L 3 AL 409/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 1496/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 409/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Verbescheidung eines Widerspruchs, die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Bescheids und eines Aufrechnungsbescheids im Wege eines Überprüfungsverfahrens, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten und deren Verpflichtung, zukünftige Anträge zügig zu verbescheiden.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Nach einem Urteil des LSG vom 13.08.2008 - L 12 AL 507/09 - ist der Kläger verpflichtet, in der Zeit vom 25.07. – 30.09.2005 zu Unrecht bezogenes Arbeitslosengeld i.H.v. 1.827,54 EUR an die Beklagte zurückzuerstatten.

Am 06.03.2009 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der dieser Forderung zu Grunde liegenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 07. und 13.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2005 an. Das vom Kläger hiergegen betriebene Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes endete für ihn erfolglos (Beschluss des LSG vom 26.06.2009 - L 12 AL 1361/09 ER -). Ein gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit parallel hierzu betriebenes Hauptsacheverfahren verlief für den Kläger gleichfalls ohne Erfolg (klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 10.08.2011 - S 11 AL 4197/09; berufungs-zurückweisendes Urteil des erkennenden Senats vom 28.03.2012 - L 3 AL 3915/11 -).

In Ausführung eines gerichtlichen Vergleichs vor dem SG - S 9 AL 2608/04 - bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheiden vom 30.04.2009 Arbeitslosengeld ab dem 15.04.2004 i. H. v. insgesamt 628,82 EUR nach und verzinste den Nachzahlungsbetrag sodann (Bescheide vom 30.04.2009).

Mit Bescheid vom 04.05.2009 erklärte die Beklagte die Aufrechnung gegen den bewilligten Nachzahlungsbetrag mit ihr gegen den Kläger zustehenden Forderungen. Die (Nach-)Zahlungen würden daher einbehalten. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch vom 12.05.2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2009 als unbegründet zurück. Ein hier-gegen von Kläger betriebenes gerichtliches Verfahren verlief für ihn erfolglos (klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 01.04.2011 - S 11 AL 2039/09; berufungsverwerfendes Urteil des erkennenden Senats vom 08.02.2012 - L 3 AL 1459/11 -).

Am 17.02.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 04.05.2009 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Bescheid lasse, so der Kläger, nicht erkennen, womit die Beklagte aufgerechnet habe. Gleiches gelte für den Bescheid vom 06.03.2009, der gleichfalls aufzuheben sei.

Mit Bescheid vom 27.08.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, sowohl im Rahmen der Aufrechnungsentscheidung als auch der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei das geltende Recht richtig angewandt worden. Einen hiergegen am 22.09.2010 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2011 zurück.

Gegen den Bescheid vom 27.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2011 erhob der Kläger am 07.04.2011 Klage zum SG - S 11 AL 1487/11 - , die das SG mit Gerichts¬bescheid vom 22.12.2011 abwies. Hiergegen erhob der Kläger Berufung - L 3 AL 408/12 -, die unverändert beim Senat anhängig und für den 01.08.2012 terminiert ist.

Gleichfalls am 07.04.2011 hat der Kläger eine weitere Klage - S 11 AL 1496/11 - erhoben, mit der er u.a. die Verurteilung der Beklagten, seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.08.2010 zu verbescheiden, geltend gemacht hat. Ferner hat er die Verurteilung der Beklagten, seinem Antrag zu entsprechen, geltend gemacht. Er hat hierzu ausgeführt, im Verwaltungs¬verfahren gelte der Beschleunigungsgrundsatz.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 11.05.2011, dem Kläger am 13.05.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2012 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, das Befangenheitsgesuche des Klägers, die dieser während des Verfahrens am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Die Anträge zielten einzig darauf ab, den Kammervorsitzenden vom vorliegenden Verfahren auszuschließen, um die Bearbeitung des Verfahrens durch einen anderen Richter zu erreichen. Inhaltlich sei die vom Kläger verfolgte Untätigkeitsklage erfolglos, weil die Beklagte über den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2011 entschieden habe. Der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verurteilen, seinem Antrag zu entsprechen, sei bereits unzulässig, weil der ablehnende Bescheid vom 27.08.2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 01.03.2011 Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 1487/11 - gewesen sei. Das Feststellungsbegehren sei, wie das vorbeugende Unterlassungsbegehren, in Ermangelung des erforderlichen besonderen Interesses, unzulässig.

Gegen den am 10.01.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.01.2012 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung verweist es auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe seines Widerspruchs und seiner Klage. Im Übrigen habe das SG gegen § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen.

Der Kläger beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 22. September 2010 zu verbescheiden, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2011 zu verurteilen, die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 06. März 2009 und den Bescheid vom 04. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Oktober 2009 nach § 44 SGB X aufzuheben, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig war, und die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge zügig unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes zu verbescheiden.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 07.03. und am 01.06.2012 Gebrauch gemacht. Unter dem 27.06.2012 hat der Senat, auf einen Antrag des Klägers hin, ein Vorführungsersuchen an die Justiz-vollzugsanstalt S. gerichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 18.07.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Soweit der Kläger beantragt hat, ihn zur mündlichen Verhandlung vorzuführen, hat der Senat dem entsprochen und unter dem 27.06.2012 ein Vorführungsersuchen an die Justizvollzugsanstalt S. gerichtet. Wenn sich der Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet war, nunmehr kurzzeitig - am Sitzungstag - dahingehend entscheidet, sich nicht ausführen zu lassen, ist er wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris); der Senat ist nicht daran gehindert ist, in der Sache zu entscheiden.

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -). Der Senat hat dem Kläger, seinem Hilfsantrag entsprechend, die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht.

Die form- und fristgerecht eingelegte (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Soweit der Kläger eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 88 Abs. 2 SGG erhoben hat, war diese bereits unzulässig, da die Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27.08.2010 vom 22.09.2010 bereits vor Klageerhebung mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2011 entschieden hatte.

Soweit sich der Kläger - sinngemäß - dagegen wendet, dass die Beklagte seinen Antrag auf Überprüfung des Aufrechnungsbescheides vom 04.05.2009 und der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vom 06.03.2009 nach § 44 SGB X mit Bescheid vom 27.08.2010 (Widerspruchsbescheid vom 01.03.2011) abgelehnt hat, ist die Klage wegen doppelter Rechts-hängigkeit unzulässig. Der Kläger hat den Bescheid vom 27.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2011 bereits im Verfahren vor dem SG - S 11 AL 1487/11 -, das am gleichen Tag anhängig wurde, angegriffen, weswegen die vorliegende Klage insofern den gleichen Streitgegenstand betrifft. Die Klage war daher gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz bereits wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.1978 - 1 RJ 4/78 - veröffentlicht in juris; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 94, Rn. 7).

Der daneben vom Kläger formulierte Antrag, festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig gewesen sei, ist bereits deswegen unzulässig, weil über die Rechtmäßigkeit des Handelns im Rahmen der vom Kläger verfolgten Anfechtungs- und Leistungsklage zu entscheiden ist (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55, Rn. 19a).

Mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, zukünftige Anträge zügig, unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes, zu verbescheiden, macht der Kläger vorbeugenden Rechtsschutz geltend. Ein solcher erfordert jedoch, dass der Betroffene ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse darlegt, das regelmäßig nicht gegeben ist, solange er auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 17/95 - veröffentlicht in juris). Da jedoch nicht ersichtlich ist, dass ein Zuwarten zu nicht ohne Weiteres revidierbaren Nachteilen beim Kläger führen würde, kann dieser kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für sich reklamieren; der Antrag ist, wie vom SG zutreffend entschieden, bereits unzulässig.

Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe unzulässigerweise selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden, ist dies nicht zu beanstanden, da, wie in den zahlreichen Verfahren des Klägers bereits vielfach vom Senat entschieden wurde, das SG berechtigterweise selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26.04.2011 und vom 30.08.2011 entschieden hat. Gleichfalls nicht zu beanstanden ist, dass das es SG dem Kläger die von ihm begehrten Kopien der Gerichts- und Verwaltungsakte nicht überlassen hat.

Die Berufung ist mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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