Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 82/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine über den Vertragspreis hinausgehende Versorgung mit Hörgeräten zu übernehmen.
Der am 00.00.1945 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger leidet unter einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Er ist seit vielen Jahren auf die Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Die Kosten hierfür hat nach den Angaben des Klägers die früher zuständige Betriebskrankenkasse immer vollständig getragen.
Am 26.06.2008 stellte der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. C eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe aus, da das Sprachverständnis mit den alten Geräten nicht mehr ausreichte. Der Kläger begab sich zu der Fa. L, um verschiedene Geräte zu testen. Mit Fax vom 17.07.2008 übersandte der Hörgeräteakustiker eine Versorgungsanzeige an die Beklafte. Diese erteilte ihre Zustimmung gegenüber dem Hörgeräteakustiker am 18.07.2008. Darin heißt es: "Vorbehaltlich der Vorlage der für die Indikationsstellung nötigen Informationen (Ton- und Sprachaudiogramm) wird hiermit eine Hörsystemversorgung bewilligt". Handschriftlich wurde der Zusatz hinzugefügt: "in Höhe der Festbeträge abzüglich gesetzliche Zuzahlung". Der Kläger hat bei der Fa. L verschiedene Geräte getestet, darunter befanden sich auch Hörhilfen, die eigenanteilsfrei erhältlich waren. Er entschied sich für die Geräte L Sumo DM, für die er einen Eigenanteil in Höhe von 2.315,20 Euro aufbringen musste. Der laut Rechnung der Fa. L vom 10.07.2008 ausgewiesene Anteil der Beklagten betrug 1.148,80 Euro. Am 01.09.2008 bestätigte der Kläger gegenüber der Fa. L den Empfang der Geräte und unterzeichnete eine Erklärung zu den Mehrkosten, die wie folgt lautet: "Ich bin über das qualitativ hochwertige Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung (ohne Aufzahlung, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung) informiert worden. Mit einer von mir zu leistenden höheren Vergütung für die von mir ausgewählten Hörsysteme (Hilfsmittel L sumo DM) bin ich einverstanden. Ich bin darüber informiert worden, dass die aus der Mehrleistung resultierenden Reparaturmehrkosten damit zu meinen Lasten gehen und erkläre ich bereit, diese zu übernehmen. Die Versicherteninformation habe ich erhalten."
Am 08.09.2008 hat der Kläger den Eigenanteil gegenüber der Fa. L entrichtet.
Mit Schreiben vom 21.09.2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Übernahme des Zuzahlungsbetrages, da er nur mit den von ihm ausgewählten Geräten ein besseres Sprachverstehen erzielen konnte. Dies habe er in wochenlangen Hör- und Verständigungstests ausprobiert.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.09.2008 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten ab und führte zur Begründung aus, der Hörgeräteakustiker biete in der Regel eine eigenanteilsfreie Versorgung an. Soweit eine andersartige Versorgung gewählt werde, müsse der übersteigende Betrag vom Versicherten getragen werden.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, er sei auf die ausgewählten Hörhilfen als Kommunikationsmittel angewiesen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits am 17.12.2002 entschieden, dass sich Versicherte nicht mit Teilkostenerstattungen zufrieden geben müssten. Im Hilfsmittelsektor müsse die Versorgung mit ausreichenden zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Hilfsmitteln als Sachleistung gewährleistet sein.
Die Beklagte schaltete daraufhin den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) ein, der mit Gutachten vom 05.11.2008 ausführte, dass der Kläger mit den Hörgeräten vom Typ Exélia P und Lcentra HP hätte ausreichend versorgt werden können. Hingegen genüge die Hörhilfe vom Typ assista HP für den Ausgleich der Behinderung nicht, da hiermit ein 20% schlechteres Sprachverständnis als mit den Hörhilfen vom Typ L sumo DM erreicht werde. Im Übrigen obliege es dem Hörgeräteakustiker im Rahmen der Festbetragsregelung/Vertragspreisregelung eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung anzubieten, deren Zweckmäßigkeit auch vom Verordner bestätigt werden könne. Ansonsten müsse davon ausgegangen werden, dass der Hörgeräteakustiker seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.
Mit weiterem Schreiben vom 10.11.2008 wies die Beklagte auf den Inhalt des Gutachtens hin und nahm darin auch Bezug auf den Vertrag nach § 127 SGB V, der zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker und dem BKK Landesverband Nordrhein-Westfalen abgeschlossen wurde.
Der Kläger teilte darauf mit, dass die vom MDK angeführten Geräte L centra HP und Phonak Exélia ebenfalls die Zahlung eines Eigenanteils mit sich gebracht hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die medizinischen Voraussetzungen für die Übernahme der Mehrkosten lägen nicht vor. Andererseits komme eine Kostenerstattung auch deshalb nicht in Betracht, da der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Er habe die Mehrkostenübernahmeerklärung bereits am 01.09.2009 unterzeichnet, den Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten jedoch erst am 22.09.2008 gestellt.
Hiergegen richtet sich die am 25.03.2009 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die Erstattung des Eigenanteils von der Beklagten begehrt. Einerseits komme es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid im Hinblick auf die Einhaltung des Beschaffungsweges nicht an, weil die Beklagte die Zuzahlung auch dann abgelehnt hätte, wenn der Kläger seinen Antrag eher gestellt hätte. Es handele sich auch um eine Leistung, die unaufschiebbar war, weil der Kläger dringend auf eine Neuversorgung angewiesen gewesen sei. Im Übrigen sei ihm die Zustimmung der Beklagten vom 18.07.2008 weder von der Fa. L noch von der Beklagten selbst vorgelegt worden, da der Kläger in die Kommunikation zwischen der Beklagten einerseits und dem Leistungserbinger andererseits nicht eingebunden sei. Daher müsse in der Versorgungsanzeige des Akustikers gegenüber der Beklagten auch ein Antrag des Klägers auf vollständige Kostenübernahme zu sehen sein. Dabei dürfe es nicht darauf ankommen, ob der Antrag von dem Versicherten persönlich gestellt wurde, auch nicht, ob auf die wesentlichen Elemente der Versorgung hingewiesen wurde. Schließlich habe der Kläger eine eigenanteilsfreie und seinen Bedürfnissen entsprechende Versorgung begehrt. Eine Aufsplittung des Antrags in einen solchen auf Übernahme des Festbetrages und einen solchen auf Übernahme der darüber hinaus gehenden Kosten komme daher nicht in Betracht.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung für die Hörgeräte in Höhe von 20,00 Euro beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung der Hörgeräte L sumo DM in Höhe von 2.295,20 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen Befund- und Behandlungsbericht von dem HNO-Arzt Dr. C eingeholt, im Anschluss daran eine schriftliche Stellungnahme dazu eingeholt, welche Geräte von der Fa. L zum Vertragspreis angeboten worden sind und mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Ferner hat das Gericht die Mitarbeiterin der Fa. L, die die Versorgung des Klägers durchgeführt hat, als Zeugin vernommen. Auf die Sitzungsniederschriften vom 27.10.2010 und 19.10.2011 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung des Eigenanteils für die von ihm angeschafften Hörgeräte.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsbuch, 5. Buch (SGB V) liegen nicht vor. Die Mehrkosten für die Beschaffung der Hörgeräte sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen konnte.
Das vom Sachleistungsprinzip geprägte System der gesetzlichen Krankenversicherung erlaubt eine Kostenerstattung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V. Die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung sind von der Krankenkasse dann zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der dabei in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Maßnahme zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (std. Rspr., BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R).
Die von dem Kläger begehrte Leistung war zunächst nicht unaufschiebbar gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, in denen ein sofortiges Einschreiten erforderlich ist, werden von dieser Vorschrift allerdings nicht erfasst (BSG, Urteil vom 18.07.2006, B 1 KR 24/05 R). Vielmehr ist daran anzuknüpfen, ob die Möglichkeit besteht, die Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung zur Prüfung ihrer Sachleistung aufzufordern. Eine in diesem Sinne auszulegende Dringlichkeit der Behandlung hat bei dem Kläger nicht bestanden. Dies zeigt zunächst der Umstand, dass er für die Dauer von mehreren Wochen verschiedene Geräte bei der Fa. L getestet hat, bis er sich für die Geräte L sumo DM entschieden hat. Aus medizinischen Gründen bestand kein Hindernis, die Krankenkasse durch den Kläger frühzeitig in die Versorgung einzubinden, damit diese prüfen kann, wie weit ihre Leistungspflicht geht.
Der Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V scheitert an der fehlenden Kausalität zwischen der Selbstbeschaffung der Leistung und der negativen Entscheidung der Krankenkasse. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nämlich aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten. Die Kostenbelastung des Versicherten muss damit wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es dann, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R). Der Kläger hat sich die Leistung – dies hat die Beweisaufnahme eindeutig ergeben – am 01.09.2008 selbst verschafft. Auch wenn der HNO-Arzt in seinem ergänzenden Befundbericht, eingegangen am 02.12.2010 bei Gericht, die ohrenärztliche Abnahme der Hörgeräte am 15.07.2008 bestätigte, so war mit diesem Zeitpunkt, selbst wenn sich der Kläger bereits für diese Geräte entschieden haben sollte, die Leistung noch nicht selbst verschafft im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Einer Hilfsmittelleistung ist nämlich notwendig das Auswahlverfahren vorgeschaltet. Gerade bei Hörgeräten geht der Konkretisierung des notwendigen Hilfsmittels eine Erprobungsphase voraus, in der verschiedene Geräte nicht nur in der Kabine des Hörgeräteakustikers, sondern auch im häuslichen Umfeld getestet werden. Diese Probe kann sich nicht als Beschaffung des Hilfsmittels darstellen. Wenn der Versicherte jedoch eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann, hat sich der Versicherte das Hilfsmittel beschafft. Auf diesen Zeitpunkt kommt es im Rahmen der Kausalitätsprüfung an. Hat die Krankenkasse über das Leistungsbegehren des Klägers zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung bereits negativ entschieden, ist die Entscheidung – außer in den Fällen der Vorfestlegung – ursächlich für die Kostenbelastung des Versicherten anzusehen. Lag zum Zeitpunkt der so ermittelten Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung der Krankenkasse vor, fehlt es an er erforderlichen Kausalität.
Am 01.09.2008 hat der Kläger mit seiner Unterschrift den Empfang des Gerätes bestätigt und ist damit gegenüber der Fa. L eine unbedingte Zahlungsverpflichtung unabhängig von der Frage eingegangen, ob die Beklagte für Mehrkosten oberhalb des Vertragspreises aufkommt oder nicht. Spätestens am 08.09.2008 – mit Zahlung des Eigenanteils gegenüber der Fa. L – sind die Hörgeräte in das Eigentum des Klägers übergegangen. Die Zeugin B hat hierzu für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar im Juli 2008 dem Kläger die Geräte bereits ausgehändigt worden sind, es aber als Service der Firma angesehen wird, bis zur endgültigen Entscheidung, ob eine Versorgung mit diesem Geräte erfolgen soll oder nicht, die Geräte im Besitz des Versicherten verbleiben können. Eine endgültige Eigentumsübertragung sollte also vor dem 01.09.2008 noch nicht erfolgen. Erst im Rahmen des erneut bei der Fa. L stattfindenden Abschlussgespräches im Hinblick auf die durchgeführte Versorgung wurden die rechtlichen Einzelheiten insbesondere durch die Unterschriftsleistung des Klägers geklärt.
Die insoweit am 08.09.2008 erfüllte Kostenbelastung des Klägers beruht daher nicht wesentlich auf einer Leistungsversagung der Beklagten.
Der Kläger hat sich nämlich im Vorfeld nicht an die Beklagte gewandt, um zu klären, ob eine Versorgung mit Hörgeräten oberhalb der Vertragspreise in Betracht kommt.
Ein solcher Antrag kann insbesondere nicht in der Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers gegenüber der Beklagten gesehen werden. Die Versorgungsanzeige ist Bestandteil des Versorgungsablaufs, wie er in § 5 des Vertrages zwischen dem BKK Landesverband und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker nach § 127 Abs. 2 SGB V abgeschlossen wurde. Diese vertraglichen Bestimmungen regeln das Verfahren der Hörgeräteversorgung und den Vergütungsanspruch der Leistungserbringer auf der Grundlage der Festbeträge. Für Hörgeräte haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen als Vorgänger des Spitzenverbandes Bund Festbeträge festgesetzt (Beschluss der GKV Spitzenverbände über die Festsetzung von Festbeträgen von Hörhilfen vom 23.10.2006, zum 01.01.2007 in Kraft getreten). Unter Berücksichtigung dieser Festbeträge wurden auch zwischen den nordrheinwestfälischen Betriebskrankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker im Juli 2007 ein Versorgungsvertrag nach § 127 Abs. 1 SGB V geschlossen. Dieser Vertrag regelt lediglich das Verhältnis zwischen den Vertragsbeteiligten, also den Hörgeräteakustikern und den Betriebskrankenkassen, während das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die gesetzlichen Bestimmungen des SGB V geprägt ist und der Anspruch auf Versorgung mit Hörgeräten sich dementsprechend unmittelbar aus §§ 27, 33 SGB V ergibt.
Der Kläger verkennt bei seiner Argumentation, dass die Hörgeräteversorgung nach dem Willen des Gesetzgebers als Sachleistung erfolgt. Allein die Vorlage einer ohrenärztlichen Verordnung über eine Hörhilfe oder der Ablauf der üblichen Versorgungszeit von 6 Jahren berechtigen zur Inanspruchnahme der Sachleistung. Ein Antragserfordernis, wie dies z.B. bei der Durchführung von stationären Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V gegeben ist, existiert nicht. Solange sich ein Versicherter ein Hörgerät, das zur Vertragspauschale erhältlich ist, anpassen lässt, ist die Versorgung ohne Kontakt des Versicherten mit der Krankenkasse möglich und vom Gesetzgeber auch gewollt. Entsprechendes gilt für die Arzneimittelversorgung und die Inanspruchnahme ambulanter Behandlung, bei der der Leistungsanspruch des Versicherten unabhängig vom Vergütungsanspruch des Leistungserbringers besteht. Naturgemäß hat die Krankenkasse in all diesen Fällen nur dann über einen Leistungsantrag des Versicherten zu entscheiden, wenn Zweifel darüber bestehen, ob die von dem Versicherten gewünschte Leistung zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. In diesen Fällen ist der Versicherte zur Einhaltung des Beschaffungsweges verpflichtet. Er muss sich im Vorfeld an seine Krankenkasse wenden, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Sachleistungsverantwortung wahrzunehmen und ggf. mit Hilfe des MDK oder anderweitigen technischen Sachverstandes den Leistungsanspruch des Versicherten vollumfänglich zu prüfen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers nicht als Leistungsantrag des Klägers angesehen werden.
Ein Antrag im Sinne des § 16 Sozialgesetzbuch, 1. Buch (SGB I) ist eine öffentlich rechtliche Willenserklärung, die verfahrensrechtliche sowie unter Umständen auch materiell-rechtliche Wirkungen hat. Darunter fallen daher alle Begehren und Leistungen, die von Amts wegen zu erbringen sind (Kasseler Kommentar, SGB I, Seewald § 16 Randnr. 3). Bereits vom Wortlaut her fällt es der Kammer schwer, die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers als Antrag des Versicherten auf Gewährung von Leistungen auszulegen. Eine Anzeige beinhaltet nämlich vom Wortsinn her lediglich die Mitteilung eines Sachverhalts, während ein Antrag weit darüber hinaus geht. So hat das BSG bereits zum Arbeitsförderungsrecht entschieden, dass die Arbeitslosmeldung nicht gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Leistungen beinhalten muss (BSGE 60, 43, 47). Auch die Einbindung der Versorgungsanzeige in den Versorgungsablauf, wie er nach den vertraglichen Bestimmungen vereinbart wurde, spricht gegen die Auslegung als Antrag des Versicherten. § 5 Abs. 2 des Versorgungsvertrages sieht nämlich vor, dass vor Beginn jeder Versorgung die Versorgungsanzeige unter Beifügung der für die Indikationsstellung nötigen Informationen zur Prüfung und Zustimmung der zuständigen Betriebskrankenkasse vorgelegt werden. Die Zustimmung hierzu soll in der Regel innerhalb von 10 Arbeitstagen erfolgen. Damit steht fest, dass die Versorgungsanzeige lediglich weitergeleitete Informationen des Hörgeräteakustikers dahingehend beinhaltet, dass der Versicherte erschienen ist, ggf. eine ohrenärztliche Verordnung von Hörhilfen vorgelegt hat oder aber eine Neuversorgung aus anderen Gründen in Betracht kommt. Welche Leistung konkret begehrt wird und von der Krankenkasse zu erbringen ist, steht weder für den Leistungserbringer noch für den Versicherten zum Zeitpunkt der Versendung der Versorgungsanzeige fest. Auch wenn die Versicherungsträger verpflichtet sind, etwaige Begehren von Versicherten so auszulegen, dass sie ihrem Anliegen möglichst weitgehend Rechnung tragen, (vgl. Kasseler Kommentar, Seewald § 16 SGB V Randnr. 9) so kann die Behörde das Anliegen des Versicherten nur dann umfassend prüfen, wenn zumindest feststeht, welche Versorgung konkret gewünscht wird und aus welchen tatsächlichen Gesichtspunkten heraus die Versorgung ohne Einschaltung der Krankenkasse nicht möglich ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 04.04.2006. Darin wurde nämlich ausgeführt, dass sich die Auslegung eines Antrags danach zu richten hat, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Sofern das von den Krankenkassen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf einem Gebiet bereitgestellte Leistungsangebot für die Versicherten so unübersichtlich ist, dass sich im Einzelfall nicht vermeiden lässt, einen konkreten Weg aufzuzeigen, der zu den gesetzlichen möglichen Leistungen führt, ist dieses geboten. Das muss insbesondere dann gelten, wenn sich aus dem Verhalten eines Versicherten ergibt, dass er über die gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausreichend informiert ist (BSG, Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 5/05 R, SozR 4-2500, § 13 Nr. 8). Diese nach Auffassung der Kammer zutreffenden Grundsätze können auf die Hörgeräteversorgung jedoch nicht ungeprüft übernommen werden. Wie bereits ausgeführt liegt nämlich der Unterschied zunächst darin, dass nicht der Kläger selbst an die Beklagte herangetreten ist. Diesen Schritt hat vielmehr der Leistungserbringer vorgenommen, und zwar ohne Kenntnis des Klägers selbst. Dieser Weg ist nach den vertraglichen Bestimmungen so vorgesehen. Eine Informationspflicht des Leistungserbringers gegenüber dem Versicherten besteht zwar, bezieht sich aber nicht auf die Versorgungsanzeige, die nach § 5 Abs. 2 des Vertrages vor der Versorgung gegenüber der zuständigen Krankenkasse zu erfolgen hat und die letztlich den Zweck hat, zu ermitteln, ob ein Versicherungsverhältnis gegeben ist und vom Grundsatz her eine Versorgung mit Hörgeräten in Betracht kommt (in Abgrenzung zu den Fällen, in denen statt einer Hörgeräteversorgung eine anderweitige Versorgung wie z.B. eine Cochleaimplantatversorgung erforderlich ist). Im Leistungserbringungsrecht sind im Übrigen derartige Anzeigen nicht unbekannt. Auch die Sicherstellungsverträge im Bereich der Krankenhausbehandlung sehen die verpflichtende Anzeige des Krankenhauses über die Aufnahme eines Patienten innerhalb von drei Arbeitstagen sowie eine zeitnahe Kostenzusage der Krankenkassen vor. Hier gleichzeitig einen Antrag des Versicherten auf Kostenerstattung für etwaige privatärztliche Inanspruchnahme zu sehen, widerspräche dem System der GKV.
Diese Grundsätze müssen nach Auffassung der Kammer auch im Rahmen der Hörgeräteversorgung gelten. Die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers stellt damit lediglich einen sich aus dem Vertragsverhältnis des Akustikers und der Krankenkasse ergebenden Vorgang dar, der keinerlei Willenserklärungen des Versicherten enthält, sondern lediglich die Tatsache der Erforderlichkeit der Hörgeräteversorgung weiterleitet.
Dies gilt nach Auffassung der Kammer insbesondere vor folgendem Hintergrund: Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs der GKV (GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl I, 378), wirken die Festbeträge nach § 127 Abs. 4 SGB V beschränkend auf die Vergütung im Rahmen der seit dem 01.04.2007 für die Hilfsmittelversorgung mit Leistungserbringern nach § 127 Abs. 1 – 3 SGB V abzuschließenden Verträge. Rechtsgrundlage der preisbegrenzenden Wirkung ist § 36 SGB V. Ziel dieser Regelungen war es, einen wirksamen Preiswettbewerb auszulösen, wobei Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft werden sollten. Diese Befugnisse berechtigen die Leistungserbringer und die gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht zu Einschränkungen des GKV-Leistungskatalogs, sondern nur zu Leistungsbegrenzungen im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung (BSG, Urt. v. 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R).
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275) keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Festbetragsregelung erhoben. Es wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber das Sachleistungsprinzip nicht aufgegeben habe und der Gesetzestext keine Stütze für die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Annahme biete, dass Versicherte insbesondere in der Anfangsphase der Regelung notwendige Leistungen nur mit Zuzahlung erhalten könnten. Sofern der Gesetzgeber den Versicherten an notwendigen Leistungen mit Eigenanteilen beteiligen will, muss er dies selbst regeln, mit der Folge, dass ein Festbetrag für ein Hilfsmittel dann keine Leitungsbegrenzung bewirkt, soweit für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung das für den Festbetrag erhältliche Hilfsmittel nicht ausreicht (BSG aaO).
Das Festbetragssystem sowie die mögliche Zahlung eines Eigenanteils war dem Kläger bei der Versorgung durch die Fa. L auch bekannt. An dieser Stelle kann zunächst dahingestellt bleiben, ob er sich ausdrücklich von Anfang an mit einer Versorgung oberhalb der Vertragspreise einverstanden erklärt hat und auf Grund dieses Umstandes lediglich ein Gerät getestet hat, das zum Vertragspreis erhältlich war oder ob die Fa. L angesichts der hochwertigen Vorversorgungen des Klägers den Versuch einer Versorgung mit Geräten zur Vertragspauschale unterlassen hat. Jedenfalls steht fest, dass der Kläger von Beginn an gewusst hat, dass ein Eigenanteil zu zahlen ist. Auch wenn er in der Vergangenheit von seiner früheren Krankenkasse immer eine Kostenerstattung erhalten hat, so hätte es gerade auf Grund der neuen Versicherungssituation nahe gelegen, die Beklagte frühzeitig zu informieren, um ggf. zu klären, ob die Beklagte ebenfalls bereits ist, die Kosten für die höherwertigen Geräte zu übernehmen.
Ein Bescheid der Beklagten gegenüber dem Kläger ist insbesondere auch nicht darin zu sehen, dass gegenüber dem Leistungserbringer die Bewilligung der Zusage erfolgte. Denn die Bewilligung stellt die spiegelbildliche Antwort auf die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers dar, wohingegen der Sachleistungsanspruch des Versicherten mit Überlassung der Hörgeräte (hier am 01.09.2008) erfüllt ist. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beklagte eine konkrete Aussage darüber, ob sie auf der Grundlage von § 33 SGB V zu einer Versorgung oberhalb der Vertragspreise verpflichtet ist, nicht treffen. Um in eine solche Prüfung einzutreten, hätte es eines konkreten Antrags des Versicherten bedurft oder zumindest des Hinweises des Leistungserbringers, dass eine Versorgung auf der Grundlage der vereinbarten Pauschalpreise nicht möglich ist. An dieser Stelle hätte das erforderliche Verwaltungsverfahren eingeleitet werden können und der Kläger hätte ordnungsgemäß beschieden werden können. Um eine solche exakte Klärung der Zuständigkeiten herbeizuführen, muss nach Auffassung der Kammer der Versicherte selbst tätig werden. Denn nur er weiß, ob er bereit ist, einen Eigenanteil zu zahlen, etwa weil er eine hochwertige Versorgung gegenüber einer möglichen Versorgung zur Vertragspauschale vorzieht oder weil nur ihm bekannt ist, ob mit den angebotenen Vertragsgeräten ein vernünftiger Ausgleich des Hörverlustes möglich ist. In dieser Situation ohne Kenntnis konkreter Tatsachen der Krankenkasse aufzuerlegen, allein auf der Grundlage einer Versorgungsanzeige in alle möglichen Richtungen zu ermitteln, geht nach Auffassung der Kammer zu weit. Die Bewilligung der Versorgung auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 des Vertrages stellt damit lediglich eine interne Zusage an den Hörgeräteakustiker dar, die Vertragspauschale zu übernehmen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände handelt es sich auch nicht um eine Aufspaltung des Antrags des Versicherten (LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 25.11.2010, L 31 R 37/10, anhängig: BSG, B 13 R 13/11 R), denn ein konkreter Leistungsantrag des Klägers im Sinne des § 16 SGB I wurde vor der Selbstbeschaffung der Hörgeräte nicht gestellt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine über den Vertragspreis hinausgehende Versorgung mit Hörgeräten zu übernehmen.
Der am 00.00.1945 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger leidet unter einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Er ist seit vielen Jahren auf die Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Die Kosten hierfür hat nach den Angaben des Klägers die früher zuständige Betriebskrankenkasse immer vollständig getragen.
Am 26.06.2008 stellte der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. C eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe aus, da das Sprachverständnis mit den alten Geräten nicht mehr ausreichte. Der Kläger begab sich zu der Fa. L, um verschiedene Geräte zu testen. Mit Fax vom 17.07.2008 übersandte der Hörgeräteakustiker eine Versorgungsanzeige an die Beklafte. Diese erteilte ihre Zustimmung gegenüber dem Hörgeräteakustiker am 18.07.2008. Darin heißt es: "Vorbehaltlich der Vorlage der für die Indikationsstellung nötigen Informationen (Ton- und Sprachaudiogramm) wird hiermit eine Hörsystemversorgung bewilligt". Handschriftlich wurde der Zusatz hinzugefügt: "in Höhe der Festbeträge abzüglich gesetzliche Zuzahlung". Der Kläger hat bei der Fa. L verschiedene Geräte getestet, darunter befanden sich auch Hörhilfen, die eigenanteilsfrei erhältlich waren. Er entschied sich für die Geräte L Sumo DM, für die er einen Eigenanteil in Höhe von 2.315,20 Euro aufbringen musste. Der laut Rechnung der Fa. L vom 10.07.2008 ausgewiesene Anteil der Beklagten betrug 1.148,80 Euro. Am 01.09.2008 bestätigte der Kläger gegenüber der Fa. L den Empfang der Geräte und unterzeichnete eine Erklärung zu den Mehrkosten, die wie folgt lautet: "Ich bin über das qualitativ hochwertige Angebot einer eigenanteilsfreien Versorgung (ohne Aufzahlung, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung) informiert worden. Mit einer von mir zu leistenden höheren Vergütung für die von mir ausgewählten Hörsysteme (Hilfsmittel L sumo DM) bin ich einverstanden. Ich bin darüber informiert worden, dass die aus der Mehrleistung resultierenden Reparaturmehrkosten damit zu meinen Lasten gehen und erkläre ich bereit, diese zu übernehmen. Die Versicherteninformation habe ich erhalten."
Am 08.09.2008 hat der Kläger den Eigenanteil gegenüber der Fa. L entrichtet.
Mit Schreiben vom 21.09.2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Übernahme des Zuzahlungsbetrages, da er nur mit den von ihm ausgewählten Geräten ein besseres Sprachverstehen erzielen konnte. Dies habe er in wochenlangen Hör- und Verständigungstests ausprobiert.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.09.2008 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten ab und führte zur Begründung aus, der Hörgeräteakustiker biete in der Regel eine eigenanteilsfreie Versorgung an. Soweit eine andersartige Versorgung gewählt werde, müsse der übersteigende Betrag vom Versicherten getragen werden.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, er sei auf die ausgewählten Hörhilfen als Kommunikationsmittel angewiesen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits am 17.12.2002 entschieden, dass sich Versicherte nicht mit Teilkostenerstattungen zufrieden geben müssten. Im Hilfsmittelsektor müsse die Versorgung mit ausreichenden zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Hilfsmitteln als Sachleistung gewährleistet sein.
Die Beklagte schaltete daraufhin den medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) ein, der mit Gutachten vom 05.11.2008 ausführte, dass der Kläger mit den Hörgeräten vom Typ Exélia P und Lcentra HP hätte ausreichend versorgt werden können. Hingegen genüge die Hörhilfe vom Typ assista HP für den Ausgleich der Behinderung nicht, da hiermit ein 20% schlechteres Sprachverständnis als mit den Hörhilfen vom Typ L sumo DM erreicht werde. Im Übrigen obliege es dem Hörgeräteakustiker im Rahmen der Festbetragsregelung/Vertragspreisregelung eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung anzubieten, deren Zweckmäßigkeit auch vom Verordner bestätigt werden könne. Ansonsten müsse davon ausgegangen werden, dass der Hörgeräteakustiker seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.
Mit weiterem Schreiben vom 10.11.2008 wies die Beklagte auf den Inhalt des Gutachtens hin und nahm darin auch Bezug auf den Vertrag nach § 127 SGB V, der zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker und dem BKK Landesverband Nordrhein-Westfalen abgeschlossen wurde.
Der Kläger teilte darauf mit, dass die vom MDK angeführten Geräte L centra HP und Phonak Exélia ebenfalls die Zahlung eines Eigenanteils mit sich gebracht hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die medizinischen Voraussetzungen für die Übernahme der Mehrkosten lägen nicht vor. Andererseits komme eine Kostenerstattung auch deshalb nicht in Betracht, da der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe. Er habe die Mehrkostenübernahmeerklärung bereits am 01.09.2009 unterzeichnet, den Kostenübernahmeantrag bei der Beklagten jedoch erst am 22.09.2008 gestellt.
Hiergegen richtet sich die am 25.03.2009 erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die Erstattung des Eigenanteils von der Beklagten begehrt. Einerseits komme es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid im Hinblick auf die Einhaltung des Beschaffungsweges nicht an, weil die Beklagte die Zuzahlung auch dann abgelehnt hätte, wenn der Kläger seinen Antrag eher gestellt hätte. Es handele sich auch um eine Leistung, die unaufschiebbar war, weil der Kläger dringend auf eine Neuversorgung angewiesen gewesen sei. Im Übrigen sei ihm die Zustimmung der Beklagten vom 18.07.2008 weder von der Fa. L noch von der Beklagten selbst vorgelegt worden, da der Kläger in die Kommunikation zwischen der Beklagten einerseits und dem Leistungserbinger andererseits nicht eingebunden sei. Daher müsse in der Versorgungsanzeige des Akustikers gegenüber der Beklagten auch ein Antrag des Klägers auf vollständige Kostenübernahme zu sehen sein. Dabei dürfe es nicht darauf ankommen, ob der Antrag von dem Versicherten persönlich gestellt wurde, auch nicht, ob auf die wesentlichen Elemente der Versorgung hingewiesen wurde. Schließlich habe der Kläger eine eigenanteilsfreie und seinen Bedürfnissen entsprechende Versorgung begehrt. Eine Aufsplittung des Antrags in einen solchen auf Übernahme des Festbetrages und einen solchen auf Übernahme der darüber hinaus gehenden Kosten komme daher nicht in Betracht.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung für die Hörgeräte in Höhe von 20,00 Euro beantragt der Kläger,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung der Hörgeräte L sumo DM in Höhe von 2.295,20 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid entspreche der Sach- und Rechtslage. Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 27.02.2009.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen Befund- und Behandlungsbericht von dem HNO-Arzt Dr. C eingeholt, im Anschluss daran eine schriftliche Stellungnahme dazu eingeholt, welche Geräte von der Fa. L zum Vertragspreis angeboten worden sind und mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Ferner hat das Gericht die Mitarbeiterin der Fa. L, die die Versorgung des Klägers durchgeführt hat, als Zeugin vernommen. Auf die Sitzungsniederschriften vom 27.10.2010 und 19.10.2011 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 22.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2009 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Bescheid ist nicht rechtswidrig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung des Eigenanteils für die von ihm angeschafften Hörgeräte.
Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsbuch, 5. Buch (SGB V) liegen nicht vor. Die Mehrkosten für die Beschaffung der Hörgeräte sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen konnte.
Das vom Sachleistungsprinzip geprägte System der gesetzlichen Krankenversicherung erlaubt eine Kostenerstattung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V. Die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung sind von der Krankenkasse dann zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der dabei in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Maßnahme zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (std. Rspr., BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R).
Die von dem Kläger begehrte Leistung war zunächst nicht unaufschiebbar gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, in denen ein sofortiges Einschreiten erforderlich ist, werden von dieser Vorschrift allerdings nicht erfasst (BSG, Urteil vom 18.07.2006, B 1 KR 24/05 R). Vielmehr ist daran anzuknüpfen, ob die Möglichkeit besteht, die Krankenkasse vor der Selbstbeschaffung zur Prüfung ihrer Sachleistung aufzufordern. Eine in diesem Sinne auszulegende Dringlichkeit der Behandlung hat bei dem Kläger nicht bestanden. Dies zeigt zunächst der Umstand, dass er für die Dauer von mehreren Wochen verschiedene Geräte bei der Fa. L getestet hat, bis er sich für die Geräte L sumo DM entschieden hat. Aus medizinischen Gründen bestand kein Hindernis, die Krankenkasse durch den Kläger frühzeitig in die Versorgung einzubinden, damit diese prüfen kann, wie weit ihre Leistungspflicht geht.
Der Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V scheitert an der fehlenden Kausalität zwischen der Selbstbeschaffung der Leistung und der negativen Entscheidung der Krankenkasse. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nämlich aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und ihre Entscheidung abzuwarten. Die Kostenbelastung des Versicherten muss damit wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es dann, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (BSG Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R). Der Kläger hat sich die Leistung – dies hat die Beweisaufnahme eindeutig ergeben – am 01.09.2008 selbst verschafft. Auch wenn der HNO-Arzt in seinem ergänzenden Befundbericht, eingegangen am 02.12.2010 bei Gericht, die ohrenärztliche Abnahme der Hörgeräte am 15.07.2008 bestätigte, so war mit diesem Zeitpunkt, selbst wenn sich der Kläger bereits für diese Geräte entschieden haben sollte, die Leistung noch nicht selbst verschafft im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Einer Hilfsmittelleistung ist nämlich notwendig das Auswahlverfahren vorgeschaltet. Gerade bei Hörgeräten geht der Konkretisierung des notwendigen Hilfsmittels eine Erprobungsphase voraus, in der verschiedene Geräte nicht nur in der Kabine des Hörgeräteakustikers, sondern auch im häuslichen Umfeld getestet werden. Diese Probe kann sich nicht als Beschaffung des Hilfsmittels darstellen. Wenn der Versicherte jedoch eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die Krankenkasse die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann, hat sich der Versicherte das Hilfsmittel beschafft. Auf diesen Zeitpunkt kommt es im Rahmen der Kausalitätsprüfung an. Hat die Krankenkasse über das Leistungsbegehren des Klägers zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung bereits negativ entschieden, ist die Entscheidung – außer in den Fällen der Vorfestlegung – ursächlich für die Kostenbelastung des Versicherten anzusehen. Lag zum Zeitpunkt der so ermittelten Selbstbeschaffung noch keine Entscheidung der Krankenkasse vor, fehlt es an er erforderlichen Kausalität.
Am 01.09.2008 hat der Kläger mit seiner Unterschrift den Empfang des Gerätes bestätigt und ist damit gegenüber der Fa. L eine unbedingte Zahlungsverpflichtung unabhängig von der Frage eingegangen, ob die Beklagte für Mehrkosten oberhalb des Vertragspreises aufkommt oder nicht. Spätestens am 08.09.2008 – mit Zahlung des Eigenanteils gegenüber der Fa. L – sind die Hörgeräte in das Eigentum des Klägers übergegangen. Die Zeugin B hat hierzu für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar im Juli 2008 dem Kläger die Geräte bereits ausgehändigt worden sind, es aber als Service der Firma angesehen wird, bis zur endgültigen Entscheidung, ob eine Versorgung mit diesem Geräte erfolgen soll oder nicht, die Geräte im Besitz des Versicherten verbleiben können. Eine endgültige Eigentumsübertragung sollte also vor dem 01.09.2008 noch nicht erfolgen. Erst im Rahmen des erneut bei der Fa. L stattfindenden Abschlussgespräches im Hinblick auf die durchgeführte Versorgung wurden die rechtlichen Einzelheiten insbesondere durch die Unterschriftsleistung des Klägers geklärt.
Die insoweit am 08.09.2008 erfüllte Kostenbelastung des Klägers beruht daher nicht wesentlich auf einer Leistungsversagung der Beklagten.
Der Kläger hat sich nämlich im Vorfeld nicht an die Beklagte gewandt, um zu klären, ob eine Versorgung mit Hörgeräten oberhalb der Vertragspreise in Betracht kommt.
Ein solcher Antrag kann insbesondere nicht in der Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers gegenüber der Beklagten gesehen werden. Die Versorgungsanzeige ist Bestandteil des Versorgungsablaufs, wie er in § 5 des Vertrages zwischen dem BKK Landesverband und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker nach § 127 Abs. 2 SGB V abgeschlossen wurde. Diese vertraglichen Bestimmungen regeln das Verfahren der Hörgeräteversorgung und den Vergütungsanspruch der Leistungserbringer auf der Grundlage der Festbeträge. Für Hörgeräte haben die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen als Vorgänger des Spitzenverbandes Bund Festbeträge festgesetzt (Beschluss der GKV Spitzenverbände über die Festsetzung von Festbeträgen von Hörhilfen vom 23.10.2006, zum 01.01.2007 in Kraft getreten). Unter Berücksichtigung dieser Festbeträge wurden auch zwischen den nordrheinwestfälischen Betriebskrankenkassen und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker im Juli 2007 ein Versorgungsvertrag nach § 127 Abs. 1 SGB V geschlossen. Dieser Vertrag regelt lediglich das Verhältnis zwischen den Vertragsbeteiligten, also den Hörgeräteakustikern und den Betriebskrankenkassen, während das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die gesetzlichen Bestimmungen des SGB V geprägt ist und der Anspruch auf Versorgung mit Hörgeräten sich dementsprechend unmittelbar aus §§ 27, 33 SGB V ergibt.
Der Kläger verkennt bei seiner Argumentation, dass die Hörgeräteversorgung nach dem Willen des Gesetzgebers als Sachleistung erfolgt. Allein die Vorlage einer ohrenärztlichen Verordnung über eine Hörhilfe oder der Ablauf der üblichen Versorgungszeit von 6 Jahren berechtigen zur Inanspruchnahme der Sachleistung. Ein Antragserfordernis, wie dies z.B. bei der Durchführung von stationären Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V gegeben ist, existiert nicht. Solange sich ein Versicherter ein Hörgerät, das zur Vertragspauschale erhältlich ist, anpassen lässt, ist die Versorgung ohne Kontakt des Versicherten mit der Krankenkasse möglich und vom Gesetzgeber auch gewollt. Entsprechendes gilt für die Arzneimittelversorgung und die Inanspruchnahme ambulanter Behandlung, bei der der Leistungsanspruch des Versicherten unabhängig vom Vergütungsanspruch des Leistungserbringers besteht. Naturgemäß hat die Krankenkasse in all diesen Fällen nur dann über einen Leistungsantrag des Versicherten zu entscheiden, wenn Zweifel darüber bestehen, ob die von dem Versicherten gewünschte Leistung zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. In diesen Fällen ist der Versicherte zur Einhaltung des Beschaffungsweges verpflichtet. Er muss sich im Vorfeld an seine Krankenkasse wenden, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihre Sachleistungsverantwortung wahrzunehmen und ggf. mit Hilfe des MDK oder anderweitigen technischen Sachverstandes den Leistungsanspruch des Versicherten vollumfänglich zu prüfen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers nicht als Leistungsantrag des Klägers angesehen werden.
Ein Antrag im Sinne des § 16 Sozialgesetzbuch, 1. Buch (SGB I) ist eine öffentlich rechtliche Willenserklärung, die verfahrensrechtliche sowie unter Umständen auch materiell-rechtliche Wirkungen hat. Darunter fallen daher alle Begehren und Leistungen, die von Amts wegen zu erbringen sind (Kasseler Kommentar, SGB I, Seewald § 16 Randnr. 3). Bereits vom Wortlaut her fällt es der Kammer schwer, die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers als Antrag des Versicherten auf Gewährung von Leistungen auszulegen. Eine Anzeige beinhaltet nämlich vom Wortsinn her lediglich die Mitteilung eines Sachverhalts, während ein Antrag weit darüber hinaus geht. So hat das BSG bereits zum Arbeitsförderungsrecht entschieden, dass die Arbeitslosmeldung nicht gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Leistungen beinhalten muss (BSGE 60, 43, 47). Auch die Einbindung der Versorgungsanzeige in den Versorgungsablauf, wie er nach den vertraglichen Bestimmungen vereinbart wurde, spricht gegen die Auslegung als Antrag des Versicherten. § 5 Abs. 2 des Versorgungsvertrages sieht nämlich vor, dass vor Beginn jeder Versorgung die Versorgungsanzeige unter Beifügung der für die Indikationsstellung nötigen Informationen zur Prüfung und Zustimmung der zuständigen Betriebskrankenkasse vorgelegt werden. Die Zustimmung hierzu soll in der Regel innerhalb von 10 Arbeitstagen erfolgen. Damit steht fest, dass die Versorgungsanzeige lediglich weitergeleitete Informationen des Hörgeräteakustikers dahingehend beinhaltet, dass der Versicherte erschienen ist, ggf. eine ohrenärztliche Verordnung von Hörhilfen vorgelegt hat oder aber eine Neuversorgung aus anderen Gründen in Betracht kommt. Welche Leistung konkret begehrt wird und von der Krankenkasse zu erbringen ist, steht weder für den Leistungserbringer noch für den Versicherten zum Zeitpunkt der Versendung der Versorgungsanzeige fest. Auch wenn die Versicherungsträger verpflichtet sind, etwaige Begehren von Versicherten so auszulegen, dass sie ihrem Anliegen möglichst weitgehend Rechnung tragen, (vgl. Kasseler Kommentar, Seewald § 16 SGB V Randnr. 9) so kann die Behörde das Anliegen des Versicherten nur dann umfassend prüfen, wenn zumindest feststeht, welche Versorgung konkret gewünscht wird und aus welchen tatsächlichen Gesichtspunkten heraus die Versorgung ohne Einschaltung der Krankenkasse nicht möglich ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG vom 04.04.2006. Darin wurde nämlich ausgeführt, dass sich die Auslegung eines Antrags danach zu richten hat, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Sofern das von den Krankenkassen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auf einem Gebiet bereitgestellte Leistungsangebot für die Versicherten so unübersichtlich ist, dass sich im Einzelfall nicht vermeiden lässt, einen konkreten Weg aufzuzeigen, der zu den gesetzlichen möglichen Leistungen führt, ist dieses geboten. Das muss insbesondere dann gelten, wenn sich aus dem Verhalten eines Versicherten ergibt, dass er über die gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausreichend informiert ist (BSG, Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 5/05 R, SozR 4-2500, § 13 Nr. 8). Diese nach Auffassung der Kammer zutreffenden Grundsätze können auf die Hörgeräteversorgung jedoch nicht ungeprüft übernommen werden. Wie bereits ausgeführt liegt nämlich der Unterschied zunächst darin, dass nicht der Kläger selbst an die Beklagte herangetreten ist. Diesen Schritt hat vielmehr der Leistungserbringer vorgenommen, und zwar ohne Kenntnis des Klägers selbst. Dieser Weg ist nach den vertraglichen Bestimmungen so vorgesehen. Eine Informationspflicht des Leistungserbringers gegenüber dem Versicherten besteht zwar, bezieht sich aber nicht auf die Versorgungsanzeige, die nach § 5 Abs. 2 des Vertrages vor der Versorgung gegenüber der zuständigen Krankenkasse zu erfolgen hat und die letztlich den Zweck hat, zu ermitteln, ob ein Versicherungsverhältnis gegeben ist und vom Grundsatz her eine Versorgung mit Hörgeräten in Betracht kommt (in Abgrenzung zu den Fällen, in denen statt einer Hörgeräteversorgung eine anderweitige Versorgung wie z.B. eine Cochleaimplantatversorgung erforderlich ist). Im Leistungserbringungsrecht sind im Übrigen derartige Anzeigen nicht unbekannt. Auch die Sicherstellungsverträge im Bereich der Krankenhausbehandlung sehen die verpflichtende Anzeige des Krankenhauses über die Aufnahme eines Patienten innerhalb von drei Arbeitstagen sowie eine zeitnahe Kostenzusage der Krankenkassen vor. Hier gleichzeitig einen Antrag des Versicherten auf Kostenerstattung für etwaige privatärztliche Inanspruchnahme zu sehen, widerspräche dem System der GKV.
Diese Grundsätze müssen nach Auffassung der Kammer auch im Rahmen der Hörgeräteversorgung gelten. Die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers stellt damit lediglich einen sich aus dem Vertragsverhältnis des Akustikers und der Krankenkasse ergebenden Vorgang dar, der keinerlei Willenserklärungen des Versicherten enthält, sondern lediglich die Tatsache der Erforderlichkeit der Hörgeräteversorgung weiterleitet.
Dies gilt nach Auffassung der Kammer insbesondere vor folgendem Hintergrund: Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs der GKV (GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl I, 378), wirken die Festbeträge nach § 127 Abs. 4 SGB V beschränkend auf die Vergütung im Rahmen der seit dem 01.04.2007 für die Hilfsmittelversorgung mit Leistungserbringern nach § 127 Abs. 1 – 3 SGB V abzuschließenden Verträge. Rechtsgrundlage der preisbegrenzenden Wirkung ist § 36 SGB V. Ziel dieser Regelungen war es, einen wirksamen Preiswettbewerb auszulösen, wobei Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft werden sollten. Diese Befugnisse berechtigen die Leistungserbringer und die gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht zu Einschränkungen des GKV-Leistungskatalogs, sondern nur zu Leistungsbegrenzungen im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung (BSG, Urt. v. 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R).
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275) keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Festbetragsregelung erhoben. Es wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber das Sachleistungsprinzip nicht aufgegeben habe und der Gesetzestext keine Stütze für die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Annahme biete, dass Versicherte insbesondere in der Anfangsphase der Regelung notwendige Leistungen nur mit Zuzahlung erhalten könnten. Sofern der Gesetzgeber den Versicherten an notwendigen Leistungen mit Eigenanteilen beteiligen will, muss er dies selbst regeln, mit der Folge, dass ein Festbetrag für ein Hilfsmittel dann keine Leitungsbegrenzung bewirkt, soweit für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung das für den Festbetrag erhältliche Hilfsmittel nicht ausreicht (BSG aaO).
Das Festbetragssystem sowie die mögliche Zahlung eines Eigenanteils war dem Kläger bei der Versorgung durch die Fa. L auch bekannt. An dieser Stelle kann zunächst dahingestellt bleiben, ob er sich ausdrücklich von Anfang an mit einer Versorgung oberhalb der Vertragspreise einverstanden erklärt hat und auf Grund dieses Umstandes lediglich ein Gerät getestet hat, das zum Vertragspreis erhältlich war oder ob die Fa. L angesichts der hochwertigen Vorversorgungen des Klägers den Versuch einer Versorgung mit Geräten zur Vertragspauschale unterlassen hat. Jedenfalls steht fest, dass der Kläger von Beginn an gewusst hat, dass ein Eigenanteil zu zahlen ist. Auch wenn er in der Vergangenheit von seiner früheren Krankenkasse immer eine Kostenerstattung erhalten hat, so hätte es gerade auf Grund der neuen Versicherungssituation nahe gelegen, die Beklagte frühzeitig zu informieren, um ggf. zu klären, ob die Beklagte ebenfalls bereits ist, die Kosten für die höherwertigen Geräte zu übernehmen.
Ein Bescheid der Beklagten gegenüber dem Kläger ist insbesondere auch nicht darin zu sehen, dass gegenüber dem Leistungserbringer die Bewilligung der Zusage erfolgte. Denn die Bewilligung stellt die spiegelbildliche Antwort auf die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers dar, wohingegen der Sachleistungsanspruch des Versicherten mit Überlassung der Hörgeräte (hier am 01.09.2008) erfüllt ist. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beklagte eine konkrete Aussage darüber, ob sie auf der Grundlage von § 33 SGB V zu einer Versorgung oberhalb der Vertragspreise verpflichtet ist, nicht treffen. Um in eine solche Prüfung einzutreten, hätte es eines konkreten Antrags des Versicherten bedurft oder zumindest des Hinweises des Leistungserbringers, dass eine Versorgung auf der Grundlage der vereinbarten Pauschalpreise nicht möglich ist. An dieser Stelle hätte das erforderliche Verwaltungsverfahren eingeleitet werden können und der Kläger hätte ordnungsgemäß beschieden werden können. Um eine solche exakte Klärung der Zuständigkeiten herbeizuführen, muss nach Auffassung der Kammer der Versicherte selbst tätig werden. Denn nur er weiß, ob er bereit ist, einen Eigenanteil zu zahlen, etwa weil er eine hochwertige Versorgung gegenüber einer möglichen Versorgung zur Vertragspauschale vorzieht oder weil nur ihm bekannt ist, ob mit den angebotenen Vertragsgeräten ein vernünftiger Ausgleich des Hörverlustes möglich ist. In dieser Situation ohne Kenntnis konkreter Tatsachen der Krankenkasse aufzuerlegen, allein auf der Grundlage einer Versorgungsanzeige in alle möglichen Richtungen zu ermitteln, geht nach Auffassung der Kammer zu weit. Die Bewilligung der Versorgung auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 des Vertrages stellt damit lediglich eine interne Zusage an den Hörgeräteakustiker dar, die Vertragspauschale zu übernehmen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände handelt es sich auch nicht um eine Aufspaltung des Antrags des Versicherten (LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 25.11.2010, L 31 R 37/10, anhängig: BSG, B 13 R 13/11 R), denn ein konkreter Leistungsantrag des Klägers im Sinne des § 16 SGB I wurde vor der Selbstbeschaffung der Hörgeräte nicht gestellt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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