Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 219/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 216/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist allein die Frage, ob dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. November 2008 zu gewähren ist.
Der am 1954 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1969 bis 31. August 1972 eine Ausbildung zum Dreher und war anschließend in diesem Beruf tätig, zuletzt bei der E. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Aufhebungsvertrag vom 21. Dezember 2004 beendete er dieses Arbeitsverhältnis. Er bezog ab 10. Juni 2002 Krankengeld wegen ab 26. April 2002 bestehender Arbeitsunfähigkeit, anschließend vom 23. November 2004 bis 12. Oktober 2006 Arbeitslosengeld.
Am 11. November 2002 stellte er erstmalig einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht des Internisten Priv.-Doz. Dr. H. vom 25. November 2002 über eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme vom 3. bis 30. September 2002 bei. Dr. S., Ärztlicher Prüfdienst der Beklagten, stellte unter Bezugnahme auf diesen Entlassungsbericht die Diagnosen: Mononeuropathie mit rückläufiger Peronäusparese rechts seit April 2002 bei Diabetes mellitus Typ 2, insulinpflichtig; Coxarthrose beidseits, Schädelprellung vom 3. September 2002, vorbekannte affektive Störung und Adipositas sowie zusätzlich Protrusion mit Übergang zum subligamentären Bandscheibenvorfall links betont bei L4/5 ohne Radikulopathie, Facettengelenksarthrose mit Spinalkanalenge L4/5, linkskonvexe Skoliose. Er bejahte ein Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, ohne Wechselschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Zwangshaltung und ohne häufiges Bücken, Knien und Hocken. (Stellungnahme vom 5. März 2003). Mit Bescheid vom 17. März 2003 gewährte die Beklagte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) auf Zeit vom 1. November 2002 bis 31. März 2003. Der Kläger erhob am 17. April 2003 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er habe einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. März 2003 hinaus. Eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sei fehlgeschlagen, er könne auf nicht absehbare Zeit nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2003 zurück.
Der Kläger erhob am 27. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG, S 3 RJ 2720/03) und stellte am 19. November 2003 bei der Beklagten einen neuen Rentenantrag. Mit Schriftsatz vom 16. März 2003 erkannte die Beklagte eine teilweise Erwerbsminderung über den 31. März 2003 hinaus an und erklärte sich bereit, die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Beginn der Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu leisten. Dieses Teilanerkenntnis nahm der Kläger an. Der Ausführungsbescheid datierte vom 26. April 2004. Der Kläger verfolgte sein Begehren auf Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter und trug zur Begründung vor, mittlerweile sei er als Schwerbehinderter anerkannt, ein Klageverfahren vor dem SG sei mit einem Anerkenntnis beendet worden. Die Erhöhung des anerkannten Grades der Behinderung (GdB) beruhe auf einer Verschlimmerung des Diabetes, der zu fast täglich auftretenden Hypoglykämien mit Krampfanfällen führe, in deren Folge er teilweise bewusstlos werde. Die affektive Störung hindere ihn, konsequent die Blutzucker-Selbstkontrolle durchzuführen. Der Kläger führte vom 12. bis 26. August 2004 eine stationäre Behandlung im Diabetes Zentrum Mergentheim durch. Ein vom Kläger vorgelegter Arztbrief seines behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. Sc. vom 19. September 2005 bescheinigte psychische Stabilität bei nur selten und kurz auftretenden depressiven Stimmungen und gestiegenem Selbstbewusstsein.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Internisten und Endokrinologen Prof. Dr. Ha., Chefarzt Diabetes Zentrum M., mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser stellte unter dem 13. Dezember 2004 auf seinem Fachgebiet die Diagnosen Diabetes mellitus Typ 1, autonome Neuropathie mit anamnestischer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung, insulinbedingte Hypoglykämien, arterielle Hypertonie, beidseitige Varikosis mit chronisch venöser Insuffizienz. Prof. Dr. Ha. hielt den Kläger trotz der gestellten Diagnosen für in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder, überwiegend sitzender Körperhaltung zu verrichten. Zu vermeiden seien Hebe- und Tragebelastungen über zehn bis 15 kg Gewicht, häufiges Bücken sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, mit erhöhter Unfallgefahr und Ersteigen von Gerüsten, Akkordarbeit ohne ausreichende Arbeitspausen zur Blutzuckermessung und Nachtarbeit. Während des stationären Aufenthaltes sei die Blutzucker-Stoffwechsellage stabil gewesen mit nur leichten Hypoglykämien ohne schwere Entgleisungen und Bewusstseinstrübungen, die sicher wahrgenommen und durch Kohlenhydratzufuhr ausgeglichen worden seien. Daher liege aktuell keine Hypoglykämiewahrnehmungsstörung vor. Für eine klinisch relevante psychische Erkrankung, insbesondere eine affektive Störung, hätten sich keine Hinweise ergeben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dreher entspreche dem vorbeschriebenen Leistungsbild und könne vom Kläger mindestens täglich sechs Stunden ausgeübt werden. Es müssten allerdings ausreichende Arbeitspausen für Blutzuckermessung und -korrektur sowie Nahrungsaufnahme möglich sein.
Vom 24. Mai bis 14. Juni 2005 führte der Kläger zu Lasten der Beklagten eine stationäre Reha-Maßnahme in der F.-Klinik B. B. durch. Dort wurde neben dem Diabetes psychotherapeutisch die Diagnose einer Anpassungsstörung bei selbstunsicherer Persönlichkeit gestellt. Eine ambulante Psychotherapie sei indiziert. Der Kläger sei jedoch vollschichtig leistungsfähig ohne Schicht- und Akkordarbeit und ohne erhöhte Anforderungen an Flexibilität und Umstellungsfähigkeit (Entlassungsbericht des Priv.-Doz. Dr. H. vom 1. Juli 2005).
Mit Urteil vom 23. März 2006 wies das SG die Klage ab. Aus dem Reha-Entlassungsbericht des PD Dr. H. vom 1. Juli 2005 und dem Gutachten des Prof. Dr. Ha. vom 13. Dezember 2004 ergebe sich eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen.
Am 30. April 2007 beantragte der Kläger erneut Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er legte seinen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 60 vor. Dr. Zimmermann-Reiter verblieb bei der bisherigen Leistungsbeurteilung. Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er verwies u.a. darauf, seine psychische Verfassung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Am 15. November 2007 erstellte der Facharzt für Innere Medizin und für Psychotherapeutische Medizin Dr. W. aufgrund einer Untersuchung des Klägers im Auftrag der Beklagen ein sozialmedizinisches Gutachten. Dieses bezog die aufgrund einer Untersuchung am 14. November 2007 durch den Facharzt für Chirurgie Dr. J. erhobenen Befunde ein. Dr. J. nannte aus orthopädischer Sicht eine Coxarthrose beidseits mit eingeschränkter Rotationsfähigkeit bei insgesamt guter Beweglichkeit und gegebener Wegefähigkeit, eine deutliche Rotatorenmanschettendegeneration beidseits mit Funktionseinschränkungen, einen mit Einlagen versorgten Senk-Spreizfuß beidseits, einen Verdacht auf Polyneuropathie sowie eine muskuläre Dysbalance bei Torsionsskoliose und multiplen degenerativen Veränderungen, ohne Angabe wesentlicher Probleme. Von Seiten des Bewegungsapparates beschrieb Dr. J. qualitative Leistungseinschränkungen, jedoch ein sechs- und mehrstündiges Restleistungsvermögen. Dr. W. nannte zusätzlich eine abgelaufene Venenthrombose beider Beine unklarer Ursache im August 2007 sowie eine leichte chronische Anpassungsstörung bei Verdacht auf frühkindliche Hirnschädigung. Internistisch bestünden aufgrund des Diabetes Einschränkungen hinsichtlich Schichtarbeit, Arbeit in Gefahrenbereichen und mit hoher Personenverantwortung, aufgrund der Thrombose seien Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vorzugswürdig. In psychischer Hinsicht fand Dr. W. keine relevanten Einschränkungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Dem Kläger seien leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vom sozialmedizinischen Dienst genannten Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.
Am 16. Januar 2008 erhob der Kläger Klage zum SG. Zur Begründung machte er eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend und wiederholte die Begründung seines Widerspruchs. Er legte zwei Ambulanzberichte des Universitätsklinikums U. vom 1. August 2008 und vom Bundeswehrkrankenhaus U. vom 14. September 2009 über Notfallaufnahmen nach Anfällen vor.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe Dr. G. befand den Kläger in seiner Auskunft vom 6. Juni 2008 für mindestens sechs Stunden leistungsfähig zu leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der epileptischen Anfälle bzw. Hypoglykämien und legte u.a. Behandlungsberichte des Universitätsklinikums Ulm vom 23. September 2007 und 21. Oktober 2007 über Anfälle mit plötzlichem Verlust des Bewusstseins vor. Augenarzt Ge. befand den Kläger in seiner Auskunft vom 9. Juni 2008 bei Diagnose einer Makuladegeneration (epiretinale Gliose) ebenfalls für mindestens sechs Stunden leistungsfähig. Fachärztin für Allgemeinmedizin Felgenhauer befand den Kläger in ihrer Auskunft vom 17. Juni 2008 dagegen für nicht leistungsfähig wegen der Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen sowie der Blutzuckerschwankungen bei eingeschränkter Gehfähigkeit, insgesamt habe sich der Gesundheitszustand des Klägers seit April 2004 verschlechtert. Facharzt für Chirurgie und Phlebologie Dr. Haa. sah in seiner Auskunft vom 19. Juni 2008 phlebologisch keine Einschränkung des Leistungsvermögens. Arzt für Orthopädie Dr. Be. sah in seiner Auskunft vom 18. Juli 2008 eine Verschlechterung in Form vermehrter Schmerzen im Bereich der Hüften und der Lendenwirbelsäule. Tätigkeiten mit Bücken, Stehen und längerem Sitzen seien nicht mehr möglich. Eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich sei nicht mehr möglich. Diabetologe Prof. Dr. Het. gab in seiner Auskunft vom 30. Juli 2008 an, die Befunde Beinvenenthrombose, Unterschenkelphlebothrombose, Gastritis bei Hiatushernie seien seit 30. April 2007 hinzugetreten, insoweit sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers sei auf wiederholt tonisch-klonische Krampfanfälle bei bekannter Epilepsie und dem erhöhten Risiko von unerwarteten Hypoglykämien hinzuweisen. Der Kläger sei körperlich in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Allerdings müsse er alle zwei Stunden die Möglichkeit zu Blutzuckerkontrollen sowie zu entsprechenden Zwischenmahlzeiten haben. Außerdem erhöhe Stress das Risiko für Hypoglykämien und sei somit zu meiden. Das maßgebliche Leiden sei neurologisch und diabetologisch-endokrinologisch-internistisch.
Das SG beauftragte Dr. F. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 17. November 2008 stellte Dr. F. die Diagnosen Schultereckgelenksarthrose rechts mit funktioneller Beeinträchtigung, Engpasssyndrom des Nervus medianus links (sog. Karpaltunnelsyndrom) mit geringgradiger funktioneller Beeinträchtigung, chronisch rezidivierende Beschwerden der Lendenwirbelsäule, Hüftgelenksarthrose beidseitig, derzeit klinisch stumm sowie fachfremd abgelaufene Venenthrombose beider Beine unklarer Ursache unter Antikoagulationstherapie, leichte chronische Anpassungsstörung bei Verdacht auf frühkindliche Hirnschädigung und bekannter insulinpflichtiger Diabetes mellitus ohne feststellbare Folgeschäden mit Polyneuropathie. Er sah ein positives Leistungsbild von mindestens sechs Stunden täglich mit (im Einzelnen genannten) qualitativen Leistungseinschränkungen, ausreichender Wegefähigkeit und der Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen, nicht jedoch einen Pkw zu führen. Er stimmte ausdrücklich mit dem Gutachten des Dr. W. vom 15. November 2007 überein. Der Anregung des Dr. F. folgend, gab das SG ein weiteres Gutachten auf internistischem Fachgebiet in Auftrag. Priv.-Doz. Dr. Lo., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie des Klinikums S., erstattete am 16. Juni 2009 ein Gutachten. Der beim Kläger bestehende Diabetes mellitus Typ eins sei formal gut eingestellt. Bei Durchsicht der Blutzuckerhefte seien relativ häufig niedrige Blutzuckerwerte aufgefallen, hyperglykämische Schwankungen fänden sich hingegen nur sehr selten. Der Kläger sei in der Lage, die Hypoglykämien selbstständig wahrzunehmen und aktiv gegenzusteuern. Der Kläger sei in der Lage, sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten auszuüben bei hinreichenden Möglichkeiten zur Blutzuckerkontreolle und Aufnahme von Kohlenhydraten und Vermeidung von Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Akkordarbeit und Nachtarbeit. Im Vergleich zum letzten internistischen Gutachten von Prof. Dr. Ha. vom 13. Dezember 2004 sei es in letzter Zeit wieder zu einer instabilen Stoffwechsellage mit vermehrter Hypoglykämieneigung gekommen, die der Kläger nach eigenen Angaben durch innere Unruhe, Schwitzen und Bewusstseinsveränderungen wahrnehme und entsprechend reagiere.
Zu den Gutachten verwies der Kläger darauf, dass die akuten Notfälle sich in kurzen Zeitabständen häuften. Er legte die ärztliche Stellungnahme der Ärztin Felgenhauer vom 14. Juli 2009 vor, wonach aufgrund der Hypoglykämien und der plötzlich auftretenden Krampfanfälle der Kläger aus hausärztlicher Sicht nicht mehr in der Lage sei zu arbeiten, da er ansonsten sich und andere gefährde, sieben Berichte des Universitätsklinikums U. und des Bundeswehrkrankenhauses U. über Notfallaufnahmen nach Anfällen für die Zeit vom 13. März 2008 bis 29. Oktober 2009, sowie einen Arztbrief des Dr. Sc. vom 5. November 2009. Dr. Sc. attestierte eine erhebliche psychische und vegetative Labilität, die es sehr fraglich erscheinen lasse, ob der Kläger einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu festgelegten Zeiten mit dem Druck, eine bestimmte Leistung zu erbringen, gewachsen sei. Der Kläger habe sich seit dem Tod seines Vaters positiv entwickelt, könne ohne äußeren Druck ganz gut mit seinen Störungen umgehen, medikamentöse oder psychotherapeutische Maßnahmen seien derzeit nicht notwendig.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. We. aufgrund der Untersuchung des Klägers am 25. November 2009 am 8. Dezember 2009 ein neurologisches Fachgutachten. Prof. Dr. We. gab an, der Kläger leide seit seiner Kindheit unter Ängsten, besonders vor Menschenansammlungen. Er habe früher gestottert. Seine Angststörung werde bereits seit seinem zehnten Lebensjahr behandelt, mehrere Jahre lang medikamentös. Die Angst habe sich verstärkt, seitdem er unter Diabetes leide, etwa seit dem 44. oder 45. Lebensjahr. Bei Angst sei er schnell unterzuckert und die Unterzuckerung führe zur Verstärkung von Angst bzw. Nervosität. Als er noch gearbeitet habe, sei er durch Stress und Angst am Arbeitsplatz wesentlich häufiger unterzuckert gewesen. Der Kläger fahre Auto, helfe seiner Mutter im Haushalt, arbeite in einem Freizeitgarten und bastele Holzmodelle. Er könne mit Pausen von H. bis L. zu Fuß gehen. Der letzte Anfall sei am 8. oder 9. Oktober 2009 gewesen, es komme jeden Monat zu Bewusstlosigkeiten durch Unterzuckerung oder mit Anfällen. Nach drei bis vier Minuten sei er dann wieder bei sich, zittrig und verschwitzt, aber orientiert. Prof. Dr. We. stellte auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet die Diagnose einer vermeidend selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung. Die im Rahmen der Persönlichkeitsstörung auftretenden Ängste führten zu vegetativen Störungen mit Zittern, Somatisierungsstörung mit Veränderung des Gangbildes und Schmerzstörungen. Die Angst werde verstärkt durch die Angst vor Hypoglykämien, die immer wieder auftreten würden und bereits zu Synkopen, zerebralen Anfällen und Verletzungen geführt hätten. Dieser Zustand sei bisher therapieresistent, eine tiefergreifende Psychotherapie oder medikamentöse Therapie der Angst- bzw. der Persönlichkeitsstörung sei nicht durchgeführt worden. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Klägers gab Prof. Dr. We. an, dieser sei nur im gesicherten Raum ohne relevanten Kontakt nach außen überhaupt in der Lage, Tätigkeiten auszuführen. Bei Anforderungen träten Ängste auf, die den Kläger als im allgemeinen Rahmen nicht arbeitsfähig und belastbar erscheinen ließen. Während der gutachtlichen Untersuchung von 14.00 bis 18.00 Uhr mit einigen Pausen sei er zunehmend verlangsamt, zittriger, kaltschweißiger geworden und habe bei Nachfragen erheblich vegetativ reagiert. Prof. Dr. We. sah den Kläger als unter drei Stunden täglich leistungsfähig ausschließlich für Heimarbeit. Auf die Frage, seit wann die festgestellten Leistungseinschränkungen bestünden, gab er an, die Angststörung, bzw. die vermeidend selbstunsichere Persönlichkeitsstörung als Grundstörung, sei in den letzten Jahren durch zunehmende Synkopen und Anfälle akzentuiert; er schätze, dass die festgestellte Leistungseinschränkung seit zwei Jahren bestehe. Eine nachhaltige Besserung sei nicht zu erwarten.
Die Beklagte erkannte nach ärztlicher Stellungnahme der Sozialmedizinerin und Fachärztin für Innere Medizin Dr. Jö. vom 9. Februar 2010 eine volle Erwerbsminderung ab 15. November 2008 und daraus folgend einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 an. Da der Leistungsfall zeitlich nach der Begutachtung durch Dr. W. im November 2007 eingetreten sein müsse, lege man näherungsweise die zeitliche Mitte zwischen der Begutachtung durch Dr. W. und der Begutachtung durch Prof. Dr. We. im November 2009 zugrunde. Mit Bescheid vom 26. März 2010 gewährte die Beklagte in Ausführung ihres Teilanerkenntnisses eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13. Oktober 2010 nahm der Kläger das Teilanerkenntnis der Beklagten an und beantragte darüber hinaus die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auch vom 1. November 2007 bis 30. November 2008. In seiner Widerspruchsbegründung vom 18. Oktober 2007 sei dokumentiert worden, dass die psychischen Leistungseinschränkungen bisher nicht berücksichtigt worden seien. Richtigerweise bestehe der Anspruch sogar ab Antragstellung am 30. April 2007.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom selben Tage ab. Eine volle Erwerbsminderung des Klägers vor November 2008 und damit ein früherer Leistungsfall als von der Beklagten im Teilanerkenntnis angenommen lasse sich nicht sicher feststellen. Abgesehen von den Hausärzten und dem behandelnden Orthopäden Dr. Be., dessen Einschätzung vom orthopädischen Sachverständigen Dr. F. überzeugend widerlegt worden sei, sei Prof. Dr. We. der Erste gewesen, der nach seiner Untersuchung am 25. November 2009 eine volle Erwerbsminderung des Klägers angenommen habe. Dies sei aufgrund der Beobachtungen des Sachverständigen während der Untersuchung auch schlüssig. Es (das SG) folge dem Sachverständigen allerdings nicht in seiner nicht näher begründeten Einschätzung, die Leistungseinschränkung bestehe bereits seit zwei Jahren. Diese Einschätzung werde nicht durch die vorliegenden ärztlichen Unterlagen gestützt. Dr. W. habe bei Untersuchung auch der psychischen Beschwerden des Klägers im November 2007 keine derartige Leistungseinschränkung vorgefunden. Der behandelnde Neurologe Dr. G. habe den Kläger noch im Juni 2008 für arbeitstäglich sechs Stunden und mehr leistungsfähig befunden. Die vorgelegten Protokolle über Ohmachtsanfälle zeigten eine Häufung erst seit Mai 2009. Der Befundbericht des Psychiaters Dr. Sc. ergebe, dass der Kläger dort von 2005 bis Anfang 2006 mehrfach in Behandlung gewesen sei, danach jedoch erst wieder im November 2009. Dass in der Zwischenzeit offensichtlich keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe, spreche gegen das Bestehen gravierender, zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führender psychischer Probleme. Dass der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung eine psychiatrische Abklärung verlangt habe, besage nicht, dass gravierende Einschränkungen vorgelegen hätten, zumal diese von Dr. W. im November 2007 ausdrücklich verneint worden seien.
Gegen das am 15. November 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Dezember 2010 Berufung eingelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 22. Februar 2011 dem Kläger auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Zur Begründung der Berufung hat der Kläger wiederholt, die volle Erwerbsminderung sei wegen der Widerspruchsbegründung vom 18. Oktober 2007 ab 1. November 2007 anzunehmen, wenn nicht sogar bereits ab Antragstellung vom 30. April 2007 mit Rentenbeginn am 1. Mai 2007. Die Beklagte habe in der Stellungnahme der Dr. Jö. vom 9. Februar 2010 den Beginn der vollständigen Erwerbsunfähigkeit selbst mit dem Gutachten des Dr. W. vom November 2007 angesetzt und daraus willkürlich und nicht nachvollziehbar den Beginn der Zahlung am 1. Dezember 2008 gefolgert. Das SG sei in nicht nachvollziehbarer Weise dieser willkürlichen Terminierung gefolgt. Seine psychischen Beeinträchtigungen seien bereits zwei Jahre vor dem Gutachten von Prof. Dr. We. vorhanden gewesen, wie der Entlassungsbericht des Priv.-Doz. Dr. H. vom 1. Juli 2005) und zwei Berichte des Universitätsklinikums Ulm vom 5. September 2007 über die Behandlung der Beinvenenthrombose, der die Angststörung als weitere Diagnose nennt, und 21. Oktober 2007 über eine Notfallaufnahme nach einem Sturz infolge Hypoglykämie, in dem ebenfalls die Angststörung als weitere Diagnose genannt wird, belegen würden.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2010 und den Bescheid vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm anstelle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit auch vom 1. November 2007 bis zum 30. November 2008 zu gewähren. hilfsweise, gemäß § 103 SGG im Rahmen einer schriftlichen Befragung/Nachbegutachtung unter Vorlage der zwischenzeitlichen weiteren, auch gerichtlichen Sachverständigengutachten und ärztlichen Stellungnahmen, Berichte etc., Prof. Dr. We. ergänzend zu hören, wie er zur Annahme der vollen Erwerbsminderung bereits ab November 2007 gekommen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die (vorgelegte) weitere Stellungnahme der Dr. Jö. vom 8. Februar 2011. Dass beim Kläger psychische Störungen bei Persönlichkeitsstörung vorlägen, die bis in die Kindheit zurückreichen würden, sei unstreitig. Dies allein lasse aber nicht auf eine quantitative Leistungseinschränkung schließen. Maßgeblich sei vielmehr, ab wann die psychischen Leiden im Zusammenwirken mit den körperlichen Gesundheitsstörungen so ausgeprägt gewesen seien, dass daraus eine quantitative Leistungseinschränkung folge. Da Dr. W. bei der Begutachtung am 15. November 2007 eine einfache Persönlichkeitsstruktur bei ansonsten weitgehend unauffälligem psychischen Befund festgestellt und insbesondere bei der Untersuchung keine depressiven oder ängstlichen Affekte beobachtet, sondern eine geeignete leichte Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt noch mindestens sechs Stunden täglich für möglich gehalten habe, sei davon auszugehen, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung erst nach der Begutachtung eingetreten sei. Ein exakter Termin sei medizinisch nicht zu begründen. Die zeitliche Mitte zwischen den Begutachtungen von Dr. W. von November 2007 und von Prof. Dr. We. von November 2009 sei daher ein Kompromiss, an dem festgehalten werde.
Der Senat hat Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. En. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Untersuchung des Klägers beauftragt. Dr. En. hat nach Untersuchung des Klägers am 25. Mai 2011 sein Gutachten vom 26. Mai 2011 erstattet. Der Kläger habe als ständige Beschwerden "riesige Spannungen im Zuckerhaushalt" angegeben. Wenn er überzuckert sei, müsse er alle 15 bis 30 Minuten auf die Toilette und habe ständig Durst. Wenn der Zucker unter 100 mg% sinke, sei er müde und könne nicht klar denken. Die Schwankungen hätten seit Dezember 2010 zugenommen. Auf Fragen nach Bewusstseinsstörungen habe der Kläger angegeben, zuletzt sei ihm im März 2011 noch einmal richtig schwindlig geworden, er sei aber nicht in Ohnmacht gefallen. 2007 und 2008 sei er durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr, in den Jahren 2008 bis 2010 vier- bis fünfmal jährlich ohnmächtig gewesen. Er könne nicht angeben, wann die Häufigkeit der Ohnmachtsanfälle zugenommen habe. Stark beeinträchtige ihn der fehlende Mut, fremde Leute anzusprechen und die Angst, etwas verkehrt zu machen. Wenn er in Angst gerate, fange er an zu zittern. Er versuche, dies zu überwinden. Seine Ängste hätten sich in den vergangenen Jahren nicht arg verschlechtert. Er habe Angst vor Unterzucker und bleibenden Schäden. Er spritze zwei verschiedene Insulinarten täglich um 7:45 Uhr, 11:00 Uhr, 12:00 Uhr, 15:00 Uhr, 18:30 Uhr und 23:00 Uhr. 2007 habe er Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt, weil er den Großteil des Tages mit der Einhaltung von Essens- und Injektionszeiten beschäftigt sei. Zu seinem Tagesablauf gab der Kläger gegenüber dem Sachverständigen an, er stehe um 7:30 Uhr auf, frühstücke und lese Zeitung. Um 12:00 Uhr gebe es Mittagesen, anschließend eine Stunde Mittagsschlaf, um 15:00 Uhr Kaffee. Danach pflege er seine Hobbies. Im Auftrag der Ulmer Touristik GmbH bastele er Modelle der Ulmer Schachtel. Für zehn bis 20 Modelle benötige er 30 Stunden. Damit beschäftige er sich zwei Stunden am Tag. Für sich selbst habe er in 120 Stunden ein Papiermodell des Ulmer Münsters gebastelt. Nach dem Abendessen fahre er um 19:00 Uhr mit dem Zug nach Ulm, gehe eine Stunde lang spazieren und trinke vielleicht in einem Restaurant einen Kaffee und esse einen Salat. Um 22.00 Uhr kehre er meist heim und sehe fern. Er habe einen kleinen Bekanntenkreis. Seit einem Jahr fahre er nicht mehr Auto, nachdem er sich im unterzuckerten Zustand mit dem Wagen überschlagen habe. Den Führerschein habe er abgegeben. Vor vier Jahren, im Juli oder August 2007, sei er das letzte Mal verreist. Er habe eine organisierte Busreise nach Polen, Russland und Finnland gemacht. Er sei, auch mit dem Zuckerstoffwechsel, gut zurechtgekommen und habe kein Krankenhaus aufsuchen müssen. Der Sachverständige sah den schwer einstellbaren Diabetes im Vordergrund der Gesundheitsstörungen. Seit etwa zehn Jahren müsse der Kläger sechsmal am Tag Insulin injizieren. Klinisch bedeutsam seien die wiederholt aufgetretenen Bewusstseinsstörungen. Die aktenkundigen epileptischen Anfälle seien eher Hypoglykämiefolgen und nicht ein eigenständiges Anfallsleiden. Der Tagesablauf des Klägers sei weitgehend auf die Zuckerkrankheit ausgerichtet. Bei der Labilität der Zuckerkrankheit und der primärpersönlich verankerten Ängstlichkeit erscheine eine Zunahme der psychischen Vulnerabilität, auch hirnorganisch bedingt, plausibel. Folge seien erhebliche Beeinträchtigungen des Durchhalte- und Konzentrationsvermögens. Eine kontinuierliche Leistungserbringung sei nicht mehr möglich. Das Leistungsvermögen betrage unter drei Stunden täglich ohne Aussicht auf nachhaltige Besserung. Ein eindeutiger Zeitpunkt für den Beginn der Erwerbsminderung, also der Verschlechterung der aus der Verflechtung von Persönlichkeitsstörung und schwer behandelbarer Zuckerkrankheit resultierenden Beeinträchtigungen, könne nicht bestimmt werden. Im Sommer 2007, vier Monate vor dem mit der Klage geforderten Leistungsbeginn, habe der Kläger an einer ausgedehnten Reise durch Osteuropa teilgenommen. Bereits für das Jahr 2005 seien mehrfach generalisiert tonisch-klonische Anfälle aktenkundig nebst einer Anpassungsstörung mit Ängsten und erhöhter Erregbarkeit bei selbstunsicherer Persönlichkeit. Eine Verschlimmerung, die eine volle Erwerbsminderung bereits ab 1. November 2007 belegen würde, sei weder aus den vorliegenden Befunden noch aus den Angaben des Klägers ableitbar. Abweichend vom Gutachten von Prof. Dr. We. lasse sich eine Erwerbsunfähigkeit ab 1. November 2007 anhand der dokumentierten Befunde und der Angaben des Klägers nicht belegen. Der von Prof. Dr. We. genannte Zeitpunkt ergebe sich nur aus der Anamnese, aus der aber kein exakter Beginn der Verschlechterung der allgemeinen Belastbarkeit hergeleitet werden könne. Der behandelnde Neurologe Dr. G. habe den Kläger in einer Stellungnahme an das SG am 6. Juli 2008 bei Berücksichtigung der epileptischen Anfälle bzw. Hypoglykämien noch für vollschichtig leistungsfähig gehalten.
Nach gerichtlichem Hinweis, dass das Gutachten das Klagebegehren nicht stütze, hat der Kläger angegeben, die Urlaubsreise habe nicht 2008, sondern im Jahre 1989 stattgefunden und hat einen Überweisungsträger über eine Zahlung für eine Reise nach Polen und Russland im Juli 1989 vorgelegt sowie weiter vorgetragen, dass bereits 2007 gehäufte Ohnmachtsanfälle aufgetreten seien. Prof. Dr. Lu. vom Universitätsklinikum U. habe bereits in seinem Arztbrief vom 20. August 2008 die Durchführung neurologischer Untersuchungen dringend empfohlen. Der Kläger hat ärztliche Unterlagen aus dem Zeitraum 10. August 2007 bis 24. Oktober 2007 vorgelegt.
Der Senat hat Dr. En. ergänzend zu den vom Kläger erhobenen Einwendungen und vorgelegten Unterlagen Stellung nehmen lassen. Dr. En. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Februar 2012 angegeben, die vorgelegten Unterlagen seien zum Teil bekannt und insgesamt nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu stützen. Ein Eintritt der vollen Erwerbsminderung vor dem 1. Dezember 2008 sei aufgrund der anamnestischen Angaben und der dokumentierten Vorbefunde nicht mit Sicherheit zu begründen. Über den 1. November 2007 hinaus habe offensichtlich eine relative Kompensationsfähigkeit bestanden, die durch die Stellungnahme des Neurologen Dr. G. vom 6. Juni 2008 bestätigt werde, der den Kläger unter dem Aspekt der epileptischen Anfälle für fähig erachtet habe, leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. In der Anamneseerhebung habe der Kläger angegeben, bis zum Jahr 2010 aktiv am Straßenverkehr teilgenommen zu haben.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2012 hat der Kläger einen Auszug aus der Patientenakte seiner Hausärztin Felgenhauer für den Zeitraum vom 22. Januar 2002 bis 30. September 2011 vorgelegt. Aus diesem sei ersichtlich, dass bereits 2005 depressive Störungen vorgelegen hätten und bereits am 17. Januar 2008 Grand-mal-Anfälle.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Gerichtsakte des SG und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere nachdem der Senat mit Beschluss vom 22. Februar 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt hat. Sie ist auch statthaft, denn ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben, da mit der Berufung Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum 1. November 2007 bis 30. November 2008, mithin wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr gefordert wird (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 ist insoweit rechtmäßig, als er einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. November 2008 verneint. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstatt der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus bereits ab 1. November 2007. Der Eintritt der vollen Erwerbsminderung zu diesem Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Aus den im Verwaltungsverfahren, vom SG und im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten, den eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften von den behandelnden Ärzten und den vom Kläger vorgelegten Befundunterlagen lässt sich eine volle Erwerbsminderung des Klägers vor Dezember 2008 nicht feststellen. Daher scheidet gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vor dem 1. Dezember 2008 aus.
Zur Überzeugung des Senats bestanden beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine quantitativen Leistungseinschränkungen in orthopädischer Hinsicht. Die folgt aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Dr. F. vom 17. November 2008. Zwar bestanden beim Kläger zu diesem Zeitpunkt auf orthopädischen Fachgebiet eine Schultereckgelenksarthrose mit funktioneller Beeinträchtigung, ein Karpaltunnelsyndrom, chronisch rezidivierende Beschwerden der Lendenwirbelsäule sowie eine beidseitige Hüftgelenksarthrose, klinisch stumm. Aus diesen folgten jedoch nur qualitative Leistungseinschränkungen bei vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeit ohne Zeitdruck, Akkord, Schichtbetrieb, ohne körperliche Zwangshaltungen, häufiges Bücken, häufiges Treppen- oder Leiternsteigen, ohne Gefährdung an laufenden Maschinen, ohne Einwirkung von Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe oder überwiegend im Freien und ohne besondere Anforderungen an Gleichgewichtssinn, nervliche Belastbarkeit, Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Auch die internistischen Gesundheitsstörungen des Klägers führten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen. Nach dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Lo., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie, vom 16. Juni 2009 aufgrund einer Untersuchung am 14. April 2009 führten die Diagnosen Diabetes mellitus Typ I - Erstdiagnose 1998, mit dysregulativ stark schwankenden Blutzuckerwerten und Hypoglykämiewahrnehmungs-störung, hypoglykämiebedingten Krampfanfällen sowie arterieller Hypertonie, Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose beidseitig und Vitiligo der Hände aus internistischer Sicht zu diesem Zeitpunkt bei vollschichtigem Leistungsvermögen zu einer Einschränkung auf leichte körperliche Tätigkeiten mit überwiegend sitzender Körperhaltung ohne erhöhte Unfallgefahr, ohne Akkord- und Nachtarbeit und mit der Möglichkeit, in ca. zweistündigen Abständen die Blutzuckerwerte zu kontrollieren und ggf. durch Einnahme von Kohlenhydraten einer Unterzuckerung gegenzusteuern.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet liegt eine ängstlich vermeidende-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung mit einer Beeinträchtigung des Durchhalte- und Konzentrationsvermögens des Klägers vor. Der Kläger ist deshalb nur noch in der Lage, einer Erwerbstätigkeit im Umfang von weniger als drei Stunden täglich nachzugehen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten des Dr. En. vom 26. Mai 2011 und des Prof. Dr. We. vom 8. Dezember 2009.
Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers aufgrund dieser Erkrankungen lässt sich für den streitigen Zeitraum nicht feststellen. Der Senat folgt der Beurteilung des Dr. En ... Die Persönlichkeitsstruktur des Klägers bestand bereits seit Kindheit, ohne dass sich dies auf die Leistungsfähigkeit ausgewirkt hätte. Maßgeblich für die Leistungseinschränkung auf weniger als drei Stunden täglich ist das Hinzutreten der Labilität der Zuckererkrankung mit dem Auftreten von Synkopen und Anfällen. Dies stellten Dr. En. und Prof. Dr. We. übereinstimmend dar. Dr. En. sah aus dem Zusammenwirken von primärpersönlicher Ängstlichkeit mit der Labilität der Blutzuckereinstellung eine auch hirnorganisch bedingte Zunahme der psychischen Vulnerabilität. Prof. Dr. We. beschrieb eine Verstärkung der Persönlichkeitsstörung durch die verschiedenen Krankheitssymptome und die Angst vor Synkopen und Anfällen. Eine Häufung dieser Anfälle trat erst ab Mai 2009 auf. Erst ab diesem Zeitpunkt kam es zu häufigeren notfallmäßigen Aufnahmen, zuvor nur in größeren Abständen (September und Oktober 2007 sowie März 2008), wie sich aus den von den Kläger vorgelegten Berichten des Universitätsklinikums Ulm und des Bundeswehrkrankenhauses Ulm ergibt. Dies wird bestätigt durch die Auskunft des Dr. G. als sachverständiger Zeuge vom 6. Juni 2008, der unter dem Aspekt der Krampfanfälle ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestierte. Auch der dem SG vorgelegte Befundbericht des behandelnden Psychiaters Dr. Sc. vom 5. November 2009 spricht gegen eine wesentliche Verschlechterung des psychischen Befindens des Klägers bereits im November 2007. Der Kläger war nämlich den Angaben des Dr. Sc. zufolge 2005 bis Anfang 2006 in Behandlung und dann erst wieder im November 2009. Im Übrigen sah Dr. Sc. keine Behandlungsnotwendigkeit. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen der Ärztin Felgenhauer über depressive Verstimmungen bereits im Jahr 2005 und Grand-mal-Anfälle im Januar 2008 ergibt sich kein früherer Leistungsfall. Schließlich ist nicht das Auftreten der Gesundheitsstörungen entscheidend, sondern der Zeitpunkt, zu dem diese zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen geführt haben. Auch Dr. W. stellte in seinem Gutachten vom 15. November 2007 ebenfalls die Diagnose einer frühkindlichen Hirnschädigung mit Ängsten vor Versagen, Kritik, Ausgelachtwerden. Der Kläger hatte auch Dr. W. wie auch den Sachverständigen Dr. En. und Prof. Dr. We. von dem bei ihm schon in der Kindheit bestehenden Ängsten berichtet. Bei der Untersuchung durch Dr. W. im November 2007 waren Auffassung, Konzentration und Aufmerksamkeit beim Kläger unauffällig und es war keine vorzeitige Ermüdung zu beobachten. Auch dass der Kläger selbst mit dem Pkw zur Untersuchung durch Dr. W. fuhr, spricht gegen eine nachhaltige Verunsicherung durch Krampfanfälle damals. Soweit im Bericht des Prof. Dr. Dö. vom 13. September 2007 über die stationäre Behandlung vom 31. August bis 5. September 2007 wegen der tiefen Beinvenenthrombose rechts u.a. als weitere Diagnose Angststörung genannt ist, lässt sich daraus nichts entnehmen. Insoweit handelt es sich – wie der ebenfalls dort als weitere Diagnose genannte Diabetes mellitus – um eine übernommene Diagnose, ohne dass dieser die Erhebung eigener Befunde zugrundelag. Weiter ergibt sich auch nicht aus der von Priv.-Doz. Dr. H. im Entlassungsbericht vom 1. Juli 2005 genannten Diagnose der Anpassungsstörung bei selbstunsicherer Persönlichkeit der Eintritt eines Leistungsfalls vor dem 1. Dezember 2008. Zum einen stimmt dies mit den von den Sachverständigen festgestellten Diagnosen überein. Zum anderen nahm Priv.-Doz. Dr. H. eine Leistungsfähigkeit von mehr als sechs Stunden täglich an.
Schließlich bestätigt die vom Kläger in der Anamneseerhebung dem Gutachter berichtete Reise im Sommer 2007 nach Russland, Polen und Finnland die Einschätzung, dass von einem aufgehobenen Leistungsvermögen im November 2007 nicht sicher ausgegangen werden kann. Dieses beruhte auf erhöhter Ängstlichkeit vor und angesichts von Krampfanfällen. Dem steht entgegen, dass der Kläger sich wenige Monate vor diesem Zeitpunkt eine anstrengende Reise zugetraut und diese auch ohne medizinische Zwischenfälle durchgeführt hat. Der schriftsätzliche Vortrag des Klägers nebst Vorlage eines Überweisungsträgers, er habe diese Reise nicht 2007, sondern 1989 gemacht, führt zu keiner anderen Bewertung. Möglicherweise hat der Kläger im Jahr 1989 eine ähnliche Reise gemacht. Die Angabe, er sei auch mit der Überwachung des Zuckerstoffwechsels gut zurechtgekommen, wäre für das Reisedatum 1989 nicht sinnvoll, da die Erstdiagnose des Diabetes erst 1998 war (vgl. Entlassungsbericht F.-Klinik B. B. vom 1. Juli 2005, Gutachten Prof. Dr. We. vom 8. Dezember 2009, Gutachten Priv.-Doz. Dr. Lo. vom 16. Juni 2009, Gutachten Prof. Dr. Ha. vom 13. Dezember 2004).
Daraus ergibt sich dann, dass der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. We., das Leistungsvermögen aufgrund der Verstärkung der Persönlichkeitsstörung sei bereits zwei Jahre vor seiner Untersuchung des Klägers, also bereits im November 2007, aufgehoben gewesen, nicht folgen kann. Prof. Dr. We. hat selbst eingeräumt, dass der Zeitpunkt für das aufgehobene Leistungsvermögen nicht sicher zu bestimmen sei, denn er hat ihn geschätzt, unter der Annahme, dass unter der Zunahme der Anfälle in den letzten Jahren die Angststörung "akzentuiert" worden sei.
Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ergibt sich trotz des noch sechsstündigen Leistungsvermögens auch nicht, weil dem Kläger ab 1. November 2007 aufgrund der Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen wäre. Der Kläger hat gegenüber Dr. En. angegeben, den Antrag auf volle Erwerbsminderung im April 2007 gestellt zu haben, weil er den Großteil des Tages mit der Einhaltung von Essens- und Injektionszeiten beschäftigt sei. Mehrere Gutachter haben auf die Notwendigkeit von Blutzuckermessungen etwa alle zwei Stunden und evtl. erforderliche Kohlehydratzufuhr zur Vermeidung von Unterzuckerung hingewiesen. Dennoch konnte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum unter betriebsüblichen Bedingungen erwerbstätig sein. Diese Verrichtungen, Blutzuckermessung und Einnahme von Kohlehydraten, nehmen nämlich jeweils nur wenige Minuten in Anspruch. Die Notwendigkeit von kurzen Pausen ist im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten möglich (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2010 - L 11 R 5203/09 - in juris).
Der Hilfsantrag, nach § 103 SGG Prof. Dr. We. unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen "aufklärend" zu befragen, wie er zur Annahme der Erwerbsunfähigkeit bereits ab November 2007 komme, war abzulehnen. Der Senat legt diesen Antrag sachgerecht dahin aus, dass der Sachverständige Prof. Dr. We. ergänzend dazu zu hören sei, dass der Leistungsfall bereits am 1. November 2007 eingetreten ist. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, diesem auf weitere Amtsermittlung gerichteten Antrag nachzugehen. Prof. Dr. We. hat die aufgeworfene Frage des Eintritts des Leistungsfalls in dem von ihm erstatteten Gutachten vom 8. Dezember 2009 bereits beantwortet. Prof. Dr. We. hatte in seinem Gutachten angegeben, die psychische Störung sei in den letzten Jahren durch zunehmende Synkopen und Anfälle "akzentuiert"; er "schätze", dieser Zustand bestehe seit zwei Jahren. Damit hat er bereits zum Ausdruck gebracht, eine gesicherte Zeitangabe nicht machen zu können. Es ist dem Sachverständigen auch denklogisch nicht möglich, anhand ihm bislang nicht bekannter Unterlagen anzugeben, wie er in seinem Gutachten vom Dezember 2009 den Zeitpunkt des Leistungsfalls bestimmt hat. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen betreffen die Behandlung des Diabetes mellitus und der im August 2007 aufgetreten Beinvenenthrombose des rechten Unterschenkels. Der das Fachgebiet des Sachverständigen betreffende Arztbrief des Dr. G. vom 12. September 2007 lag dem Sachverständigen vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist allein die Frage, ob dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. November 2008 zu gewähren ist.
Der am 1954 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1969 bis 31. August 1972 eine Ausbildung zum Dreher und war anschließend in diesem Beruf tätig, zuletzt bei der E. GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Aufhebungsvertrag vom 21. Dezember 2004 beendete er dieses Arbeitsverhältnis. Er bezog ab 10. Juni 2002 Krankengeld wegen ab 26. April 2002 bestehender Arbeitsunfähigkeit, anschließend vom 23. November 2004 bis 12. Oktober 2006 Arbeitslosengeld.
Am 11. November 2002 stellte er erstmalig einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den Reha-Entlassungsbericht des Internisten Priv.-Doz. Dr. H. vom 25. November 2002 über eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme vom 3. bis 30. September 2002 bei. Dr. S., Ärztlicher Prüfdienst der Beklagten, stellte unter Bezugnahme auf diesen Entlassungsbericht die Diagnosen: Mononeuropathie mit rückläufiger Peronäusparese rechts seit April 2002 bei Diabetes mellitus Typ 2, insulinpflichtig; Coxarthrose beidseits, Schädelprellung vom 3. September 2002, vorbekannte affektive Störung und Adipositas sowie zusätzlich Protrusion mit Übergang zum subligamentären Bandscheibenvorfall links betont bei L4/5 ohne Radikulopathie, Facettengelenksarthrose mit Spinalkanalenge L4/5, linkskonvexe Skoliose. Er bejahte ein Leistungsvermögen für leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, ohne Wechselschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Zwangshaltung und ohne häufiges Bücken, Knien und Hocken. (Stellungnahme vom 5. März 2003). Mit Bescheid vom 17. März 2003 gewährte die Beklagte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) auf Zeit vom 1. November 2002 bis 31. März 2003. Der Kläger erhob am 17. April 2003 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er habe einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. März 2003 hinaus. Eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sei fehlgeschlagen, er könne auf nicht absehbare Zeit nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2003 zurück.
Der Kläger erhob am 27. Oktober 2003 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG, S 3 RJ 2720/03) und stellte am 19. November 2003 bei der Beklagten einen neuen Rentenantrag. Mit Schriftsatz vom 16. März 2003 erkannte die Beklagte eine teilweise Erwerbsminderung über den 31. März 2003 hinaus an und erklärte sich bereit, die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Beginn der Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu leisten. Dieses Teilanerkenntnis nahm der Kläger an. Der Ausführungsbescheid datierte vom 26. April 2004. Der Kläger verfolgte sein Begehren auf Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter und trug zur Begründung vor, mittlerweile sei er als Schwerbehinderter anerkannt, ein Klageverfahren vor dem SG sei mit einem Anerkenntnis beendet worden. Die Erhöhung des anerkannten Grades der Behinderung (GdB) beruhe auf einer Verschlimmerung des Diabetes, der zu fast täglich auftretenden Hypoglykämien mit Krampfanfällen führe, in deren Folge er teilweise bewusstlos werde. Die affektive Störung hindere ihn, konsequent die Blutzucker-Selbstkontrolle durchzuführen. Der Kläger führte vom 12. bis 26. August 2004 eine stationäre Behandlung im Diabetes Zentrum Mergentheim durch. Ein vom Kläger vorgelegter Arztbrief seines behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. Sc. vom 19. September 2005 bescheinigte psychische Stabilität bei nur selten und kurz auftretenden depressiven Stimmungen und gestiegenem Selbstbewusstsein.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Internisten und Endokrinologen Prof. Dr. Ha., Chefarzt Diabetes Zentrum M., mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser stellte unter dem 13. Dezember 2004 auf seinem Fachgebiet die Diagnosen Diabetes mellitus Typ 1, autonome Neuropathie mit anamnestischer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung, insulinbedingte Hypoglykämien, arterielle Hypertonie, beidseitige Varikosis mit chronisch venöser Insuffizienz. Prof. Dr. Ha. hielt den Kläger trotz der gestellten Diagnosen für in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder, überwiegend sitzender Körperhaltung zu verrichten. Zu vermeiden seien Hebe- und Tragebelastungen über zehn bis 15 kg Gewicht, häufiges Bücken sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, mit erhöhter Unfallgefahr und Ersteigen von Gerüsten, Akkordarbeit ohne ausreichende Arbeitspausen zur Blutzuckermessung und Nachtarbeit. Während des stationären Aufenthaltes sei die Blutzucker-Stoffwechsellage stabil gewesen mit nur leichten Hypoglykämien ohne schwere Entgleisungen und Bewusstseinstrübungen, die sicher wahrgenommen und durch Kohlenhydratzufuhr ausgeglichen worden seien. Daher liege aktuell keine Hypoglykämiewahrnehmungsstörung vor. Für eine klinisch relevante psychische Erkrankung, insbesondere eine affektive Störung, hätten sich keine Hinweise ergeben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Dreher entspreche dem vorbeschriebenen Leistungsbild und könne vom Kläger mindestens täglich sechs Stunden ausgeübt werden. Es müssten allerdings ausreichende Arbeitspausen für Blutzuckermessung und -korrektur sowie Nahrungsaufnahme möglich sein.
Vom 24. Mai bis 14. Juni 2005 führte der Kläger zu Lasten der Beklagten eine stationäre Reha-Maßnahme in der F.-Klinik B. B. durch. Dort wurde neben dem Diabetes psychotherapeutisch die Diagnose einer Anpassungsstörung bei selbstunsicherer Persönlichkeit gestellt. Eine ambulante Psychotherapie sei indiziert. Der Kläger sei jedoch vollschichtig leistungsfähig ohne Schicht- und Akkordarbeit und ohne erhöhte Anforderungen an Flexibilität und Umstellungsfähigkeit (Entlassungsbericht des Priv.-Doz. Dr. H. vom 1. Juli 2005).
Mit Urteil vom 23. März 2006 wies das SG die Klage ab. Aus dem Reha-Entlassungsbericht des PD Dr. H. vom 1. Juli 2005 und dem Gutachten des Prof. Dr. Ha. vom 13. Dezember 2004 ergebe sich eine vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen.
Am 30. April 2007 beantragte der Kläger erneut Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er legte seinen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 60 vor. Dr. Zimmermann-Reiter verblieb bei der bisherigen Leistungsbeurteilung. Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er verwies u.a. darauf, seine psychische Verfassung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. Am 15. November 2007 erstellte der Facharzt für Innere Medizin und für Psychotherapeutische Medizin Dr. W. aufgrund einer Untersuchung des Klägers im Auftrag der Beklagen ein sozialmedizinisches Gutachten. Dieses bezog die aufgrund einer Untersuchung am 14. November 2007 durch den Facharzt für Chirurgie Dr. J. erhobenen Befunde ein. Dr. J. nannte aus orthopädischer Sicht eine Coxarthrose beidseits mit eingeschränkter Rotationsfähigkeit bei insgesamt guter Beweglichkeit und gegebener Wegefähigkeit, eine deutliche Rotatorenmanschettendegeneration beidseits mit Funktionseinschränkungen, einen mit Einlagen versorgten Senk-Spreizfuß beidseits, einen Verdacht auf Polyneuropathie sowie eine muskuläre Dysbalance bei Torsionsskoliose und multiplen degenerativen Veränderungen, ohne Angabe wesentlicher Probleme. Von Seiten des Bewegungsapparates beschrieb Dr. J. qualitative Leistungseinschränkungen, jedoch ein sechs- und mehrstündiges Restleistungsvermögen. Dr. W. nannte zusätzlich eine abgelaufene Venenthrombose beider Beine unklarer Ursache im August 2007 sowie eine leichte chronische Anpassungsstörung bei Verdacht auf frühkindliche Hirnschädigung. Internistisch bestünden aufgrund des Diabetes Einschränkungen hinsichtlich Schichtarbeit, Arbeit in Gefahrenbereichen und mit hoher Personenverantwortung, aufgrund der Thrombose seien Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen vorzugswürdig. In psychischer Hinsicht fand Dr. W. keine relevanten Einschränkungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Dem Kläger seien leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vom sozialmedizinischen Dienst genannten Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar.
Am 16. Januar 2008 erhob der Kläger Klage zum SG. Zur Begründung machte er eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend und wiederholte die Begründung seines Widerspruchs. Er legte zwei Ambulanzberichte des Universitätsklinikums U. vom 1. August 2008 und vom Bundeswehrkrankenhaus U. vom 14. September 2009 über Notfallaufnahmen nach Anfällen vor.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe Dr. G. befand den Kläger in seiner Auskunft vom 6. Juni 2008 für mindestens sechs Stunden leistungsfähig zu leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der epileptischen Anfälle bzw. Hypoglykämien und legte u.a. Behandlungsberichte des Universitätsklinikums Ulm vom 23. September 2007 und 21. Oktober 2007 über Anfälle mit plötzlichem Verlust des Bewusstseins vor. Augenarzt Ge. befand den Kläger in seiner Auskunft vom 9. Juni 2008 bei Diagnose einer Makuladegeneration (epiretinale Gliose) ebenfalls für mindestens sechs Stunden leistungsfähig. Fachärztin für Allgemeinmedizin Felgenhauer befand den Kläger in ihrer Auskunft vom 17. Juni 2008 dagegen für nicht leistungsfähig wegen der Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen sowie der Blutzuckerschwankungen bei eingeschränkter Gehfähigkeit, insgesamt habe sich der Gesundheitszustand des Klägers seit April 2004 verschlechtert. Facharzt für Chirurgie und Phlebologie Dr. Haa. sah in seiner Auskunft vom 19. Juni 2008 phlebologisch keine Einschränkung des Leistungsvermögens. Arzt für Orthopädie Dr. Be. sah in seiner Auskunft vom 18. Juli 2008 eine Verschlechterung in Form vermehrter Schmerzen im Bereich der Hüften und der Lendenwirbelsäule. Tätigkeiten mit Bücken, Stehen und längerem Sitzen seien nicht mehr möglich. Eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich sei nicht mehr möglich. Diabetologe Prof. Dr. Het. gab in seiner Auskunft vom 30. Juli 2008 an, die Befunde Beinvenenthrombose, Unterschenkelphlebothrombose, Gastritis bei Hiatushernie seien seit 30. April 2007 hinzugetreten, insoweit sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten. Hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers sei auf wiederholt tonisch-klonische Krampfanfälle bei bekannter Epilepsie und dem erhöhten Risiko von unerwarteten Hypoglykämien hinzuweisen. Der Kläger sei körperlich in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Allerdings müsse er alle zwei Stunden die Möglichkeit zu Blutzuckerkontrollen sowie zu entsprechenden Zwischenmahlzeiten haben. Außerdem erhöhe Stress das Risiko für Hypoglykämien und sei somit zu meiden. Das maßgebliche Leiden sei neurologisch und diabetologisch-endokrinologisch-internistisch.
Das SG beauftragte Dr. F. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens. In seinem Gutachten vom 17. November 2008 stellte Dr. F. die Diagnosen Schultereckgelenksarthrose rechts mit funktioneller Beeinträchtigung, Engpasssyndrom des Nervus medianus links (sog. Karpaltunnelsyndrom) mit geringgradiger funktioneller Beeinträchtigung, chronisch rezidivierende Beschwerden der Lendenwirbelsäule, Hüftgelenksarthrose beidseitig, derzeit klinisch stumm sowie fachfremd abgelaufene Venenthrombose beider Beine unklarer Ursache unter Antikoagulationstherapie, leichte chronische Anpassungsstörung bei Verdacht auf frühkindliche Hirnschädigung und bekannter insulinpflichtiger Diabetes mellitus ohne feststellbare Folgeschäden mit Polyneuropathie. Er sah ein positives Leistungsbild von mindestens sechs Stunden täglich mit (im Einzelnen genannten) qualitativen Leistungseinschränkungen, ausreichender Wegefähigkeit und der Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zur Hauptverkehrszeit zu benutzen, nicht jedoch einen Pkw zu führen. Er stimmte ausdrücklich mit dem Gutachten des Dr. W. vom 15. November 2007 überein. Der Anregung des Dr. F. folgend, gab das SG ein weiteres Gutachten auf internistischem Fachgebiet in Auftrag. Priv.-Doz. Dr. Lo., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie des Klinikums S., erstattete am 16. Juni 2009 ein Gutachten. Der beim Kläger bestehende Diabetes mellitus Typ eins sei formal gut eingestellt. Bei Durchsicht der Blutzuckerhefte seien relativ häufig niedrige Blutzuckerwerte aufgefallen, hyperglykämische Schwankungen fänden sich hingegen nur sehr selten. Der Kläger sei in der Lage, die Hypoglykämien selbstständig wahrzunehmen und aktiv gegenzusteuern. Der Kläger sei in der Lage, sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten auszuüben bei hinreichenden Möglichkeiten zur Blutzuckerkontreolle und Aufnahme von Kohlenhydraten und Vermeidung von Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr, Akkordarbeit und Nachtarbeit. Im Vergleich zum letzten internistischen Gutachten von Prof. Dr. Ha. vom 13. Dezember 2004 sei es in letzter Zeit wieder zu einer instabilen Stoffwechsellage mit vermehrter Hypoglykämieneigung gekommen, die der Kläger nach eigenen Angaben durch innere Unruhe, Schwitzen und Bewusstseinsveränderungen wahrnehme und entsprechend reagiere.
Zu den Gutachten verwies der Kläger darauf, dass die akuten Notfälle sich in kurzen Zeitabständen häuften. Er legte die ärztliche Stellungnahme der Ärztin Felgenhauer vom 14. Juli 2009 vor, wonach aufgrund der Hypoglykämien und der plötzlich auftretenden Krampfanfälle der Kläger aus hausärztlicher Sicht nicht mehr in der Lage sei zu arbeiten, da er ansonsten sich und andere gefährde, sieben Berichte des Universitätsklinikums U. und des Bundeswehrkrankenhauses U. über Notfallaufnahmen nach Anfällen für die Zeit vom 13. März 2008 bis 29. Oktober 2009, sowie einen Arztbrief des Dr. Sc. vom 5. November 2009. Dr. Sc. attestierte eine erhebliche psychische und vegetative Labilität, die es sehr fraglich erscheinen lasse, ob der Kläger einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu festgelegten Zeiten mit dem Druck, eine bestimmte Leistung zu erbringen, gewachsen sei. Der Kläger habe sich seit dem Tod seines Vaters positiv entwickelt, könne ohne äußeren Druck ganz gut mit seinen Störungen umgehen, medikamentöse oder psychotherapeutische Maßnahmen seien derzeit nicht notwendig.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstattete der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. We. aufgrund der Untersuchung des Klägers am 25. November 2009 am 8. Dezember 2009 ein neurologisches Fachgutachten. Prof. Dr. We. gab an, der Kläger leide seit seiner Kindheit unter Ängsten, besonders vor Menschenansammlungen. Er habe früher gestottert. Seine Angststörung werde bereits seit seinem zehnten Lebensjahr behandelt, mehrere Jahre lang medikamentös. Die Angst habe sich verstärkt, seitdem er unter Diabetes leide, etwa seit dem 44. oder 45. Lebensjahr. Bei Angst sei er schnell unterzuckert und die Unterzuckerung führe zur Verstärkung von Angst bzw. Nervosität. Als er noch gearbeitet habe, sei er durch Stress und Angst am Arbeitsplatz wesentlich häufiger unterzuckert gewesen. Der Kläger fahre Auto, helfe seiner Mutter im Haushalt, arbeite in einem Freizeitgarten und bastele Holzmodelle. Er könne mit Pausen von H. bis L. zu Fuß gehen. Der letzte Anfall sei am 8. oder 9. Oktober 2009 gewesen, es komme jeden Monat zu Bewusstlosigkeiten durch Unterzuckerung oder mit Anfällen. Nach drei bis vier Minuten sei er dann wieder bei sich, zittrig und verschwitzt, aber orientiert. Prof. Dr. We. stellte auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet die Diagnose einer vermeidend selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung. Die im Rahmen der Persönlichkeitsstörung auftretenden Ängste führten zu vegetativen Störungen mit Zittern, Somatisierungsstörung mit Veränderung des Gangbildes und Schmerzstörungen. Die Angst werde verstärkt durch die Angst vor Hypoglykämien, die immer wieder auftreten würden und bereits zu Synkopen, zerebralen Anfällen und Verletzungen geführt hätten. Dieser Zustand sei bisher therapieresistent, eine tiefergreifende Psychotherapie oder medikamentöse Therapie der Angst- bzw. der Persönlichkeitsstörung sei nicht durchgeführt worden. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Klägers gab Prof. Dr. We. an, dieser sei nur im gesicherten Raum ohne relevanten Kontakt nach außen überhaupt in der Lage, Tätigkeiten auszuführen. Bei Anforderungen träten Ängste auf, die den Kläger als im allgemeinen Rahmen nicht arbeitsfähig und belastbar erscheinen ließen. Während der gutachtlichen Untersuchung von 14.00 bis 18.00 Uhr mit einigen Pausen sei er zunehmend verlangsamt, zittriger, kaltschweißiger geworden und habe bei Nachfragen erheblich vegetativ reagiert. Prof. Dr. We. sah den Kläger als unter drei Stunden täglich leistungsfähig ausschließlich für Heimarbeit. Auf die Frage, seit wann die festgestellten Leistungseinschränkungen bestünden, gab er an, die Angststörung, bzw. die vermeidend selbstunsichere Persönlichkeitsstörung als Grundstörung, sei in den letzten Jahren durch zunehmende Synkopen und Anfälle akzentuiert; er schätze, dass die festgestellte Leistungseinschränkung seit zwei Jahren bestehe. Eine nachhaltige Besserung sei nicht zu erwarten.
Die Beklagte erkannte nach ärztlicher Stellungnahme der Sozialmedizinerin und Fachärztin für Innere Medizin Dr. Jö. vom 9. Februar 2010 eine volle Erwerbsminderung ab 15. November 2008 und daraus folgend einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 an. Da der Leistungsfall zeitlich nach der Begutachtung durch Dr. W. im November 2007 eingetreten sein müsse, lege man näherungsweise die zeitliche Mitte zwischen der Begutachtung durch Dr. W. und der Begutachtung durch Prof. Dr. We. im November 2009 zugrunde. Mit Bescheid vom 26. März 2010 gewährte die Beklagte in Ausführung ihres Teilanerkenntnisses eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13. Oktober 2010 nahm der Kläger das Teilanerkenntnis der Beklagten an und beantragte darüber hinaus die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auch vom 1. November 2007 bis 30. November 2008. In seiner Widerspruchsbegründung vom 18. Oktober 2007 sei dokumentiert worden, dass die psychischen Leistungseinschränkungen bisher nicht berücksichtigt worden seien. Richtigerweise bestehe der Anspruch sogar ab Antragstellung am 30. April 2007.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom selben Tage ab. Eine volle Erwerbsminderung des Klägers vor November 2008 und damit ein früherer Leistungsfall als von der Beklagten im Teilanerkenntnis angenommen lasse sich nicht sicher feststellen. Abgesehen von den Hausärzten und dem behandelnden Orthopäden Dr. Be., dessen Einschätzung vom orthopädischen Sachverständigen Dr. F. überzeugend widerlegt worden sei, sei Prof. Dr. We. der Erste gewesen, der nach seiner Untersuchung am 25. November 2009 eine volle Erwerbsminderung des Klägers angenommen habe. Dies sei aufgrund der Beobachtungen des Sachverständigen während der Untersuchung auch schlüssig. Es (das SG) folge dem Sachverständigen allerdings nicht in seiner nicht näher begründeten Einschätzung, die Leistungseinschränkung bestehe bereits seit zwei Jahren. Diese Einschätzung werde nicht durch die vorliegenden ärztlichen Unterlagen gestützt. Dr. W. habe bei Untersuchung auch der psychischen Beschwerden des Klägers im November 2007 keine derartige Leistungseinschränkung vorgefunden. Der behandelnde Neurologe Dr. G. habe den Kläger noch im Juni 2008 für arbeitstäglich sechs Stunden und mehr leistungsfähig befunden. Die vorgelegten Protokolle über Ohmachtsanfälle zeigten eine Häufung erst seit Mai 2009. Der Befundbericht des Psychiaters Dr. Sc. ergebe, dass der Kläger dort von 2005 bis Anfang 2006 mehrfach in Behandlung gewesen sei, danach jedoch erst wieder im November 2009. Dass in der Zwischenzeit offensichtlich keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe, spreche gegen das Bestehen gravierender, zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen führender psychischer Probleme. Dass der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung eine psychiatrische Abklärung verlangt habe, besage nicht, dass gravierende Einschränkungen vorgelegen hätten, zumal diese von Dr. W. im November 2007 ausdrücklich verneint worden seien.
Gegen das am 15. November 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Dezember 2010 Berufung eingelegt. Der Senat hat mit Beschluss vom 22. Februar 2011 dem Kläger auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt. Zur Begründung der Berufung hat der Kläger wiederholt, die volle Erwerbsminderung sei wegen der Widerspruchsbegründung vom 18. Oktober 2007 ab 1. November 2007 anzunehmen, wenn nicht sogar bereits ab Antragstellung vom 30. April 2007 mit Rentenbeginn am 1. Mai 2007. Die Beklagte habe in der Stellungnahme der Dr. Jö. vom 9. Februar 2010 den Beginn der vollständigen Erwerbsunfähigkeit selbst mit dem Gutachten des Dr. W. vom November 2007 angesetzt und daraus willkürlich und nicht nachvollziehbar den Beginn der Zahlung am 1. Dezember 2008 gefolgert. Das SG sei in nicht nachvollziehbarer Weise dieser willkürlichen Terminierung gefolgt. Seine psychischen Beeinträchtigungen seien bereits zwei Jahre vor dem Gutachten von Prof. Dr. We. vorhanden gewesen, wie der Entlassungsbericht des Priv.-Doz. Dr. H. vom 1. Juli 2005) und zwei Berichte des Universitätsklinikums Ulm vom 5. September 2007 über die Behandlung der Beinvenenthrombose, der die Angststörung als weitere Diagnose nennt, und 21. Oktober 2007 über eine Notfallaufnahme nach einem Sturz infolge Hypoglykämie, in dem ebenfalls die Angststörung als weitere Diagnose genannt wird, belegen würden.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13. Oktober 2010 und den Bescheid vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm anstelle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit auch vom 1. November 2007 bis zum 30. November 2008 zu gewähren. hilfsweise, gemäß § 103 SGG im Rahmen einer schriftlichen Befragung/Nachbegutachtung unter Vorlage der zwischenzeitlichen weiteren, auch gerichtlichen Sachverständigengutachten und ärztlichen Stellungnahmen, Berichte etc., Prof. Dr. We. ergänzend zu hören, wie er zur Annahme der vollen Erwerbsminderung bereits ab November 2007 gekommen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die (vorgelegte) weitere Stellungnahme der Dr. Jö. vom 8. Februar 2011. Dass beim Kläger psychische Störungen bei Persönlichkeitsstörung vorlägen, die bis in die Kindheit zurückreichen würden, sei unstreitig. Dies allein lasse aber nicht auf eine quantitative Leistungseinschränkung schließen. Maßgeblich sei vielmehr, ab wann die psychischen Leiden im Zusammenwirken mit den körperlichen Gesundheitsstörungen so ausgeprägt gewesen seien, dass daraus eine quantitative Leistungseinschränkung folge. Da Dr. W. bei der Begutachtung am 15. November 2007 eine einfache Persönlichkeitsstruktur bei ansonsten weitgehend unauffälligem psychischen Befund festgestellt und insbesondere bei der Untersuchung keine depressiven oder ängstlichen Affekte beobachtet, sondern eine geeignete leichte Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt noch mindestens sechs Stunden täglich für möglich gehalten habe, sei davon auszugehen, dass der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung erst nach der Begutachtung eingetreten sei. Ein exakter Termin sei medizinisch nicht zu begründen. Die zeitliche Mitte zwischen den Begutachtungen von Dr. W. von November 2007 und von Prof. Dr. We. von November 2009 sei daher ein Kompromiss, an dem festgehalten werde.
Der Senat hat Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. En. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Untersuchung des Klägers beauftragt. Dr. En. hat nach Untersuchung des Klägers am 25. Mai 2011 sein Gutachten vom 26. Mai 2011 erstattet. Der Kläger habe als ständige Beschwerden "riesige Spannungen im Zuckerhaushalt" angegeben. Wenn er überzuckert sei, müsse er alle 15 bis 30 Minuten auf die Toilette und habe ständig Durst. Wenn der Zucker unter 100 mg% sinke, sei er müde und könne nicht klar denken. Die Schwankungen hätten seit Dezember 2010 zugenommen. Auf Fragen nach Bewusstseinsstörungen habe der Kläger angegeben, zuletzt sei ihm im März 2011 noch einmal richtig schwindlig geworden, er sei aber nicht in Ohnmacht gefallen. 2007 und 2008 sei er durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr, in den Jahren 2008 bis 2010 vier- bis fünfmal jährlich ohnmächtig gewesen. Er könne nicht angeben, wann die Häufigkeit der Ohnmachtsanfälle zugenommen habe. Stark beeinträchtige ihn der fehlende Mut, fremde Leute anzusprechen und die Angst, etwas verkehrt zu machen. Wenn er in Angst gerate, fange er an zu zittern. Er versuche, dies zu überwinden. Seine Ängste hätten sich in den vergangenen Jahren nicht arg verschlechtert. Er habe Angst vor Unterzucker und bleibenden Schäden. Er spritze zwei verschiedene Insulinarten täglich um 7:45 Uhr, 11:00 Uhr, 12:00 Uhr, 15:00 Uhr, 18:30 Uhr und 23:00 Uhr. 2007 habe er Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt, weil er den Großteil des Tages mit der Einhaltung von Essens- und Injektionszeiten beschäftigt sei. Zu seinem Tagesablauf gab der Kläger gegenüber dem Sachverständigen an, er stehe um 7:30 Uhr auf, frühstücke und lese Zeitung. Um 12:00 Uhr gebe es Mittagesen, anschließend eine Stunde Mittagsschlaf, um 15:00 Uhr Kaffee. Danach pflege er seine Hobbies. Im Auftrag der Ulmer Touristik GmbH bastele er Modelle der Ulmer Schachtel. Für zehn bis 20 Modelle benötige er 30 Stunden. Damit beschäftige er sich zwei Stunden am Tag. Für sich selbst habe er in 120 Stunden ein Papiermodell des Ulmer Münsters gebastelt. Nach dem Abendessen fahre er um 19:00 Uhr mit dem Zug nach Ulm, gehe eine Stunde lang spazieren und trinke vielleicht in einem Restaurant einen Kaffee und esse einen Salat. Um 22.00 Uhr kehre er meist heim und sehe fern. Er habe einen kleinen Bekanntenkreis. Seit einem Jahr fahre er nicht mehr Auto, nachdem er sich im unterzuckerten Zustand mit dem Wagen überschlagen habe. Den Führerschein habe er abgegeben. Vor vier Jahren, im Juli oder August 2007, sei er das letzte Mal verreist. Er habe eine organisierte Busreise nach Polen, Russland und Finnland gemacht. Er sei, auch mit dem Zuckerstoffwechsel, gut zurechtgekommen und habe kein Krankenhaus aufsuchen müssen. Der Sachverständige sah den schwer einstellbaren Diabetes im Vordergrund der Gesundheitsstörungen. Seit etwa zehn Jahren müsse der Kläger sechsmal am Tag Insulin injizieren. Klinisch bedeutsam seien die wiederholt aufgetretenen Bewusstseinsstörungen. Die aktenkundigen epileptischen Anfälle seien eher Hypoglykämiefolgen und nicht ein eigenständiges Anfallsleiden. Der Tagesablauf des Klägers sei weitgehend auf die Zuckerkrankheit ausgerichtet. Bei der Labilität der Zuckerkrankheit und der primärpersönlich verankerten Ängstlichkeit erscheine eine Zunahme der psychischen Vulnerabilität, auch hirnorganisch bedingt, plausibel. Folge seien erhebliche Beeinträchtigungen des Durchhalte- und Konzentrationsvermögens. Eine kontinuierliche Leistungserbringung sei nicht mehr möglich. Das Leistungsvermögen betrage unter drei Stunden täglich ohne Aussicht auf nachhaltige Besserung. Ein eindeutiger Zeitpunkt für den Beginn der Erwerbsminderung, also der Verschlechterung der aus der Verflechtung von Persönlichkeitsstörung und schwer behandelbarer Zuckerkrankheit resultierenden Beeinträchtigungen, könne nicht bestimmt werden. Im Sommer 2007, vier Monate vor dem mit der Klage geforderten Leistungsbeginn, habe der Kläger an einer ausgedehnten Reise durch Osteuropa teilgenommen. Bereits für das Jahr 2005 seien mehrfach generalisiert tonisch-klonische Anfälle aktenkundig nebst einer Anpassungsstörung mit Ängsten und erhöhter Erregbarkeit bei selbstunsicherer Persönlichkeit. Eine Verschlimmerung, die eine volle Erwerbsminderung bereits ab 1. November 2007 belegen würde, sei weder aus den vorliegenden Befunden noch aus den Angaben des Klägers ableitbar. Abweichend vom Gutachten von Prof. Dr. We. lasse sich eine Erwerbsunfähigkeit ab 1. November 2007 anhand der dokumentierten Befunde und der Angaben des Klägers nicht belegen. Der von Prof. Dr. We. genannte Zeitpunkt ergebe sich nur aus der Anamnese, aus der aber kein exakter Beginn der Verschlechterung der allgemeinen Belastbarkeit hergeleitet werden könne. Der behandelnde Neurologe Dr. G. habe den Kläger in einer Stellungnahme an das SG am 6. Juli 2008 bei Berücksichtigung der epileptischen Anfälle bzw. Hypoglykämien noch für vollschichtig leistungsfähig gehalten.
Nach gerichtlichem Hinweis, dass das Gutachten das Klagebegehren nicht stütze, hat der Kläger angegeben, die Urlaubsreise habe nicht 2008, sondern im Jahre 1989 stattgefunden und hat einen Überweisungsträger über eine Zahlung für eine Reise nach Polen und Russland im Juli 1989 vorgelegt sowie weiter vorgetragen, dass bereits 2007 gehäufte Ohnmachtsanfälle aufgetreten seien. Prof. Dr. Lu. vom Universitätsklinikum U. habe bereits in seinem Arztbrief vom 20. August 2008 die Durchführung neurologischer Untersuchungen dringend empfohlen. Der Kläger hat ärztliche Unterlagen aus dem Zeitraum 10. August 2007 bis 24. Oktober 2007 vorgelegt.
Der Senat hat Dr. En. ergänzend zu den vom Kläger erhobenen Einwendungen und vorgelegten Unterlagen Stellung nehmen lassen. Dr. En. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Februar 2012 angegeben, die vorgelegten Unterlagen seien zum Teil bekannt und insgesamt nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu stützen. Ein Eintritt der vollen Erwerbsminderung vor dem 1. Dezember 2008 sei aufgrund der anamnestischen Angaben und der dokumentierten Vorbefunde nicht mit Sicherheit zu begründen. Über den 1. November 2007 hinaus habe offensichtlich eine relative Kompensationsfähigkeit bestanden, die durch die Stellungnahme des Neurologen Dr. G. vom 6. Juni 2008 bestätigt werde, der den Kläger unter dem Aspekt der epileptischen Anfälle für fähig erachtet habe, leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. In der Anamneseerhebung habe der Kläger angegeben, bis zum Jahr 2010 aktiv am Straßenverkehr teilgenommen zu haben.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2012 hat der Kläger einen Auszug aus der Patientenakte seiner Hausärztin Felgenhauer für den Zeitraum vom 22. Januar 2002 bis 30. September 2011 vorgelegt. Aus diesem sei ersichtlich, dass bereits 2005 depressive Störungen vorgelegen hätten und bereits am 17. Januar 2008 Grand-mal-Anfälle.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Gerichtsakte des SG und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat, ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere nachdem der Senat mit Beschluss vom 22. Februar 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gewährt hat. Sie ist auch statthaft, denn ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 SGG ist nicht gegeben, da mit der Berufung Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum 1. November 2007 bis 30. November 2008, mithin wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr gefordert wird (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 ist insoweit rechtmäßig, als er einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. November 2008 verneint. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstatt der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus bereits ab 1. November 2007. Der Eintritt der vollen Erwerbsminderung zu diesem Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Aus den im Verwaltungsverfahren, vom SG und im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten, den eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften von den behandelnden Ärzten und den vom Kläger vorgelegten Befundunterlagen lässt sich eine volle Erwerbsminderung des Klägers vor Dezember 2008 nicht feststellen. Daher scheidet gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vor dem 1. Dezember 2008 aus.
Zur Überzeugung des Senats bestanden beim Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keine quantitativen Leistungseinschränkungen in orthopädischer Hinsicht. Die folgt aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Dr. F. vom 17. November 2008. Zwar bestanden beim Kläger zu diesem Zeitpunkt auf orthopädischen Fachgebiet eine Schultereckgelenksarthrose mit funktioneller Beeinträchtigung, ein Karpaltunnelsyndrom, chronisch rezidivierende Beschwerden der Lendenwirbelsäule sowie eine beidseitige Hüftgelenksarthrose, klinisch stumm. Aus diesen folgten jedoch nur qualitative Leistungseinschränkungen bei vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeit ohne Zeitdruck, Akkord, Schichtbetrieb, ohne körperliche Zwangshaltungen, häufiges Bücken, häufiges Treppen- oder Leiternsteigen, ohne Gefährdung an laufenden Maschinen, ohne Einwirkung von Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe oder überwiegend im Freien und ohne besondere Anforderungen an Gleichgewichtssinn, nervliche Belastbarkeit, Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit. Auch die internistischen Gesundheitsstörungen des Klägers führten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen. Nach dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Lo., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie, vom 16. Juni 2009 aufgrund einer Untersuchung am 14. April 2009 führten die Diagnosen Diabetes mellitus Typ I - Erstdiagnose 1998, mit dysregulativ stark schwankenden Blutzuckerwerten und Hypoglykämiewahrnehmungs-störung, hypoglykämiebedingten Krampfanfällen sowie arterieller Hypertonie, Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose beidseitig und Vitiligo der Hände aus internistischer Sicht zu diesem Zeitpunkt bei vollschichtigem Leistungsvermögen zu einer Einschränkung auf leichte körperliche Tätigkeiten mit überwiegend sitzender Körperhaltung ohne erhöhte Unfallgefahr, ohne Akkord- und Nachtarbeit und mit der Möglichkeit, in ca. zweistündigen Abständen die Blutzuckerwerte zu kontrollieren und ggf. durch Einnahme von Kohlenhydraten einer Unterzuckerung gegenzusteuern.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet liegt eine ängstlich vermeidende-selbstunsichere Persönlichkeitsstörung mit einer Beeinträchtigung des Durchhalte- und Konzentrationsvermögens des Klägers vor. Der Kläger ist deshalb nur noch in der Lage, einer Erwerbstätigkeit im Umfang von weniger als drei Stunden täglich nachzugehen. Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten des Dr. En. vom 26. Mai 2011 und des Prof. Dr. We. vom 8. Dezember 2009.
Eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers aufgrund dieser Erkrankungen lässt sich für den streitigen Zeitraum nicht feststellen. Der Senat folgt der Beurteilung des Dr. En ... Die Persönlichkeitsstruktur des Klägers bestand bereits seit Kindheit, ohne dass sich dies auf die Leistungsfähigkeit ausgewirkt hätte. Maßgeblich für die Leistungseinschränkung auf weniger als drei Stunden täglich ist das Hinzutreten der Labilität der Zuckererkrankung mit dem Auftreten von Synkopen und Anfällen. Dies stellten Dr. En. und Prof. Dr. We. übereinstimmend dar. Dr. En. sah aus dem Zusammenwirken von primärpersönlicher Ängstlichkeit mit der Labilität der Blutzuckereinstellung eine auch hirnorganisch bedingte Zunahme der psychischen Vulnerabilität. Prof. Dr. We. beschrieb eine Verstärkung der Persönlichkeitsstörung durch die verschiedenen Krankheitssymptome und die Angst vor Synkopen und Anfällen. Eine Häufung dieser Anfälle trat erst ab Mai 2009 auf. Erst ab diesem Zeitpunkt kam es zu häufigeren notfallmäßigen Aufnahmen, zuvor nur in größeren Abständen (September und Oktober 2007 sowie März 2008), wie sich aus den von den Kläger vorgelegten Berichten des Universitätsklinikums Ulm und des Bundeswehrkrankenhauses Ulm ergibt. Dies wird bestätigt durch die Auskunft des Dr. G. als sachverständiger Zeuge vom 6. Juni 2008, der unter dem Aspekt der Krampfanfälle ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestierte. Auch der dem SG vorgelegte Befundbericht des behandelnden Psychiaters Dr. Sc. vom 5. November 2009 spricht gegen eine wesentliche Verschlechterung des psychischen Befindens des Klägers bereits im November 2007. Der Kläger war nämlich den Angaben des Dr. Sc. zufolge 2005 bis Anfang 2006 in Behandlung und dann erst wieder im November 2009. Im Übrigen sah Dr. Sc. keine Behandlungsnotwendigkeit. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen der Ärztin Felgenhauer über depressive Verstimmungen bereits im Jahr 2005 und Grand-mal-Anfälle im Januar 2008 ergibt sich kein früherer Leistungsfall. Schließlich ist nicht das Auftreten der Gesundheitsstörungen entscheidend, sondern der Zeitpunkt, zu dem diese zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen geführt haben. Auch Dr. W. stellte in seinem Gutachten vom 15. November 2007 ebenfalls die Diagnose einer frühkindlichen Hirnschädigung mit Ängsten vor Versagen, Kritik, Ausgelachtwerden. Der Kläger hatte auch Dr. W. wie auch den Sachverständigen Dr. En. und Prof. Dr. We. von dem bei ihm schon in der Kindheit bestehenden Ängsten berichtet. Bei der Untersuchung durch Dr. W. im November 2007 waren Auffassung, Konzentration und Aufmerksamkeit beim Kläger unauffällig und es war keine vorzeitige Ermüdung zu beobachten. Auch dass der Kläger selbst mit dem Pkw zur Untersuchung durch Dr. W. fuhr, spricht gegen eine nachhaltige Verunsicherung durch Krampfanfälle damals. Soweit im Bericht des Prof. Dr. Dö. vom 13. September 2007 über die stationäre Behandlung vom 31. August bis 5. September 2007 wegen der tiefen Beinvenenthrombose rechts u.a. als weitere Diagnose Angststörung genannt ist, lässt sich daraus nichts entnehmen. Insoweit handelt es sich – wie der ebenfalls dort als weitere Diagnose genannte Diabetes mellitus – um eine übernommene Diagnose, ohne dass dieser die Erhebung eigener Befunde zugrundelag. Weiter ergibt sich auch nicht aus der von Priv.-Doz. Dr. H. im Entlassungsbericht vom 1. Juli 2005 genannten Diagnose der Anpassungsstörung bei selbstunsicherer Persönlichkeit der Eintritt eines Leistungsfalls vor dem 1. Dezember 2008. Zum einen stimmt dies mit den von den Sachverständigen festgestellten Diagnosen überein. Zum anderen nahm Priv.-Doz. Dr. H. eine Leistungsfähigkeit von mehr als sechs Stunden täglich an.
Schließlich bestätigt die vom Kläger in der Anamneseerhebung dem Gutachter berichtete Reise im Sommer 2007 nach Russland, Polen und Finnland die Einschätzung, dass von einem aufgehobenen Leistungsvermögen im November 2007 nicht sicher ausgegangen werden kann. Dieses beruhte auf erhöhter Ängstlichkeit vor und angesichts von Krampfanfällen. Dem steht entgegen, dass der Kläger sich wenige Monate vor diesem Zeitpunkt eine anstrengende Reise zugetraut und diese auch ohne medizinische Zwischenfälle durchgeführt hat. Der schriftsätzliche Vortrag des Klägers nebst Vorlage eines Überweisungsträgers, er habe diese Reise nicht 2007, sondern 1989 gemacht, führt zu keiner anderen Bewertung. Möglicherweise hat der Kläger im Jahr 1989 eine ähnliche Reise gemacht. Die Angabe, er sei auch mit der Überwachung des Zuckerstoffwechsels gut zurechtgekommen, wäre für das Reisedatum 1989 nicht sinnvoll, da die Erstdiagnose des Diabetes erst 1998 war (vgl. Entlassungsbericht F.-Klinik B. B. vom 1. Juli 2005, Gutachten Prof. Dr. We. vom 8. Dezember 2009, Gutachten Priv.-Doz. Dr. Lo. vom 16. Juni 2009, Gutachten Prof. Dr. Ha. vom 13. Dezember 2004).
Daraus ergibt sich dann, dass der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. We., das Leistungsvermögen aufgrund der Verstärkung der Persönlichkeitsstörung sei bereits zwei Jahre vor seiner Untersuchung des Klägers, also bereits im November 2007, aufgehoben gewesen, nicht folgen kann. Prof. Dr. We. hat selbst eingeräumt, dass der Zeitpunkt für das aufgehobene Leistungsvermögen nicht sicher zu bestimmen sei, denn er hat ihn geschätzt, unter der Annahme, dass unter der Zunahme der Anfälle in den letzten Jahren die Angststörung "akzentuiert" worden sei.
Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ergibt sich trotz des noch sechsstündigen Leistungsvermögens auch nicht, weil dem Kläger ab 1. November 2007 aufgrund der Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen wäre. Der Kläger hat gegenüber Dr. En. angegeben, den Antrag auf volle Erwerbsminderung im April 2007 gestellt zu haben, weil er den Großteil des Tages mit der Einhaltung von Essens- und Injektionszeiten beschäftigt sei. Mehrere Gutachter haben auf die Notwendigkeit von Blutzuckermessungen etwa alle zwei Stunden und evtl. erforderliche Kohlehydratzufuhr zur Vermeidung von Unterzuckerung hingewiesen. Dennoch konnte der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum unter betriebsüblichen Bedingungen erwerbstätig sein. Diese Verrichtungen, Blutzuckermessung und Einnahme von Kohlehydraten, nehmen nämlich jeweils nur wenige Minuten in Anspruch. Die Notwendigkeit von kurzen Pausen ist im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten möglich (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2010 - L 11 R 5203/09 - in juris).
Der Hilfsantrag, nach § 103 SGG Prof. Dr. We. unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen "aufklärend" zu befragen, wie er zur Annahme der Erwerbsunfähigkeit bereits ab November 2007 komme, war abzulehnen. Der Senat legt diesen Antrag sachgerecht dahin aus, dass der Sachverständige Prof. Dr. We. ergänzend dazu zu hören sei, dass der Leistungsfall bereits am 1. November 2007 eingetreten ist. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, diesem auf weitere Amtsermittlung gerichteten Antrag nachzugehen. Prof. Dr. We. hat die aufgeworfene Frage des Eintritts des Leistungsfalls in dem von ihm erstatteten Gutachten vom 8. Dezember 2009 bereits beantwortet. Prof. Dr. We. hatte in seinem Gutachten angegeben, die psychische Störung sei in den letzten Jahren durch zunehmende Synkopen und Anfälle "akzentuiert"; er "schätze", dieser Zustand bestehe seit zwei Jahren. Damit hat er bereits zum Ausdruck gebracht, eine gesicherte Zeitangabe nicht machen zu können. Es ist dem Sachverständigen auch denklogisch nicht möglich, anhand ihm bislang nicht bekannter Unterlagen anzugeben, wie er in seinem Gutachten vom Dezember 2009 den Zeitpunkt des Leistungsfalls bestimmt hat. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen betreffen die Behandlung des Diabetes mellitus und der im August 2007 aufgetreten Beinvenenthrombose des rechten Unterschenkels. Der das Fachgebiet des Sachverständigen betreffende Arztbrief des Dr. G. vom 12. September 2007 lag dem Sachverständigen vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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