Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KN 184/09 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 467/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass die Anerkennung einer BK 4101 der Anlage zur BKV (Silikose) im Bescheid vom 26.04.1999 rechtswidrig gewesen ist.
Der am 04.04.1937 geborene Kläger war nach seinen Angaben von 1953 bis 1970 unter Tage tätig und mit Beginn seines Studiums als Diplom-Bergbauingenieur berufsbegleitend bis 1972. In der Folgezeit war er von 1972 bis 1974 bei der Firma H. als Bauführer im U-Bahn-Bau beschäftigt und von 1974 bis 1985 erneut im Bergbau unter Tage tätig.
Mit Bescheid vom 26.04.1999 erkannte die Beklagte beim Kläger eine Silikose (BK 4101) dem Grunde nach an, lehnte aber Leistungen ab, da noch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % vorlag. Grundlage hierfür war ein Gutachten vom 23.03.1999 von Dr. S., der auf den Röntgenaufnahmen der Lunge "leichtgradige Quarzstaublungenveränderungen gemäß p/q 1/1 nach ILO 1980" einschätzte.
Die gegen den Bescheid vom 26.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2001 erhobene Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen zum Az.: S 7 KN 158/01 U war erfolglos. Im Berufungsverfahren beim LSG NRW holte der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG (Sozialgerichtsgesetz) ein Gutachten von Prof. Dr. K., ehemals Direktor der Ruhrlandklinik in E. ein. In seinem Gutachten vom 28.03.2003 führte Prof. Dr. K. aus, in den mitgebrachten Röntgenthoraxaufnahmen sehe er keinen Hinweis auf silikotische Veränderungen. Die aktuell vom Kläger vorgelegten Röntgenaufthoraxnahmen vom November 2002 zeigten keine silikotischen Veränderungen. Eine ebenfalls durchgeführte Computertomographie des Thorax zeigte darüber hinaus ebenfalls keine Hinweise auf eine Silikose. Die Berufung wurde daraufhin vom Kläger zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 21.08.2008 beantragte der Kläger wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erneut die Zahlung einer Verletztenrente wegen der anerkannten BK 4101.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten von Prof. Dr. T., Chefarzt der Pneumologie in der Ruhrlandklinik in E. ein. In seinem Gutachten vom 01.04.2009 führte der Sachverständige aus, im Spiral-CT des Thorax vom 03.12.2008 zeigten sich weiterhin in beiden Lungen kein Nachweis von silikotischen Knoten. Es bestünde weiterhin CT-morphologisch kein Anhalt für eine Silikose. Die Gesamtheit der Befunde zeige bildmorphologisch gegenüber der Voruntersuchung von März 2008 einen stabilen Befund. Da sich CT-morphologisch kein Anhalt für silikosetypische Veränderungen zeige, auch kein Anhalt für eine Silikotuberkulose, lasse sich eine MdE nicht feststellen.
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.07.2009 mit, es sei beabsichtigt, in einem noch zu erteilenden Bescheid festzustellen, dass der Bescheid vom 26.04.1999 über die Anerkennung einer BK Nr. 4101 der BKV rechtswidrig sei und nicht Grundlage für Leistungsansprüche werden könne. Wie die aktuellen Befunde ergeben hätten, sei die Bewertung, die dem Anerkennungsbescheid zugrunde lag, nicht haltbar. Bei der dem Anerkennungsbescheid zugrunde liegenden Bewertung handele es sich um eine röntgenologische Fehldeutung. Die Röntgenaufnahmen in konventioneller Technik vom 10.03.2009 und die Computertomographie vom 03.12.2008 hätten ergeben, dass die Anerkennung einer Silikose zu Unrecht erfolgt sei und daher rechtswidrig sei. Die Anerkennung sei bestandskräftig und könne daher nicht zurückgenommen werden. Aus Gründen der Rechtsklarheit sei aber festzustellen, dass dem Kläger ohne erneute Prüfung des Krankheitsbildes Leistungen nicht zuerkannt werden könnten. Dies folge aus § 48 Abs. 3 SGB X.
Mit Bescheid vom 05.08.2009 stellte die Beklagte fest, dass der Bescheid vom 26.04.1999 über die Anerkennung einer Silikose rechtswidrig sei und nicht Grundlage für Leistungsansprüche werden könne. Rechtsgrundlage hierfür sei § 48 Abs. 3 SGB X. Danach dürfe eine neu festzustellende Leistung, die auf einem rechtswidrigen bestandskräftigen Bescheid beruhe, nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft der rechtswidrigen vorausgegangenen Feststellung ergebe. Diese Regelung entspreche dem Grundsatz: Unrecht dürfe nicht weiter wachsen. Beziehe sich das Unrecht auf die bloße Feststellung des Leistungsgrundes ohne Anspruch auf Dauerleistungen, wie vorliegend, dürfe auf der Grundlage einer solcher Feststellung kein Leistungsbescheid mehr ergehen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2009 Widerspruch ein. Die Befunde aus den 90er Jahren hätten eine eindeutige Silikose ergeben. Wenn diese Befunde so nicht mehr feststellbar seien, könne dies daran liegen, dass eine Auswaschung stattgefunden habe. Dabei handele es sich allerdings um keine Veränderung zugunsten des Klägers. Da Bestandskraft bezüglich der Anerkennung bestehe, sei die Berufsgenossenschaft auch daran gebunden. Es sei unzutreffend, wenn die Beklagte davon ausgehe, keinen Leistungsbescheid erteilen zu müssen, eben weil die Silikose angeblich zu Unrecht festgestellt worden wäre. Umbauvorgänge in der Lunge seien nun weiß Gott keine Seltenheit.
Mit Schreiben vom 06.10.2009 wies die Beklagte darauf hin, dass sie in einem gesonderten Verwaltungsverfahren eine Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Berufskrankheitenliste anerkannt hätten und eine Rente von 30 % seit dem 01.01.2005 gewährten. Die Lungenfunktionsausfälle des Klägers würden im vollen Umfang über diese Rente mit entschädigt.
Da der Kläger seinen Widerspruch aufrechterhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2009 als unbegründet zurück. Die 1999 anhand von konventionellen Röntgenaufnahmen getroffene Entscheidung sei unrichtig. Bei einer Silikose sei zunächst eine vermehrte strang-, netz- oder wabenförmige Lungenzeichnung als Folge einer Fibrose zu erkennen. Fortschreitend bildeten sich Knötchen und Schwielen. Eine Rückbildung von Quarzstaublungenveränderungen sei dagegen nicht möglich. Nach dem Gutachten vom 01.04.2009 habe die besonders aussagekräftige Computertomographie vom 03.12.2008 keine sicheren quarzstaubbedingten Lungenveränderungen gezeigt.
Hiergegen hat der Kläger binnen Monatsfrist Klage erhoben. Zur Begründung führte er aus, eine einmal anerkannte Silikose könne sich nicht bessern. Wenn im Jahre 2009 keine Silikose gefunden worden sei, dann hieße dies nicht, dass keine Silikose vorhanden war. Tatsächlich könnten Umbildungsvorgänge im Körper dazu führen, dass eine Silikose ausgewaschen werde gewissermaßen. Dies sei aber keine körperliche Besserung und kein Grund etwa zu behaupten, eine Silikose hätte gar nicht vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2009 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 02.12.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst von Amts wegen ein Gutachten von Dr. W, Lungenfacharzt aus Duisburg eingeholt. Auf das Gutachten vom 25.05.2010 wird Bezug genommen.
Die Beklagte konnte dem Ergebnis des Gutachtens unter Hinweis auf eine Computerto-mographie vom 12.11.2002 (Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28.03.2003) nicht folgen. Darüber hinaus verwies die Beklagte darauf, dass die bestehenden Lungenfunktionsausfälle im vollen Umfang bereits über die BK Nr. 4111 der Anlage zur BKV entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v. H. entschädigt würden. Eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit werde auch nach Einschätzung von Dr. W. nicht angenommen.
Da Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01.09.2010 bei seiner Auffassung zum Vorliegen einer Silikose blieb, zog das Gericht die Original-CTs vom 12.11.2002 und vom 03.12.2008 bei und legte sie Dr. W. ergänzend vor. Auf die Stellungnahme von Dr. W. vom 31.03.2011 wird Bezug genommen.
Das Gericht bat darüber hinaus Prof. Dr. T. von der Ruhrlandklinik in Essen um seine Stellungnahme zur Auffassung von Dr. W ... Prof. Dr. T. blieb in seiner Stellungnahme vom 16.11.2011 bei seiner Auffassung, dass im Gegensatz zur Stellungnahme von Dr. W. die im Jahre 2002 und 2008 gefertigten Computertomographien keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Silikose bieten. Da Prof. Dr. T. vorschlug, anhand des Verlaufs mit der neusten Generation von Computertomographen eine hochauflösende Computertomographie beim Kläger erneut durchzuführen und dies in die Hand eines versierten Radiologen zur Interpretation und Vergleich mit 2008 zu geben, holte das Gericht ein weiteres radiologisches Gutachten von Chefarzt Dr. B., Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin im Krankenhaus Bethanien für die Grafschaft Moers ein. Auf das Gutachten vom 08.09.2011 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angegriffenen Bescheid vom 05.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG (Sozialge-richtsgesetz) beschwert, denn dieser Bescheid erweist sich nach Beweisaufnahme als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 05.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 ist § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X. § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X sieht vor, dass wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach Abs. 1 oder Abs. 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen darf, wie er sich der Höhe nach ohne die Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Geklärt ist mittlerweile, dass diese "Aussparungsregelung" nicht nur eingreift, wenn sich der zur Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides führende Fehler auf die Höhe einer Geldleistung auswirkt, sondern auch dann, wenn er die Grundlage der Leistungsbewilligung – wie hier – betrifft. § 48 Abs. 3 SGB X gilt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch dann, wenn die Grundlage der Leistungsbewilligung rechtswidrig war. Die Aussparungsregelung ist auf jeden rechtswidrigen Ursprungs-Verwaltungsakt anzuwenden, der einen materiell rechtswidrigen Rechtgrund für die nach Abs. 1 oder Abs. 2 an sich gebotene Anpassung an die veränderten rechtlichen und tatsächlichen Umstände gibt und demzufolge dazu führen würde, dass das "bestehende Unrecht weiterwächst" (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007, Az.: B 2 U 38/05 R).
Darüber hinaus ist es auch zulässig, dass die Beklagte eine entsprechende Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzung des § 48 Abs. 3 SGB X auch schon vor einer Änderung der relevanten Verhältnisse zugunsten des Klägers – etwa einer Verschlimmerung der Gesundheitsstörung bis zu einem MdE-berechtigendem Grade - getroffen hat, als ihr die Rechtswidrigkeit bewusst wurde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2009, Az.: L 2 U 1556/07). Die Befugnis hierzu ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und aus der Eigenart des zwischen der Behörde und dem Einzelnen bestehenden Rechtsverhältnisses (vgl. LSG a. a. O. m. w. N.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass bei dem Kläger eine Silikose nicht besteht. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der begünstigende Verwaltungsakt vom 26.04.1999 rechtswidrig war, weil eine Silikose zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht vorgelegen hat. Da die 2-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X längst abgelaufen ist und auch der Kläger nicht böswillig war, konnte der rechtswidrig begünstigende Bescheid nicht mehr nach § 45 SGB X zurückgenommen werden. Damit sind die Voraussetzungen für § 48 Abs. 3 SGB X erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere nach dem schlüssigen und überzeugenden radiologischen Gutachten von Dr. B. vom 08.09.2011, welches sich auf eine Computertomographie vom 08.09.2011 stützt, liegen beim Kläger keine silikosetypischen Veränderungen vor. Dr. B. verweist darauf, dass die bei der Erstbegutachtung anerkannte Diagnose im Rahmen einer konventionellen Röntgenthoraxuntersuchung am ehesten aufgrund von Überlagerungen bei ausgeprägtem Lungenemphysem zustande gekommen ist. Sowohl seine CT-Untersuchung als auch die zur Mitbegutachtung vorliegende CT-Untersuchung aus dem Jahre 2008 zeigten keine silikosetypischen Veränderungen, so dass die in der damaligen Begutachtung anerkannte Streuung 1/1 morphologisch nicht nachzuvollziehen ist.
Hiermit in Übereinstimmung stehen die Auffassungen von Prof. Dr. K. im Gutachten vom 28.03.2003 für das LSG NRW und von Prof. Dr. T. im Gutachten vom 01.04.2009.
Bei dieser Sachlage konnte die Kammer der Auffassung von Dr. W. nicht folgen, dass man sich bei der Befunderhebung auf die damaligen konventionell vorliegenden Röntgenthoraxübersichtsaufnahmen stützen solle, wonach nach Einschätzung auch der damaligen Gutachter bereits 1986 eine Lungensilikose gesichert werden konnte. Dabei führt der Sachverständige Dr. W. selbst an, dass die Untersuchungstechnik von damals nicht dem aktuellen Stand der Technik für die Feststellung einer Silikose entspricht.
Bei dieser Sachlage war die Klage mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass die Anerkennung einer BK 4101 der Anlage zur BKV (Silikose) im Bescheid vom 26.04.1999 rechtswidrig gewesen ist.
Der am 04.04.1937 geborene Kläger war nach seinen Angaben von 1953 bis 1970 unter Tage tätig und mit Beginn seines Studiums als Diplom-Bergbauingenieur berufsbegleitend bis 1972. In der Folgezeit war er von 1972 bis 1974 bei der Firma H. als Bauführer im U-Bahn-Bau beschäftigt und von 1974 bis 1985 erneut im Bergbau unter Tage tätig.
Mit Bescheid vom 26.04.1999 erkannte die Beklagte beim Kläger eine Silikose (BK 4101) dem Grunde nach an, lehnte aber Leistungen ab, da noch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % vorlag. Grundlage hierfür war ein Gutachten vom 23.03.1999 von Dr. S., der auf den Röntgenaufnahmen der Lunge "leichtgradige Quarzstaublungenveränderungen gemäß p/q 1/1 nach ILO 1980" einschätzte.
Die gegen den Bescheid vom 26.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2001 erhobene Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen zum Az.: S 7 KN 158/01 U war erfolglos. Im Berufungsverfahren beim LSG NRW holte der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG (Sozialgerichtsgesetz) ein Gutachten von Prof. Dr. K., ehemals Direktor der Ruhrlandklinik in E. ein. In seinem Gutachten vom 28.03.2003 führte Prof. Dr. K. aus, in den mitgebrachten Röntgenthoraxaufnahmen sehe er keinen Hinweis auf silikotische Veränderungen. Die aktuell vom Kläger vorgelegten Röntgenaufthoraxnahmen vom November 2002 zeigten keine silikotischen Veränderungen. Eine ebenfalls durchgeführte Computertomographie des Thorax zeigte darüber hinaus ebenfalls keine Hinweise auf eine Silikose. Die Berufung wurde daraufhin vom Kläger zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 21.08.2008 beantragte der Kläger wegen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erneut die Zahlung einer Verletztenrente wegen der anerkannten BK 4101.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten von Prof. Dr. T., Chefarzt der Pneumologie in der Ruhrlandklinik in E. ein. In seinem Gutachten vom 01.04.2009 führte der Sachverständige aus, im Spiral-CT des Thorax vom 03.12.2008 zeigten sich weiterhin in beiden Lungen kein Nachweis von silikotischen Knoten. Es bestünde weiterhin CT-morphologisch kein Anhalt für eine Silikose. Die Gesamtheit der Befunde zeige bildmorphologisch gegenüber der Voruntersuchung von März 2008 einen stabilen Befund. Da sich CT-morphologisch kein Anhalt für silikosetypische Veränderungen zeige, auch kein Anhalt für eine Silikotuberkulose, lasse sich eine MdE nicht feststellen.
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.07.2009 mit, es sei beabsichtigt, in einem noch zu erteilenden Bescheid festzustellen, dass der Bescheid vom 26.04.1999 über die Anerkennung einer BK Nr. 4101 der BKV rechtswidrig sei und nicht Grundlage für Leistungsansprüche werden könne. Wie die aktuellen Befunde ergeben hätten, sei die Bewertung, die dem Anerkennungsbescheid zugrunde lag, nicht haltbar. Bei der dem Anerkennungsbescheid zugrunde liegenden Bewertung handele es sich um eine röntgenologische Fehldeutung. Die Röntgenaufnahmen in konventioneller Technik vom 10.03.2009 und die Computertomographie vom 03.12.2008 hätten ergeben, dass die Anerkennung einer Silikose zu Unrecht erfolgt sei und daher rechtswidrig sei. Die Anerkennung sei bestandskräftig und könne daher nicht zurückgenommen werden. Aus Gründen der Rechtsklarheit sei aber festzustellen, dass dem Kläger ohne erneute Prüfung des Krankheitsbildes Leistungen nicht zuerkannt werden könnten. Dies folge aus § 48 Abs. 3 SGB X.
Mit Bescheid vom 05.08.2009 stellte die Beklagte fest, dass der Bescheid vom 26.04.1999 über die Anerkennung einer Silikose rechtswidrig sei und nicht Grundlage für Leistungsansprüche werden könne. Rechtsgrundlage hierfür sei § 48 Abs. 3 SGB X. Danach dürfe eine neu festzustellende Leistung, die auf einem rechtswidrigen bestandskräftigen Bescheid beruhe, nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft der rechtswidrigen vorausgegangenen Feststellung ergebe. Diese Regelung entspreche dem Grundsatz: Unrecht dürfe nicht weiter wachsen. Beziehe sich das Unrecht auf die bloße Feststellung des Leistungsgrundes ohne Anspruch auf Dauerleistungen, wie vorliegend, dürfe auf der Grundlage einer solcher Feststellung kein Leistungsbescheid mehr ergehen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2009 Widerspruch ein. Die Befunde aus den 90er Jahren hätten eine eindeutige Silikose ergeben. Wenn diese Befunde so nicht mehr feststellbar seien, könne dies daran liegen, dass eine Auswaschung stattgefunden habe. Dabei handele es sich allerdings um keine Veränderung zugunsten des Klägers. Da Bestandskraft bezüglich der Anerkennung bestehe, sei die Berufsgenossenschaft auch daran gebunden. Es sei unzutreffend, wenn die Beklagte davon ausgehe, keinen Leistungsbescheid erteilen zu müssen, eben weil die Silikose angeblich zu Unrecht festgestellt worden wäre. Umbauvorgänge in der Lunge seien nun weiß Gott keine Seltenheit.
Mit Schreiben vom 06.10.2009 wies die Beklagte darauf hin, dass sie in einem gesonderten Verwaltungsverfahren eine Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Berufskrankheitenliste anerkannt hätten und eine Rente von 30 % seit dem 01.01.2005 gewährten. Die Lungenfunktionsausfälle des Klägers würden im vollen Umfang über diese Rente mit entschädigt.
Da der Kläger seinen Widerspruch aufrechterhielt, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2009 als unbegründet zurück. Die 1999 anhand von konventionellen Röntgenaufnahmen getroffene Entscheidung sei unrichtig. Bei einer Silikose sei zunächst eine vermehrte strang-, netz- oder wabenförmige Lungenzeichnung als Folge einer Fibrose zu erkennen. Fortschreitend bildeten sich Knötchen und Schwielen. Eine Rückbildung von Quarzstaublungenveränderungen sei dagegen nicht möglich. Nach dem Gutachten vom 01.04.2009 habe die besonders aussagekräftige Computertomographie vom 03.12.2008 keine sicheren quarzstaubbedingten Lungenveränderungen gezeigt.
Hiergegen hat der Kläger binnen Monatsfrist Klage erhoben. Zur Begründung führte er aus, eine einmal anerkannte Silikose könne sich nicht bessern. Wenn im Jahre 2009 keine Silikose gefunden worden sei, dann hieße dies nicht, dass keine Silikose vorhanden war. Tatsächlich könnten Umbildungsvorgänge im Körper dazu führen, dass eine Silikose ausgewaschen werde gewissermaßen. Dies sei aber keine körperliche Besserung und kein Grund etwa zu behaupten, eine Silikose hätte gar nicht vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.08.2009 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 02.12.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst von Amts wegen ein Gutachten von Dr. W, Lungenfacharzt aus Duisburg eingeholt. Auf das Gutachten vom 25.05.2010 wird Bezug genommen.
Die Beklagte konnte dem Ergebnis des Gutachtens unter Hinweis auf eine Computerto-mographie vom 12.11.2002 (Gutachten von Prof. Dr. K. vom 28.03.2003) nicht folgen. Darüber hinaus verwies die Beklagte darauf, dass die bestehenden Lungenfunktionsausfälle im vollen Umfang bereits über die BK Nr. 4111 der Anlage zur BKV entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v. H. entschädigt würden. Eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit werde auch nach Einschätzung von Dr. W. nicht angenommen.
Da Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 01.09.2010 bei seiner Auffassung zum Vorliegen einer Silikose blieb, zog das Gericht die Original-CTs vom 12.11.2002 und vom 03.12.2008 bei und legte sie Dr. W. ergänzend vor. Auf die Stellungnahme von Dr. W. vom 31.03.2011 wird Bezug genommen.
Das Gericht bat darüber hinaus Prof. Dr. T. von der Ruhrlandklinik in Essen um seine Stellungnahme zur Auffassung von Dr. W ... Prof. Dr. T. blieb in seiner Stellungnahme vom 16.11.2011 bei seiner Auffassung, dass im Gegensatz zur Stellungnahme von Dr. W. die im Jahre 2002 und 2008 gefertigten Computertomographien keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Silikose bieten. Da Prof. Dr. T. vorschlug, anhand des Verlaufs mit der neusten Generation von Computertomographen eine hochauflösende Computertomographie beim Kläger erneut durchzuführen und dies in die Hand eines versierten Radiologen zur Interpretation und Vergleich mit 2008 zu geben, holte das Gericht ein weiteres radiologisches Gutachten von Chefarzt Dr. B., Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin im Krankenhaus Bethanien für die Grafschaft Moers ein. Auf das Gutachten vom 08.09.2011 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Gerichts- und Verwaltungsakten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angegriffenen Bescheid vom 05.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG (Sozialge-richtsgesetz) beschwert, denn dieser Bescheid erweist sich nach Beweisaufnahme als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 05.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 ist § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X. § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X sieht vor, dass wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach Abs. 1 oder Abs. 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen darf, wie er sich der Höhe nach ohne die Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Geklärt ist mittlerweile, dass diese "Aussparungsregelung" nicht nur eingreift, wenn sich der zur Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides führende Fehler auf die Höhe einer Geldleistung auswirkt, sondern auch dann, wenn er die Grundlage der Leistungsbewilligung – wie hier – betrifft. § 48 Abs. 3 SGB X gilt nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch dann, wenn die Grundlage der Leistungsbewilligung rechtswidrig war. Die Aussparungsregelung ist auf jeden rechtswidrigen Ursprungs-Verwaltungsakt anzuwenden, der einen materiell rechtswidrigen Rechtgrund für die nach Abs. 1 oder Abs. 2 an sich gebotene Anpassung an die veränderten rechtlichen und tatsächlichen Umstände gibt und demzufolge dazu führen würde, dass das "bestehende Unrecht weiterwächst" (vgl. BSG, Urteil vom 20.03.2007, Az.: B 2 U 38/05 R).
Darüber hinaus ist es auch zulässig, dass die Beklagte eine entsprechende Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzung des § 48 Abs. 3 SGB X auch schon vor einer Änderung der relevanten Verhältnisse zugunsten des Klägers – etwa einer Verschlimmerung der Gesundheitsstörung bis zu einem MdE-berechtigendem Grade - getroffen hat, als ihr die Rechtswidrigkeit bewusst wurde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2009, Az.: L 2 U 1556/07). Die Befugnis hierzu ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und aus der Eigenart des zwischen der Behörde und dem Einzelnen bestehenden Rechtsverhältnisses (vgl. LSG a. a. O. m. w. N.).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass bei dem Kläger eine Silikose nicht besteht. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der begünstigende Verwaltungsakt vom 26.04.1999 rechtswidrig war, weil eine Silikose zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht vorgelegen hat. Da die 2-Jahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X längst abgelaufen ist und auch der Kläger nicht böswillig war, konnte der rechtswidrig begünstigende Bescheid nicht mehr nach § 45 SGB X zurückgenommen werden. Damit sind die Voraussetzungen für § 48 Abs. 3 SGB X erfüllt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere nach dem schlüssigen und überzeugenden radiologischen Gutachten von Dr. B. vom 08.09.2011, welches sich auf eine Computertomographie vom 08.09.2011 stützt, liegen beim Kläger keine silikosetypischen Veränderungen vor. Dr. B. verweist darauf, dass die bei der Erstbegutachtung anerkannte Diagnose im Rahmen einer konventionellen Röntgenthoraxuntersuchung am ehesten aufgrund von Überlagerungen bei ausgeprägtem Lungenemphysem zustande gekommen ist. Sowohl seine CT-Untersuchung als auch die zur Mitbegutachtung vorliegende CT-Untersuchung aus dem Jahre 2008 zeigten keine silikosetypischen Veränderungen, so dass die in der damaligen Begutachtung anerkannte Streuung 1/1 morphologisch nicht nachzuvollziehen ist.
Hiermit in Übereinstimmung stehen die Auffassungen von Prof. Dr. K. im Gutachten vom 28.03.2003 für das LSG NRW und von Prof. Dr. T. im Gutachten vom 01.04.2009.
Bei dieser Sachlage konnte die Kammer der Auffassung von Dr. W. nicht folgen, dass man sich bei der Befunderhebung auf die damaligen konventionell vorliegenden Röntgenthoraxübersichtsaufnahmen stützen solle, wonach nach Einschätzung auch der damaligen Gutachter bereits 1986 eine Lungensilikose gesichert werden konnte. Dabei führt der Sachverständige Dr. W. selbst an, dass die Untersuchungstechnik von damals nicht dem aktuellen Stand der Technik für die Feststellung einer Silikose entspricht.
Bei dieser Sachlage war die Klage mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved