Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 10/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln.
Am 00.00.0000 verstarb die Mutter der Klägerin, Frau I. Q. (geb. am 00.00.0000). Gemeinschaftliche Erben sind die Klägerin und ihr Bruder K. N. I. Q ... Unter dem 00.00.0000 beauftragte die Klägerin das Bestattungsinstitut F. Bestattungen GmbH mit der Bestattung, welche am 00.00.0000 erfolgte. Den hierfür von der Firma F. Bestattungen in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 2.680,- Euro glich die Klägerin aus. Am 00.00.0000 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten. Die Beklagte holte Auskünfte zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ein und ermittelte zwei Kapitallebensversicherungen der Klägerin bei der O. Versicherungsgruppe (Versicherungsbeginn: 01.10.0000, monatlicher Tarifbeitrag jeweils 25,00 Deutsche Mark bzw. 25,56 Euro). Mit Bescheid vom 28.06.2010 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Bestattungskosten ab. Zur Begründung führte sie aus, die angemessenen Bestattungskosten beliefen sich auf insgesamt 3.074,- Euro (Bestattungskostenpauschale iHv 720,- Euro, pauschale Dekoration der Trauerhalle in Höhe von 155,00 Euro, Sargschmuck in Höhe von 55,00 Euro sowie Friedhofsgebühren in Höhe von 2.144,00 Euro). Das Einkommen der Klägerin übersteige die Einkommensgrenze und ein Einkommenseinsatz sei ihr zumutbar. Darüber hinaus verfüge sie über zwei Lebensversicherungen, deren Rückkaufswert sich auf insgesamt 5.846,37 Euro belaufe. Es verbleibe nach Abzug des Vermögensfreibetrages in Höhe von 2.600,00 Euro daher ausreichendes Vermögen, das vorrangig zu verwerten sei. Die Klägerin legte am 20.07.2010 Widerspruch ein und führte aus, die beiden Lebensversicherungen dienten ihrer Altersvorsorge. Die Beklagte führte weitere Ermittlungen zu den beiden Lebensversicherungen durch und erklärte, es bleibe der Klägerin unbenommen, eine Bescheinigung des Versicherers über den Stand des Altersvorsorgevermögens beizubringen. Mit "Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid" vom 14.12.2010 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als ein Einsatz des Einkommens der Klägerin nicht mehr gefordert wurde. Dennoch stehe einem Anspruch das Vermögen der Klägerin in Form der beiden Kapitallebensversicherungen entgegen. Auch dienten beide nicht der Altersvorsorge, da eine Bescheinigung über den Stand des Altersvorsorgevermögens von der Klägerin nicht beigebracht worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, Bestattungskosten in Höhe von 5.014,00 Euro (2.680,00 Euro Rechnung der Firma F. Bestattungen GmbH, Blumenschmuck in Höhe von 190,00 Euro sowie Friedhofsgebühren in Höhe von 2.144,00 Euro) zu übernehmen. Am 21.04.2012 hat sie die Klage auf Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.734,15 Euro (bisherige Kosten in Höhe von 5.014,00 Euro sowie städt. Gebühren für Antrag auf Genehmigung eines Reihengrabs in Höhe von 25,00 Euro und Rechnung des Steinmetzes S. für Grabstein in Höhe von 790,00 Euro abzüglich des auf dem Girokonto der Verstorbenen befindlichen Guthabens in Höhe von 94,85 Euro) erweitert.
Die Klägerin führt aus, bei Verwertung ihrer Kapitallebensversicherungen entstehe ihr ein Verlust in Höhe von 13,4% der eingezahlten Summe. Dies bedeute eine unzumutbare Härte.
Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2010 zu verurteilen, die für die Bestattung von Frau I. Q. angefallenen Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.734,15 Euro aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält auch im Hinblick auf die Klageerweiterung an ihrer bisherigen Auffassung fest. Ergänzend führt sie aus, eine unbillige Härte liege jedenfalls dann nicht vor, wenn der Rückkaufswert bis zu 14,8% hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurückbleibe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Es ist unschädlich, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 14.12.2010 in der Sache einen "reinen" Widerspruchsbescheid erlassen und dem Begehren der Klägerin nicht – auch nicht teilweise – abgeholfen hat, obwohl sie den Bescheid vom 14.12.2010 als Teilabhilfebescheid bezeichnet hat. Abzustellen ist insoweit allein auf den Verfügungssatz des Bescheides vom 14.12.2010. Dieser aber hat sich gegenüber dem Ausgangsbescheid vom 28.06.2010 nicht verändert (vollständige Ablehnung der Übernahme der geltend gemachten Bestattungskosten), lediglich die Begründung ist eine andere (die Ablehnung wird nicht mehr auf vorhandenes Einkommen und Vermögen gestützt, sondern nur noch auf vorhandenes Vermögen).
Die Klageerweiterung, bei der es sich nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht um eine Klageänderung im Rechtssinne handelt, ist zulässig. Die erweiterte Klage ist jedoch in Höhe eines Betrages von 815,00 Euro (25,00 Euro + 790,00 Euro) unzulässig. Denn insoweit ist nicht nur kein Vorverfahren durchgeführt worden (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG), sondern die Beklagte hat über den erhöhten Bestattungskostenbetrag nicht einmal eine Entscheidung im Verwaltungsverfahren herbeiführen können, weil es sich um Beträge handelt, die überhaupt erst nach Klageerhebung angefallen sind.
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der (restlichen) Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.014,00 Euro.
Grundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Bestattungskosten ist § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII). Die Kammer kann es an dieser Stelle offen lassen, ob es sich bei sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Kosten um "erforderliche Kosten einer Bestattung" im Sinne dieser Norm handelt. Denn zu ihrer Überzeugung ist es ihr zumutbar, die Bestattungskosten aus ihrem Vermögen (§§ 19 Abs. 3, 90 SGB XII) zu bestreiten.
Die Klägerin verfügt über Vermögen in Höhe von zwei Kapitallebensversicherungen. Diese beiden Kapitallebensversicherungen stellen Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII dar. Sie sind weiter nicht schlechthin unverwertbar, insbesondere handelt es sich nicht um Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes (EStG) dient (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII). Denn abgesehen davon, dass die Klägerin eine Bescheinigung nach § 10a EStG nicht beizubringen vermocht hat, fehlt es an der staatlichen Förderung einer Kapitalansammlung im Sinne dieser Vorschrift.
Die Verwertung der beiden Lebensversicherungen bedeutet für die Klägerin auch keine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII.
Eine Härte nach § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII vermag die Kammer auszuschließen. Zwar verfügt die Klägerin neben den beiden Kapitallebensversicherungen über keinerlei nennenswerte Altersvorsorge. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Beitragszahlung für die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000 am 01.10.1998 begonnen hat und erst am 01.10.2024 endet. Der Aufbau einer nennenswerten Altersvorsorge ergibt sich damit erst nach vielen weiteren Beitragsjahren, so dass die Klägerin noch nicht eine Vermögenssubstanz angesammelt hat, welche das Gesetz unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten als schutzwürdig erachtet (zum Ganzen Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 90 Rdnr. 71). Ähnliches gilt für die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000. Auch hier hat die Beitragszahlung am 01.10.1998 begonnen, ein Ablauf der Versicherung steht indessen erst zum 01.10.2019 an. Auch hier bedarf es also vieler weiterer Beitragsjahre, bevor eine nennenswerte Altersvorsorge aufgebaut sein wird.
Die Verwertung der beiden Lebensversicherungen bedeutet für die Klägerin auch keine Härte nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Der Begriff der "Härte" in dieser Vorschrift ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach Auffassung der Kammer unter Rückgriff auf die Zielrichtung des SGB XII und insbesondere im Hinblick auf die Vorschrift des § 74 SGB XII innerhalb des Systems des SGB XII zu konkretisieren ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das SGB XII insgesamt strengere Anforderungen bezüglich der Verwertbarkeit von Vermögen aufstellt, als das SGB II. Denn anders als in der Grundsicherung für Arbeitsuchende steht bei der Sozialhilfe nicht die baldmöglichste Reintegration der Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt im Vordergrund; vielmehr handelt es sich um Hilfen, welche bei fehlender Erwerbsfähigkeit bzw. erst nach Ausscheiden aus dem Arbeitsleben eingreifen (wie etwa die Leistungen des 4. Kapitels des SGB XII) und unter Umständen bis zum Tod des Hilfebedürftigen gezahlt werden. Diese Überlegung rechtfertigt es, im Rahmen des SGB XII insgesamt von einem strengeren Maßstab auszugehen, als im SGB II (ausdrücklich etwa Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 23; ebenso Hess. LSG, Urteil vom 21.05.2010 – L 7 SO 78/06 = juris, Rdnr. 30). Denn die Verwertung von Vermögen ist bei Hilfeempfängern, welche mehr oder weniger dauerhaft auf steuerfinanzierte Leistungen angewiesen sind, eher hinzunehmen, als bei Hilfeempfängern, welche – jedenfalls nach der Intention des Gesetzgebers – mit einer baldigen Reintegration in den Arbeitsmarkt und damit einer baldigen Unabhängigkeit von derartigen Leistungen rechnen können. Auf der anderen Seite handelt es sich gerade bei der Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII um einmalige Leistungen. Die Verwertung von Vermögen kann dem Hilfebedürftigen daher nicht unter den gleichen Bedingungen zugemutet werden, wie Dauerleistungen etwa nach dem 3., 4. oder auch 7. Kapitel des SGB XII, die unter Umständen viele Jahre erbracht werden müssen. Einschränkend zu bedenken ist indessen, dass es sich bei Bestattungskosten zwar um einmalige Leistungen handelt, diese Leistungen aber regelmäßig – wie auch der vorliegende Sachverhalt zeigt – mehrere tausend Euro umfassen (können). Insofern ist der Unterschied gegenüber Dauerleistungen, die sich über viele Jahre auf hohe Beträge addieren, nicht derart gravierend. Hinzu kommt, dass die Übernahme von Bestattungskosten im Gegensatz etwa zu den Leistungen nach dem 3. oder 4. Kapitels des SGB XII nicht der Sicherung des Existenzminimums der Hilfebedürftigen dient. Auch diese Überlegung rechtfertigt es, trotz des Charakters als einmalige Leistung von einem eher strengeren Maßstab auszugehen. Unter Berücksichtigung sämtlicher dieser genannten unterschiedlichen Gesichtspunkte hält es die Kammer für sachgerecht, insgesamt hinsichtlich der Verwertbarkeit von Kapitallebensversicherungen für den Einsatz von Bestattungskosten von einem Maßstab auszugehen, der in etwa dem des SGB II entspricht. Danach verbietet sich zwar die Festlegung einer starren Grenze, entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. Die Verwertung (d.h. der Rückkauf) von Lebensversicherungen aber bedeutet jedenfalls in der Regel dann keine unzumutbare Härte, wenn der Rückkaufswert bis zu 15% hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurückbleibt (für eine Verwertungsobliegenheit unterhalb der Grenze von sogar 18,5% Sächs. LSG, Urteil vom 16.04.2009 – L 3 SO 9/08 = juris, Rdnr. 59; offen demgegenüber BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 66/06 R = juris Rdnr. 23 und BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 68/06 R = juris, Rdnr. 34; für eine Verwertungsobliegenheit bei 14,8% etwa Sächs. LSG, Beschluss vom 12.08.2009 – L 8 B 4/07 SO, in diese Richtung wohl auch Hess. LSG, Urteil vom 21.05.2010 – L 7 SO 78/06 = juris, Rdnr. 30). Bei den Lebensversicherungen der Klägerin hat die Kammer für den Vergleich von Rückkaufswert und Beitragssumme Werte von 14,7% bzw. 12% (Stand: 01.10.2009) ermittelt. Auf die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000 wurden über insgesamt 132 Monate (11 Jahre x 12 Monate) Beiträge in Höhe von monatlich umgerechnet 25,56 Euro gezahlt, dies entspricht einer reinen Beitragssumme in Höhe von 3.373,92 Euro. Der Rückkaufswert betrug nach den Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren zum oben genannten Datum 2.877,73 Euro. Damit bliebe der Rückkaufswert rund 14,7% hinter der reinen Beitragssumme zurück. Für die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000 ergeben sich demgegenüber 132 Monate Beitragszahlung und ein Rückkaufswert von 2.968,64 Euro. Damit bliebe der Rückkaufswert rund 12% hinter der reinen Beitragssumme zurück. Damit bedeutet die Verwertung beider Lebensversicherungen für den Einsatz der verauslagten Bestattungskosten für die Klägerin keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln.
Am 00.00.0000 verstarb die Mutter der Klägerin, Frau I. Q. (geb. am 00.00.0000). Gemeinschaftliche Erben sind die Klägerin und ihr Bruder K. N. I. Q ... Unter dem 00.00.0000 beauftragte die Klägerin das Bestattungsinstitut F. Bestattungen GmbH mit der Bestattung, welche am 00.00.0000 erfolgte. Den hierfür von der Firma F. Bestattungen in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 2.680,- Euro glich die Klägerin aus. Am 00.00.0000 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten. Die Beklagte holte Auskünfte zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ein und ermittelte zwei Kapitallebensversicherungen der Klägerin bei der O. Versicherungsgruppe (Versicherungsbeginn: 01.10.0000, monatlicher Tarifbeitrag jeweils 25,00 Deutsche Mark bzw. 25,56 Euro). Mit Bescheid vom 28.06.2010 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Bestattungskosten ab. Zur Begründung führte sie aus, die angemessenen Bestattungskosten beliefen sich auf insgesamt 3.074,- Euro (Bestattungskostenpauschale iHv 720,- Euro, pauschale Dekoration der Trauerhalle in Höhe von 155,00 Euro, Sargschmuck in Höhe von 55,00 Euro sowie Friedhofsgebühren in Höhe von 2.144,00 Euro). Das Einkommen der Klägerin übersteige die Einkommensgrenze und ein Einkommenseinsatz sei ihr zumutbar. Darüber hinaus verfüge sie über zwei Lebensversicherungen, deren Rückkaufswert sich auf insgesamt 5.846,37 Euro belaufe. Es verbleibe nach Abzug des Vermögensfreibetrages in Höhe von 2.600,00 Euro daher ausreichendes Vermögen, das vorrangig zu verwerten sei. Die Klägerin legte am 20.07.2010 Widerspruch ein und führte aus, die beiden Lebensversicherungen dienten ihrer Altersvorsorge. Die Beklagte führte weitere Ermittlungen zu den beiden Lebensversicherungen durch und erklärte, es bleibe der Klägerin unbenommen, eine Bescheinigung des Versicherers über den Stand des Altersvorsorgevermögens beizubringen. Mit "Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid" vom 14.12.2010 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als ein Einsatz des Einkommens der Klägerin nicht mehr gefordert wurde. Dennoch stehe einem Anspruch das Vermögen der Klägerin in Form der beiden Kapitallebensversicherungen entgegen. Auch dienten beide nicht der Altersvorsorge, da eine Bescheinigung über den Stand des Altersvorsorgevermögens von der Klägerin nicht beigebracht worden sei.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.0000 erhobene Klage.
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, Bestattungskosten in Höhe von 5.014,00 Euro (2.680,00 Euro Rechnung der Firma F. Bestattungen GmbH, Blumenschmuck in Höhe von 190,00 Euro sowie Friedhofsgebühren in Höhe von 2.144,00 Euro) zu übernehmen. Am 21.04.2012 hat sie die Klage auf Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.734,15 Euro (bisherige Kosten in Höhe von 5.014,00 Euro sowie städt. Gebühren für Antrag auf Genehmigung eines Reihengrabs in Höhe von 25,00 Euro und Rechnung des Steinmetzes S. für Grabstein in Höhe von 790,00 Euro abzüglich des auf dem Girokonto der Verstorbenen befindlichen Guthabens in Höhe von 94,85 Euro) erweitert.
Die Klägerin führt aus, bei Verwertung ihrer Kapitallebensversicherungen entstehe ihr ein Verlust in Höhe von 13,4% der eingezahlten Summe. Dies bedeute eine unzumutbare Härte.
Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2010 zu verurteilen, die für die Bestattung von Frau I. Q. angefallenen Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.734,15 Euro aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält auch im Hinblick auf die Klageerweiterung an ihrer bisherigen Auffassung fest. Ergänzend führt sie aus, eine unbillige Härte liege jedenfalls dann nicht vor, wenn der Rückkaufswert bis zu 14,8% hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurückbleibe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Es ist unschädlich, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 14.12.2010 in der Sache einen "reinen" Widerspruchsbescheid erlassen und dem Begehren der Klägerin nicht – auch nicht teilweise – abgeholfen hat, obwohl sie den Bescheid vom 14.12.2010 als Teilabhilfebescheid bezeichnet hat. Abzustellen ist insoweit allein auf den Verfügungssatz des Bescheides vom 14.12.2010. Dieser aber hat sich gegenüber dem Ausgangsbescheid vom 28.06.2010 nicht verändert (vollständige Ablehnung der Übernahme der geltend gemachten Bestattungskosten), lediglich die Begründung ist eine andere (die Ablehnung wird nicht mehr auf vorhandenes Einkommen und Vermögen gestützt, sondern nur noch auf vorhandenes Vermögen).
Die Klageerweiterung, bei der es sich nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht um eine Klageänderung im Rechtssinne handelt, ist zulässig. Die erweiterte Klage ist jedoch in Höhe eines Betrages von 815,00 Euro (25,00 Euro + 790,00 Euro) unzulässig. Denn insoweit ist nicht nur kein Vorverfahren durchgeführt worden (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG), sondern die Beklagte hat über den erhöhten Bestattungskostenbetrag nicht einmal eine Entscheidung im Verwaltungsverfahren herbeiführen können, weil es sich um Beträge handelt, die überhaupt erst nach Klageerhebung angefallen sind.
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der (restlichen) Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 5.014,00 Euro.
Grundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Übernahme von Bestattungskosten ist § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII). Die Kammer kann es an dieser Stelle offen lassen, ob es sich bei sämtlichen von der Klägerin geltend gemachten Kosten um "erforderliche Kosten einer Bestattung" im Sinne dieser Norm handelt. Denn zu ihrer Überzeugung ist es ihr zumutbar, die Bestattungskosten aus ihrem Vermögen (§§ 19 Abs. 3, 90 SGB XII) zu bestreiten.
Die Klägerin verfügt über Vermögen in Höhe von zwei Kapitallebensversicherungen. Diese beiden Kapitallebensversicherungen stellen Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII dar. Sie sind weiter nicht schlechthin unverwertbar, insbesondere handelt es sich nicht um Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes (EStG) dient (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII). Denn abgesehen davon, dass die Klägerin eine Bescheinigung nach § 10a EStG nicht beizubringen vermocht hat, fehlt es an der staatlichen Förderung einer Kapitalansammlung im Sinne dieser Vorschrift.
Die Verwertung der beiden Lebensversicherungen bedeutet für die Klägerin auch keine Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII.
Eine Härte nach § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII vermag die Kammer auszuschließen. Zwar verfügt die Klägerin neben den beiden Kapitallebensversicherungen über keinerlei nennenswerte Altersvorsorge. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Beitragszahlung für die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000 am 01.10.1998 begonnen hat und erst am 01.10.2024 endet. Der Aufbau einer nennenswerten Altersvorsorge ergibt sich damit erst nach vielen weiteren Beitragsjahren, so dass die Klägerin noch nicht eine Vermögenssubstanz angesammelt hat, welche das Gesetz unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten als schutzwürdig erachtet (zum Ganzen Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 90 Rdnr. 71). Ähnliches gilt für die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000. Auch hier hat die Beitragszahlung am 01.10.1998 begonnen, ein Ablauf der Versicherung steht indessen erst zum 01.10.2019 an. Auch hier bedarf es also vieler weiterer Beitragsjahre, bevor eine nennenswerte Altersvorsorge aufgebaut sein wird.
Die Verwertung der beiden Lebensversicherungen bedeutet für die Klägerin auch keine Härte nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Der Begriff der "Härte" in dieser Vorschrift ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach Auffassung der Kammer unter Rückgriff auf die Zielrichtung des SGB XII und insbesondere im Hinblick auf die Vorschrift des § 74 SGB XII innerhalb des Systems des SGB XII zu konkretisieren ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das SGB XII insgesamt strengere Anforderungen bezüglich der Verwertbarkeit von Vermögen aufstellt, als das SGB II. Denn anders als in der Grundsicherung für Arbeitsuchende steht bei der Sozialhilfe nicht die baldmöglichste Reintegration der Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt im Vordergrund; vielmehr handelt es sich um Hilfen, welche bei fehlender Erwerbsfähigkeit bzw. erst nach Ausscheiden aus dem Arbeitsleben eingreifen (wie etwa die Leistungen des 4. Kapitels des SGB XII) und unter Umständen bis zum Tod des Hilfebedürftigen gezahlt werden. Diese Überlegung rechtfertigt es, im Rahmen des SGB XII insgesamt von einem strengeren Maßstab auszugehen, als im SGB II (ausdrücklich etwa Wahrendorf, a.a.O., Rdnr. 23; ebenso Hess. LSG, Urteil vom 21.05.2010 – L 7 SO 78/06 = juris, Rdnr. 30). Denn die Verwertung von Vermögen ist bei Hilfeempfängern, welche mehr oder weniger dauerhaft auf steuerfinanzierte Leistungen angewiesen sind, eher hinzunehmen, als bei Hilfeempfängern, welche – jedenfalls nach der Intention des Gesetzgebers – mit einer baldigen Reintegration in den Arbeitsmarkt und damit einer baldigen Unabhängigkeit von derartigen Leistungen rechnen können. Auf der anderen Seite handelt es sich gerade bei der Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII um einmalige Leistungen. Die Verwertung von Vermögen kann dem Hilfebedürftigen daher nicht unter den gleichen Bedingungen zugemutet werden, wie Dauerleistungen etwa nach dem 3., 4. oder auch 7. Kapitel des SGB XII, die unter Umständen viele Jahre erbracht werden müssen. Einschränkend zu bedenken ist indessen, dass es sich bei Bestattungskosten zwar um einmalige Leistungen handelt, diese Leistungen aber regelmäßig – wie auch der vorliegende Sachverhalt zeigt – mehrere tausend Euro umfassen (können). Insofern ist der Unterschied gegenüber Dauerleistungen, die sich über viele Jahre auf hohe Beträge addieren, nicht derart gravierend. Hinzu kommt, dass die Übernahme von Bestattungskosten im Gegensatz etwa zu den Leistungen nach dem 3. oder 4. Kapitels des SGB XII nicht der Sicherung des Existenzminimums der Hilfebedürftigen dient. Auch diese Überlegung rechtfertigt es, trotz des Charakters als einmalige Leistung von einem eher strengeren Maßstab auszugehen. Unter Berücksichtigung sämtlicher dieser genannten unterschiedlichen Gesichtspunkte hält es die Kammer für sachgerecht, insgesamt hinsichtlich der Verwertbarkeit von Kapitallebensversicherungen für den Einsatz von Bestattungskosten von einem Maßstab auszugehen, der in etwa dem des SGB II entspricht. Danach verbietet sich zwar die Festlegung einer starren Grenze, entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles. Die Verwertung (d.h. der Rückkauf) von Lebensversicherungen aber bedeutet jedenfalls in der Regel dann keine unzumutbare Härte, wenn der Rückkaufswert bis zu 15% hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurückbleibt (für eine Verwertungsobliegenheit unterhalb der Grenze von sogar 18,5% Sächs. LSG, Urteil vom 16.04.2009 – L 3 SO 9/08 = juris, Rdnr. 59; offen demgegenüber BSG, Urteil vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 66/06 R = juris Rdnr. 23 und BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 68/06 R = juris, Rdnr. 34; für eine Verwertungsobliegenheit bei 14,8% etwa Sächs. LSG, Beschluss vom 12.08.2009 – L 8 B 4/07 SO, in diese Richtung wohl auch Hess. LSG, Urteil vom 21.05.2010 – L 7 SO 78/06 = juris, Rdnr. 30). Bei den Lebensversicherungen der Klägerin hat die Kammer für den Vergleich von Rückkaufswert und Beitragssumme Werte von 14,7% bzw. 12% (Stand: 01.10.2009) ermittelt. Auf die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000 wurden über insgesamt 132 Monate (11 Jahre x 12 Monate) Beiträge in Höhe von monatlich umgerechnet 25,56 Euro gezahlt, dies entspricht einer reinen Beitragssumme in Höhe von 3.373,92 Euro. Der Rückkaufswert betrug nach den Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren zum oben genannten Datum 2.877,73 Euro. Damit bliebe der Rückkaufswert rund 14,7% hinter der reinen Beitragssumme zurück. Für die Lebensversicherung mit der Policen-Nr. M 000000 000 000 ergeben sich demgegenüber 132 Monate Beitragszahlung und ein Rückkaufswert von 2.968,64 Euro. Damit bliebe der Rückkaufswert rund 12% hinter der reinen Beitragssumme zurück. Damit bedeutet die Verwertung beider Lebensversicherungen für den Einsatz der verauslagten Bestattungskosten für die Klägerin keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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