil der Kläger den Rechtsstreit fortgeführt hat, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Verfahrens hingewiesen worden ist.

Eine entsprechende Belehrung ist durch den Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2012 erfolgt. Die Anwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist hierfür nach Auffassung des Senats nicht erforderlich (erkennender Senat vom 18. Mai 2010 - L 13 AS 5202/07 - sozialgerichtsbarkeit.de; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 2006 - L 6 (3) P 4/04 - Juris Rdnr. 21). Denn die Hinweispflicht - hier insofern speziell geregelt, als sie durch den Vorsitzenden zu erfüllen ist - basiert auf dem Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Grundgesetz, siehe auch § 62 SGG; Hennig, Kommentar zum SGG, § 192 SGG Rdnr. 17), der aber lediglich besagt, dass der Beteiligte Gelegenheit haben muss, sich vor der Entscheidung hierzu zu äußern (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 62 Rdnr. 2 m.w.N.). Diese Gelegenheit wird idealerweise in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Zwar ist seit 1. April 2008 auch ein - hier nicht erteilter - schriftlicher Hinweis möglich (Gesetz vom 26. März 2008, BGBl I S. 444), aber nicht zwingend, zumal gerade in einer mündlichen Verhandlung die Missbräuchlichkeit noch ausgeräumt werden kann. Im Übrigen belegt auch die neu eingeführte Möglichkeit der schriftlichen Belehrung die Rechtsauffassung des Senats. Denn auch bei einem schriftlichen Hinweis kann - auch bei seiner Zustellung - nicht sichergestellt werden, dass der Empfänger das gerichtliche Schreiben auch liest, sondern nur, dass er die Gelegenheit hat, es zu lesen, womit das rechtliche Gehör ebenso gewahrt ist, wie mit der zugestellten Ladung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Da lediglich die Gelegenheit eingeräumt werden muss, die Belehrung nach § 192 SGG in der Verhandlung durch den Vorsitzenden zu erhalten, ist auch - sofern überhaupt eine Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beteiligten für diesen Fall für zulässig zu erachten wäre (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 111 Rdnr. 2 ff.) - eine solche Anordnung nicht erforderlich, zumal dies eine unangemessene Begünstigung dieses Personenkreises darstellen würde, da diese Kosten mangels Kausalität (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 192 Rdnr. 12 ff.) nicht gemäß § 192 SGG auferlegt werden könnten, mithin gerade diesem Personenkreis eine kostenfreie Wahrnehmung der Verhandlung zugebilligt würde. Hätte der Gesetzgeber die Anwesenheit voraussetzen wollen, hätte er dies mit einer entsprechend klaren Formulierung zum Ausdruck bringen können. Da der Gesetzgeber aber andererseits den Gerichten keine Möglichkeit einräumt, die Anwesenheit des Beteiligten (z.B. durch Vorführung, vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 111 Rdnr. 6b) sicherzustellen, ist eine Absicht des Gesetzgebers, nur diejenigen zu einem Schadensersatz zu verpflichten, die an ihrem Prozess durch Anwesenheit in der Verhandlung mitwirken, unwahrscheinlich.

Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder (wie hier) unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen über¬ein. Die Missbräuchlichkeit ist vorliegend darin zu sehen, dass der Zugunstenantrag nur kurze Zeit nach Abschluss des den identischen Zeitraum betreffenden Prozessvergleichs in dem Klage¬verfahren S 13 AS 6275/07 gestellt worden ist. Es ist offenkundig, dass für einen solchen Antrag kein Raum mehr bestehen kann, nachdem der abgeschlossene Vergleich ersichtlich einen Verzicht auf weitergehende Ansprüche für den streitgegenständlichen Zeitraum beinhaltet. Die Eindeutigkeit der Rechtslage im vorliegenden Fall ist dem Kläger auch wiederholt und eindringlich durch die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 7. Mai 2012 (Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im zugrunde liegenden Klageverfahren [L 13 AS 769/12 B] sowie Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Klageverfahren S 2 AS 4872/10, dem - wie dargestellt - derselbe Sachverhalt zugrunde lag [L 13 AS 264/12 NZB]) und vom 2. Juli 2012 (Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Klageverfahren S 2 AS 4872/10 [L 13 AS 769/12 B]) vor Augen geführt worden. Die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung musste sich vorliegend jedenfalls dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aufdrängen; dessen Kenntnis ist dem Kläger zuzurechnen (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG). Ungeachtet dessen, dass die tatsächlich durch das Verhalten des Klägers verursachten Kosten für den Senatstermin und die Absetzung des Urteils deutlich darüber liegen dürften, hat der Senat dem Kläger Missbrauchskosten in Höhe des Mindestbetrags von 225 EUR (§ 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG) auferlegt.

4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats vom 7. Mai 2012 - L 13 AS 264/12 NZB - nicht veröffentlicht).
Rechtskraft
Aus
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