L 13 R 5095/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 448/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5095/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 verurteilt, der Klägerin ab 1. Oktober 2006 große Witwenrente für vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene haben der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten je zur Hälfte für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des geschiedenen Ehemanns der Klägerin.

Die 1942 geborene Klägerin war mit dem 1940 geborenen und 2006 verstorbenen Versicherten J. K. (J.) verheiratet. Die 1963 geschlossene Ehe wurde mit am 12. Mai 1975 rechtskräftig gewordenem Urteil des Landgerichts H. vom 7. Mai 1975 (Az. xxx) aus Verschulden des Versicherten geschieden. Aus der Ehe sind die Kinder R. (geb. 1964), H. (geb. 1968) und F. (geb. 1970) hervorgegangen. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 12. April 1974 hatte sich der Versicherte gegenüber der Klägerin u. a. verpflichtet, im Fall einer rechtskräftigen Scheidung 500,00 DM Unterhalt monatlich zu leisten. Im Jahre 1982 änderten die geschiedenen Eheleute einvernehmlich die getroffene Unterhaltsvereinbarung; ab diesem Zeitpunkt zahlte der Versicherte nur noch 300,00 DM monatlich. Die Klägerin hat nicht wieder geheiratet. Sie arbeitete ab 1978 wieder halbtags und ab 1987 in Vollzeit. Der Versicherte war vom 1. April 1976 bis 30. November 1983 in zweiter Ehe mit Frau M. K. und zuletzt vom 22. März 1991 bis zu seinem Tod mit der Beigeladenen in dritter Ehe verheiratet. Seit 1. April 2002 bezog der Versicherte von der Beklagten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (Rentenbescheid vom 12. April 2002) in Höhe von zuletzt 1.557,51 EUR. Die Zahlung der Versichertenrente wurde mit Ablauf des Monats September 2006 eingestellt. Die Beigeladene bezieht seit 1. Oktober 2006 eine Witwenrente aus der Versicherung des J.

Am 5. Oktober 2006 stellte (auch) die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente. In der Anlage zum Antrag gab sie an, ihr geschiedener Ehemann sei ihr bis "ca. 1988" zum Unterhalt verpflichtet gewesen. Ergänzend erklärte sie im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 12. Oktober 2006, der Unterhalt habe "ca. 1989" geendet. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2004 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, nach Angaben der Klägerin habe seit 1988 kein Unterhaltsanspruch mehr bestanden. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod tatsächlich Unterhalt geleistet hätte, ohne hierzu verpflichtet zu sein. Dementsprechend stehe der Klägerin ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht zu. Den gegen diesen Bescheid seitens der Klägerin am 7. November 2006 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2007 zurück.

Mit ihrer am 2. Februar 2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie habe zwar in den letzten zwölf Monaten vor dem Tod ihres geschiedenen Ehemannes tatsächlich keinen Unterhalt erhalten, ein Anspruch auf Unterhalt habe aber gleichwohl bestanden. Die am 12. April 1975 getroffene Vereinbarung, mit der ein solcher Unterhaltsanspruch begründet worden sei, sei zu keinem Zeitpunkt aufgehoben, abgeändert oder in sonstiger Weise außer Kraft gesetzt worden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Eine Unterhaltsvereinbarung könne auch formlos wieder aufgehoben werden. Dies sei hier im Jahre 1989 der Fall gewesen. Da seit 1989 keine Zahlungen mehr geleistet wurden, sei davon auszugehen, dass eine Leistungspflicht nicht mehr bestanden habe und ein entsprechender Anspruch der Klägerin verwirkt sei. Mit Beschluss vom 18. Februar 2008 hat das SG die dritte Ehefrau des Versicherten, Frau R. K. beigeladen. Sie hat vorgetragen, der Versicherte habe der Klägerin bereits mehrere Jahre vor seinem Tod keinen Unterhalt mehr geschuldet. Nachdem die Klägerin wieder ein Vollzeittätigkeit aufgenommen habe, hätte sich keine einen Unterhaltsanspruch rechtfertigende Einkommensdifferenz mehr ergeben. Mit Urteil vom 12. Mai 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen den Versicherten habe im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod nicht bestanden. Es könne offen bleiben, ob angesichts der Vereinbarung vom 12. April 1975 überhaupt ein Rückgriff auf die Vorschriften des Ehegesetzes möglich sei; jedenfalls sei ein Unterhaltsanspruch der Klägerin durch Verwirkung erloschen. Die Klägerin habe es über einen längeren Zeitraum unterlassen, einen Unterhaltsanspruch geltend zu machen. Der Versicherte habe darauf vertrauen dürfen, dass ein entsprechender Anspruch nicht mehr geltend gemacht werde.

Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 28. Mai 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Juni 2010 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie habe nur deshalb davon abgesehen, Unterhaltsansprüche gegenüber dem Versicherten geltend zu machen, da solche Ansprüche nur im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung durchsetzbar gewesen wären. Eine solche hätte sie aber psychisch und physisch überfordert. Eine Einigung dahingehend, dass ab 1989 kein Unterhalt mehr gezahlt werden solle, sei niemals getroffen worden, vielmehr habe der Versicherte die Zahlungen einfach eigenmächtig eingestellt. Ihren wiederholten Aufforderungen, weiter Unterhalt zu zahlen, sei der Versicherte nicht nachgekommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007 zu verurteilen, ihr ab 1. Oktober 2006 große Witwenrente für vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin hätte zwar unter Zugrundelegung ihrer Einkommensverhältnisse und derjenigen des Versicherten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod bestanden; sie sei aber - in Übereinstimmung mit dem SG - weiterhin der Auffassung, dass dieser Anspruch durch Verwirkung weggefallen sei.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe bei der Rentenantragstellung selbst angegeben, dass ihr seit 1988 kein Ehegattenunterhalt mehr zugestanden habe. Der Vortrag, die Klägerin habe den Versicherten nach 1988 wiederholt zur Unterhaltszahlung aufgefordert, entspreche nicht der Wahrheit.

Der Senat hat die Töchter der Klägerin und des Versicherten H. G.-K. und R. K. sowie den Schwiegersohn der Beigeladenen K.-H. Pf. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2012 verwiesen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (xxxx), die Klageakten des SG (S 3 R 488/07) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 2903/10 und L 13 R 5095/11) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden ist. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenrente ablehnende Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2007. Dieser erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in subjektiven Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf große Witwenrente für vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten ab 1. Oktober 2006.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 243 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3396). Danach haben Anspruch auf große Witwenrente geschiedene Ehegatten, (1.) deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden ist, die (2.) nicht wieder geheiratet oder eine Lebenspartnerschaft begründet haben, die (3.) im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten Unterhalt von jenem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode einen Anspruch hierauf hatten und (4.) u. a. das 45. Lebensjahr vollendet haben, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

Die in § 243 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB VI normierten Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Der Versicherte hatte die allgemeine Wartezeit erfüllt und ist am 16. September 2006, also nach dem in der Vorschrift genannten Stichtag, gestorben; außerdem war die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden, die Klägerin war nicht wieder verheiratet, hat keine Lebenspartnerschaft begründet und das 45. Lebensjahr vollendet. Darüber hinaus ist auch die – hier streitige – in § 243 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI normierte Anspruchsvoraussetzung erfüllt. Tatsächliche Unterhaltsleistungen (§ 243 Abs. 2 Nr. 3 erste Alternative SGB VI) an die Klägerin hat der Versicherte zwar nicht erbracht. Der Klägerin hat aber im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten ein Anspruch auf Unterhalt gegen diesen zugestanden (§ 243 Abs. 2 Nr. 3 zweite Alternative SGB VI).

Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 58 Abs. 1 des Ehegesetzes (EheG). Die Vorschriften des EheG sind zwar mit Ablauf des 30. Juni 1977 außer Kraft getreten (vgl. Art. 3 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts [1. EheRG] vom 14. Juni 1976, BGBl. I S. 1421). Hier sind aber die Vorschriften über die Scheidung der Ehe und die Folgen der Scheidung des EheG noch anwendbar, weil die Ehe vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG am 1. Juli 1977 (vgl. Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 des Gesetzes) durch Urteil vom 7. Mai 1975 geschieden worden ist. Nach § 58 Abs. 1 EheG hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Würde der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Ehegatte durch Gewährung des im § 58 bestimmten Unterhalts bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährden, braucht er allerdings nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht (§ 59 Abs. 1 Satz 1 EheG). Hat der Verpflichtete einem minderjährigen unverheirateten Kinde oder bei Wiederverheiratung dem neuen Ehegatten Unterhalt zu gewähren, so sind auch die Bedürfnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Personen zu berücksichtigen (§ 59 Abs. 1 Satz 2 EheG).

Die zwischen der Klägerin und dem Versicherten bereits vor der Scheidung getroffene schriftliche Unterhaltsvereinbarung vom 12. April 1975 steht einem (gesetzlichen) Unterhaltsanspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten nicht entgegen. In dieser Vereinbarung haben sich die Eheleute auf einen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 500,00 DM monatlich geeinigt. Obwohl die Vereinbarung keine Befristung enthält, kann nicht unterstellt werden, dass der Versicherte und die Klägerin den Unterhaltsanspruch als für alle Zeiten unveränderbar festschreiben wollten. Ebenso wenig kann angenommen werden, durch die getroffene Vereinbarung hätten gesetzliche Unterhaltsansprüche auf Dauer ausgeschlossen werden sollen. Dies zeigt sich bereits daran, dass in der Vereinbarung vom 12. April 1975 offenkundig der Bezug von Kindergeld als Grundlage für die Festlegung der Höhe der vom Versicherten zu leistenden Zahlungen unterstellt wurde. Für die Zeit nach Ende des Kindergeldbezugs enthält die Vereinbarung demgegenüber keine Regelung. Darüber hinaus hat die Klägerin bereits im Jahre 1982 unter Hinweis auf gesetzliche Bestimmungen und geänderte tatsächliche Verhältnisse eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen verlangt, der Versicherte im Gegenzug – mit gleicher Begründung – eine Reduzierung der Zahlungen angekündigt. Auch dieses Verhalten der geschiedenen Eheleute zeigt, dass die in der Vereinbarung vom 12. April 1974 jedenfalls im Hinblick auf die Höhe des Ehegattenunterhalts getroffene Festlegung nach dem Willen der Parteien keine dauerhafte sein sollte.

Nach den von der Beklagten vorgenommenen Unterhaltsberechnungen (Bl. 1/2 der Berufungsakte L 13 R 5095/11), die der Senat sich aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen macht, hatte der Klägerin im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten gegen diesen einen Unterhaltsanspruch nach § 58 Abs. 1 EheG in Höhe von 749,49 EUR. Dass die Beklagte bei der Berechnung einen Zeitraum von zwölf Monaten zugrunde gelegt hat, ist nicht zu beanstanden, da eine relevante Änderung in den Vermögens- oder Einkommensverhältnissen in den letzten Jahren vor dem Tod des Versicherten nicht eingetreten ist (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23. Mai 2006 – B 13 RJ 4/05 R – veröffentlicht in Juris).

Die Klägerin hat entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen auch nicht auf weiteren Unterhalt verzichtet (vgl. dazu § 72 EheG und BSG a.a.O.). Der Senat ist überzeugt, dass ein solcher Verzicht durch die Klägerin zu keinem Zeitpunkt erklärt worden ist. Der Senat schließt dies zunächst aus den glaubhaften Angaben der Klägerin selbst. Diese hat widerspruchsfrei geschildert, dass der Versicherte die Höhe der Unterhaltszahlungen zuletzt selbst festgelegt und die Unterhaltszahlungen auch aufgrund eines ausschließlich eigenen Entschlusses eigenmächtig eingestellt hat. Durch die Aussage der Tochter des Versicherten und der Klägerin, der Zeugin R. K., wurde die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin bestätigt. Die Zeugin hat für den Senat glaubhaft ausgesagt, wenn zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter ein Unterhaltsverzicht vereinbart worden wäre, hätten beide ihr dies mit Sicherheit mitgeteilt. Eine entsprechende Mitteilung sei aber zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Der entgegenstehenden Aussage des Zeugen Pf. vermochte sich der Senat demgegenüber nicht anzuschließen. Der Zeuge Pf. hat ausgesagt, der Versicherte habe ihm gegenüber geäußert, seine frühere Ehefrau sei ihm bei den Unterhaltszahlungen entgegengekommen und habe zum Zeitpunkt der Beendigung der Unterhaltszahlungen an die Töchter auch auf eigene Unterhaltszahlungen verzichtet. Der Zeuge Pf. konnte seine Aussage lediglich auf (angebliche) Angaben des Versicherten stützten. Demgegenüber stand die Zeugin R. K. in der Zeit des behaupteten Unterhaltsverzichts sowohl mit dem Versicherten als auch mit ihrer Mutter in engem Kontakt. Zudem hat der Zeuge Pf. den Versicherten erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt, nämlich zwei bis drei Jahre vor seiner Heirat mit der Tochter der Beigeladenen im Jahre 1995 kennengelernt. Nach alledem steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass die erfolgte Einstellung der Unterhaltszahlungen an die Klägerin nicht einvernehmlich sondern ausschließlich aufgrund einer eigenmächtigen Entscheidung des Versicherten erfolgt ist.

Letztlich ist auch keine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs eingetreten. Das im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) entwickelte - und im Sozialrecht anerkannte - Rechtsinstitut der Verwirkung setzt voraus, dass der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhaltens) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG vom 25. Februar 2010 – B 13 RJ 147/08 R - SozR 4-2600 § 243 Nr. 4). Solche Umstände liegen nicht vor; es fehlt insbesondere an einem über die schlichte Untätigkeit hinausgehenden Verhalten der Klägerin. Diese hat zwar einen Unterhaltsanspruch tatsächlich nicht (mehr) geltend gemacht; es kann aber kein hinzutretendes zusätzliches Verwirkungsverhalten, aufgrund dessen der Versicherte darauf hätte vertrauen dürfen, dass die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen werde, festgestellt werden. Wie oben dargelegt hat die Klägerin die eigenmächtige Einstellung der Unterhaltszahlungen durch den Versicherten zwar hingenommen, es ist aber weder eine Erklärung noch tatsächliches Verhalten der Klägerin erkennbar, dem der Versicherte hätte entnehmen können und dürfen, die Klägerin werde ihr Verhalten insoweit auch in Zukunft und auf Dauer nicht mehr ändern. Ein für die Annahme einer Verwirkung vorausgesetzter Vertrauenstatbestand ist dementsprechend nicht entstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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