L 18 U 375/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 124/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 375/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 274/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Beurteilung, ob eine Berufskrankheit vorliegt, können für die Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen die Stellungnahmen der Präventionsdienste der Berufsgenossenschaften herangezogen werden, wenn diese von der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ermittelbaren Belastung ausgehen.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.07.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK) nach den Nummern 2108 beziehungsweise 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1953 geborene Kläger erlernte von 1968 bis 1971 in Rumänien den Beruf eines Schmieds. Von 1975 bis 1978 leistete er Militärdienst und absolvierte anschließend eine Ausbildung als Zimmermann. In diesem Beruf arbeitete er bis 1989. Von März 1990 bis 1993 war er im so genannten Zettelgatter der E. AG in A. beschäftigt. Von 1994 bis Februar 2004 arbeitete er in der Kett-Fertigung der Firma E. AG (heute A.).

Im September 2004 wurde von der Krankenversicherung ein BK-Verfahren wegen eines zervikalen Bandscheibenschadens eingeleitet. Die Beklagte zog die Unterlagen der behandelnden Ärzte bei und hörte ihren Technischen Aufsichtsdienst -TAD- (heute Präventionsdienst) an.
Der TAD ermittelte am 24.11.2004 Folgendes: Während der Tätigkeit im Zettelgatter habe der Kläger keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ausgeführt. Er habe mit Spulen mit einem Maximalgewicht von 2 kg hantiert und 250 kg schwere Wagen schieben müssen. Ein Tragen von Lasten auf der Schulter habe nicht stattgefunden. In der Kettfertigung habe der Kläger an vier Tagen im Monat Garnspulen mit 11 und 16 kg einsetzen müssen. Die Spulen hätten auf vier Ebenen mit 40 bis 180 cm Höhe eingesetzt werden müssen. An 10 Tagen sei er im Schergatter eingesetzt gewesen. Dabei hätte an sogenannten "Zettelbäumen" die Fadenschar mit einer Teilstange hochgehoben und in verschiedene Höhen eingehängt werden müssen. Hierbei sei eine erhebliche Kraftaufwendung auch über Schulterhöhe erforderlich geworden (pro Schicht 60 bis 120 Stemmvorgänge). Als höchste Last seien 42 kg gemessen worden, durchschnittlich sei die Last geringer gewesen, mind. 24 kg. Ein Tragen von Lasten auf der Schulter habe nicht stattgefunden. Zu seiner Tätigkeit als Hufschmied und Zimmermann habe der Kläger keine schweren Hebe- und Tragearbeiten verrichtet.

Sodann hat die Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme des Dr. L. und eine Stellungnahme des gewerbeärztlichen Dienstes eingeholt und anschließend mit Bescheid vom 15.02.2005 (Widerspruchsbescheid vom 06.06.2005) die Anerkennung einer BK abgelehnt. Klage wurde dagegen nicht erhoben.

Am 30.11.2005 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung einer BK im Wege eines Zugunstenbescheides. Die Feststellungen seien nicht ausreichend, auch die bisherigen medizinischen Feststellungen seien ungenügend.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des TAD ein, wobei am 06.12.2006 eine Besprechung mit dem Kläger stattfand. Danach wurden in der Zettelei 6 - 7 Wägen mit einem Gewicht von 1000 kg eine ca. 50 m lange Strecke geschoben und Gatterwägen mit 108 Spulen (Gewicht à 1,6 kg) bestückt. In der Kettfertigung seien 8-mal pro Monat 340 Spulen mit einem Gewicht von 11 kg und 200 Spulen mit einem Gewicht von 16 kg von der Palette ins Gatter gehoben worden. Im Schergatter habe der Kläger nunmehr die 2004 festgestellten Werte in Frage gestellt. Die durchschnittliche beidhändige Hebebelastung sei auf 55 kg, 130-mal pro Schicht, anzuheben. Auch seien Webbäume eingestellt, Wägen mit 1-1,5 t geschoben und Gewichte in Assembliermaschinen eingehängt worden. Schließlich seien pro Schicht 30 Eimer Wachs mit 10 kg in einer Höhe von 1,5 m eingefüllt worden.
Diese Tätigkeiten seien bei der Berechnung der MDD-Dosis berücksichtigt worden.

Mit Bescheid vom 14.02.2007 (Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007) lehnte die Beklagte die Rücknahme des unanfechtbar gewordenen Bescheides vom 15.02.2005 ab.

Am 04.05.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat die Akten der Beklagten sowie Unterlagen der behandelnden Ärzte beigezogen und Kollegen des Klägers als Zeugen angehört.

Sodann hat das SG Prof. Dr. S. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 17.10.2008 führt der Gutachter aus, beim Kläger liege eine Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule vor. In Bezug auf die Lendenwirbelsäule (LWS) handele es sich durchaus um Veränderungen, die mit einem Bandscheiben-Degenerationsprozess vereinbar seien. Als relevant auffällige Befunde am Übergang von der Brustwirbelsäule (BWS) zur LWS hätten sich radiologisch von der Formgebung her eindeutige sogenannte Syndesmophyten gezeigt. Die Beschwerden im Bereich der LWS seien von der Schmerzlokalisation einem Lumbalsyndrom zuzuordnen. Diese würden hervorgerufen durch eine Irritation des hinteren Längsbandes, der Wirbelgelenkkapsel oder des Wirbelperiostes und seien somit mit einem akuten oder chronisch rezidivierenden Beschwerdebild in der Kreuz-Lenden-Gegend verbunden. Hinweise auf ein so genanntes lumbales Wurzelreizsyndrom, verursacht durch eine Irritation der Nervenwurzel der unteren LWS hätten sich nicht ergeben. Die Schmerzausstrahlung in Richtung Oberschenkel entspreche der so genannten pseudoradikulären Schmerzausstrahlung und nicht einer Wurzelreizsymptomatik. Erstmals 1994 sei eine Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose LWS-Syndrom aktenkundig.
Hinsichtlich der BK 2109 habe erstmals im Jahr 2001 ein so genanntes Cervicobrachial-Syndrom bestanden, verursacht durch die Irritation eines Spinalnervs mit offensichtlicher Wurzelreizsymptomatik C6 links. In Bezug auf radiologische Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) zeigten sich an den unteren Wirbelkörpervorderkanten ausgeprägte hyperostotische spondylotische Randstreifenbildungen. Diese hätten sich in den Bewegungssegmenten ab unterhalb des 2. Halswirbelkörpers gefunden. Die Zwischenwirbelräume seien insgesamt erhalten, die radiologischen Befunde könnten als polysegmental bezeichnet werden, das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung bejaht werden. Die BK 2108 erfordere auch die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Für den Zeitraum bis 31.12.1992 seien keine belastenden Dosen dokumentiert. Für den Zeitraum ab 1993 bis 2004 eine Gesamtdosis von 8,69 MNh. Dieser Wert liege eindeutig unter dem Richtwert von 25 MNh. Wirbelsäulenbelastungen im Sinne der BK 2108 seien seit 1993 bekannt. Die erste Arbeitsunfähigkeit habe im Juli 1994 vorgelegen. Das liege in einem Zeitintervall von nur eineinhalb Jahren nach Beginn der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit. Gefordert werde eine langjährige Tätigkeit, was im Regelfall 10 Jahre bedeute. Wenn nun bereits eineinhalb bis zwei Jahre nach Beginn der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit erfolgt sei, so sei das Kriterium der zehnjährigen regelmäßigen Belastung gerade nicht erfüllt, was gegen die Anerkennung der BK 2108 spreche. Die spondylotischen Veränderungen der LWS seien nicht nur in den untersten Bewegungssegmenten, sondern gleichmäßig verteilt über alle Abschnitte der Wirbelsäule anzutreffen, was nicht als belastungsadaptiv interpretiert werden könne.
Die Situation der HWS stelle sich anders dar. Die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ab 1993 hätten erstmals eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum Februar/März 2000 nach sich gezogen. Dieser Zeitraum liege ebenfalls unter der so genannten 10-Jahres-Grenze. Besonders belastet seien die Bewegungssegmente zwischen dem 5. und 7. Halswirbelkörper. Hier sei die Fusion des Bandscheibenvorfalls zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper erfolgt. Unabhängig davon sei allerdings festzuhalten, dass in den angrenzenden Bewegungssegmenten die Bandscheiben erhalten seien und auch in den darüber liegenden Bewegungssegmenten deutliche hypertrophe Spondylosen an den unteren Vorderkanten zu finden seien, so dass Veränderungen die gesamte Halswirbelsäule mit Ausnahme des so genannten Kopf-Gelenkbereiches beträfen. Diese Veränderungen seien nicht als belastungsadaptiv zu interpretieren. Die Spondylosen seien lebensalterun-typisch, was für sich jedoch keine Rückschlüsse darauf zulasse, ob es sich um berufsbedingte Bandscheibenerkrankungen handele. Vielmehr spreche einiges dafür, dass es sich um ein individuelles, anlagebedingtes Reaktionsmuster handele.

Auf Antrag des Klägers wurde sodann ein Gutachten des Dr. I. vom 26.01.2009 eingeholt. Danach liegen beim Kläger objektiv schwere degenerative Aufbraucherscheinungen der gesamten Wirbelsäule mit Betonung der HWS und LWS vor. Im Bereich der HWS sei ein zervikaler Bandscheibenprolaps HWK 5/6 im Januar 2005 operativ versorgt worden, wobei das Bandscheiben-Fach HWK 5/6 ausgeräumt worden und eine Fusion erfolgt sei. Zusätzlich bestehe in Höhe HWK 3/4 ein medialer Bandscheibenvorfall. Der Bandscheibenraum in Höhe LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 sei erniedrigt. Es seien deutliche seitliche Spondylophyten auffällig. Die Bandscheibenschäden in beruflich belasteten Abschnitten würden sich von den degenerationsbelasteteten Abschnitten hervorheben. Beim Kläger handele sich um einen von oben nach unten in der Tendenz zunehmenden Befund, wobei die Verschmälerung des Zwischenraumes LWK 4/5 am deutlichsten ausgeprägt sei. Diese nachweisbaren Veränderungen korrelierten mit der beruflichen Exposition. Auch im Bereich der BWS würden erhebliche Chondrosen mit Betonung der unteren BWS bestehen. Bei dem Kläger seien nicht nur die Voraussetzungen der Ziffer BK 2108, sondern auch der BK 2109 erfüllt. Die schweren degenerativen Umformungen im Bereich der HWS und LWS seien als altersuntypisch zu bewerten. Für den Zusammenhang zwischen beruflicher Tätigkeit und Erkrankung spreche, dass ein Schadensbild bestehe, das durchaus als belastungskonform eingestuft werden könne. Die ersten Symptome seien in einem zeitlichen Abstand nach Aufnahme der Wirbelsäule belastenden Tätigkeit aufgetreten, nämlich ab 1994. Es lägen keine Wirbelsäulenveränderungen vor, die für eine anlagebedingte Ursache sprächen.

Die Beklagte hat in der Folge eine Stellungnahme des TAD vom 02.04.2009 vorgelegt. Danach stehe es nicht zur Diskussion, dass der Kläger eine schwere körperliche Arbeit habe verrichten müssen. Die Gesamtbelastungen seien bei der Berechnung nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) berücksichtigt worden. Am 13.12.2004 sei im Beisein des Klägers das maximale Lastgewicht nachgestellt und gemessen worden. Das damals danach höchste denkbare Lastgewicht habe bei 42 kg gelegen. Ein Gewicht von 70 kg, wie vom Gutachter angenommen, lasse sich gar nicht darstellen. Solche Lastgewichte seien auch physiologisch von einem Menschen nicht mehr bewältigbar. Gewichte von bis zu 70 kg bis zu 15 Minuten mit einem Arm hochzuhalten und mit der anderen Hand Arbeiten zu verrichten sei nicht möglich. Es errechne sich nach dem MDD eine berufliche Gesamtdosis in Höhe von 8,7 MNh, dies entspreche einem prozentualen Anteil von 35 % des Orientierungswertes für Männer. Somit sei der hälftige Orientierungswert, wie ihn das Bundessozialgericht (BSG) in seinem neuen Urteil angesprochen habe, erheblich unterschritten. Beigefügt waren der Stellungnahme verschiedene Berechnungen.

Mit Urteil vom 08.07.2009 hat das SG die Klage daraufhin abgewiesen. Gegen eine berufliche Verursachung der LWS-Erkrankung spreche, dass bereits vom 15.07.1994 bis 19.08.1994 eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines LWS-Syndroms nachgewiesen sei. Dies spreche eindeutig gegen eine beruflich verursachte Erkrankung, da bei Unterstellung einer belastenden Tätigkeit bereits seit 1990 der Zeitraum bis zur ersten manifesten Reaktion mit etwas über 3 Jahren zu kurz sei. Darauf habe der Gutachter S. zu Recht verwiesen. Dieser habe auch zu Recht darauf hingewiesen, dass radiologisch in der BWS nachweisbare Veränderungen vorliegen würden, die auf einen Morbus Bechterew hindeuteten. Nach den Konsens-Empfehlungen könne ein Befall der gesamten Wirbelsäule gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen. Darüber hinaus habe Professor S. zu Recht darauf hingewiesen, dass die degenerativen Schulterveränderungen und auch der generelle Verschleiß am Bewegungsapparat im Zusammenhang mit der generalisierten Wirbelsäulenschädigung über alle 3 Wirbelsäulenabschnitte hinweg gegen eine Berufsbedingtheit spreche.

Dagegen hat der Kläger am 11.09.2009 Berufung eingelegt. Die Beklagte habe bei ihrer Berechnung der Belastung nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine Tages-Dosis nicht mehr anzunehmen sei.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 23.04.2012 zu den Einwendungen des Klägers eingeholt.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 08.07.2009 sowie des Bescheids vom 14.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2007 zu verurteilen, den Bescheid vom 15.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2005 zurückzunehmen und die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK 2108/2109 anzuerkennen, hilfsweise eine Neufeststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 während der Tätigkeit des Klägers ab 1990 bis 2004 von einem BG-unabhängigen Dienst durchführen zu lassen, hilfsweise eine andere BG-liche Stelle möglichst eines anderen BG-Trägers mit dieser Feststellung zu beauftragen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.07.2009 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten in beiden Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist auch ansonsten zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet.

Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 08.07.2009 die Klage gegen den Bescheid vom 14.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2007 abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Abänderung des Bescheides vom 15.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2005 und Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als BK nach den Nummern 2108 bzw. 2109 der Anlage 1 zur BKV (BK 2108 und BK 2109).

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituationen zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 24; Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 2006, § 44 SGBX Rn 2; Vogelgesang in Hauck/Nofz, SGB X, Stand Juli 2006, K § 44 Rn 1b). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15; BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29, Steinwedel, aaO, § 44 Rn 5; Vogelgesang, aaO, K § 44 Rn 17).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da bei dem Kläger weder eine BK 2108 noch eine BK 2109 vorliegt.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs muss absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache sprechen (BSG vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, juris Rn 4). Um hinreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, juris Rn 4 mwN). Die diesbezüglichen Anforderungen sind also grundsätzlich höher als diejenigen an die Glaubhaftmachung (BSG vom 08.08.2001, B 9 U 23/01 R, juris Rn 4), bei der im Sinne eines Beweismaßes nach ganz herrschender Auffassung der Grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit verstanden wird, d.h. die gute Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können; dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet (BSG vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, juris Rn 5; vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, juris Rn 116). Der sogenannte Vollbeweis ist dagegen erst erfüllt, wenn eine Tatsache in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen, die eben bei an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (BSG vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B 4 mwN; vom 29.03.1963, 2 RU 75/61; vom 22.09.1977, 10 RV 15/77; vom 01.08.1978, 7 RAr 37/77; vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R).

1.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Hinblick auf die BK 2109 nicht erfüllt. Diese BK umfasst "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne eines Tragens schwerer Lasten auf der Schulter liegen im Falle des Klägers nicht vor, denn der Kläger war - auch von ihm nicht bestritten - nicht einer Belastung der HWS durch Tragen schwerer Lasten auf der Schulter ausgesetzt. Soweit er sinngemäß der Ansicht ist, hierauf könne es nicht ankommen, es müsse ausreichen, dass er zwar nicht durch das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, aber durch vergleichbare belastende und durch seine berufliche Tätigkeit bedingte Einwirkungen geschädigt worden sei, kann der Senat dem nicht folgen. Der Wortlaut der BKV ist hinsichtlich der hier streitigen arbeitstechnischen Voraussetzung zur BK 2109 verbindlich. Die Würdigung des Wortlauts einer Vorschrift ist die Grundlage jeder Auslegung; ist der Wortlaut eindeutig und nach ihm sprachlich und begrifflich das klar zum Ausdruck gebracht, was dem vom Normgeber gewollten Sinn der Vorschrift entspricht, so ist grundsätzlich hiernach auszulegen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 15/06 R, NZS 2008, 604, m. w. N.) Nach allgemeinen Grundsätzen setzt eine Auslegung zunächst immer einen auslegungsfähigen Wortlaut voraus; die Bedeutung, die ihm zugemessen werden soll, muss noch vom Wortsinn erfasst sein. Der Wortlaut der BK 2109 ist jedoch klar und im Hinblick auf die beschriebene Tätigkeit nicht interpretationsfähig. Der Wortlaut der BK 2109 deckt sich im hier verstandenen Sinn auch mit dem Sinn der Bestimmung, wie er sich aus den hierzu gemachten Ausführungen im Merkblatt zur BK 2109 (BArbBl 3/93, S. 53 ff.) ergibt. Nach der Rechtsprechung sind Merkblätter als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstandes heranzuziehen (BSG, Urteil vom 18. August 2004, B 8 KN 1/03 U R, BSGE 93, 149, m. w. N.). Ihnen kommt allerdings keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 6/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 59). Dem Merkblatt ist nichts zu entnehmen, was zur Berücksichtigung der über dem Kopf ausgeführten Arbeiten bei der Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen führen könnte. Der Verordnungsgeber hatte bei Einführung der BK 2109 die Berufsgruppe der Fleischträger als eine solche mit einer außerordentlichen Belastung der HWS vor Augen. Soweit ausgeführt ist, dass Tätigkeiten mit vergleichbarem Belastungsprofil ebenfalls in Betracht zu ziehen sind, bezieht sich dies eben nur auf das detailliert beschriebene Belastungsprofil bei Fleischträgern mit einer bestimmten, durch das Tragen erzwungenen Kopfbeugehaltung und dem Anspannen der Nackenmuskulatur, welche zu einer Hyperlordosierung und Verdrehung der HWS führen; dies öffnet jedoch nicht den Tatbestand der Verordnung entgegen seinem Wortlaut auf eine andere als die klar beschriebene Art der Tätigkeit, nämlich des Tragens auf der Schulter.

2.
Auch die Voraussetzungen einer BK 2108 liegen beim Kläger nicht vor. Von Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV werden "bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können", erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss also der Versicherte auf Grund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007, B 2 U 4/06 R, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 sowie vom 18. November 2008, B 2 U 14/07 R und B 2 U 14/08 R, jeweils zitiert nach Juris).
Beim Kläger fehlt es schon an den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen. Nach den Berechnungen des TAD der Beklagten vom 02.04.2009 war der Kläger während seiner Tätigkeit vom 01.01.1993 bis 26.02.2004 in der sogenannten Kettfertigung einer Gesamtdosis rückenbelastender Tätigkeiten von allenfalls 8,7 MNh ausgesetzt und damit nur 35 % des Orientierungswertes des MDD. Das MDD ist, in den Grenzen seiner Thematik, weiterhin eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BKV Anlage Nr 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur richtungweisend umschriebenen Einwirkungen. Allerdings legt das MDD selbst für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen (vgl. BSG vom 30.10.2007 und vom 18.11.2008, aaO.). Werden die Orientierungswerte jedoch so deutlich unterschritten, dass das Gefährdungsniveau nicht annähernd erreicht wird, so ist das Vorliegen einer BK 2108 zu verneinen, ohne dass es weiterer Feststellungen zum Krankheitsbild und zum medizinischen Kausalzusammenhang im Einzelfall bedarf. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also auf 12,5 MNh, herabzusetzen. Das vom Präventionsdienst der Beklagten verwendete Berechnungsprogramm berücksichtigt diese Vorgaben des BSG insbesondere zum Tagesdosiswert, wie in einem Rundschreiben der DGUV vom 31.07.2008 (Az. Prävention-GR 087/2008) ausdrücklich bestätigt wird. Auch einzelne Hebe- und Tragevorgänge mit schweren Gewichten werden berücksichtigt, nicht aber solche Teiltätigkeiten, bei denen eine wirbelsäulenschädigende Bandscheibenbelastung von 2700 N bei Männern (vgl. dazu BSG vom 18.11.2008, aaO, Orientierungssatz 3) nicht erreicht wird. Dies gilt insbesondere für den Zeitraum vom 05.03.1990 bis 28.10.1993, da der Kläger im sogenannten Zettelgatter (Zettelei) Gatterwägen mit jeweils 108 Spulen à 1,6 kg Gewicht bestückt hat und pro Schicht 6-7 Wägen mit einem Gewicht von ca. 1000 kg ca. 50 m weit schieben musste. Diese Tätigkeit steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Ermittlungen des Präventionsdienstes insbesondere in der Besprechung vom 06.12.2006. Die vom SG am 09.07.2008 gehörten Zeugen haben sich hierzu nicht geäußert, sondern zu der Arbeit in der Kettfertigung, in der der Kläger ab 1993 eingesetzt war, wie er selbst bei der Beklagten am 29.09.2004 angegeben hat. Sowohl das Heben der Spulen als auch das Schieben der Wägen führt nicht zu einer Belastung, die die genannte Grenze von 2700 N erreicht. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der wiederholten Ausführungen des Präventionsdienstes hierzu, insbesondere in der Stellungnahme vom 23.04.2012.
Den Wert von 12,5 MNh erreicht die vom Präventionsdienst für den Gesamtzeitraum der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit des Klägers errechnete Belastungsdosis bei weitem nicht. Diese wirbelsäulenbelastende Tätigkeit hatte der Kläger in der Kettfertigung zu leisten. Sie bestand im Bestücken der Gatter mit 40 durchschnittlich 16 kg schweren Spulen (an 40 Tagen pro Jahr), im sogenannten Kreuzschlagen mit einem Gewicht von 31 bis 55 kg, durchschnittlich 43 kg (an 40 Tagen, 130-mal pro Schicht), im Anhängen von Gewichten von durchschnittlich 5 kg (212-mal pro Schicht) sowie im Nachfüllen von Wachs à 10 kg (7-mal pro Schicht). Diese Werte stehen zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Ermittlungen des Präventionsdienstes, insbesondere bei der Besprechung am 06.12.2006. Die vom Kläger gegen die Berechnung erhobenen Einwendungen vermögen nicht zu überzeugen. Der Präventionsdienst hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Maschinen bei den Messungen vom Dezember 2004 mit höchster Belastung betrieben wurden. Damit ist die Belastung von höchstens 55 kg, die der Präventionsdienst seiner Berechnung zugrunde gelegt hat, nach der vollen Überzeugung des Senats auf der sicheren Seite; eine Belastung von 70 kg und höher, wie vom Kläger behauptet, ist dagegen nicht nachvollziehbar. Welche Belastungen des Klägers nicht berücksichtigt wurden, wie der Kläger in der Berufung meint, wird von diesem nicht substantiiert. Zählbare Belastungen aus seiner Tätigkeit als Hufschmied bzw. Zimmermann liegen beim Kläger nach dessen eigenen Angaben und der Stellungnahme des Präventionsdienstes nicht vor. Die Zeugenaussagen, die Arbeitskollegen beim SG zu den Arbeitsvorgängen im Zettelgatter gemacht haben, helfen ebenfalls nicht weiter, weil diese gerade im Hinblick auf die strittigen Gewichtsangaben auf Einschätzungen beruhen, die objektiv nicht zu überprüfen sind (vgl. "die Hebevorgänge waren schon sehr schwer", "ich selbst kann 80 kg ohne Probleme halten, konnte aber das Gewicht mitunter nicht länger alleine halten"). Zudem hat der Zeuge M. angegeben, dass bei schweren Stangen zu zweit gearbeitet wurde. Die Berechnung des TAD berücksichtigt dagegen auch die objektivierbaren technischen Gegebenheiten sowie, worauf Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.04.2012 nochmals hingewiesen hat, teilweise sogar die Angaben des Klägers (hinsichtlich der Anzahl der Hebevorgänge - 130 - und des Gewichts - bis zu 55 kg - sowie den Belastungszeitraum beim sog. Kreuzschlagen), ohne Abschläge aufgrund der an sich plausiblen niedrigeren Angaben des Arbeitgebers zu machen. Hinsichtlich weiterer vom Kläger als bei der Berechnung fehlend monierter Arbeitsvorgänge (u.a. Schieben schwerer Zettelbäume) hat Dr. W. in der bereits zitierten ergänzenden Stellungnahme zu Recht darauf verwiesen, dass auch insofern die notwendigen Wirbelsäulen-Druckkräfte (2700 N) nicht erreicht wurden, da nur Werte von 2000 N errechnet werden konnten. Auch das Hantieren mit einem Brecheisen bei verkeilten Wägen hat sich insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen M. vor dem SG nicht näher quantifizieren lassen. Der Zeuge K. konnte hierzu keine Angaben machen, der Arbeitgeber hat darauf verwiesen, dass ihm nicht bekannt sei, dass es häufiger zu solchen Vorfällen gekommen sei. Der Senat konnte sich daher nicht davon überzeugen, dass diese Tätigkeit in einem relevanten Umfang stattgefunden hat. Der Berechnung des TAD/Präventionsdienstes, wonach der Kläger einer Gesamtdosis rückenbelastender Tätigkeit von 8,7 MNh (zu Gunsten des Klägers legt der Senat nicht den zuletzt genannten Wert von 8,2 MNh zugrunde) ausgesetzt war und damit nur von 35 % des Orientierungswertes des MDD, schließt sich der Senat daher an und stellt fest, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 beim Kläger nicht vorliegen.
Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme liegt beim Kläger auch keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten vor, wie der gerichtsärztliche Gutachter Prof Dr. S. ausgeführt hat. Danach leidet der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung (hypertrophe Spondylose), wobei die spondylotischen Veränderungen der Wirbelsäule nicht nur in den untersten Bewegungssegmenten, sondern gleichmäßig verteilt über alle Abschnitte der Wirbelsäule anzutreffen sind (u.a. Syndesmophyten am Übergang von der BWS zur LWS). Der Gutachter hat dies zu Recht als nicht belastungsadaptiv eingestuft (vgl. dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, 8.3.6.6.3 Belastungskonformes Schadensbild). Vielmehr spricht einiges dafür, dass es sich um ein individuelles, anlagebedingtes Reaktionsmuster handelt, da degenerative Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates auch außerhalb der Wirbelsäule bestehen (Arthrose im rechten Kniegelenk, Beschwerden im Bereich beider Schultern). Auch die Diagnose eines LWS-Syndroms im Jahre 1993 und damit nur eineinhalb Jahre nach Aufnahme der rückenbelastenden Tätigkeit spricht gegen eine berufsbedingte Erkrankung der LWS, wie der Gutachter zu Recht ausführt. Hierbei befindet er sich auch in Übereinstimmung mit den sogenannten Konsensempfehlungen (Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, 211, Punkt 1.4). Soweit der Gutachter Dr. I. das beim Kläger vorliegende Schadensbild demgegenüber als belastungskonform einstuft, überzeugt das nicht. Dr. I. geht nämlich sowohl hinsichtlich des Prüfungspunktes Langjährigkeit als auch hinsichtlich der anzusetzenden Belastungsdosis von falschen Voraussetzungen aus. Während er die Langjährigkeit ohne weitere Begründung bejaht, sieht er die hinreichende Belastungsdosis deshalb als erfüllt an, weil Belastungen als Hufschmied und als Zimmermann zu berücksichtigen seien und "kein vernünftiger Grund ersichtlich" sei, warum die Angaben des Klägers zu den Gewichten nicht zutreffend sein sollten. Damit berücksichtigt Dr. I. weder die kurze zeitliche Distanz zwischen der Arbeitsaufnahme und den ersten Beschwerden noch die nachvollziehbare Berechnung des TAD, sondern legt seiner Begutachtung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde. Auch die Aussage im Gutachten des Dr. I., die Tätigkeit des Klägers habe HWS und LWS gleichermaßen belastet, so dass eine genaue Trennung zwischen der BK 2108 und 2109 nicht möglich sei, zeigt, dass dessen gutachterliche Einschätzung nicht auf der Grundlage der BKV und der Konsensempfehlungen erfolgt ist.

3.
Den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2012 hilfsweise gestellten Anträgen musste der Senat nicht nachkommen. Eine Neufeststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen ist nicht erforderlich. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats wie auch des BSG (Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 43/99 R; Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 1/02; Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 14/07 R), dass die Feststellungen des TAD/Präventionsdienstes den Feststellungen der Belastungen zugrunde gelegt werden können. Der TAD/Präventionsdienst ist, wie dargelegt, auch von der tatsächlich mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ermittelbaren Belastung ausgegangen und hat damit seiner Berechnung die richtigen Werte zugrunde gelegt. Hinweise auf Rechenfehler vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit der Kläger rügt, dass der TAD/Präventionsdienst in seinen Berechnungen im Verfahrensverlauf zu unterschiedlichen Gesamtbelastungen gekommen ist, liegt das in erster Linie daran, dass zunächst ohne Berücksichtigung weiterer Ermittlungen am 12.04.2005 eine Stellungnahme allein aufgrund der Einlassung des Klägers gefertigt wurde, die Werte zwischen 19,4 MNh und 21,4 MNh erbrachte. Diese Werte können der Bewertung vor dem Hintergrund der dann noch durchgeführten Ermittlungen nicht zugrunde gelegt werden. Am 06.12.2006 erfolgte die schon erwähnte Besprechung mit dem Kläger, seinem Bevollmächtigten sowie Arbeitgeber und Kollegen des Klägers, in der die maßgebenden Belastungen ermittelt wurden. Auf der Grundlage dieser Besprechung ist der TAD/Präventionsdienst zu einer relevanten Belastung von 0 MNh gekommen, weil damals die Rechtsprechung des BSG zur Modifikation des MDD noch nicht bekannt war und eine Mindesttagesbelastungsdosis von 5500 Nh zugrunde gelegt wurde. Nach Veröffentlichung der genannten Entscheidungen des BSG hat der TAD/Präventionsdienst dann unter Berücksichtigung der dortigen Vorgaben am 02.04.2009 korrekt eine Gesamtbelastungsdosis von 8,7 MNh errechnet, wobei, wie bereits ausgeführt, teilweise Angaben zu Gunsten des Klägers nach oben korrigiert wurden. Die unterschiedlichen Werte erweisen sich daher als nachvollziehbar und sind nicht geeignet, die Stellungnahmen des TAD insgesamt in Frage zu stellen. Neue Ermittlungen zur Gesamtbelastungsdosis sind daher nicht veranlasst.

4.
Nach alldem war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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