L 3 AL 41/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 3725/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 41/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen eine Aufrechnung, dagegen, dass die Beklagte den Aufrechnungsbescheid für sofort vollziehbar erklärt hat und gegen eine von der Beklagten ausgestellte Entgeltbescheinigung. Ferner begehrt er eine über den 20.05.2011 hinausgehende Bewilligung von Arbeitslosengeld.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Nachdem der Kläger bis zum 30.03.2011 bei der Fa. R. Kunststoff- und Metalltechnik GmbH, C., versicherungspflichtig beschäftigt war, bezog er, nachdem für die Zeit vom 01. – 04.04.2011 das Ruhen des Anspruchs festgestellt wurde, ab dem 05.04.2011 Arbeitslosengeld von der Beklagten in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 36,46 EUR für 46 Kalendertage bis ein¬schließlich zum 20.05.2011 (Bescheid vom 18.05.2011, Änderungsbescheid vom 07.06.2011). Nachdem die Beklagte einen gegen die Höhe und die Dauer des bewilligten Arbeitslosengeldes erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.2011 (W 323/11) zurückwies, erhob der Kläger am 07.06.2011 hiergegen Klage zum SG - S 11 AL 2442/11 -, die dort unverändert anhängig ist.

Mit Bescheid vom 18.05.2011 erklärte die Beklagte die Aufrechnung gegen den Arbeitslosengeldanspruch des Klägers mit einer (Rest-)Forderung i.H.v. 402,82 EUR aus einem Bescheid vom 13.10.2005 i.H.v. 18,23 EUR täglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2011 wies die Beklagte einen Widerspruch des Klägers hiergegen zurück. Am 18.05.2011 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung eines Aufrechnungsbescheids an. Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2011 als unzulässig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei kein mit einem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt.

Bereits am 20.05.2011 erhob der Kläger u.a. gegen den Aufrechnungsbescheid der Beklagten und die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit Klage zum SG - S 11 AL 2228/11 -, die dort unverändert anhängig ist.

Mit Schreiben vom 24.05.2011 bescheinigte die Beklagte gegenüber dem Kläger, für die Zeit vom 05.04. - 20.05.2011 einen Betrag von 3.588,- EUR als Entgelt für die Rentenversicherung an diese gemeldet zu haben. Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch erhoben hat, berichtigte die Beklagte unter dem 07.06.2011 [Bl. 1897 VAkte Bd. IX] das an die Rentenversicherung gemeldete Entgelt auf 1.560,- EUR aus einem Leistungsbezug vom 01.- 20.05.2011. Nachdem der Kläger auch hiergegen Widerspruch erhob, verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 die Widersprüche als unzulässig als unzulässig. Die Entgeltbescheinigungen stellten, so die Beklagte begründend, keine Verwaltungsakte dar. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 01.07.2011 im Wege einer Postzustellungsurkunde zugestellt.

Am 21.08.2011 hat der Kläger Klage zum SG erhoben, die dort zunächst unter dem Akten-zeichen - S 11 AS 3553/11 - geführt wurde, mit der er u.a. beantragt hat, den Widerspruchs-bescheid vom 15.07.2011 (W 325/11) sowie die Aufrechnung und die sofortige Vollziehung aufzuheben (Antrag zu 1). Der Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig, weil er vor dessen Erlass nicht angehört worden sei. Ferner hat er sich gegen die Entgeltbescheinigungen gewandt (Antrag zu 9) und hierzu vorgetragen, die Beklagte hätte seine Widersprüche, wenn sie tatsächlich unzulässig gewesen seien, nicht mit Widerspruchsbescheid als unzulässig verwerfen dürfen. Er hat in Zusammenhang hiermit auch beantragt, die Beklagte zur weiteren Zahlung von Arbeitslosengeld zu verurteilen. Daneben hat der Kläger auch Ansprüche gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhoben (Anträge zu 2, zu 3, zu 4, zu 5, zu 6, zu 7, zu 8, zu 10, zu 11, zu 12 und zu 13). Nachdem das SG die Anträge, die Streitgegenstände nach dem SGB III betreffen mit Beschluss vom 05.09.2011 (Bl. 21 der SG-Akte) abgetrennt und das Verfahren unter dem Aktenzeichen - S 11 AL 3725/11 - fortgeführt hat, ist die Beklagte der Klage entgegen getreten.

Nach Anhörung der Beteiligten (Schreiben vom 17.10.2011, dem Kläger am 24.10.2011 zuge-stellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2011 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, dass die Befangenheitsgesuche des Klägers, die dieser gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da die Gesuche offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammer-vorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Dem Antrag des Klägers auf Gewährung von Akteneinsicht sei nicht zu entsprechen, da dieser gleichfalls als grob rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren sei. Inhaltlich hat das SG seine Entscheidung damit begründet, dass die Klage unzulässig sei. Soweit sich der Kläger gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wende, habe die Beklagte, unabhängig davon, dass die Klage bereits wegen doppelter Rechts-hängigkeit unzulässig sei, den Widerspruch des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Bescheids kein Verwaltungsakt sei. Die vom Kläger gerügte unterlassene Anhörung wäre überdies im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Soweit sich der Kläger gegen den Aufrechnungsbescheid gewandt habe, sei dieser bereits Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 2228/11 -. Die Widersprüche des Klägers gegen die Entgeltbescheinigungen der Beklagten seien von dieser zu Rechts als unzulässig verworfen worden, da diese keine Verwaltungsakte seien. Überdies sei die Klage diesbezüglich verfristet. Überdies habe die Beklagte über die unzulässigen Widersprüche im Wege eines Widerspruchsbescheides entscheiden dürfen. Soweit sich der Kläger gegen die Höhe und die Dauer des ihm bewilligten Arbeitslosengeldes wende, sei die Klage gleichfalls unzulässig, da der Bewilligungsbescheid Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 2442/11 - sei.

Gegen den am 15.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.01.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung verweist er auf sein Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren, dem das SG, so der Kläger, nichts entgegen zu setzen habe. Das SG habe ferner gegen § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen. Seit dem 13.09.2011 befindet sich der Kläger in Untersuchungshaft.

Der Kl. beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. Dezember 2011 aufzuheben und die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Juli 2011, den Aufrechnungsbescheid vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Juni 2011 sowie die Entgeltbescheinigungen vom 24. Mai 2011 und vom 07. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2011 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2011 zu verurteilen, ihm über den 20. Mai 2011 hinaus Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwal-tungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 01.06.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 27.06.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 18.07.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 27.06.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - dahingehend entscheidet, sich nicht ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden ...

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 SGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG), sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet ...

Gegenstand des Verfahrens ist hierbei zum einen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Aufrechnungsbescheides vom 18.05.2011 vom gleichen Tag in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 15.07.2011 sowie die Entgeltbescheinigungen der Beklagten vom 24.05.2011 und vom 07.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 (W 326/11, W 354/11), die der Kläger konkret angefochten hat, zum anderen der Auf-rechnungsbescheid der Beklagten vom 18.05.2011 sowie die Bewilligungsbescheide vom 18.05.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2011. Letztere hat der Kläger sinngemäß angegriffen, da er in seinem Antrag zu 1 deren Aufhebung geltend gemacht hat. Die zunächst ferner angegriffenen Bescheide, Schreiben und Anhörungen, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozial-gesetzbuch betroffen haben, sind nach dem Trennungsbeschluss des SG vom 05.09.2011 nicht mehr Gegenstand des angefochtenen Gerichtsbescheides und dem folgend des Beru-fungsverfahrens.

Das SG hat die diese Gegenstände umfassende Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Soweit sich der Kläger gegen den Aufrechnungsbescheid der Beklagten vom 18.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2011 und die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wendet, ist die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Der Kläger hat den Aufrechnungsbescheid und die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vom 18.05.2011 (Widerspruchsbescheid vom 15.07.2011) bereits mit der Klageerhebung am 20.05.2011 - S 11 AL 2228/11 - angegriffen. Mit der am 21.08.2011 anhängig gemachten erstinstanzlichen Klage zunächst - S 11 AS 3551/11 -, sodann - S 11 AL 3725/11 - hat der Kläger erneut die Anordnung vom 18.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2011 sowie – sinngemäß – den Aufrechnungsbescheid vom 18.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2011 angefochten, weswegen die Klage insofern den gleichen Streitgegenstand betrifft. Die Klage war daher gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.1978 - 1 RJ 4/78 - veröffentlicht in juris; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 94, Rn. 7).

Gleiches gilt insoweit der Kläger - sinngemäß - über den 20.05.2011 hinaus Arbeitslosengeld beansprucht. Der Kläger hat den Bewilligungsbescheid vom 18.05.2011 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 31.05.2011 bereits am 07.06.2011 angefochten, weswegen die Dauer und die Höhe des Arbeitslosengeldes Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 2442/11 - sind. Im vorliegenden Verfahren ist der Antrag daher wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig.

Soweit der Kläger schließlich die Entgeltbescheinigungen der Beklagten vom 24.05.2011 und vom 07.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2011 angefochten hat, hat er insofern die Klage verspätet erhoben. Der Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 wurde dem Kläger am 01.07.2011 zugestellt. Die Klagefrist des § 87 Abs. 2 SGG begann hiernach gemäß § 64 Abs. 1 SGG am 02.07.2011 zu laufen. Sie endete gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit Ablauf des 01.08.2011, einem Montag. Da die Klage jedoch erst am 21.08.2011 erhoben wurde, war die Klage verfristet. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) wurden vom Kläger nicht geltend gemacht und sich dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich. Ergänzend weist der Senat insofern darauf hin, dass die Entgeltbescheinigungen keine Verwaltungsakte i.S.d. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch sind, weswegen die Beklagte die Widersprüche des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen hat

Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden, ist dies nicht zu beanstanden, da, wie in den zahlreichen Verfahren des Klägers bereits vielfach vom Senat entschieden wurde, das SG berechtigterweise selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers entschieden hat.

Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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