L 4 R 272/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 904/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 272/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Anspruch auf Erstattung der Kosten einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation am Toten Meer; hier verneint, da keine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt wurde.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Kostenerstattung für einen Aufenthalt am Toten Meer als Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Höhe von EUR 2.861,40.

Die 1977 geborene Klägerin war zuletzt als wissenschaftliche Angestellte/Doktorandin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit ihrem 13. Lebensjahr leidet sie an Psoriasis, seit ihrem 18. Lebensjahr an Psoriasis arthritis. Am 14. Januar 2010 beantragte sie bei der Beklagten stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation am Toten Meer. Zur Begründung trug sie vor, die einzige Maßnahme, die bisher zur Besserung geführt habe, seien drei Aufenthalte am Toten Meer gewesen. Hingegen sei die von der Beklagten bewilligte, von ihr (der Klägerin) vom 19. Februar bis 1. April 2008 - durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in Davos nicht hilfreich gewesen. Man habe dort nichts für die Gelenke tun können und die Haut mit Kortisonsalbe behandelt, was zu einer nur kurz anhaltenden Erscheinungsfreiheit und schubartigem starkem Auftreten der Symptome einige Wochen später geführt habe.

Mit Bescheid vom 21. Januar 2010 bewilligte die Beklagte eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von drei Wochen in der T.-Fachklinik in B. S ... Die von der Klägerin gewünschte Einrichtung im Ausland habe nicht ausgewählt werden können, da nicht nachgewiesen sei, dass diese die Rehabilitationsleistung bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausführen könne. Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Januar 2010 Widerspruch. Ähnliche Einrichtungen wie die in B. S. habe sie in den vergangenen Jahren immer wieder erfolglos besucht. Den erwünschten Erfolg und einen lang anhaltenden Effekt hätten allein ihre bisherigen drei Aufenthalte am Toten Meer gebracht, bedingt durch das Klima, die Sonneneinstrahlung und die Zusammensetzung des Meerwassers. Dies habe zuletzt zu einem Intervall völliger Beschwerdefreiheit von über vier Jahren geführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2010 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Durchführung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation im Ausland sei in geeigneten Einrichtungen zulässig, wenn sie bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit dort wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Die Prüfung der von Einrichtungen am Toten Meer eingereichten Unterlagen durch sie (die Beklagte) habe ergeben, dass diese derzeit nicht den Anforderungen entsprächen. Insbesondere fehle das für den erwerbsspezifischen Ansatz erforderliche multiprofessionelle Rehabilitationsteam. Zudem sei der in den Angebotsverfahren genannte Vergütungssatz nicht wirtschaftlicher als bei den von ihr (der Beklagten) bereits belegten Einrichtungen. Das Wunsch- und Wahlrecht des Berechtigten sei begrenzt durch die pflichtgemäße Ermessensausübung des Rehabilitationsträgers, der insbesondere Qualität und indikationsgerechte Behandlung zu berücksichtigen habe.

Am 15. April 2010 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Die Klägerin hielt sich vom 2. bis 30. Mai 2010 in Israel am Toten Meer auf. Nachdem sie zunächst die Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme begehrt hatte, begehrte sie nunmehr die Erstattung der für diesen Aufenthalt angefallenen Kosten, die sie zunächst mit EUR 2.499,25 bezifferte (EUR 2.299,25 Flug und Hotel [vorgelegte "Anmeldung für eine Reise an das Tote Meer, Israel"] zuzüglich Kosten für die ärztliche Untersuchung von EUR 200,00). Zur Begründung trug sie vor, das Auswahlermessen der Beklagten sei auf Null reduziert, da die Rehabilitation am Toten Meer die einzig wirksame Maßnahme sei und die Beklagte eine ebenso erfolgversprechende Maßnahme im Inland nicht anbieten könne. Die Aspekte von Qualität und Wirtschaftlichkeit müssten dann hinter dem der Wirksamkeit zurücktreten. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei neben den Kosten die Nachhaltigkeit des Heilerfolges zu berücksichtigen. Die Prüfung, ob eine Behandlung im Inland möglich sei, müsse individuell für ihre Person und nicht generell vorgenommen werden. Sie habe erfolgreich Maßnahmen unter Aufsicht des Deutschen Medizinischen Zentrums Ein Bokek (DMZ) wahrgenommen, welches nach §§ 107, 111 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als stationäre Rehabilitationsstelle anerkannt und Vertragspartner der Regionalträger Mitteldeutschland, Oberbayern und Schwaben der Deutschen Rentenversicherung sei. Daher sei der Hinweis der Beklagten auf die fehlende Eignung nicht tragfähig. Die Beklagte könne die Leistung auch nicht mangels Rahmenvertrages ablehnen, weil sie (die Klägerin) einen Anspruch darauf habe, dass ein Einzelvertrag nach § 21 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) abgeschlossen werde, in welchem die Beklagte auf die notwendige Einhaltung der bestehenden Qualitätsanforderungen hinwirken könne. Die von ihr aufgewandten Kosten von insgesamt EUR 2.499,25, mithin EUR 89,26 täglich, seien weniger als der tägliche Pflegesatz für den Aufenthalt in B. S. von EUR 109,09, weshalb die Maßnahme auch wirtschaftlicher gewesen sei. Die Klägerin legte weiter vor die Entlassungsberichte der Dermatologin Dr. B., DMZ, vom 27. Mai 2010 über die Klimaheilbehandlung vom 2. bis 30. Mai 2010, in welchem Dr. B. aufgrund einer Eingangsuntersuchung am 4. Mai 2010 und einer Abschlussuntersuchung am 27. Mai 2010 berichtete, dass sich die psoriatischen Hauterscheinungen zurückgebildet hätten, der Dr. St., Hochgebirgsklinik Davos vom 3. April 2008 über die vom 19. Februar bis 1. April 2008 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme und des Dr. H., DMZ, vom 30. April 2004 über die Klimaheilbehandlung vom 28. März bis 30. April 2004, zwei ärztliche Abschlussberichte von Dr. R. vom 17. April 1995 und 24. April 1997 und einen Entlassungsbericht des Hautarztes Dr. Bö. nach einer stationären Heilbehandlung in der Klinik Sa. in B. N. vom 11. Mai 1994, außerdem Atteste ihrer behandelnden Dermatologin Dr. H.-S. vom 25. März 2010 und ihres Vaters, Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Hu., vom 20. April 2010, Fotos vom Februar und Juni 2010 sowie sechs Kostenübernahmen von Regionalträgern der Deutschen Rentenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Leistungsinhalte der Einrichtungen am Toten Meer seien nicht mit der von ihr bewilligten Rehabilitationsklinik vergleichbar. Sie habe bislang mit keiner am Toten Meer gelegenen Einrichtung eine entsprechende Belegungsvereinbarung treffen können. Das DMZ sei kein Vertragspartner der Regionalträger Mitteldeutschland, Oberbayern und Schwaben der Deutschen Rentenversicherung. Der tägliche Pflegesatz für den Aufenthalt in B. S. hätte EUR 109,09 betragen.

Das SG befragte die Dr. H.-S. schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese berichtete am 14. Juni 2010, nach einem vierwöchigen Aufenthalt am Toten Meer seien die Psoriasisherde am 8. Juni 2010 abgeheilt gewesen, hinsichtlich der Psoriasis arthritis sei keine Schmerzmedikation erforderlich. Nach der Rehabilitationsmaßnahme in Davos seien hingegen typische Hautveränderungen vorhanden gewesen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 14. Dezember 2010 ab. Die von der Klägerin durchgeführte Kur sei keine stationäre Maßnahme, da sie nicht in einer unter ärztlicher Verantwortung stehenden Einrichtung erfolgt sei. Die Klägerin sei in einem Hotel untergebracht gewesen. Das DMZ sei keine vom Träger der Rentenversicherung selbst betriebene Einrichtung und es bestehe kein Vertrag. Ein Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrages bestehe nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass ein Aufenthalt im DMZ die einzige wirksame Rehabilitationsmaßnahme sei. Die Beklagte habe im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen dürfen, ob ein Vertrag mit der Einrichtung bestehe. Durch die Verträge nehme die Beklagte nämlich Einfluss auf Leistungsfähigkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen. Wenn - wie im Falle des DMZ - keine Verträge bestünden, sei die Einhaltung der Kriterien nicht gewährleistet. Die Zweifel der Beklagten an der Qualität der DMZ seien durchaus begründet. Ausweislich des Entlassungsberichts habe außer der Eingangs- und Abschlussuntersuchung keine ärztliche oder therapeutische Betreuung stattgefunden. Es fehle an einem rehabilitativen Gesamtplan. Die Klägerin habe sich im Wesentlichen eigenverantwortlich der Sonnenbestrahlung ausgesetzt und Bäder im Toten Meer genommen. Auch die von der DMZ vorgelegten Unterlagen entsprächen nicht den Anforderungen an eine Rehabilitationsmaßnahme, da sie kein rehabilitatives Konzept, keine therapeutischen Hinweise für die weitere Behandlung und keine sozialmedizinische Würdigung hinsichtlich der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit erkennen ließen. Zwar zeige die Krankheitsgeschichte der Klägerin, dass die bisherigen Aufenthalte in Israel denjenigen in Deutschland und auch in Davos überlegen gewesen seien. Dies gelte jedoch nicht für Maßnahmen in der T.-Klinik in B. S., weil sich die Klägerin der dortigen Therapie bisher noch nicht unterzogen habe. Auf das Verhalten anderer Regionalträger könne die Klägerin einen Anspruch auf Kostenerstattung nicht stützen.

Gegen das am 20. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Januar 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus vorgetragen, für die Einordnung einer Einrichtung als stationäre Rehabilitationseinrichtung könne nicht ausschlaggebend sein, wer dem Leistungsempfänger Unterkunft und Verpflegung gewähre. Diese könnten auch - wie hier - von einem Hotel erbracht werden. Entscheidend sei allein, ob die Verhältnisse vor Ort derart seien, dass die Einrichtung die erforderlichen Leistungen erbringen könne. Die Einrichtung müsse nicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung stehen, wenn die Art der Behandlung dies nicht erfordere. Ein rehabilitativer Gesamtplan sei vom Gesetz nicht vorgesehen. Entscheidend sei allein, dass die Einrichtung in der Lage sei, die erforderliche Leistung zur Rehabilitation zu erbringen. Sie habe sich nicht eigenverantwortlich der Sonnenbestrahlung ausgesetzt, sondern nach ärztlicher Verordnung an bestimmten Orten stundenlang unbekleidet. Die Einrichtungen im Inland, wie die T.-Klinik B. S., würden mit technischen Mitteln vergeblich versuchen, die natürlichen Gegebenheiten am Toten Meer zu imitieren. Die Klägerin hat zuletzt eine Rechnung der O. K.-Reisen GmbH vom 27. April 2010 über einen Aufenthalt vom 2. Mai bis 30. Mai 2010 im Hotel Dead Sea Gardens mit Halbpension, Linienflügen bis/ab Zürich und Eintritt ins Natursolarium über EUR 2.673,00 und eine Rechnung des DMZ vom 27. Mai 2010 für dermatologische Untersuchungen am 4. und 27. Mai 2010, einen medizinischen Bericht und Leniens-Salbe über insgesamt 919,00 Schekel (= EUR 188,40) eingereicht.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 aufzuheben, den Bescheid vom 21. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für den Aufenthalt am Toten Meer vom 2. bis 30. Mai 2010 in Höhe von EUR 2.861,40 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie hat insbesondere nochmals darauf verwiesen, sie betreibe keine Einrichtungen mit den in § 15 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) genannten Anforderungen und habe auch keine Verträge mit entsprechenden Einrichtungen abgeschlossen, weil eine sach- und fachkompetente Rehabilitation bislang nicht gewährleistet sei. Mit Ausnahme eines Einzelfalls aufgrund einer Verurteilung habe sie keine medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen am Toten Meer bewilligt oder Kosten hierfür übernommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Berufungsakten, die Klageakten und den Verwaltungsvorgang der Beklagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Die Klage ist auf eine Geldleistung von mehr als EUR 750,00 gerichtet (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 2.861,40 für den Aufenthalt am Toten Meer vom 2. bis 30. Mai 2010 steht der Klägerin nicht zu.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung ist § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Danach ist der Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gegenüber dem Leistungsberechtigten zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder die Leistung zu Unrecht abgelehnt und der Leistungsberechtigte sie selbst beschafft hat. § 15 Abs. 1 SGB IX normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen und ist damit auch im Bereich der Rentenversicherung anwendbar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 8). Die Kosten sind jedoch nur dann erstattungsfähig, wenn hinsichtlich der Sachleistung eine Leistungspflicht des Rehabilitationsträgers nach dem anzuwendenden Leistungsrecht besteht und der Rehabilitationsträger die beanspruchte Leistung als Sachleistung zu erbringen hat. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX reicht – wie der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, dem § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nachgebildet ist - nicht weiter als der Sachleistungsanspruch (zu § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V: z.B. BSG, Urteile vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 und 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - SozR 4-2500 § 36 Nr. 2).

Die Beklagte hat die Gewährung einer Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer im DMZ nicht zu Unrecht abgelehnt. Nach § 9 SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um 1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und 2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Voraussetzung ist die Erfüllung der persönlichen und der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 10, 11 SGB VI. Diese sind zwischen den Beteiligten nicht streitig, die Beklagte hat sie in den angegriffenen Bescheiden, mit denen sie eine Maßnahme zur stationären Rehabilitation in B. S. bewilligt hat, zu Recht bejaht. Die Klägerin hat in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Bei der Klägerin ist nach den vorliegenden Befundunterlagen die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet; die erhebliche Gefährdung kann durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation abgewendet werden.

Die Klägerin hatte jedoch keinen Anspruch auf Bewilligung der Leistung im DMZ am Toten Meer aus § 15 Abs. 2 SGB VI. Sie hat nämlich dort keine stationäre Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt. Gemäß § 15 Abs. 2 SGB VI werden stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung in Einrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal entweder vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder mit denen ein Vertrag nach § 21 SGB IX besteht (Satz 1). Falls die Art der Behandlung dies nicht erfordert, muss die Einrichtung allerdings nicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung stehen (Satz 2). Voraussetzung für das Vorliegen einer stationären Heilbehandlung ist jedoch, dass in der Einrichtung neben ärztlicher und nichtärztlicher Therapie, Pflege und Versorgung mit Medikamenten auch Unterkunft und Verpflegung gewährt wird (so auch § 107 Abs. 2 SGB V; vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 5. August 2003 - L 13 RA 4868/02 - in juris; Urteil des Senats vom 5. Oktober 2007 - L 4 KR 5083/05 - nicht veröffentlicht zu § 40 Abs. 2 und § 107 Abs. 2 SGB V). Für die Beurteilung, ob eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vorliegt, können die für die Krankenversicherung entwickelten Kriterien herangezogen werden, da § 15 Abs. 2 SGB VI diese Qualifikationsmerkmale übernimmt (Kater-Kasseler Kommentar, Stand: April 2012, § 15 SGB VI Rn. 30). Nach § 107 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGB V ist für eine stationäre Rehabilitationseinrichtung erforderlich, dass sie fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen, und dass die Patienten dort untergebracht und verpflegt werden. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme setzt voraus, dass der Versicherte in der Einrichtung, in der die Maßnahme durchgeführt wird, untergebracht ist und verpflegt wird. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 2 SGB V, der ausdrücklich auf die Unterkunft und Verpflegung in der Rehabilitationseinrichtung abhebt. § 40 Abs. 2 SGB V erfasst nur vollstationäre Behandlungen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2000 - B 3 KR 12/99 R - SozR 3-2500 § 40 Nr. 3). Diese Abgrenzung entspricht auch der Abgrenzung zwischen einer ambulanten und stationären Behandlung in einem Krankenhaus. Eine stationäre Behandlung liegt nur vor, wenn eine physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses gegeben ist, die sich zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt (BSG, Urteile vom 4. März 2004 - B 3 KR 4/03 R -, 8. September 2004 - B 6 KA 14/03 R -; und 28. Februar 2007 - B 3 KR 17/06 R - SozR 4 2500 § 39 Nrn. 1 3 und 8). In Zusammenhang mit stationärer Krankenhausbehandlung hat das BSG entschieden, dass die erbrachten Leistungen für eine vollstationäre Behandlung prägend sein müssen (BSG, Urteile vom 4. März 2004 - B 3 KR 4/03 R -; und 28. Februar 2007 - B 3 KR 15/06 R - SozR 4-2500 § 39 Nrn. 1 und 7; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. August 2003 - L 13 RA 4868/02 - in juris).

Dies war vorliegend nicht der Fall. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen hat die Klägerin im Hotel gewohnt und wurde dort verpflegt. Unterkunft und ärztliche Behandlung wurden getrennt gebucht und getrennt abgerechnet. Das DMZ ist als medizinische Einrichtung lediglich einem Hotel angeschlossen. Eine ärztliche Behandlung erfolgte nur in Form der Eingangs- und Abschlussuntersuchung. Dies ergibt sich aus der eingereichten Rechnung des DMZ und dem Vorbringen der Klägerin im Erörterungstermin des SG vom 9. September 2010. Dort hat die Klägerin angegeben, dass weitere medizinische Behandlungen nicht stattgefunden hätten. Auch der Entlassungsbericht vom 27. Mai 2010 weist außer lokalen Salbenanwendungen allein die "intensive Nutzung der hiesigen Klimaheilfaktoren", aber keinerlei ärztliche oder therapeutische Maßnahmen oder Heilmittelanwendungen aus.

Mangels Vorliegen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme liegen auch die Voraussetzungen des § 18 SGB IX für die Erbringung der Sachleistung im Ausland nicht vor. § 18 SGB IX sieht vor, dass Sachleistungen im Ausland erbracht werden können, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können.

Da bereits die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine stationäre medizinische Leistung der Rehabilitation nicht vorliegen, ist es unerheblich, ob die Beklagte Ermessen zutreffend ausübte oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorlag.

Aus demselben Grund ist auch nicht zu prüfen, ob die Klägerin im Hinblick auf § 14 Abs. 1 SGB IX nach den Vorschriften für andere Sozialversicherungsträger, insbesondere nach dem SGB V, Anspruch auf Erstattung der Kosten in Höhe von EUR 2.861,40 für den Aufenthalt am Toten Meer vom 2. bis 30. Mai 2010 hat.

Ob von der Klägerin aufgewandte Kosten für eine ambulant durchgeführte medizinische Leistung der Rehabilitation zu erstatten wären, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Klägerin beantragte ausdrücklich eine stationäre medizinische Leistung der Rehabilitation, worüber die Beklagte allein im angefochtenen Bescheid entschied.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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