L 11 AS 477/12 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AS 479/11 KO
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 477/12 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unzulässig, wenn Berufungssumme nicht erreicht wird.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21.03.2012 wird verworfen.



Gründe:


I.
Streitig ist die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 04.10.2011.
Mit Bescheid vom 21.12.2010 versagte der Antragsgegner die Erbringung von Leistungen ab 04.10.2010 an die Antragstellerin mangels Vorlage geforderter Unterlagen. Dagegen legte sie Widerspruch ein und geforderte Nachweise vor. Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheiden vom 09.03.2011, 26.03.2011, 06.04.2011 und 19.07.2011 für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.08.2011 sowie mit Bescheiden vom 20.04.2011 für die Zeit vom 01.01.2011 bis 28.02.2011 zum Teil vorläufig Alg
II.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.12.2010 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011 zurück. Die Versagung sei rechtmäßig gewesen. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten. Die nach der Widerspruchseinlegung folgende Leistungsbewilligung sei nicht aufgrund und infolge des Widerspruches, sondern wegen der Vorlage der geforderten Unterlagen erfolgt.
Dagegen hat die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und diese mit Schreiben vom 30.09.2011 auf die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides beschränkt.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 21.03.2012 abgelehnt. Die Klage gegen die Kostenentscheidung stelle ein aliud gegenüber der ursprünglich erhobenen Klage auf Leistungen nach dem SGB II dar, die unzulässig gewesen sei, weil nach der vorläufigen Leistungsbewilligung durch den Antragsgegner keine Beschwer mehr vorgelegen habe. Die Klageänderung aber sei unzulässig, denn sie sei mangels Durchführung eines Vorverfahrens nicht sachdienlich.
Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben. Es habe keine unzulässige Klageänderung, sondern allenfalls eine Berichtigung des Klageantrages vorgelegen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), sie ist jedoch nicht zulässig. Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs 1, 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen, denn in der Hauptsache (Streit über Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011) überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht den Betrag von 750,00 EUR (§ 144 Abs 1 SGG).
Die Beschwerde ist in diesem Zusammenhang nicht deshalb ausgeschlossen, weil das SG allein die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verneint hätte (§ 172 Abs 3 Nr 2 SGG), sondern das SG hat ausdrücklich auf die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage abgestellt.
Dabei stellt § 172 Abs 3 SGG keine abschließende Regelung dar. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des § 172 Abs 1 Halbsatz 2 SGG ("soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist"). Eine Bestimmung in diesem Sinn ist auch in § 73a Abs 1 Satz 1 SGG zu sehen, der u.a. auf § 127 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO verweist, wonach die Beschwerde bei einem PKH-Verfahren ausgeschlossen ist, wenn aufgrund des Streitgegenstandes kein zulassungsfreies Rechtsmittel in der Hauptsache stattfinden kann (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 18.04.2011 - L 11 AS 221/11 B PKH - veröffentl. in juris mwN). Diese Auslegung ist aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Regelung herzuleiten und auch die Neufassung des § 172 SGG durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vom 26.03.2008 (BGBl I S 444) sowie durch das 3. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2011 (BGBl I S 1127) - spricht gegen eine andere Betrachtungsweise. Die Beschwerdefähigkeit einer PKH-Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, in dem ein Rechtsmittel der Zulassung bedarf, würde der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, die Rechtspflege zu entlasten, denn ohne diese Einschränkung käme es in einem Nebenverfahren zu einer intensiveren rechtlichen Prüfung, die im Hauptsacheverfahren gerade ausgeschlossen werden soll (vgl. hierzu Beschluss des Senates aaO). In diesem Zusammenhang stellt gerade die Regelung des § 172 Abs 3 Nr 2 SGG einen Beleg für den gesetzgeberischen Willen dar, die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen PKH-Verfahren weiter einzuschränken als in anderen Verfahrensarten (§ 127 Abs 2 Satz 3 ZPO, § 11a Abs 3 ArbGG, § 166 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), die unmittelbar oder durch Verweis auf die ZPO eine Beschwerdemöglichkeit vorsehen, soweit PKH aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei abgelehnt worden ist.
Unter dem Aspekt der einheitlichen Rechtsordnung ist kein systematisch nachvollziehbarer Ansatz zu erkennen, aus welchen Gründen der Gesetzgeber die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen Verfahren (Beschwerde bei Ablehnung wegen hinreichender Erfolgsaussicht; nicht jedoch wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen) gegenläufig zu den übrigen Verfahrensordnungen (Beschwerde bei Ablehnung wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen; nicht jedoch wegen hinreichender Erfolgsaussichten) hätte ausgestalten sollen, so dass § 172 Abs 3 Nr 2 SGG - bei Vergleich mit anderen Verfahrensordnungen - nicht als abschließende Regelung in Bezug auf die Beschwerdemöglichkeiten im PKH-Verfahren anzusehen ist, sondern als zusätzliche, über § 127 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO hinausgehende Beschränkung des sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahrens (so iE auch: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.03.2012 - L 5 AS 323/11 B -, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.02.2012 - L 14 AS 2248/10 B -, LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30.05.2011 - L 3 AL 65/11 B PKH -, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.07.2008 - L 12 B 18/07 AL -).
Hierbei ist gemäß § 127 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ausdrücklich auf den Streitwert der Hauptsache abzustellen, nicht jedoch auf die Möglichkeit der Berufung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens. Diese Auslegung ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit durch § 172 Abs 3 Nr 1 SGG. Dort ist auch lediglich von einer zulässigen, nicht aber von einer eventuell zuzulassenden Berufung die Rede (vgl. hierzu Beschluss des Senates aaO).
Nach alledem war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Bei der Entscheidung in der Sache wird das SG jedoch zu prüfen haben, ob die Antragstellerin evtl. zunächst gegen den Verwaltungsakt vom 21.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2011 Klage erhoben und diese dann iS einer zulässigen Einschränkung des Klagebegehrens - ohne Durchführung eines weiteren Vorverfahrens - zulässig ist ( §99 Abs 3 SGG ). Dabei wird es berücksichtigen, dass der Versagungsbescheid vom 21.12.2010 sich nicht (vollständig) erledigt hat (z.B. Zeitraum vom 04.10.2010 bis 31.12.2010) und sich eine ausdrückliche Erledigungserklärung der Antragstellerin hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens nach Aktenlage bislang nicht findet. Andernfalls richtet sich die Kostenerstattung nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wobei die gesonderte Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht erforderlich erscheint (vgl Roos in: von Wulffen SGB X, 7.Aufl., § 63 Rdnr. 37).
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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