L 3 AL 405/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 286/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 405/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen ein Schreiben der Beklagten. Ferner macht er die Verbescheidung verschiedener Widersprüche geltend, begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verhal-tens der Beklagten und verlangt die Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Der am 18.01.1975 geborene Kläger, der sich seit dem 13.09.2011 in Untersuchungshaft befindet, stand mit Unterbrechungen im langjährigen Bezug von Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er führte und führt deswegen vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg zahlreiche Rechtsstreitigkeiten gegen die Beklagte.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 30.09.2010 Arbeitslosengeld ab dem 18.09.2010 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 34,01 EUR für 180 Kalendertage. Einen hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2010 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 19.10.2010 Klage zum SG - S 11 AL 4339/10 -, die mit Gerichtsbescheid vom 18.04.2012 abgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung ist beim erkennenden Senat anhängig (- L 3 AL 2019/12 -). Unter dem 26.10.2010, dem 24.11.2010, dem 16.12.2010, dem 17.12.2010 und dem 27.12.2010 erließ die Beklagte Änderungsbescheide, gegen die der Kläger am 28.10.2010, am 26.11.2010, am 18.12.2010, am 23.12.2010 und am 29.12.2010 jeweils Widerspruch erhob. Mit Schreiben vom 18.01.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Änderungsbescheide nach § 96 Abs. 1 Sozial¬gerichtsgesetz (SGG) Gegenstand der beim SG anhängigen Verfahren - S 11 AL 4339/10 - und - S 11 AL 4492/10 - geworden seien, weswegen ein Widerspruchsverfahren nicht durchzuführen sei.

Den hiergegen am 20.01.2011 erhobenen Widerspruch, mit dem der Kläger anführte, seine Widersprüche seien förmlich zu bescheiden, verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2011 als unzulässig. Das angefochtene Schreiben vom 18.01.2011 sei, so die Beklagte, kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), da hierdurch Rechte des Klägers nicht begründet, geändert, entzogen oder festgestellt würden.

Bereits am 20.01.2011 hat der Kläger u.a. gegen den "Bescheid" vom 18.01.2011 Klage zum SG erhoben. Die Beklagte weigere sich, so der Kläger, über seine Widersprüche zu entscheiden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides verwiesen.

Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 16.03.2011, dem Kläger am 01.04.2011 zugestellt) hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2011 abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dass Befangenheitsgesuche, die der Kläger am 26.04.2011 und am 30.08.2011 gestellt habe, es nicht daran hinderten, in der Sache zu entscheiden, da sie offensichtlich rechtsmissbräuchlich seien. Das vom Kläger gestellte Akteneinsichtsgesuch sei gleichfalls als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Inhaltlich sei die Klage, soweit sich der Kläger gegen das Schreiben der Beklagten vom 18.01.2011 wende, unbegründet, da dieses keinen Verwaltungsakt darstelle und die Beklagte den Widerspruch des Klägers daher zu Recht als unzulässig verworfen habe. Kosten des Widerspruchsverfahrens seien nicht zu erstatten. Über die Widersprüche sei nicht im Wege eines Widerspruchsbescheides förmlich zu entscheiden gewesen.

Gegen den am 27.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11.01.2012 Berufung eingelegt. Er verfolge, so der Kläger, seine Anträge vollumfänglich weiter und verweise hierzu auf den Inhalt der Widersprüche, denen das SG nichts entgegen zu setzen habe. Ein Widerspruchsbescheid hätte nicht ergehen dürfen. Im Übrigen habe das SG gegen § 60 SGG verstoßen.

Der Kl. beantragt (zweckdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Dezember 2011 und das Schreiben der Beklagten vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2010 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, die Widersprüche vom 28. Oktober 2010, vom 26. November 2010, vom 18., 23. und 29. Dezember 2010 zu verbescheiden und die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sowie festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Der Senat hat dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon am 07.03.2012 und am 04.07.2012 Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die bei der Beklagten für den streitgegenständlichen Vorgang geführte Verwaltungsakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2012 wurden, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte über die Berufung entscheiden, obschon der sich in Untersuchungshaft befindliche Kläger zu der mündlichen Verhandlung am 01.08.2012 nicht erschienen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 21.09.2011 - L 3 AL 2514/10 -, Urteil vom 19.10.2011 - L 3 AL 3913/11 -; Beschlüsse des Bundessozialgerichts [BSG] vom 12.03.2012 in den vom Kläger dort betriebenen Verfahren - B 11 AL 43/11 BH - und - B 11 AL 44/11 BH -). Es obliegt grds. dem Kläger selbst, gegenüber der Leitung der Justizvollzugsanstalt die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen. Auf einen entsprechenden Antrag, auf den der Kläger durch den Senat hingewiesen wurde, entscheidet die Anstaltsleitung, ob sie dem Gefangenen Ausgang oder Urlaub erteilt oder ihn ausführen lässt. Hiernach kann sich der Senat bei Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung darauf beschränken, einen Gefangenen nach § 110 SGG zum Termin zu laden und es dabei dem Gefangenen überlassen, durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen. Erscheint der Gefangene nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung, so ist er, wenn, wie vorliegend das persönliche Erscheinen nicht angeordnet war, wie jeder andere Prozessbeteiligte zu behandeln, dem das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.1983 - 4 RJ 3/83 - veröffentlicht in juris).

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger, wie von ihm beantragt, eine Kopie der Verfahrens- und Verwaltungsakte zu fertigen und zur Verfügung zu stellen. Der Antrag ist, da der Kläger eine Kopie der gesamten Akte begehrt hat, ohne ihn auf konkrete Aktenteile zu begrenzen, rechtsmissbräuchlich (Beschluss des erkennenden Senats vom 29.06.2011 - L 3 AL 1928/11 B -; Urteile des erkennenden Senats vom 21.09.2011, - L 3 AL 2514/10 -, - L 3 AL 2521/10 -). Der Senat hat dem Kläger hingegen die Möglichkeit eröffnet, Einsicht in die Verfahrens- und Verwaltungsakten zu nehmen, indem er die Akten in die Justizvollzugsanstalt S. übersandt hat. Der Kläger hat hiervon Gebrauch gemacht.

Die statthafte Berufung (§ 143 Abs. 1 SGG) wurde form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG); sie ist zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Soweit der Kläger die Aufhebung des Schreibens der Beklagten vom 18.01.2011 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2011) begehrt, hat das SG zu Recht entschieden, dass der Widerspruchsbescheid vom 11.03.2011, in dessen Gestalt das Schreiben vom 18.01.2011 Gegenstand des Verfahrens wird (vgl. § 95 SGG), rechtmäßig ist. Das Schreiben vom 18.01.2011 ist kein, mit einem Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, da er keine regelnde Wirkung entfaltet, weswegen die Beklagte den Widerspruch des Klägers hiergegen zu Recht als unzulässig verworfen hat. Soweit der Kläger hiergegen einwendet, ein Widerspruchsbescheid hätte nicht ergehen dürfen, wenn die Beklagte den Widerspruch für unzulässig erachtet, so verkennt er, dass die Widerspruchsbehörde, vorliegend die Beklagte (vgl. § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG), über den Widerspruch entscheiden muss, wenn sich das Widerspruchsverfahren nicht erledigt hat (z.B. durch Zurücknahme des Widerspruchs, Vergleich, Erledigung der Hauptsache oder vollständige Abhilfe) (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 85, Rn. 7).

Da der Widerspruch des Klägers gegen das Schreiben vom 18.01.2011 nicht erfolgreich war, ist die Beklagte nicht verpflichtet, Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten (vgl. § 63 Abs. 1 SGB X).

Die Beklagte war nicht verpflichtet, über die Widersprüche des Klägers vom 28.10.2010, vom 26.11.2010, vom 18., 23. und vom 29.12.2010 gegen die Änderungsbescheide vom 26.10.2010 , vom 24.11.2010, vom 16.12.2010, vom 17.12.2010 und vom 27.12.2010 zu entscheiden, da die Änderungsbescheide den Bewilligungsbescheid vom 30.09.2010 abgeändert haben und deswegen nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens - S 11 AL 4339/10 - vor dem SG geworden sind.

Der Antrag, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten festzustellen, war bereits unzulässig, da dem Begehren des Klägers das gemäß § 55 Abs. 1 SGG erforderliche Fest-stellungsinteresse fehlt.

Der angefochtene Gerichtsbescheid unterliegt im Übrigen auch keinen Verfahrensfehlern. Soweit der Kläger hierzu angeführt hat, das SG habe § 60 SGG verletzt, in dem es selbst über seine Befangenheitsgesuche entschieden habe, begründet dies keinen Verfahrensfehler. Das SG war vielmehr berechtigt, selbst über die Befangenheitsgesuche des Klägers vom 26.04.2011 und vom 30.08.2011 zu entscheiden, da die Gesuche keinerlei Bezug zur konkreten Bearbeitung des Verfahrens durch den zuständigen Vorsitzenden des SG oder zum Gegenstand des Verfahren aufgewiesen haben; sie waren offensichtlich rechtsmissbräuchlich (vgl. BSG, Beschluss vom 27.10.2009 - B 1 KR 51/09 B - veröffentlicht in juris). Das SG war deswegen auch nicht gehalten, über die Gesuche im Wege eines gesonderten Beschlusses zu entscheiden, es konnte vielmehr im Rahmen der instanzabschließenden Entscheidung hierüber befinden (vgl. BSG, Beschluss vom 29.03.2007 - B 9a SB 18/06 B - veröffentlicht in juris).

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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