L 2 AS 281/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 582/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 281/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller verfolgt mit der Beschwerde das Begehren weiter, den Antragsgegner zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab August 2011 im einstweiligen Rechtsschutz zu verpflichten.

Der am 1974 geborene Antragsteller übt eine Beschäftigung aus, aus der er monatliche Verdienste in Höhen von 401,00 EUR brutto erzielt. Er bewohnt eine Einraumwohnung, deren Vermieterin seine Mutter ist. Die vereinbarte Miete beträgt nach dem vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrag monatlich 217,50 EUR zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung von monatlich 62,50 EUR. Nach seinen Angaben stellte der Antragsteller bereits im Juli 2011 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Bewilligung laufender Leistungen des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit ab dem 1. August 2011, wobei ihm mitgeteilt worden sei, er müsse noch für die Berechnung seines Leistungsanspruchs notwendige Unterlagen nachreichen. Nach den Angaben des Antragsgegners erfolgten die Antragstellung und der Hinweis auf die Notwendigkeit, Unterlagen nachzureichen, erst am 30. August 2011. Mit einem Bescheid vom 27. Oktober 2011 versagte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen für die Zeit ab dem 1. August 2011 ganz wegen unzureichender Mitwirkung. Hiergegen erhob der Antragsteller am 25. November 2011 Widerspruch. Er verwies darauf, dass dem Antragsgegner alle für eine Leistungsbewilligung relevanten Tatsachen bekannt seien.

Am 10. Februar 2012 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Halle (SG) um einstweiligen Rechtsschutz mit dem Begehren nachgesucht, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm "Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab Februar 2012 sowie Kosten der Unterkunft ab August 2011 in gesetzlicher Höhe zu gewähren". Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe die zur Berechnung der Leistungen noch erforderlichen Unterlagen im Beisein seiner Mutter am 13. September 2011 beim Antragsteller abgegeben, so dass die Leistungsversagung wegen unzureichender Mitwirkung rechtswidrig sei. Hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung ab August 2011 bestehe ein Nachholbedarf, weil das Mietverhältnis durch die aufgelaufenen Mietschulden belastet sei.

Für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2012 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 464,55 EUR monatlich mit Bescheid vom 15. Februar 2012, wobei monatlich 280,00 EUR auf die Kosten für Unterkunft und Heizung entfielen. Hierzu führte der Antragsgegner gegenüber dem SG aus, diese Leistungsbewilligung sei auf einen neuen, am 24. Januar 2012 gestellten Antrag hin erfolgt.

Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 20. April 2012 abgelehnt und in den Gründen ausgeführt: Für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 habe sich das Begehren des Antragstellers durch die Bewilligung von Leistungen mit Bescheid vom 15. Februar 2012 erledigt. Für den Zeitraum ab August 2011 sei kein Bedürfnis für eine Regelung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Vergangenheit erkennbar.

Gegen den am 25. April 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 22. Mai 2012 Beschwerde erhoben und zur Begründung ausgeführt: Auch nach der Leistungsbewilligung für die Zeit ab Januar 2012 bestehe aufgrund der aufgelaufenen Mietschulden eine Situation, auf Grund derer ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten sei. Die Vermieterin habe die Zahlung ausdrücklich angemahnt. Es komme nicht darauf an, glaubhaft zu machen, dass seine Mutter auch eine Räumungsklage betreiben werde. Es bestehe insofern nach wie vor ein Eilbedürfnis wegen der erheblichen Mietschulden. Der Antragsteller hat zudem beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Der Berichterstatter hat den Prozessbevollmächtigen des Antragstellers mit Schreiben vom 19. Juni 2012 aufgefordert, mitzuteilen, für welchen Zeitraum noch Leistungen in welcher Höhe beantragt werden und glaubhaft zu machen, dass und welche besonderen Gründe für eine Verpflichtung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Zeiten vor der Antragstellung vorliegen. Hierauf ist keine Antwort erfolgt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 20. April 2012 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit ab August 2011 Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für rechtsfehlerfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein, weil das Begehren des Antragsstellers auf einen Leistungsbetrag gerichtet ist, der über dem für die Zulässigkeit einer Berufung erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR liegt. Das Begehren des Antragstellers ist nach dem im Beschwerdeverfahren schriftlich gestellten Antrag und der dazu gegebenen Begründung so auszulegen, dass er nur noch die vorläufige Verpflichtung zur Zahlung der Leistungen für die Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis Ende Januar 2012 begehrt, denn für die Zeit ab Februar 2012 sind ihm Leistungen insoweit in bedarfsdeckender Höhe von 280,00 EUR monatlich bewilligt worden. Daraus ergibt sich ein Beschwerdewert von 1.680 EUR (290 EUR monatlich für sechs Monate).

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Begehren des Antragstellers, den Antragsgegner zur Erbringung der Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis 31. Januar 2012 zu verpflichten, ist als Antrag auf Erlass einer Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Die Regelungsanordnung kann erlassen werden, wenn ein Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und dass er ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund).

Das SG hat zu Recht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verneint. Hierbei ist zu beachten, dass sich das Begehren des Antragstellers auf Leistungen für einen Zeitraum vor Eingang des einstweiligen Rechtsschutzantrags beim SG am 10. Februar 2012 bezieht, nämlich auf Leistungen für die Zeit bis Ende Januar 2012. Bei einem Begehren, das sich auf Geldleistungen für einen in der Vergangenheit, vor der Anrufung des Gerichts liegenden Leistungszeitraum richtet, ist ein Anordnungsgrund in der Regel zu verneinen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. zum SGG, 10. Auflage, § 86b Rdnr. 29a am Ende und 35 a). Hintergrund ist, dass die eine einstweilige Anordnung begründende Notlage in der Regel nicht besteht, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden. Eine Notlage kann sich in der Regel immer nur daraus ergeben, dass aktuell keine Mittel vorhanden sind, um den laufenden Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu sichern. Eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für zurückliegende Zeiträume kann deshalb nur in Betracht kommen, wenn eine Nichtleistung für die Vergangenheit noch andauernde Auswirkungen für die Gegenwart und Zukunft begründet und deshalb ein Nachholbedarf besteht. Ein solcher kann dann gegeben sein, wenn der Betroffene zur Abwendung einer Notlage Geld geliehen hat und sich nun einer fälligen Rückzahlungsverpflichtung ausgesetzt sieht oder wenn er auf Rücklagen zurückgegriffen hat, die ihm jetzt für wichtige Anschaffungen fehlen. Ein Nachholbedarf aufgrund einer besonderen Notlage kann auch bestehen, wenn die Miete wegen fehlender finanzieller Mittel nicht gezahlt wurde und der Vermieter nun eine Räumungsklage anstrengt, so dass mit dem Verlust der Wohnung zu rechnen ist (Hessisches LSG, Beschluss vom 20. Juni 2005, L 7 AS 100/05 ER, veröffentlicht in info also 2005, S. 214). Eine solche besondere Lage hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Er hat lediglich vorgetragen, die Mietschulden belasteten das Mietverhältnis und die Vermieterin, seine Mutter, habe die Zahlung bereits angemahnt. Weiter glaubhaft gemacht hat er diese Mahnung nicht. Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen, dass seine Mutter aufgrund der ausstehenden Miete ihrerseits in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen ist und nur auf Grund der familiären Bindungen auf weitere Schritte gegen ihn verzichtet. Der Vortrag des Antragstellers ist eher so zu verstehen, dass er und auch seine Mutter es begrüßen würden, wenn für die Zahlung der Miete nicht das Hauptsacheverfahren (Widerspruchsverfahren und Klage gegen den Versagungsbescheid vom 27. Oktober 2011) abgewartet werden müsste, dass der Antragsteller aber einen Verlust der Wohnung nicht zu befürchten hat. Die von Antragsteller geschilderte Lage ist so nicht geeignet, die besonderen Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Erbringung der Leistungen für die Vergangenheit annehmen zu können.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und sie nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Senat konnte offen lassen, ob die subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt sind, das heißt, ob der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, sich an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Jedenfalls hatte das Beschwerdeverfahren von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzantrags einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. hierzu ausführlich: BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, S. 413; BSG, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500 § 72 Nr. 19). Dabei sind die Anforderungen an die Erfolgsaussicht im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der wesentlichen Gleichstellung von Unbemittelten mit Vermögenden beim Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht zu überspannen (vgl. BVerfG a.a.O.). Hinreichende Erfolgsaussichten sind danach insbesondere dann anzunehmen, wenn bei der Entscheidung schwierige und bislang nicht ausreichend geklärte Rechtsfragen zu beantworten sind. Sind bei der Entscheidung tatsächliche Umstände ausschlaggebend, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten ihres Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (vgl. BVerfG a.a.O. sowie Beschluss vom 1. Juli 2009 m.w.N., 1 BvR 560/08, zitiert nach juris).

In diesem Sinn lagen für die Beschwerde keine hinreichenden Erfolgsaussichten vor. Das SG hat die Antragsablehnung im Wesentlichen darauf gestützt, dass kein besonderes Bedürfnis für eine Regelung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für die Vergangenheit zu erkennen und deshalb das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu verneinen sei. Der Antragsteller hat dennoch zu dieser Frage mit der Beschwerdebegründung nichts Neues vorgetragen. Es war deshalb von Anfang an davon auszugehen, dass eine Glaubhaftmachung von besonderen, das Bedürfnis für eine rückwirkende Verpflichtung zur Leistungsgewährung rechtfertigenden Gründen nicht gelingen würde.

Die Kostenentscheidung erfolgt entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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