S 4 KN 470/10 U

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KN 470/10 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 466/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
:
Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Entschädigung aus Anlass eines Arbeitsunfalls vom 22.02.2008.

Der am 03.11.1981 in Bosnien geborene Kläger erlitt als Mitarbeiter der Operta-BBM GmbH auf dem Bergwerk Prosper Haniel unter Tage am 22.02.2008 einen Arbeitsunfall. Nach der Unfallanzeige vom 17.06.2008 sei während der Bandfahrung auf dem Unterband das Band stehengeblieben. Als das Band wieder anlief, sei der Kläger durch das hochschlagende Unterband hochgeworfen worden und wieder auf das Unterband gefallen. Dabei habe er sich verletzt.

Dr. S. diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 25.02.2008 eine Prellung des Gesichts, eine Platzwunde im Gesicht und eine Thoraxprellung. Der Durchgangsarzt Dr. E., Facharzt für Chirurgie stellte am 07.04.2008 als Diagnose: Zustand nach Commotio cerebri, erhebliche Störung des Kopfgelenkbereichs mit Schwindelneigung sowie Zustand nach multiplen Gesichtsplatzwunden. Eine MRT-Untersuchung des Kopfes vom 04.04.2008 ergab eine unauffällige Darstellung des Schädels und des Schädelinhaltes, keine Zeichen eines intrakraniellen Hämatoms.

Dr. M., Arzt für Neurologie und Psychiatrie diagnostizierte unter dem 25.06.2008 bei dem Kläger eine schwere posttraumatische Belastungsstörung sowie ein Schmerz-syndrom nach Kopf- / Gesichtstrauma. Vor allem scheine allerdings jetzt die posttraumatische Belastungsstörung ein großes medizinisches Problem zu sein. Der Kläger befände sich sozusagen noch immer in einem Schock und habe sein Trauma noch nicht richtig verarbeitet. Es habe sofort eine psychiatrische Therapie in Form von supportiven Unterstützungsgesprächen begonnen und eine medikamentöse Behandlung in Form von 100 mg Tabletten Opipramol täglich 3 x 1. Mit einer raschen Besserung sei nicht zu rechnen.

Vom 28.07. bis zum 01.08.2008 befand sich der Kläger in der neurologischen Klinik, Abteilung für Neurologische Traumatologie und Neurorehabilitation im Bergmannsheil Bochum. Die Ärzte diagnostizierten eine posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode mit Panikattacken. Neben traumaassoziierten Symptomen fänden sich deutliche Hinweise darauf, dass auch unfallunabhängige Faktoren (z. B. Migrationshintergrund,
Bürgerkriegserfahrung, Arbeitsplatzsituation) maßgeblich an der Aufrechterhaltung der Symptomatik beteiligt seien und daher mit berücksichtigt werden müssten. In der anschließenden stationären Behandlung vom 05.08. bis zum 04.09.2008 in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Bertha-Krankenhaus in Duisburg diagnostizierten die Ärzte eine posttraumatische Belastungsstörung, ein chronisches Kopfschmerzsyndrom und einen Analgetikaabusus.

Auf Veranlassung der Beklagten führte Dr. P., Neurologe und Psychiater eine psychotherapeutische Behandlung durch. Der Kläger besitze einen hohen Leidensdruck. Die Fortsetzung der Psychotherapie sei erforderlich. Aufgrund der Genese, Komplexität und Ausprägung der klinischen Symptomatik seien mindestens noch 25 Sitzungen im Sinne einer Kurzzeittherapie erforderlich.

Die Beklagte veranlasste zunächst ein fachchirurgisches Gutachten zur Feststellung einer vorläufigen Entschädigung wegen der noch vorhandenen Unfallfolgen durch Prof. Dr. K., Direktor der BG-Unfallklinik Duisburg. In seinem Gutachten vom 20.08.2009 führte Prof. Dr. K. aus, bei den ambulanten klinischen und röntgenologischen Untersuchungen seien an Folgen des Unfallereignisses vom 22.02.2008 die beschriebenen Narben im Gesicht und Nasenbasis und eine Radiuskopffraktur rechts, knöchern konsolidiert festzustellen. Die MdE in rentenberechtigendem Ausmaß auf fachchirurgischem Gebiet sei auf unter 10 % einzuschätzen.

In seinem psychiatrischen Gutachten vom 19.11.2009 führte Prof. Dr. T., Leitender Arzt der BG-Spezialambulanz für psychische Störungen nach Arbeitsunfall aus, auf psychiatrischem Fachgebiet läge als Folge des Unfalls vom 22.02.2008 befristet noch eine leichtgradige Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion vor. Die daraus resultierende unfallbedingte MdE auf psychiatrischem Fachgebiet schätzte er auf unter 10 % ein.

Prof. Dr. K. nahm im Schreiben vom 25.02.2010 Stellung zur Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund des Unfallereignisses vom 22.02.2008 und schätzte die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung des nervenärztlich-psychiatrischen Gutachtens auf unter 10 % ein.

Mit Bescheid vom 11.03.2010 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 22.02.2008 unter Bezugnahme auf die eingeholten Gutachten ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger mit einem beigelegten Attest des behandelnden Arztes Dr. M., Arzt für Neurologie und Psychiatrie vom 06.04.2010. Dr. M. wies darauf hin, dass der Kläger von ihm und auch von dem Kollegen Dr. P. durch Psychotherapie behandelt werde. All diese Formen der psychiatrischen Therapie hätten es bisher nicht geschafft, die Angstzustände und die immer wiederkehrenden Momente an den Unfall in Ordnung zu bringen. Bei dem Kläger gäbe es keine unfallunabhängigen Belastungsfaktoren und persönlichkeitsbedingte Ursachen bestünden ebenfalls nicht, weder in seinem psychosozialen Umfeld noch in seinem Leben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Auftreten einer chronisch verlaufenden abnormen Entwicklung könnten psychoreaktive Folgen eines Unfalls sein, wobei depressive Symptome, anhaltende Schmerzzustände oder Angstzustände im Vordergrund stünden. Der Beginn der Symptome liege innerhalb eines Monats nach dem belastenden Ereignis und halte selten länger als sechs Monate an, abgesehen von depressiven Reaktionen, die nicht länger als zwei Jahre dauerten. Blieben die Symptome bestehen, stelle sich die Frage der Wesentlichkeit des Unfallereignisses für die Symptome (Urteil des LSG NRW vom 20.05.2005, Az.: L 4 U 83/03). Mittlerweile seien seit dem Unfall zweieinhalb Jahre vergangen. Eine Besserung der psychischen Beschwerden sei nicht eingetreten. Nach dem Gutachten vom 19.11.2009 sei das Unfallereignis bei dieser starren Symptomatik nicht als wesentliche Ursache für die Beschwerdesymptomatik einzuordnen. Wesentliche Ursachen der Beschwerden seien persönlichkeitsbedingte und psychosoziale Belastungsfaktoren.

Hiergegen hat der Kläger binnen Monatsfrist Klage erhoben.

Er vertritt unter Bezugnahme auf seine behandelnden Ärzte weiterhin die Auffassung, dass bei ihm eine entschädigungspflichtige Minderung der Erwerbsfähigkeit als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.02.2008 bestehe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2010 zu verurteilen, ihm aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 22.02.2008 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 % zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst von Amts wegen ein Gutachten von Dr. K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie aus Recklinghausen eingeholt. Auf das Gutachten vom 21.03.2011 wird Bezug genommen.

Der Kläger war mit diesem Gutachten nicht einverstanden und auf seinen Antrag nach § 109 SGG hat das Gericht ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. P. aus Wuppertal eingeholt. Auf das Gutachten vom 05.08.2011 wird ebenfalls Bezug genommen. Hierzu hat die Beklagte eine beratungsärztliche nervenärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. T. vom 14.09.2011 zu den Akten gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch den angegriffenen Bescheid vom 11.03.2010 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 15.09.2010 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz) beschwert, denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere von Verletztenrente, weil die Beklagte es zutreffend abgelehnt hat, eine Verletztenrente aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 22.02.2008 zu zahlen.

Nach § 56 Abs. 1 des Siebten Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) – haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang des sich aus den Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Arbeitsunfalls setzt voraus, dass die versicherte Tätigkeit, das Unfallereignis und der geltend gemachte Gesundheitsschaden mit Gewissheit bewiesen ist (BSGE 58, 80, 83). Die haftungsausfüllende Kausalität beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind ursächlich oder mitursächlich nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg für dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Die Abwägung hat durch eine nachträgliche, individualisierende und konkretisierende Kausalitätsbetrachtung zu geschehen (BSGE, a. a. O.).

Dabei muss der Zusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Gesundheitsschaden, dessen Entschädigung begehrt wird, zwar nicht nachgewiesen, aber hinreichend wahrscheinlich gemacht sein; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Dieser Zusammenhang ist unter Zugrundelegung der herrschenden unfallmedizinischen Lehrauffassung, die bei der Zusammenhangsbeurteilung zu beachten ist, erst dann gegeben, wenn mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 303, 309). Die für den Kausalzusammenhang sprechenden Umstände müssen danach die gegenteiligen deutlich überwiegen.

Nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist nicht der Nachweis geführt, dass beim Kläger noch Folgen vorliegen, die einen Rentenanspruch begründen könnten. Insbesondere ist nicht wahrscheinlich gemacht, dass eine posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger vorliegt, bzw. die auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen wesentlich ursächlich auf das Ereignis vom 22.02.2008 zurückzuführen sind.

Die unfallrechtliche Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung gilt auch für die besonders schwierige Zusammenhangsbeurteilung psychoreaktiver Störungen nach körperlichen bzw. seelischen Traumen. Die besonderen Probleme der Zusammenhangsbeurteilung rühren daher, dass seelische Empfindungsstörungen ohne organische Grundlage nach einem Unfallereignis und –erlebnis höchst unterschiedlich ausfallen können und nicht direkt erfahrbar oder objektivierbar sind. Eine Entschädigung setzt zudem voraus, dass es sich bei den Störungen um solche von Krankheitswert handelt, was dann der Fall ist, wenn ernste und echte Versagenszustände vorliegen, die der Betreffende nicht aus eigener Kraft unter Einsatz aller verfügbaren Mittel seines Willens überwinden kann (vgl. z. B. Urteil des LSG NRW vom 07.05.2003, Az.: L 17 U 30/02).

Vorgetäuschte Störungen (Aggravation / Simulation) sowie Wunsch- und Zweckreaktion, die sich z. B. aus der Tatsache des Versichertseins ergeben oder die im wesentlichen aus persönlichen Lebenskonflikten herrühren, können Entschädigungsansprüche nicht begründen. Nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD 10 Kapitel 5) kommen in Betracht: Akute Belastungsreaktion, Anpassungsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen sowie andauernde Persönlichkeitsänderungen aus posttraumatischen Belastungsstörungen (vgl. LSG a. a. O.). Akute abnorme seelische Reaktionen – auch im Sinne einer Anpassungsstörung – sind danach als Unfallfolge anzunehmen, wenn sich die Symptome unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis entwickelt haben, das mit einer so schweren seelischen Störung verbunden war, dass auch bei einer gewöhnlichen seelischen Reaktionsweise eine ausgeprägte psychische Reaktion zu erwarten gewesen wäre.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. So hat der Sachverständige Dr. K. in seinem schlüssigen und überzeugenden Gutachten, welches sich auf die übersandten Akten und einer eingehenden nervenärztlichen Anamneseerhebung und Untersuchung des Klägers am 15.03.2011 beruht, ausgeführt, dass es im Rahmen des Verfahrens zu einer Ausweitung und Dramatisierung der Beschwerden gekommen ist. Im allerersten Durchgangsarztbericht vom 25.02.2008 werde berichtet, dass der Kläger beim Anfahren des Bandes hochgeschleudert worden sei, mit dem Gesicht gegen den Oberbock geschlagen sei und dann mit der Brust auf das Band gestürzt sei. Er sei kurzzeitig benommen gewesen. Im Rahmen der stationären Behandlung in der Abteilung für Neurologische Traumatologie und Neurorehabilitation vom 28.07.2008 bis zum 01.08.2008 berichtete der Kläger, dass er am 22.02.2008 als Bergmann bäuchlings auf dem Förderband zum Abtransport gelegen habe. Zunächst sei das Förderband für einige Sekunden stehen geblieben, und sei danach durch einen Ruck wieder plötzlich angefahren worden. Er sei dabei mit ca. 50 km/h nach oben gegen Eisenstreben geschleudert worden und sei bewusstlos auf das Förderband zurückgefallen. Für einige Minuten habe er eine Gedächtnislücke, könne sich erinnern, dass er auf dem Boden gelegen habe und Kollegen versucht hätten, ihm das Blut mit Waser vom Gesicht abzuspülen. Er habe nur Blut gesehen und eine starke Luftnot verspürt. Er habe befürchtet, er müsse sterben. Auf Befragen durch Dr. K. gab der Kläger an, er sei mit dem Band gefahren, und das Band sei dann stehen geblieben. Als es wieder losgefahren sei, habe das Band ihn nach oben geschlagen. Er habe auf dem Band gelegen und sei dann mit dem Kopf gegen Eisen gehauen. Die nächste Erinnerung setze ein, als er im Krankenwagen wach geworden sei mit Blut beschmiert. An das Herunterfallen habe er nicht mehr 100 %ig eine Erinnerung.

Der Sachverständige Dr. K. führt in seinem Gutachten an, dass die ihm gegenüber angegebene Version, sich nur noch daran zu erinnern, hochgeschleudert worden zu sein, anschließend an nichts mehr, bis er im Krankentransportwagen aufgewacht sei, keinen Unfall darstelle, der geeignet gewesen sei, eine posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen. Entscheidend sei, dass der Kläger sich an das Trauma selbst, welches ja erst beim Hinunterfallen eingetreten sei, gar nicht erinnern könne. Die von Herrn Dr. M. zwei Monate später begonnene Gesprächstherapie mit dem angst- und spannungslösenden Medikament Opipramol mit den Beschwerden ständige Kopf- und Gesichtsschmerzen, häufiges Erbrechen, Schwindelbeschwerden, Nervosität und Unruhe seien letztlich unspezifisch und nicht typisch für eine posttraumatische Belastungsstörung. Lediglich die Albträume, die der Kläger habe, seien Hinweis auf eine mögliche posttraumatische Belastungsstörung. Wenn man den psychischen Befund bei der Entlassung aus der psychiatrischen Klinik am 04.09.2008 und nach Abschluss der Psychotherapie durch Dr. P. im Januar 2010 mit dem jetzigen psychischen Befunden vergleiche, so müsse man konstatieren, dass inzwischen eine ganz gravierende Verschlechterung auf psychiatrischem Fachgebiet eingetreten sei. Es bestehe eine schwerst ausgeprägte depressive Symptomatik mit einer zumindest latenten Suizidalität und einer ausgeprägten generalisierten Angsterkrankung. Zu Recht weist Dr. K. darauf hin, dass wenn trotz optimaler psychiatrischer Behandlung nach dem Unfall zunächst eine Besserung, anschließend eine wesentliche Verschlechterung der psychopathologischen Auffälligkeiten eintrete, es gängige wissenschaftliche Lehrmeinung ist, dass hierfür in der Regel unfallfremde Faktoren verantwortlich zu machen sind. Somit spricht der Verlauf der psychischen Störung, nämlich der Zunahme der psychischen Störung anstelle einer Abnahme im Zeitablauf gegen einen Kausalzusammenhang (vgl. Schönberger / Mehrtens / Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, Seite 228). Zusätzlich verweist der Sachverständige auf unfallunabhängige Faktoren, wie z. B. den Migrationshintergrund des Klägers, die Bürgerkriegserfahrung, die Arbeitsplatzsituation und den nicht unerheblichen Ehekonflikt. Die beim Kläger bestehende schwere depressive Episode und die generalisierte Angsterkrankung seien daher nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit ursächlich oder wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 22.02.2008 zurückzuführen.

Der Auffassung von Dr. P., wie sie im Gutachten vom 05.08.2011 zum Ausdruck kommt, bei dem Kläger läge eine posttraumatische Belastungsstörung als Unfallfolge vor, die eine MdE von 20 % zur Folge habe, konnte die Kammer nicht folgen. Dr. P. begründet seine Auffassung damit, dass die beschriebenen Beschwerden erst nach dem Unfall vom 22.02.2008 aufgetreten seien und damit ein kausaler Zusammenhang mit dem Unfall offensichtlich vorhanden sei. Der Kläger sei bis zu diesem Unfall ein völlig unauffälliger Mensch mit vollem Einsatz und voller Erwerbsfähigkeit gewesen, erst nach dem Unfall sei es zu einer progredienten Verschlechterung der Beschwerden gekommen, die nunmehr Unfallfolge sei. Die Auffassung von Dr. P., es sei offensichtlich allmählich trotz der durchgeführten Behandlung zu einer Progredienz der psychischen Symptomatik einhergehend mit der beschriebenen depressiven Entwicklung und den Anpassungsstörungen gekommen, was in der Natur der posttraumatischen Belastungsstörung liege, entspricht nicht der herrschenden Lehrmeinung (vgl. LSG NRW, Urteil vom 20.05.2005, Az.: L 4 U 83/03). Dr. P.setzt sich bei der Bejahung des Kausalzusammenhangs nicht damit auseinander, ob unfallunabhängige seelische Belastungen, wie sie der Gutachter Dr. K. bereits in seinem Gutachten vom 21.03.2011 angeführt hat, Verlust des Arbeitsplatzes, Migrationshintergrund, Bürgerkriegserfahrung und ein nicht unerheblicher Ehekonflikt rechtlich wesentlich zum weiteren Verlauf der psychischen Erkrankung beigetragen haben. Insoweit sind die Ausführungen von Dr. P.zum Kausalzusammenhang nicht nachvollziehbar, da er entgegen der herrschenden Lehrmeinung es für typisch für eine posttraumatische Belastungsstörung hält, wenn sich eine Progredienz der psychischen Symptomatik entwickele. Zu Recht verweisen Dr. K. und Prof. Dr. T. darauf, dass der Spontanverlauf einer posttraumatischen Belastungsstörung sich gerade durch ein typisches Abklingen der Symptomatik im Verlauf insbesondere unter einer adäquaten Therapie auszeichnet.

Da die psychischen Beschwerden des Klägers die Voraussetzungen für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung nach dem Gutachten von Dr. K. nicht erfüllt und auf chirurgischem Fachgebiet als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.02.2008 ebenfalls keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 % mehr vorliegt, war die Klage mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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