Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 15 P 1983/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 P 486/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. März 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2005.
Die 1956 geborene Klägerin erlitt am 21. Februar 2004 multiple Hirninfarkte im Bereich des Hin-terhaupts und des Thalamus. Als Folgeerscheinung bestand zunächst eine links- später eine rechtsseitige Gefühlsstörung und Schwäche, später kam es zu einer linksseitig dezenten Hemipare-se mit Kraftverlusten und zu fein- und grobmotorischen Störungen i.S. einer Ataxie. Auf den An-trag vom 19. Mai 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2004 auf-grund eines Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung e.V. (MDK) vom 21. Juni 2004, das einen Grundpflegebedarf von 55 Minuten täglich feststellte, Leis-tungen der Pflegestufe I ab dem 19. Mai 2004.
Am 13. Januar 2005 fand eine Wiederholungsbegutachtung durch den MDK statt, aufgrund derer dieser im Gutachten vom 10. März 2005 zu dem Ergebnis kam, dass nur noch ein Grund-pflegebedarf von 27 Minuten täglich besteht. Anlässlich eines Hausbesuchs am 18. März 2005 erläuterte ein Pflegeberater der Beklagten das Gutachten, hörte die Klägerin zu der beabsichtig-ten Aufhebung der Leistungsbewilligung an und führte eine Gegenüberstellung des Hilfebedarfs durch, wobei sich ein Grundpflegebedarf von 38 Minuten ergab.
Mit Bescheid vom 24. März 2005 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 30. Juni 2004 unter Beru-fung auf § 48 Abs. l Satz l des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab dem 1. Mai 2005 auf. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2005 zurück.
Mit ihrer am 18. Juli 2005 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Pflegestufe I lägen weiterhin vor.
Das SG hat Krankenunterlagen der behandelnden Kliniken, die Unterlagen des Versorgungs-amts Gera und Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen sowie ein Gut-achten der Dipl. PGw W. eingeholt. Diese hat in ihrem Gutachten vom 29. Mai 2006 aufgrund der häuslichen Begutachtung vom 17. Januar 2006 ausgeführt, dass der Hilfebedarf der Klägerin ab März 2005 in der Grundpflege 37 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung 42 Minuten täglich beträgt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheids vom 30. Juni 2004 ab dem 1. Mai 2005 lägen vor, da sowohl die gerichtlich bestellte Sachverständi-ge als auch der Pflegeberater der Beklagten festgestellt hätten, dass der für die Pflegestufe I erfor-derliche Pflegebedarf in der Grundpflege von 45 Minuten ab März 2005 nicht mehr erreicht werde.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 13. April 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 2007 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, die Sachverständige habe die durch die Erkrankungen hervorgerufenen Funktionsstörungen und die hieraus entstehende Hilfebedürftigkeit nicht richtig ermittelt. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 59 Mi-nuten täglich. Dies werde durch das Gutachten ihres behandelnden Neurologen und Psychia-ters Dr. M. gestützt. Außerdem hat die Klägerin dessen ärztliches Attest vom 5. November 2009 vorgelegt, wonach sie unter einer permanenten ausgeprägten Gangstörung leidet, die außerhalb ihrer Wohnung regelmäßig eine Begleitperson erforderlich macht.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. März 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2005 aufzuheben
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass Dr. M. keine detaillierten zeitlichen Angaben in den Einzelpositionen macht, sondern lediglich den Pflegebedarf pauschal anhand der Angaben der Klägerin bewertet.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein neu-rologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. M. eingeholt. Er hat in seinem Gutachten vom 13. April 2010 ausgeführt, seine Einschätzung basiere auf einer detaillierten Erhebung der neurologischen Funktionsdefizite und psychischen sowie geistigen Funktionsbeeinträchtigun-gen der Klägerin sowohl im Zeitraum März bis Ende Juni 2005 im Rahmen der durch ihn erfolgten ambulanten Behandlungen als auch im Rahmen weitgehendster Befundkonstanz aufgrund aktueller klinischer, apparativer, psychologischer und Hirnleistungsuntersuchungen. Dagegen hätten die neurologischen Funktionsdefizite im Gutachten der Dipl. PGw W. keine hinreichende Würdigung gefunden, wofür die ungewöhnliche Kombination der Funktionsstö-rungen aufgrund der sehr seltenen Beidseitigkeit der erfolgten Hirnschädigung eine maßgebliche Rolle spielen könne. Der durchschnittliche regelmäßige tägliche Pflegeaufwand für Aufstehen, Zubettgehen, An- und Umkleiden habe im oben genannten Zeitraum 30 Minuten, der tägliche durchschnittliche Zeitbedarf für die Unterstützung durch die Angehörigen bei der Körperpflege 50 Minuten sowie der tägliche durchschnittliche Pflegebedarf bezüglich der Ernährung 30 Minu-ten betragen. Der hauswirtschaftliche Gesamtaufwand habe sich damals auf 3 Stunden und 40 Minuten belaufen. Der festgestellte Pflegebedarf habe bereits seit mindestens dem 20. Mai 2004 vorgelegen, als die stationäre neurologische Rehabilitation beendet gewesen sei.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2011 hat Dr M. mitgeteilt, dass sich seine zeit-lichen Angaben zur Pflegebedürftigkeit einerseits auf die Angaben der Klägerin, deren Eheman-nes sowie deren Tochter und andererseits auf die erheblichen neurologischen und psychischen Funktionseinschränkungen der Klägerin aufgrund von ihm selbst erhobener Befunde sowie stati-onärer Vorbefunde stützten.
Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten am 14. Dezember 2009 sowie am 15. November 2010 Erörterungstermine durchgeführt. Insoweit wird auf den Inhalt der Nieder-schriften verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündli-chen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, weil die Klage der Klägerin unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2004 mit Wirkung zum 1. Mai 2005 liegen nach § 48 Abs. 1 SGB X vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Ver-waltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder recht-lichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Hier ist eine wesentliche Änderung bezüglich des zeitlichen Umfangs der Pflegebedürftigkeit der Klägerin (spätestens) mit Wirkung zum 1. April 2005 insoweit eingetreten, als die Kläge-rin nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt keinen täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege im Umfange von mindestens 45 Minuten mehr hatte.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides. Der hier angefochtene Bescheid hinsichtlich der Aufhebung der Pflegestufe I ist ein bereits vollzoge-ner Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vormals be-willigten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine auf-schiebende Wirkung hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92, nach juris). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder eine tatsächliche Änderung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.
Die Klägerin hatte zu dem im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 30. Juni 2004 im März 2005 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pfle-gebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Für die Gewährung von Leistungen des SGB XI sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI pfle-gebedürftige Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in er-heblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftige der Stufe I (erheblich Pflegebedürf-tige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigs-tens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familien-angehöriger oder andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegepersonen für die erforderli-chen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wö-chentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). In der Pflegestufe II sind es mindestens drei Stunden, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (= 120 Minuten) entfallen muss (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Leistungen nach der Pflegestufe III er-halten Personen, welche die pflegerischen und zeitlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 3 Nr. 3 SGB XI erfüllen (§§ 36 Abs. 3 Nr. 3, 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB XI). Schwerstpflegebedürftige sind demnach Personen, die Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und/oder der Mobilität (§ 14 Abs 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI - sog Grundpflege) täglich rund um die Uhr, auch nachts, und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der haus-wirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen; der gesamte Pflegebedarf muss mindestens fünf Stunden (= 300 Minuten), die Grundpflege davon mindestens vier Stunden (= 240 Minuten) betragen.
Der zeitliche Umfang der notwendigen Hilfe ist, weil naturwissenschaftliche Erkenntnismög-lichkeiten, die eine exakte Bemessung des Zeitbedarfes für einzelne Verrichtungen ermögli-chen könnten, in der Regel nicht existieren und standardisierte Zeiten oder Erfahrungswerte im Hinblick auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse allenfalls einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des Zeitaufwandes geben können, durch Schätzung entsprechend § 287 der Zivil-prozessordnung (ZPO) an Hand der zur Verfügung stehenden medizinischen Feststellungen (z.B. Begutachtungsergebnisse medizinisch-pflegerischer Sachverständiger) zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - Az.: 3 RK 9/94 in SozR 3 – 2500 § 53 Nr. 7; Se-natsurteile vom 28. Februar 2001 – Az.: L 6 P 249/99, 24. Januar 2001 – Az.: L 6 P 348/00 und 20. Dezember 2000 – Az.: L 6 P 552/99). Dabei orientiert sich der Senat an den Zeitvor-gaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebe-dürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches – BRi (Begutachtungsrichtlinien – BRi) vom 8. Juni 2009, hier Abschnitt F "Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB X genannten Verrichtungen der Grundpflege", ohne letztlich daran gebunden zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 - Az.: B 3 P 14/99 R in Breithaupt 2001, S. 120 ff.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich im Falle der Klägerin, dass für den streitgegen-ständlichen Zeitpunkt im März 2005 die Voraussetzungen für das Fortbestehen eines An-spruchs auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen sind.
Im Gegenteil ergibt sich aus dem zeitnahen Sachverständigengutachten der Dipl. PGw W. vom 29. Mai 2006, dass der Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von ursprünglich im Juni 2004 festgestellten 55 Minuten auf 37 Minuten und damit auf weniger als die für die Pflegestufe I erforderlichen 45 Minuten herabgesunken ist. Die Sachverständige führt dort aus, dass die von ihr beschriebenen Zeiterfordernisse für die einzelnen grundpflegerischen Tätigkeiten aus den objektiv gewichteten Angaben der Klägerin und deren Ehemannes resul-tieren. Bei der Gewichtung hat sie die aktenkundigen Befundberichte und Stellungnahmen sowie die Diagnosen berücksichtigt und durch individuelle Beobachtungen und eigene Be-funderhebungen zum Zeitpunkt des Hausbesuches, anlässlich dessen sie Einblicke in einzelne Tagesverrichtungen erhalten hat, ergänzt. Sie hat berücksichtigt, dass eine demonstrativ be-tonte Fremdvornahme der Pflegeperson (Ehemann) beschrieben, die auf das gesetzlicherseits anerkennenswerte Maß herunter zu brechen" war. Aus den Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes gegenüber Dipl. PGw W. ergibt sich, dass die Hauptlast der Fürsorgen nicht im Grundpflegebereich, sondern im hauswirtschaftlichen Bereich sowie im Bereich der allge-meinen Betreuung gelagert ist, auch wenn die Klägerin objektivierbare Defizite aufzeigte, die einer eigenständigen grundpflegerischen Versorgung in einzelnen Bereichen entgegenstehen, jedoch nicht unmöglich machen bzw. nur partiell behindern. So errechnet Dipl. PGw W. für die Körperpflege einen täglichen Zeitaufwand für die Hilfen von 18 Minuten, wobei der Großteil für Hilfestellungen beim Duschen aufgewandt wird. Im Bereich der Ernährung be-darf die Klägerin danach allein der Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Umfange von 7 Minuten täglich. Schließlich hat sie im Bereich der Mobilität einen Hilfebe-darf beim An- und Entkleiden sowie bei Stehen im Umfange von insgesamt 12 Minuten täg-lich festgestellt.
Diesen Ausführungen, die durch eine detaillierte Schilderung und Bewertung der Einzelberei-che unterlegt sind, folgt der Senat und weist darauf hin, dass anlässlich des Hausbesuchs des Pflegeberaters der Beklagten im März 2005 im Rahmen der Gegenüberstellung des Hilfebe-darfs ein nahezu identischer Hilfebedarf beschrieben wurde.
Demgegenüber teilt der Senat nicht die Einschätzungen des Dr. M. in dessen Gutachten vom 13. April 2010, soweit sie den Umfang des zeitlichen Hilfebedarfs der Klägerin betreffen. Zum einen hat dieser seiner Einschätzung allein die von ihm im Rahmen der ambulanten Be-handlung der Klägerin erhobenen neurologischen Funktionsdefizite und psychischen Funkti-onsbeeinträchtigungen einerseits sowie die zeitlichen Angaben der Klägerin, deren Eheman-nes sowie deren Tochter andererseits zugrunde gelegt. Dies und der Umstand, dass Dr. M. als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie offenkundig keine Erfahrung in der Pflegebegutach-tung besitzt, wecken beim Senat erhebliche Zweifel am Vorliegen des von ihm beschriebenen zeitlichen Pflegeumfanges. Es mag sein, dass Dipl. PGw W. die vorhandenen neurologischen Funktionsdefizite in ihrem Gutachten nicht hinreichend gewürdigt hat. Ihre Aufgabe war es allerdings die konkreten Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin auf deren Hilfebedarf festzustellen und zeitlich zu bemessen. Der Senat erachtet es als nicht ausreichend, von den erhobenen neurologischen Funktionsdefiziten und psychischen Funkti-onsbeeinträchtigungen auf einen bestimmten Umfang des zeitlichen Hilfebedarfs zu schlie-ßen. Dies verbietet sich selbst dann, wenn man dabei die Angaben der Klägerin sowie ihrer Angehörigen berücksichtigt. Denn Dr. M. hat weder diese Angaben einer wertenden Überprü-fung anhand der Pflegerichtlinien unterzogen noch sonst durch eigene Anschauung verifiziert.
Zum anderen hat der Sachverständige seiner Einschätzung die Angaben der Klägerin und de-ren Angehörigen aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt. Obwohl Dr. M. dabei eine "weitge-hendste Befundkonstanz" im Vergleich zum hier allein maßgeblichen Zeitraum erstes Halb-jahr 2005 beschrieben hat, kann allein hieraus nicht überzeugend auf einen bestimmten Hilfe-bedarf im genannten Zeitraum geschlossen werden. Insoweit folgt der Senat vielmehr dem deutlich zeitnäheren Gutachten der Dipl. PGw W. aufgrund der häuslichen Begutachtung vom 17. Januar 2006 sowie dem MDK-Gutachten vom 10. März 2005.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2005.
Die 1956 geborene Klägerin erlitt am 21. Februar 2004 multiple Hirninfarkte im Bereich des Hin-terhaupts und des Thalamus. Als Folgeerscheinung bestand zunächst eine links- später eine rechtsseitige Gefühlsstörung und Schwäche, später kam es zu einer linksseitig dezenten Hemipare-se mit Kraftverlusten und zu fein- und grobmotorischen Störungen i.S. einer Ataxie. Auf den An-trag vom 19. Mai 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 30. Juni 2004 auf-grund eines Gutachtens des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung e.V. (MDK) vom 21. Juni 2004, das einen Grundpflegebedarf von 55 Minuten täglich feststellte, Leis-tungen der Pflegestufe I ab dem 19. Mai 2004.
Am 13. Januar 2005 fand eine Wiederholungsbegutachtung durch den MDK statt, aufgrund derer dieser im Gutachten vom 10. März 2005 zu dem Ergebnis kam, dass nur noch ein Grund-pflegebedarf von 27 Minuten täglich besteht. Anlässlich eines Hausbesuchs am 18. März 2005 erläuterte ein Pflegeberater der Beklagten das Gutachten, hörte die Klägerin zu der beabsichtig-ten Aufhebung der Leistungsbewilligung an und führte eine Gegenüberstellung des Hilfebedarfs durch, wobei sich ein Grundpflegebedarf von 38 Minuten ergab.
Mit Bescheid vom 24. März 2005 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 30. Juni 2004 unter Beru-fung auf § 48 Abs. l Satz l des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ab dem 1. Mai 2005 auf. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2005 zurück.
Mit ihrer am 18. Juli 2005 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Pflegestufe I lägen weiterhin vor.
Das SG hat Krankenunterlagen der behandelnden Kliniken, die Unterlagen des Versorgungs-amts Gera und Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen sowie ein Gut-achten der Dipl. PGw W. eingeholt. Diese hat in ihrem Gutachten vom 29. Mai 2006 aufgrund der häuslichen Begutachtung vom 17. Januar 2006 ausgeführt, dass der Hilfebedarf der Klägerin ab März 2005 in der Grundpflege 37 Minuten und bei der hauswirtschaftlichen Versorgung 42 Minuten täglich beträgt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2007 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheids vom 30. Juni 2004 ab dem 1. Mai 2005 lägen vor, da sowohl die gerichtlich bestellte Sachverständi-ge als auch der Pflegeberater der Beklagten festgestellt hätten, dass der für die Pflegestufe I erfor-derliche Pflegebedarf in der Grundpflege von 45 Minuten ab März 2005 nicht mehr erreicht werde.
Gegen das ihren Bevollmächtigten am 13. April 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 2007 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, die Sachverständige habe die durch die Erkrankungen hervorgerufenen Funktionsstörungen und die hieraus entstehende Hilfebedürftigkeit nicht richtig ermittelt. Der Hilfebedarf in der Grundpflege betrage 59 Mi-nuten täglich. Dies werde durch das Gutachten ihres behandelnden Neurologen und Psychia-ters Dr. M. gestützt. Außerdem hat die Klägerin dessen ärztliches Attest vom 5. November 2009 vorgelegt, wonach sie unter einer permanenten ausgeprägten Gangstörung leidet, die außerhalb ihrer Wohnung regelmäßig eine Begleitperson erforderlich macht.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 27. März 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 24. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2005 aufzuheben
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass Dr. M. keine detaillierten zeitlichen Angaben in den Einzelpositionen macht, sondern lediglich den Pflegebedarf pauschal anhand der Angaben der Klägerin bewertet.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein neu-rologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. M. eingeholt. Er hat in seinem Gutachten vom 13. April 2010 ausgeführt, seine Einschätzung basiere auf einer detaillierten Erhebung der neurologischen Funktionsdefizite und psychischen sowie geistigen Funktionsbeeinträchtigun-gen der Klägerin sowohl im Zeitraum März bis Ende Juni 2005 im Rahmen der durch ihn erfolgten ambulanten Behandlungen als auch im Rahmen weitgehendster Befundkonstanz aufgrund aktueller klinischer, apparativer, psychologischer und Hirnleistungsuntersuchungen. Dagegen hätten die neurologischen Funktionsdefizite im Gutachten der Dipl. PGw W. keine hinreichende Würdigung gefunden, wofür die ungewöhnliche Kombination der Funktionsstö-rungen aufgrund der sehr seltenen Beidseitigkeit der erfolgten Hirnschädigung eine maßgebliche Rolle spielen könne. Der durchschnittliche regelmäßige tägliche Pflegeaufwand für Aufstehen, Zubettgehen, An- und Umkleiden habe im oben genannten Zeitraum 30 Minuten, der tägliche durchschnittliche Zeitbedarf für die Unterstützung durch die Angehörigen bei der Körperpflege 50 Minuten sowie der tägliche durchschnittliche Pflegebedarf bezüglich der Ernährung 30 Minu-ten betragen. Der hauswirtschaftliche Gesamtaufwand habe sich damals auf 3 Stunden und 40 Minuten belaufen. Der festgestellte Pflegebedarf habe bereits seit mindestens dem 20. Mai 2004 vorgelegen, als die stationäre neurologische Rehabilitation beendet gewesen sei.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2011 hat Dr M. mitgeteilt, dass sich seine zeit-lichen Angaben zur Pflegebedürftigkeit einerseits auf die Angaben der Klägerin, deren Eheman-nes sowie deren Tochter und andererseits auf die erheblichen neurologischen und psychischen Funktionseinschränkungen der Klägerin aufgrund von ihm selbst erhobener Befunde sowie stati-onärer Vorbefunde stützten.
Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten am 14. Dezember 2009 sowie am 15. November 2010 Erörterungstermine durchgeführt. Insoweit wird auf den Inhalt der Nieder-schriften verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündli-chen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, weil die Klage der Klägerin unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 24. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2004 mit Wirkung zum 1. Mai 2005 liegen nach § 48 Abs. 1 SGB X vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Ver-waltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder recht-lichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Hier ist eine wesentliche Änderung bezüglich des zeitlichen Umfangs der Pflegebedürftigkeit der Klägerin (spätestens) mit Wirkung zum 1. April 2005 insoweit eingetreten, als die Kläge-rin nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt keinen täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege im Umfange von mindestens 45 Minuten mehr hatte.
Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides. Der hier angefochtene Bescheid hinsichtlich der Aufhebung der Pflegestufe I ist ein bereits vollzoge-ner Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vormals be-willigten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine auf-schiebende Wirkung hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92, nach juris). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder eine tatsächliche Änderung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.
Die Klägerin hatte zu dem im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 30. Juni 2004 im März 2005 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pfle-gebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Für die Gewährung von Leistungen des SGB XI sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI pfle-gebedürftige Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in er-heblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftige der Stufe I (erheblich Pflegebedürf-tige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigs-tens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familien-angehöriger oder andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegepersonen für die erforderli-chen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wö-chentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). In der Pflegestufe II sind es mindestens drei Stunden, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (= 120 Minuten) entfallen muss (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Leistungen nach der Pflegestufe III er-halten Personen, welche die pflegerischen und zeitlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 3 Nr. 3 SGB XI erfüllen (§§ 36 Abs. 3 Nr. 3, 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB XI). Schwerstpflegebedürftige sind demnach Personen, die Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und/oder der Mobilität (§ 14 Abs 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI - sog Grundpflege) täglich rund um die Uhr, auch nachts, und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der haus-wirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen; der gesamte Pflegebedarf muss mindestens fünf Stunden (= 300 Minuten), die Grundpflege davon mindestens vier Stunden (= 240 Minuten) betragen.
Der zeitliche Umfang der notwendigen Hilfe ist, weil naturwissenschaftliche Erkenntnismög-lichkeiten, die eine exakte Bemessung des Zeitbedarfes für einzelne Verrichtungen ermögli-chen könnten, in der Regel nicht existieren und standardisierte Zeiten oder Erfahrungswerte im Hinblick auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse allenfalls einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des Zeitaufwandes geben können, durch Schätzung entsprechend § 287 der Zivil-prozessordnung (ZPO) an Hand der zur Verfügung stehenden medizinischen Feststellungen (z.B. Begutachtungsergebnisse medizinisch-pflegerischer Sachverständiger) zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - Az.: 3 RK 9/94 in SozR 3 – 2500 § 53 Nr. 7; Se-natsurteile vom 28. Februar 2001 – Az.: L 6 P 249/99, 24. Januar 2001 – Az.: L 6 P 348/00 und 20. Dezember 2000 – Az.: L 6 P 552/99). Dabei orientiert sich der Senat an den Zeitvor-gaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebe-dürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches – BRi (Begutachtungsrichtlinien – BRi) vom 8. Juni 2009, hier Abschnitt F "Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung für die in § 14 SGB X genannten Verrichtungen der Grundpflege", ohne letztlich daran gebunden zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 - Az.: B 3 P 14/99 R in Breithaupt 2001, S. 120 ff.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich im Falle der Klägerin, dass für den streitgegen-ständlichen Zeitpunkt im März 2005 die Voraussetzungen für das Fortbestehen eines An-spruchs auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen sind.
Im Gegenteil ergibt sich aus dem zeitnahen Sachverständigengutachten der Dipl. PGw W. vom 29. Mai 2006, dass der Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von ursprünglich im Juni 2004 festgestellten 55 Minuten auf 37 Minuten und damit auf weniger als die für die Pflegestufe I erforderlichen 45 Minuten herabgesunken ist. Die Sachverständige führt dort aus, dass die von ihr beschriebenen Zeiterfordernisse für die einzelnen grundpflegerischen Tätigkeiten aus den objektiv gewichteten Angaben der Klägerin und deren Ehemannes resul-tieren. Bei der Gewichtung hat sie die aktenkundigen Befundberichte und Stellungnahmen sowie die Diagnosen berücksichtigt und durch individuelle Beobachtungen und eigene Be-funderhebungen zum Zeitpunkt des Hausbesuches, anlässlich dessen sie Einblicke in einzelne Tagesverrichtungen erhalten hat, ergänzt. Sie hat berücksichtigt, dass eine demonstrativ be-tonte Fremdvornahme der Pflegeperson (Ehemann) beschrieben, die auf das gesetzlicherseits anerkennenswerte Maß herunter zu brechen" war. Aus den Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes gegenüber Dipl. PGw W. ergibt sich, dass die Hauptlast der Fürsorgen nicht im Grundpflegebereich, sondern im hauswirtschaftlichen Bereich sowie im Bereich der allge-meinen Betreuung gelagert ist, auch wenn die Klägerin objektivierbare Defizite aufzeigte, die einer eigenständigen grundpflegerischen Versorgung in einzelnen Bereichen entgegenstehen, jedoch nicht unmöglich machen bzw. nur partiell behindern. So errechnet Dipl. PGw W. für die Körperpflege einen täglichen Zeitaufwand für die Hilfen von 18 Minuten, wobei der Großteil für Hilfestellungen beim Duschen aufgewandt wird. Im Bereich der Ernährung be-darf die Klägerin danach allein der Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Umfange von 7 Minuten täglich. Schließlich hat sie im Bereich der Mobilität einen Hilfebe-darf beim An- und Entkleiden sowie bei Stehen im Umfange von insgesamt 12 Minuten täg-lich festgestellt.
Diesen Ausführungen, die durch eine detaillierte Schilderung und Bewertung der Einzelberei-che unterlegt sind, folgt der Senat und weist darauf hin, dass anlässlich des Hausbesuchs des Pflegeberaters der Beklagten im März 2005 im Rahmen der Gegenüberstellung des Hilfebe-darfs ein nahezu identischer Hilfebedarf beschrieben wurde.
Demgegenüber teilt der Senat nicht die Einschätzungen des Dr. M. in dessen Gutachten vom 13. April 2010, soweit sie den Umfang des zeitlichen Hilfebedarfs der Klägerin betreffen. Zum einen hat dieser seiner Einschätzung allein die von ihm im Rahmen der ambulanten Be-handlung der Klägerin erhobenen neurologischen Funktionsdefizite und psychischen Funkti-onsbeeinträchtigungen einerseits sowie die zeitlichen Angaben der Klägerin, deren Eheman-nes sowie deren Tochter andererseits zugrunde gelegt. Dies und der Umstand, dass Dr. M. als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie offenkundig keine Erfahrung in der Pflegebegutach-tung besitzt, wecken beim Senat erhebliche Zweifel am Vorliegen des von ihm beschriebenen zeitlichen Pflegeumfanges. Es mag sein, dass Dipl. PGw W. die vorhandenen neurologischen Funktionsdefizite in ihrem Gutachten nicht hinreichend gewürdigt hat. Ihre Aufgabe war es allerdings die konkreten Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin auf deren Hilfebedarf festzustellen und zeitlich zu bemessen. Der Senat erachtet es als nicht ausreichend, von den erhobenen neurologischen Funktionsdefiziten und psychischen Funkti-onsbeeinträchtigungen auf einen bestimmten Umfang des zeitlichen Hilfebedarfs zu schlie-ßen. Dies verbietet sich selbst dann, wenn man dabei die Angaben der Klägerin sowie ihrer Angehörigen berücksichtigt. Denn Dr. M. hat weder diese Angaben einer wertenden Überprü-fung anhand der Pflegerichtlinien unterzogen noch sonst durch eigene Anschauung verifiziert.
Zum anderen hat der Sachverständige seiner Einschätzung die Angaben der Klägerin und de-ren Angehörigen aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt. Obwohl Dr. M. dabei eine "weitge-hendste Befundkonstanz" im Vergleich zum hier allein maßgeblichen Zeitraum erstes Halb-jahr 2005 beschrieben hat, kann allein hieraus nicht überzeugend auf einen bestimmten Hilfe-bedarf im genannten Zeitraum geschlossen werden. Insoweit folgt der Senat vielmehr dem deutlich zeitnäheren Gutachten der Dipl. PGw W. aufgrund der häuslichen Begutachtung vom 17. Januar 2006 sowie dem MDK-Gutachten vom 10. März 2005.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
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