L 5 R 2162/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1988/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2162/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3.5.2012 wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 8.310,52 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 33.242,11 EUR.

Mit Bescheid vom 16.2.2012 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin (nach durchgeführter Betriebsprüfung und nach Anhörung der Antragstellerin - Anhörungsschreiben vom 17.1.2012) auf, Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen sowie Säumniszuschläge von 33.242,11 EUR (Säumniszuschläge 8.488,50 EUR) zu zahlen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin habe Arbeitnehmer beschäftigt, ohne sie ordnungsgemäß zur Sozialversicherung anzumelden bzw. ohne die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Der Arbeitnehmer B. sei vom 12.11.2008 bis 11.12.2008 mit einem abgerechneten Entgelt je Teilmonat in Höhe von 320,00 EUR gemeldet worden. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe aber in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart (22 Ca 3 /09) vorgetragen, am 11.12.2008 abends gegen 19.00 Uhr an den Versicherten 1.200,00 EUR netto ausbezahlt zu haben. Auf die Entgeltdifferenz in Höhe von 1.135,90 EUR würden Beiträge nacherhoben. Der Arbeitnehmer G., den die Antragstellerin nicht zur Sozialversicherung angemeldet habe, habe bei seiner Vernehmung vom 14.4.2009 gegenüber den Beamten des Hauptzollamts angegeben, er habe mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin über die Einstellung und die Vergütung gesprochen, wobei ihm der Geschäftsführer der Antragstellerin gesagt habe, er könne ab Neujahr 2009 für 12,00 EUR je Stunde arbeiten. Unter Auswertung der vorliegenden Stundennachweise des Arbeitnehmers im Zeitraum vom 29.12.2008 bis 10.2.2009 würden nach Maßgabe des Mindestlohns Bau (Lohngruppe I, 10,70 EUR) aus einem Entgelt von 358,45 EUR für Dezember 2008, 2.996,00 EUR für Januar 2009 und 529,65 EUR für Februar 2009 Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben. Der Arbeitnehmer C. sei für die Zeit vom 1.3.2009 bis 31.5.2009 als geringfügig Beschäftigter (Vorarbeiter) angemeldet worden. Er habe nach eigenen Angaben täglich zwei bis vier Stunden gearbeitet, sei aber den ganzen Tag auf der Baustelle vor Ort gewesen; er habe nicht mehr arbeiten können, da er im Sozialleistungsbezug gestanden habe. Nach der Vernehmungsniederschrift des Arbeitnehmers B. habe der Arbeitnehmer C. die Arbeit als Vorarbeiter überwacht, verteilt und den Arbeitern Weisungen erteilt. Er sei bereits im November 2008 als Vorarbeiter tätig und von morgens bis abends auf der Baustelle gewesen. Die Antragstellerin habe ihn pflichtwidrig erst zum 1.3.2009 angemeldet. Die Arbeiter D. T. und K. V. hätten bei Baustellenkontrollen angegeben, ihre Arbeitsanweisungen von dem Arbeitnehmer C. erhalten zu haben. Eine geringfügige Beschäftigung liege nicht vor. Für die Zeit vom 12.11.2008 bis 12.5.2009 würden Sozialversicherungsbeiträge unter Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 50 Stunden und dem Mindestlohn Bau Lohngruppe I (10,70 EUR) nacherhoben. Bei der vorgenommenen Durchsuchung seien u. a. mehrere Kalenderblätter beschlagnahmt worden, auf denen verschiedene Vornahmen mit täglich geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet gewesen seien. Aufzeichnungen, die eine personenbezogene Zuordnung möglich machen würden, habe man nicht auffinden können. Die für den Zeitraum Januar 2009 bis April 2009 geleisteten Arbeitsstunden (osteuropäischer Arbeitnehmer) würden pro Kalendermonat addiert und für die Ermittlung des sozialversicherungspflichtigen Schadens herangezogen, die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung würden ohne personenbezogene Zuordnung anhand eines Summenbeitragsbescheides nach § 28f SGB IV erhoben.

Am 5.3.2012 hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Außerdem beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung des Nachforderungsbescheids, was die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.3.2012 ablehnte.

Mit Anklageschrift vom 9.3.2012 erhob die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen (186 Js 3 /09).

Am 10.4.2012 suchte die Antragstellerin beim Sozialgericht Stuttgart um vorläufigen Rechtsschutz nach. Sie trug (u.a.) vor, dem Arbeitnehmer B. seien 700 EUR nicht als Arbeitsentgelt, sondern als Darlehen gezahlt worden. Den Arbeitnehmer C. habe ihr Geschäftsführer aus Freundschaft und zur Einübung einer späteren Bauunternehmertätigkeit auf Baustellen anwesend sein lassen; er habe nur vorgegeben, als Beobachter bzw. Überwacher tätig zu sein. Ein Arbeitsverhältnis sei erst zum 1.3.2009 abgeschlossen worden. Der Arbeitnehmer D., der ihren Geschäftsführer mit weiteren Personen tätlich angegriffen habe, sei nicht bei ihr, sondern bei anderen Unternehmen beschäftigt gewesen; man habe ihn nur als möglichen Beschäftigten ins Auge gefasst. Die osteuropäischen Arbeitnehmer seien für sie als selbständige Unternehmer tätig geworden; das habe man mit ihnen so vereinbart.

Mit Beschluss vom 3.5.2012 wies das Sozialgericht den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurück. Zur Begründung führte es aus, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Nachforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16.2.2012 sei nicht gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuordnen. Das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin gehe dem Aufschubinteresse der Abtragstellerin vor. Weder bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Nachforderungsbescheids noch hätte dessen Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zu Folge.

Hinsichtlich des Arbeitnehmers B. habe das Arbeitsgericht Stuttgart die Zahlung eines Darlehens nicht festgestellt. Auf die von diesem Arbeitnehmer gegen die Antragstellerin erhobene arbeitsgerichtliche Klage auf Zahlung weiteren Arbeitsentgelts in Höhe von 960,00 EUR habe der Geschäftsführer der Antragstellerin ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Arbeitsgerichts vom 6.5.2009 angegeben, dem Arbeitnehmer B. persönlich 1.200,00 EUR netto übergeben zu haben. Deswegen habe der Arbeitsrichter der Staatsanwaltschaft Stuttgart auch mitgeteilt, der Geschäftsführer der Antragstellerin habe nach eigenen Angaben Arbeitsentgelt von 1.200,00 EUR ohne Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt. Das Arbeitsgericht habe demgegenüber nicht festgestellt, ein Anteil von 700,00 EUR sei als Darlehen gegeben worden. Die in der Sitzungsniederschrift festgehaltene Formulierung "1.200,00 EUR netto" spreche klar gegen die Hingabe eines Darlehens. Die Behauptung der Antragstellerin, der Arbeitnehmer C. habe gegenüber den auf der Baustelle beschäftigten Arbeitern nur vorgegeben, als Beobachter bzw. Überwacher tätig zu sein, weil es für ihn entwürdigend gewesen wäre, einfach nur auf der Baustelle "rumzuhängen", begründe als bloße Schutzbehauptung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachforderung. Bei der Baustellenkontrolle durch das zuständige Hauptzollamt am 12.5.2009 habe der Arbeitnehmer C. angegeben, als Vorarbeiter für die Antragstellerin täglich zwei bis drei Stunden zu arbeiten, zugleich aber eingeräumt, den ganzen Tag auf der Baustelle zu sein. Er sei nach eigenen Angaben Ansprechpartner für die Bauleitung vor Ort gewesen und habe den Bauarbeitern Anweisungen erteilt. Das Vorbringen der Antragstellerin, der Arbeitnehmer D. sei nur als möglicher Arbeitnehmer ins Auge gefasst worden, sei durch nichts belegt. Vielmehr sprächen die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmten Unterlagen gegen diese Darstellung der Antragstellerin. Man habe nämlich Stundenaufzeichnungen des Arbeitnehmers C. über die von den Arbeitern abgeleisteten Stunden gefunden. Darunter befinde sich auch ein Stundenaufschrieb für "G." (D.). Wäre dieser tatsächlich bei einem anderen Unternehmen beschäftigt gewesen, hätte die Antragstellerin diese Aufschriebe nicht benötigt. Die osteuropäischen Arbeiter seien nicht als selbständige (Bau-)Unternehmer tätig gewesen. Die Sozialversicherungspflicht könne nicht vertraglich abbedungen werden. Die tatsächlichen Verhältnisse sprächen mehr für abhängige Beschäftigungsverhältnisse. Anhaltspunkte für eine unbilligen Härte i. S. d. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG seien weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Auf den ihr am 7.5.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 24.5.2012 Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, sie hätte den Arbeitnehmer D. erst einstellen können, wenn dieser die dafür nötigen Arbeitspapiere beigebracht hätte; vor Erhalt der Arbeitspapiere sei eine Beschäftigung nicht möglich. Der Arbeitnehmer D. sei bei einem anderen Unternehmen beschäftigt gewesen, das für sie gearbeitet habe.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3.5.2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Nachforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16.2.2012 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 172 ff. SGG statthaft, insbesondere nicht gem. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht versagt. Der Senat nimmt auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei im Hinblick auf das Beschwerdeverbringen der Antragstellerin angemerkt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachforderung hinsichtlich des Arbeitnehmers D. mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Arbeitspapieren nicht dargetan sind. Im Übrigen hat die Antragstellerin nur ihr Vorbringen im sozialgerichtlichen Verfahren, mit dem das Sozialgericht sich im angefochtenen Beschluss auseinandergesetzt hat, wiederholt und Neues nicht vorgetragen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels Erfolgsaussichten der Beschwerde abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung, ZPO); hierfür ist auf das Vorstehende zu verweisen.

Die Kostenentscheidung (für das Beschwerdeverfahren) beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 GKG. Maßgeblich ist ein Viertel des Nachforderungsbetrags (einschließlich Säumniszuschlägen) von 33.242,11 EUR (Senatsbeschluss vom 14.2.2007, - L 5 KR 2854/06 W-A -). Der Streitwertfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts vom 22.5.2012 wird entsprechend abgeändert (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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