S 1 KA 5/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KA 5/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die Beteiligung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung, welche die zu 1. und 2. beigeladenen Krankenkassen mit dem zu 3. beigeladenen Landeshausärzteverband geschlossen haben.

Die Klägerin war ein genossenschaftlich organisiertes Unternehmen, dessen Mitglieder insbesondere aus dem Deutschen Hausarztverband sowie den entsprechenden Landesverbänden bestand. Der Beigeladene zu 3. war früher Mitglied der Klägerin und ist nach Kündigung der Mitgliedschaft ausgeschieden. Mit Eintragung ins Handelsregister beim Amtsgericht ... (HRB ...) am ... ist das Unternehmen der Klägerin in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Der geschäftliche Tätigkeitsbereich der Klägerin erstreckt sich nach den aktuellen Angaben im Handelsregister auf die Erbringung von Dienstleistungen im Gesundheitswesen für Hausärzte und sonstige Leistungserbringer sowie deren Organisationen, insbesondere durch Abschluss und Durchführung bzw. Unterstützung bei der Durchführung von Verträgen mit Kostenträgern und Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Hierzu bietet sie

Beratung und Unterstützung von Hausärzten und sonstigen Leistungserbringern sowie deren Organisationen im Bereich der Erfüllung von vertraglichen Pflichten aus der Teilnahme an Versorgungsverträgen, bei der Einführung und Nutzung von Software und Telematiklösungen und der Einführung von Qualitätsmanagmentsystemen für Arztpraxen.

Erbringung von Service- und Dienstleistungen für Hausärzte und sonstige Leistungserbringer und deren Organisationen sowie andere Einrichtungen des Gesundheitswesens.

Förderung des Berufsstandes der Haus- bzw. Allgemeinärzte sowie Organisationen von Haus- bzw. Allgemeinärzten im Bereich berufspolitischer Aktivitäten, Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen sowie Dienstleistungen im Bereich der Gesundheitsberatung und Gesundheitserziehung.

Betrieb von und Beteiligung an medizinischen Einrichtungen aller Art sowie Betrieben des Gesundheitswesens.

Zum Angebot der Klägerin gehört auch die Übernahme von Verwaltungs- und Abrechnungsdienstleistungen bei der Umsetzung von Selektivverträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung (z. B. Hausarztverträge, Verträge über die integrierte Versorgung).

Mit Wirkung vom 1. Juli 2004 hatten die Beigeladenen zu 1. und 2. gemeinsam mit der Klägerin (damals noch in der Rechtsform der eG) in unterstützender Kooperation mit dem Berufsverband der Allgemeinärzte Sachsen-Anhalt sowie mit der Beklagten einen Vertrag zur Umsetzung der hausarztzentrierten und der integrierten Versorgung geschlossen. Im Vertrag waren zahlreiche Aufgaben der Beklagten vereinbart worden, so auch deren Verpflichtung, die Vergütung der Leistungen der teilnehmenden Hausärzte mit den beigeladenen Krankenkassen abzurechnen. Aufgaben oder Pflichten der Klägerin hatte der Vertrag nicht enthalten. Dies setzte sich auch in den folgenden Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen bis hin zu den Vereinbarungen vom 30. September 2008 bzw. 20. November 2008 für das 1. Halbjahr 2009 fort. In § 16 Abs. 4 des Ausgangsvertrages war lediglich geregelt worden, dass das Vertragsverhältnis der Klägerin mit den Krankenkassen auch nach Kündigung des Vertrages durch die beklagte Kassenärztliche Vereinigung bestehen bleibe und die Übernahme der Aufgaben der ausscheidenden Beklagten unverzüglich zu regeln sei.

Mit Wirkung vom 1. Juli 2009 und einer Laufzeit bis 31. Dezember 2010 schlossen die Beigeladenen zu 1. und 2. mit dem Beigeladenen zu 3. und unter sogenannter Beteiligung der Beklagten in deren Bereich Verträge zur Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) (im Folgenden: Hausarztverträge). In den Präambeln bezeichneten sie diese Verträge als Nachfolgeregelung zu der seit 1. Juli 2004 bestehenden Vereinbarung. Die Klägerin war nicht mehr an diesen Verträgen beteiligt worden. § 3 der beiden insoweit gleichlautenden Verträge regelte die Voraussetzungen für die Teilnahme der berechtigten, in § 2 näher bestimmten Ärzte, welche hierfür eine Erklärung abzugeben hatten. §§ 9, 10 und 11 führten die folgenden Aufgaben der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung sowie die Vergütung der teilnehmenden Ärzte aus:

"

§ 9

Aufgaben der KVSA

Die Abrechnung und Vergütung der Leistungen aus diesem Vertrag erfolgt unter Berücksichtigung des § 10 durch die Vertragspartner über die KVSA.

Kosten, die der KVSA bei der Umsetzung dieses Vertrages entstehen, werden über die Verwaltungskostenpauschale im Rahmen des Honorarbescheides der teilnehmenden Ärzte abgegolten.

Die KVSA übernimmt im Rahmen dieses Vertrages sämtliche Aufgaben des Hausärzteverbandes und den Qualitätsmanagment-Prozess nach Anlage 6.

Die KVSA ergänzt die Datei nach § 3 Abs. 2 der teilnehmenden Ärzte um die Beschäftigung einer Praxisassistentin nach § 8.

§ 10

Abrechnungsmodalitäten

Die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen für eingeschriebene Versicherte im Rahmen dieses Vertrages erfolgt nach Maßgabe des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und dem Gesamtvertrag und ist entsprechend den bestehenden vertraglichen Regelungen innerhalb bzw. außerhalb der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütungsvereinbarung mit der KVSA abgegolten.

Zusätzlich erhält der teilnehmende Arzt bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen die Vergütungen nach Anlage 4. Die Zahlung erfolgt außerhalb der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und außerhalb der Regelleistungsvolumen.

Die Vergütung gegenüber dem Arzt wird in den Honorarunterlagen gesondert dargestellt und separat überwiesen.

§ 11

Maßnahmen bei Verstoß gegen die Anforderungen des Vertrages

Die Vertragspartner vereinbaren wirksame Maßnahmen, die dann greifen, wenn die Hausärzte gegen die festgelegten Anforderungen und Pflichten aus diesem Vertrag verstoßen.

Verstößt ein Hausarzt gegen die eingegangenen Verpflichtungen, können nachfolgende Maßnahmen getroffen (werden):

Keine Vergütung nach Abschnitt V.

Aufforderung durch den Hausärzteverband zur Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen.

Auf begründeten Antrag eines Vertragspartners Widerruf der Teilnahme und Abrechnungsgenehmigung durch die KVSA.

Hält der Hausarzt nachweislich die vertraglichen Verpflichtungen weiterhin nicht ein, kann er von der Teilnahme an diesem Vertrag auf begründeten Antrag eines Vertragspartners ausgeschlossen werden. Über den Ausschluss entscheiden die Vertragspartner einvernehmlich.

"

Die Vergütung aus diesen Hausarztverträgen verteilte die Beklagte unmittelbar an die teilnehmenden Ärzte als Teil des Honorarbescheides, den sie für die sonstige vertragsärztliche Regelversorgung an die Vertragsärzte erstellte. In einer Anlage erhielten die Ärzte zudem einen Berechnungsbogen. Die Beklagte zog zu ihren Gunsten eine Verwaltungsgebühr auch von der Vergütung nach den Hausarztverträgen ab. Abschließend und ohne Differenzierung nach den selektiv- und kollektivvertraglichen Vergütungsanteilen versah sie den Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Möglichkeit des Widerspruchs verwies, der gegen sie zu richten sei.

Am 11. Februar 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben, und vorgetragen, sie sei der Ansicht, dass die Beteiligung der Beklagten an den zwischen den Beigeladenen geschlossenen Hausarztverträgen unzulässig und sie dadurch in ihren Rechten beeinträchtigt sei. Die Beklagte sei nach den Vereinbarungen für die Verwaltung der Verträge sowie für die Abrechnung der Vergütung mit den teilnehmenden Vertragsärzten zuständig, was nach den sozialrechtlichen Vorschriften rechtswidrig sei. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung verstoße zugleich nicht nur zu ihren – der Klägerin – Lasten gegen kartellrechtliche Vorschriften, sondern greife überdies in ihre Grundrechte ein. Die Krankenkassen seien ausweislich des Entwurfs zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG, BT-Drs. 16/3100 Seite 111) zur Steigerung des Wettbewerbs gesetzlich verpflichtet worden, außerhalb des mit der Beklagten bestehenden kollektivrechtlichen Systems der vertragsärztlichen Versorgung eine alternative hausarztzentrierte Versorgung durch qualifizierte Gemeinschaften anzubieten (sogenannte Primärverträge). Nach dem Willen des Gesetzgebers schließe dies eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen an den einzelvertraglichen Vereinbarungen zur hausarztzentrierten Versorgung aus. Sie seien keine qualifizierte Gemeinschaft im Sinne des § 73b SGB V. Die gesetzliche Systematik gestatte ihnen die Teilnahme an der Neugestaltung der alternativen Versorgung nur unter engen Voraussetzungen und ersatzweise nachrangig in Form von sekundären Individualverträgen (Sekundärverträge). Durch die Beteiligung an den Verträgen der Beigeladenen unterbinde die Beklagte in ihrem Zuständigkeitsbereich den aufkeimenden Wettbewerb sowie die Liberalisierung im Bereich der hausärztlichen Versorgung und der damit zusammenhängenden Abrechnungs- und Verwaltungsdienstleistungen. Überdies seien die mit den Beigeladenen geschlossenen Verträge keine Hausarztverträge im Sinne des § 73b SGB V, weil sie nicht die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten. Sie böten keine hausärztliche Vollversorgung, sondern fügten als sogenannte "Add-on-Verträge" der vertragsärztlichen Regelversorgung lediglich zusätzliche Leistungen an, was nach der Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 3. November 2011 – L 3 KA 104/10 B ER) unzulässig sei. Daher biete auch eine sogenannte "Abrechnungsannexkompetenz" für "Add-on-Verträge" keine Rechtsgrundlage für die Beteiligung der Beklagten an Primärverträgen. Ungeachtet dessen sei die Beteiligung der Beklagten an den Hausarztverträgen rechtswidrig. Die dort vereinbarten Aufgaben seien von der gesetzlichen Regelung nicht gedeckt, denn sie räumten der Beklagten nicht nur eine nachgeordnete Funktion als Erfüllungsgehilfin des Beigeladenen zu 3. ein. Vielmehr habe sie durch die Übertragung sämtlicher Aufgaben eine tragende Rolle bei der Durchführung sowie der Abrechnung und Honorierung der hausarztzentrierten Versorgung übernommen. Die Beklagte wickle mit den teilnehmenden Ärzten den gesamten Vertrag einschließlich des Qualitätsmanagments und der entsprechenden Kontrolle nebst den sich daraus ergebenden Folgen ab. Sie rechne nicht nur die Vergütung ab, sondern nehme wesentliche Vertragsgestaltungen in die Hand, da der Hausarzt ihr gegenüber sowohl seine Teilnahme als auch deren Beendigung zu erklären habe. Aus Sicht eines verständigen Betrachters sei sie damit als direkter Vertragspartner am Primärvertrag beteiligt, ohne hierzu gemäß § 73b Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB V ermächtigt zu sein. Dem Beigeladenen zu 3. bleibe nur die Rolle des "Strohmanns" für die Beklagte, was nach der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 27.6.2009 – L 12 KA 33/09 ER) rechtswidrig sei. Die Verknüpfung des Beigeladenen zu 3. mit der Beklagten offenbare sich auch personell in den Leitungspositionen beider Institutionen, da die führenden Personen jeweils wechselseitig Vorstandsfunktionen und andere leitende Posten in Gremien besetzten. Die der Beklagten vom Gesetz zugedachte Rolle beschränke sich aber allein auf die Unterstützung bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Qualitätsanforderungen aus § 73b Abs. 2 SGB V. Erst eine entsprechende Ermächtigung könne ihr eine Vertragspartnerschaft an Sekundärverträgen eröffnen. Dieses eng beschriebene Betätigungsfeld verbiete im Umkehrschluss die Ausweitung ihrer Befugnisse, was die im Laufe des Rechtsstreits befragten Aufsichtsbehörden in ihren Stellungnahmen verkennen würden. Durch die rechtswidrige Beteiligung der Beklagten an den Verträgen der Beigeladenen werde sie - die Klägerin - in unzulässiger Weise vom Markt verdrängt.

Ihre gegen die Beklagte gerichtete Unterlassungsklage sei als echte Leistungsklage zulässig. Ihre Klagebefugnis ergebe sich daraus, dass die Beklagte ihre Rechte verletze, die sie insbesondere als Mitbewerberin einer Dienstleistungsgesellschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen aus §§ 77a und 73b SGB V ableite. Diese Vorschriften entfalteten drittschützende Wirkung zu ihren Gunsten, weil sie zwar selbst auch keine qualifizierte Gemeinschaft sei, sie aber hinsichtlich des Angebotes von Verwaltung und Abwicklung von Hausarztverträgen im Wettbewerb mit den Dienstleistungsgesellschaften der Kassenärztlichen Vereinigungen stehe. Die Beklagte verstoße durch ihre Betätigung gegen Wettbewerbsrecht, indem sie ihre marktbeherrschende Stellung missbrauche. Zudem nutze sie ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts zum Nachteil der Mitbewerber in einem Geschäftsfeld aus, welches ihr vom Gesetz nicht zugewiesen sei. Zugleich berücksichtige sie damit nur die Interessen der Hausärzte, nicht aber die der sonstigen Vertragsärzte. Diese rechtswidrige Betätigung einer öffentlich rechtlichen, wenn auch mittelbaren Staatsgewalt auf einem Geschäftsfeld, in dem es einen Markt und Mitbewerber gebe, dürfe nicht sanktionslos bleiben. Die Beklagte verletze damit ihre Grundrechte aus Art. 2 und 12 Grundgesetz iVm § 1004 BGB. In Sachsen-Anhalt sei ihre Handlungs- und Berufsfreiheit unzumutbar eingeschränkt.

Auf § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V dürfe sich die Beklagte nicht berufen, weil dieser Ausschluss des Wettbewerbsrechts nur kollektivvertragliche Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und der Leistungserbringer erfasse. Dies ergebe sich aus der Gesetzgebungsgeschichte der Vorschrift in den BT-Drs. 16/4247 S. 35 und 16/10609 S. 65 und 69 sowie aus der Begründung in der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses zum Entwurf des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) in BT-Drs. 17/3698 S. 74. Selbst wenn auch selektivvertragliche Vereinbarungen nach § 73b SGB V von dieser Vorschrift erfasst würden, entfalte sie keine Wirkung im Verhältnis der untergeordneten Dienstleistungs- und Erfüllungsverträge, da die Partner von Hausarztverträgen zu deren Abschluss nicht verpflichtet seien, sondern vielmehr diese nach freiem Auswahlermessen ohne Zwang mit einem entsprechenden Dienstleistungsunternehmen oder Abrechnungszentrum schließen könnten.

Die datenschutzrechtlichen Erwägungen der Beklagten bezüglich ihrer – der Klägerin – Betätigung als Dienstleistungsunternehmen in der Abrechnung von Hausarztverträgen vermittelten der Beklagten weder unmittelbar noch mittelbar eine Befugnis zur Beteiligung in diesem Bereich als öffentlich-rechtliche Körperschaft. Weder die Regelungen zur elektronischen Übermittlung der Abrechnungsdaten in § 295 Abs. 1b SGB V noch die Auftragsdatenverarbeitung eröffneten eine Grundlage für eine zulässige Beteiligung der Beklagten an Primärverträgen. Im Übrigen sei die Behauptung, sie - die Klägerin - könne die Abrechnungsdienstleistung nicht erbringen, falsch. § 295a SGB V schließe überdies die Verwendung eines Abrechnungszentrums nicht aus. Weder die Beklagte noch der Beigeladene zu 3. könnten die Geschäftstätigkeit durch ein Auftragsverhältnis nach § 88 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) legitimieren, weil beide keine Leistungsträger im Sinne dieser Vorschrift seien. Auch § 106a SGB V erlaube der Beklagten keine Beteiligung, weil sie die Kontrolle der Abrechnungsunterlagen nicht mehr vornehmen dürfe, sondern die entsprechend § 106a Abs. 3 SGB V zu gestaltende Prüfung der Plausibilität und Rechtmäßigkeit der ärztlichen Abrechnung gemäß § 73b Abs. 5 Satz 5 SGB V den Krankenkassen zugewiesen sei. Deshalb würden diesen bzw. dem Abrechnungsdienstleister der Krankenkassen die Abrechnungsdaten übermittelt.

Der von der Beklagten und den Beigeladenen zitierte Entscheidung des Sozialgerichts Marburg (Urteil vom 3. August 2011 - S 12 KA 237/10) habe eine andere Rechtsfrage zugrunde gelegen, nämlich ob angesichts eines ungekündigten anderen Vertrages ein möglicherweise weiterer Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung über ein Schiedsverfahren durch eine zu bestimmende Schiedsperson geschlossen werden müsse. Die dort gewonnenen Erkenntnisse spielten im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Mit Wirkung vom 1. Januar 2009 sei gesetzlich eine Hierarchie zwischen den vorrangig oder nachrangig als Leistungserbringer in Betracht kommenden Vertragspartnern geschaffen worden. Deshalb könnten die Beklagte und die Beigeladenen auch nicht an davor geltende Vereinbarungen anknüpfen. Sogenannte "Altverträge" befreiten die Krankenkassen nicht von ihrer Verpflichtung, Hausarztverträge nach den neu in § 73b SGB V gefassten Regeln zu schließen, da die bisherigen Vertragspartner nicht den Anforderungen an die neue Rechtslage entsprächen, insbesondere weil die Hausärzteverbände keine qualifizierte Gemeinschaft nach neuem Recht seien. Sie selbst müsse sich überhaupt nicht an sogenannten Nachfolgeverträgen festhalten lassen, an denen sie nicht mehr beteiligt worden sei.

Letztlich vermittele auch die während des Rechtsstreits getroffene Entscheidung des Ministeriums für Gesundheit und Soziales der Beklagten keine Beteiligungsfähigkeit. Zwar sollen die Aufsichtsbehörden von den in ihrem Bereich geschlossenen Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung Kenntnis nehmen, damit übten sie aber keine Rechtsaufsicht über die Verträge aus und könnten auch nicht durch eine etwaige Genehmigung eingreifen. Der im Interesse ihrer Pflichtmitglieder gesetzlich definierte und dadurch begrenzte hoheitliche Aufgabenbereich der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts dürfe überdies nicht mittels einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde rechtswidrig erweitert werden. Die Ableitung der Genehmigung aus § 75 Abs. 6 SGB V sei unzulässig, weil die den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen einschränkenden Vorschriften des § 73b SGB V als speziellere Regelung der allgemeineren Vorschrift in § 75 Abs. 5 SGB V vorgehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, sich am Abschluss und der Abwicklung von Verträgen über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V zu beteiligen, soweit es nicht um eine Beteiligung nach § 73b Abs. 4 Satz 7 und Abs. 5 Satz 2 SGB V geht;

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, bei der Abwicklung von Verträgen über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V für qualifizierte Gemeinschaften oder nach § 73b Abs. 4 Satz 3 oder Satz 4 SGB V für Vertragspartner nach § 73b Abs. 4 Satz 3 Nrn. 1 bis 3 SGB V tätig zu werden, soweit es nicht um eine Beteiligung nach § 73b Abs. 4 Satz 7 und Abs. 5 Satz 2 SGB V geht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage in Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klägerin sei nicht klagebefugt, da sie nicht in eigenen Rechten verletzt sei. Die Klägerin dürfe einen Hausarztvertrag nach § 73b SGB V weder selbst noch stellvertretend für den Beigeladenen zu 3. abschließen. Weil sie sich eines externen Rechenzentrums bedienen müsse, dürfe sie den Vertragspartnern schon aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Abrechnungsdienstleistung anbieten. Deshalb könne sie auch nicht als Mitbewerberin mit ihr - der Beklagten – in ein Konkurrenzverhältnis geraten, so dass keine Rechte der Klägerin beeinträchtigt werden könnten. Auch das Wettbewerbsrecht vermittle der Klägerin keine Klagebefugnis. Die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften seien gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V im Bereich der Hausarztverträge nicht anwendbar, da die Krankenkassen gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V verpflichtet seien, Hausarztverträge mit qualifizierten Gemeinschaften abzuschließen. Die Klage sei ferner unbegründet, weil sie - die Beklagte – sich in öffentlich-rechtlicher Form erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe. Selbst wenn ihre Betätigung Teilnahme am Wettbewerb sei, verhalte sie sich nicht missbräuchlich marktbeherrschend. Aus einem unterstellten Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot könne die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den Urteilen vom 25.4.2002 (I ZR 250/00) und vom 26.9.2002 (I ZR 293/99) ohnehin keinen korrespondierenden Unterlassungsanspruch geltend machen, weil das gesetzliche Verbot den Marktauftritt des öffentlichen Trägers allenfalls aus Gründen verhindere, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berührten. Entsprechendes gelte für öffentlich-rechtliche Unterlassungsansprüche, die sie aus Art. 12 GG ableiten wolle. Die Klägerin verkenne insoweit die Bedeutung des § 77a SGB V. Die Vorschrift habe weder eine wettbewerbsrechtliche Dimension noch drittschützenden Charakter. Zumindest biete sie keinen Schutz für potentielle Konkurrenten der Kassenärztlichen Vereinigungen vor deren Betätigung. Vielmehr solle sie allein die Verwendung der Beiträge der Zwangsmitglieder für die gesetzlich zugeordneten Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen sicherstellen. Im Übrigen verstoße ihre Mitwirkung nicht gegen das Gesetz. Sie sei nicht daran gehindert, sich - wie in § 73b Abs 4 Nr. 4 SGB V vorgesehen - an (Primär-)Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung zu beteiligen. Aus dieser Vorschrift leite sich ihre Berechtigung ab, teilweise Pflichten aus Hausarztverträgen zu übernehmen. Solche Aufgaben müssten nicht auf eine Dienstleistungsgesellschaft übertragen werden. Sie helfe lediglich dem Beigeladenen zu 3., seine vertragliche Pflicht zur Abrechnung des Honorars zu erfüllen. Bei dieser Aufgabe nehme sie ausdrücklich nicht die Stellung einer Vertragspartnerin ein, diese hätten die teilnehmenden Hausärzte, repräsentiert durch den Beigeladenen zu 3., und die Krankenkassen inne. Aus dem Gesetz lasse sich ein Verbot der Mitwirkung an einem Hausarztvertrag nicht entnehmen. Auch § 73b Abs. 5 Satz 2 SGB V schränke ihre Beteiligungsfähigkeit an Primärverträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nicht ein. Diese Vorschrift sei lediglich als gesetzlicher Hinweis auf eine Variante der Mitwirkung zu verstehen. Auch gehe selbst der Gesetzgeber im Umkehrschluss von der Möglichkeit einer Mitwirkung der Kassenärztlichen Vereinigungen an der Abrechnung von Hausarztverträgen aus. Nur so sei die in § 295 Abs. 1b Satz 1 SGB V getroffene alternative Handlungsanweisung zur elektronischen Übermittlung der Daten nach Abs. 1 der Vorschrift einschließlich der Abrechnungsunterlagen für jene Leistungserbringer zu erklären, die ohne Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen mit Krankenkassen bzw. deren Verbänden Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung geschlossen haben. Ein Verstoß lasse sich auch nicht aus der Form der Verträge ableiten. § 73b SGB V lasse sogenannte "Add-on-Verträge" zu, in denen sich die teilnehmenden Ärzte verpflichteten, über die vertragsärztliche Regelversorgung hinaus die Mindestanforderungen aus § 73b Abs. 2 SGB V zu erfüllen. Neben dem vertragsärztlichen Honorar erhielten diese hierfür die hausarztvertraglich vereinbarten Grundpauschalen, die nicht von der Gesamtvergütung abzusetzen seien, weil die zusätzlichen Leistungen die Leistungen der hausärztlichen Regelversorgung nicht ersetzten, so dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen hierdurch nicht eingeschränkt sei. Ihre Befugnis, hierbei in hoheitlicher Form mitzuwirken, leite sich aus ihrer Zuständigkeit für die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 106a SGB V sowie aus dem Rechtsverhältnis einer Beauftragung durch die Beigeladenen gemäß § 88 Abs. 1 SGB X ab. Überdies erlaube ihre Abrechnungsanweisung die Erhebung von Verwaltungskosten auch für die Abrechnung der Vergütung von Leistungen im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung. Schließlich sei ihre hoheitliche Beteiligung durch den Bescheid des Ministeriums für Gesundheit und Soziales vom 21. März 2011 gedeckt, mit dem die zuständige Aufsichtsbehörde ihr Aufgabengebiet gemäß § 75 Abs. 6 SGB V erweitert habe. Ihre Beteiligung an den Hausarztverträgen sei vor dem Hintergrund einer ordnungsgemäßen Abrechnung der individualvertraglichen Vereinbarungen als Bestandteil einer umfassenden ordnungsgemäßen ärztlichen Versorgung ausdrücklich gerechtfertigt. Letztlich sei sie - die Beklagte – rechtlich nicht für die erschwerte Mitwirkung der Klägerin an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung in Sachsen-Anhalt verantwortlich. Eher finde dieser Umstand seine Ursache in dem Zerwürfnis mit dem Beigeladenen zu 3. Die Klägerin habe zudem die frühere vertragliche Verbindung aller Beteiligten an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nicht gerügt, daher verhalte sie sich nun rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich jetzt gegen ihre - der Beklagten - Beteiligung wende. Überdies führe die Anknüpfung der streitigen Verträge an die vor dem Jahr 2009 geschlossenen "Altverträge" dazu, dass sie weiter beteiligt sein dürfe.

Die mit Beschlüssen vom 10. März 2010 gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz notwendig am Verfahren beteiligten Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Die Beigeladene zu 1. teilt im Wesentlichen die Auffassung der Beklagten. Sie trägt zudem vor, die Klägerin sei nicht klagebefugt, da sie als leistungserbringende Gemeinschaft im Sinne des § 73b SGB V nicht in Betracht komme. Den Krankenkassen stehe es frei, über die Einbeziehung eines Abrechnungsdienstleisters zu entscheiden. Die Klägerin stehe realistisch gesehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zur Beklagten. Nach dem Austritt des Beigeladenen zu 3. aus der Genossenschaft sei es nun ausgeschlossen, dass der Klägerin in den streitigen Verträgen zu dieser Dienstleistung herangezogen werde. Der Beklagten sei ausschließlich die Abrechnung der beiden Grundpauschalen aus der zulässigen Add-on-Vergütung übertragen worden. Insoweit fungiere sie nicht als Vertragspartner, sondern lediglich als Erfüllungsgehilfe des Beigeladenen zu 3. Im Gegensatz zu den Vertragspartnern, denen zahlreiche andere Aufgaben im Vertrag zugewiesen seien, habe die Beklagte keine tragende Rolle. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Beschreibung der Aufgabenübertragung in § 9 der Verträge. Weder § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V noch § 77a Abs. 2 Nr. 4 SGB V habe drittschützende Wirkung. Die Anwendung der letztgenannten Vorschrift sei überdies durch § 73b Abs. 5 Satz 4 SGB V im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung ausgeschlossen.

Die Beigeladene zu 2. trägt vor, die Beklagte sei an dem Hausarztvertrag als Umsetzungs- und Abrechnungsdienstleister für den Beigeladenen zu 3. beteiligt worden, da dieser solche Aufgaben nicht selbst erbringen könne. Über die Auswahl des Dienstleistunsunternehmens habe der Beigeladene zu 3. entschieden. Die Beteiligung der Beklagten halte sie angesichts der §§ 73b Abs. 4 Satz 3 Nr. 4, 106a Abs. 1 und 295 Abs. 1 b SGB V für zulässig, jedenfalls aber sei ihre Einbeziehung in die Verträge über eine Beauftragung möglich, da sie auch niemals Vertragspartei habe werden sollen.

Der Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt (jetzt: Ministerium für Arbeit und Soziales) hat auf Antrag der Beklagten vom 18. Februar 2011 mit Bescheid vom 21. März 2011 eine Genehmigung erteilt, wonach der Beklagten die Übernahme von Dienstleistungsfunktionen für Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung gestattet sei. Das Ministerium hat die Entscheidung auf § 76 Abs. 5 SGB V gestützt. Im Rechtsstreit hat es auf Nachfrage des Gerichts die Auffassung vertreten, die Beteiligung der Beklagten an den streitigen Verträgen sei rechtmäßig, weil sie nicht nur nachrangig als ermächtigte Gemeinschaft Hausarztverträge abschließen dürfe, sondern ihr gemäß § 73b Abs. 5 Satz 2 SGB V auch die Möglichkeit der weiteren Beteiligung eröffnet sei.

Das Gericht hat das Bundesversicherungsamt (BVA) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zur Stellungnahme aufgefordert. Das BVA hat mitgeteilt, die Beteiligung einer Kassenärztlichen Vereinigung an einem Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung sei grundsätzlich zulässig. Dies lasse sich aus § 73b Abs. 5 SGB V ableiten, welcher eine Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach § 73 Abs. 2 SGB V vorsehe. Diese Mitwirkung habe auch das Sozialgericht Marburg in seiner Entscheidung vom 3. August 2011 (S 12 KA 237/10) nicht beanstandet. Die KBV hat ihr Absehen von einer Stellungnahme damit begründet, dass die Klägerin bereits gegen sie bzw. ihren Vorsitzenden zivilrechtliche Unterlassungsverfahren wegen Äußerungen zur Frage der Beteiligung von privaten Dienstleistungsunternehmen an den Abrechnungen von Selektivverträgen eingeleitet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen, die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist das Verlangen der Klägerin, der Beklagten zu untersagen, sich durch Vertragsabwicklung und Abrechnung der Vergütung an den Hausarztverträgen der Beigeladenen einzelvertraglich zu beteiligen. Vergaberechtliche Ansprüche gegen die Beigeladenen als Auftraggeber der Abrechnungsdienstleistung sind nicht Streitgegenstand.

Das Sozialgericht Magdeburg ist für die Entscheidung über die Anträge der Klägerin sachlich zuständig, auch wenn sie ihr Unterlassungsbegehren wesentlich auf Anspruchsgrundlagen aus dem Wettbewerbsrecht stützt. Gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) wird die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch eine nach Rechtshängigkeit eingetretene Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Für die Prüfung der Zuständigkeit des Sozialgerichts ist deshalb § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGG in der zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 11. Februar 2010 vom 1. April 2008 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung des SGGArbGÄndG vom 26. März 2008 heranzuziehen. Danach entscheidet das Sozialgericht sowohl über öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden.

Das Sozialgericht hat über die streitgegenständlichen, von der Klägerin gerügten Rechtsbeziehungen der Beklagten zu den Beigeladenen zu entscheiden, weil diese Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Gegenstand im engeren Sinne ist die vertragliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber den Beigeladenen, die zwischen den Beigeladenen zu 1. bzw. 2. und dem Beigeladenen zu 3. vereinbarte Vergütung an die teilnehmenden Hausärzte zu verteilen und die sonstige mit der Teilnahme und der Abrechnung verbundenen Verwaltung der Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung zwischen den Beigeladenen zu 1. bis 3. zu organisieren. Damit knüpft diese Rechtsbeziehung unmittelbar an die zwischen den Beigeladenen zu 1. bzw. 2. und 3. jeweils geschlossenen Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V an. Der Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung zwischen den beigeladenen Krankenkassen und den Leistungserbringern bzw. dem von diesen mandatierten Beigeladenen zu 3. ist eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem 4. Kapitel des SGB V. Die Dienstleistungsvereinbarung der Beklagten mit den Beigeladenen teilt diese rechtliche Einordnung, denn sie ist kein eigenständiges "fiskalisches Hilfsgeschäft" der Krankenkassen, sondern Bestandteil deren öffentlich-rechtlicher Verpflichtung, die Versicherten im Wege des Sachleistungsprinzips (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) hausarztzentriert zu versorgen (vgl. BT-DRS 16/10609, Art. 1 zu Nr. 1e (§ 69) zu Buchstabe b – S. 53; a. A. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3.11.2010 – L 21 SF 208/10 Verg, zitiert nach www.juris.de). Auch dem Wortlaut der Vorschrift nach sind Abrechnungsdienstleister zumindest als Dritte an den Verträgen der Krankenkassen und der Leistungserbringer zur hausarztzentrierten Versorgung beteiligt und insoweit im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 SGG von den damit verbundenen Rechtsbeziehungen betroffen. Noch zum Zeitpunkt der Klageerhebung ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass generell alle sich aus den in § 69 Abs. 1 SGB V genannten öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen ergebende Rechtsstreitigkeiten den Sozialgerichten zugewiesen sind (BT-DRS 16/10609 a. a. O.), so dass unabhängig von der materiell-rechtlichen Frage nach Ansprüchen gegen Krankenkassen oder Mitbewerber z. B. nach § 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) die kartell- und wettbewerbsrechtlichen Rechtswegverweisungen nach dem UWG und dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Zuständigkeit der Landgerichte nicht begründen konnten. Dies ergibt sich aus § 69 Abs. 1 Sätze 1 und 4 SGB V. Danach regeln §§ 63 und 64 SGB V und das Vierte Kapitel des SGB V die sich hieraus ableitenden Rechtsbeziehungen zwischen den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und den Leistungserbringern sowie den hiervon betroffenen Dritten abschließend, so dass andernorts vorgesehene Rechtwegezuweisungen (z. B. in § 13 UWG) ausgeschlossen sind (vgl. BSG, Urteil vom 25.9.2001 – B 3 KR 3/01 R, BSGE 89,24 ff.). Nur wegen der Verweisung auf das GWB in § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist die Nichtanwendbarkeit der in § 87 Abs. 2 GWB geregelten ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte zur Klarstellung in § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG in der o. g. Fassung aufgeführt worden.

Das Sozialgericht Magdeburg ist örtlich zuständig (§ 57a Abs. 2 und 3 SGG in Verbindung mit § 4 des Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum SGG). Beim Sozialgericht Magdeburg ist die Fachkammer für die Angelegenheiten des Vertragsarztrechts zuständig, da es der Klägerin im Rechtsstreit vorrangig um die Aufgaben der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung geht. Die Kammer hat in paritätischer Besetzung mit jeweils einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Vertragsärzte und aus dem Kreis der Krankenkassen entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit aus dem Vertragsarztrecht handelt, denn der Rechtsstreit knüpft an die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und den Vertragsärzten bzw. deren Vereinigungen an (§§ 10 Abs. 2 und 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Die Betätigung der Beklagten unter Beachtung der Rechte ihrer mitgliedschaftlich organisierten Vertragsärzte (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.9.2000 - 1 C 29/99 und Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.10.2010 – L 5 KA 5241/09, www.juris.de) ist im vorliegenden Rechtsstreit lediglich ein Teilaspekt. Der Schwerpunkt liegt auf der die beigeladenen Krankenkassen berührenden Frage, ob und in welcher Form (hoheitlich/privatrechtlich) die Beklagte von ihnen hausarztvertragliche Pflichten übernehmen durfte und ob ein damit zusammenhängender Gesetzesverstoß Rechte der Klägerin mit der Folge eines Unterlassungsanspruchs beeinträchtigt hat.

Die Klage ist zulässig.

Die gegen die Beklagte auf Unterlassung gerichtete Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG in Form einer Unterlassungsklage zulässig. Sie ist nicht an eine Klagefrist gebunden. Die Klägerin ist auch klagebefugt. Von einer Klagebefugnis ist bei einer auf Unterlassung gerichteten Klage auszugehen, wenn bereits die Möglichkeit besteht, dass die Klägerin durch ein Handeln der Beklagten in eigenen Rechten verletzt wird. Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darf der Zugang zu den Gerichten nicht unzumutbar erschwert und überspannt werden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17.8.2004 - 1 BvR 378/00, SozR 4-1500 § 54 Nr 4; zu dem für die Klagebefugnis anzulegenden Maßstab vgl. auch BSG, Urteile vom 7.2.2007 – B 6 KA 8/06 R und vom 17.10.2007 – B 6 KA 42/06 R, m. w. N., www.bsg.bund.de). Dies gilt insbesondere dann, wenn der gerichtliche Rechtsschutz wegen der Behauptung eines Eingriffs durch hoheitliche Tätigkeit in grundrechtlich geschützte Rechte nachgesucht wird. Das Sozialgericht entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten (§ 202 SGG, § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Die Klägerin hat daher ihre Klagebefugnis dadurch hinreichend dargetan, dass sie geltend macht, sie stehe im definierbaren Bereich der Anbieter von Abrechnungsdienstleistungen für Hausarztverträge im Wettbewerb mit der Beklagten, den diese durch hoheitliche wirtschaftliche Betätigung zu ihren Lasten und unter Verletzung ihrer Rechte aus § 77a SGB V, aus den Vorschriften des GWB und des UWG sowie aus Art. 2, 12 und 14 GG in Verbindung mit § 1004 BGB rechtswidrig beeinträchtige. Angesichts der Beteiligung der Klägerin und anderer Kassenärztlichen Vereinigungen an zahlreichen Hausarztverträgen von Krankenkassen und Leistungserbringer in anderen Bundesländern (z. B. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen) bedarf es an dieser Stelle nach Ansicht der Kammer keiner weiteren Erläuterungen zur Wettbewerbssituation. Da im Bereich der Beklagten noch mit anderen Krankenkassen Hausarztverträge abzuschließen sind, ist eine Wiederholung der behaupteten Beeinträchtigung nicht fernliegend, so dass der Klägerin der Zugang zur gerichtlichen Überprüfung des begehrten Unterlassungsanspruchs nicht verwehrt werden darf.

Die Klage ist weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag begründet.

Die Klägerin hat als Mitanbieterin der Abrechnungsdienstleistungen gegen die Beklagte keinen Anspruch aus kartell- oder wettbewerbsrechtlichen Vorschriften. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V regeln die §§ 63 und 64 und die Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V die Rechtsbeziehungen zwischen den an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB beteiligten Krankenkassen und Leistungserbringern sowie Dritten, soweit deren Rechte hiervon betroffen sind, abschließend. Dies schließt die unmittelbare Anwendung des UWG und des GWB sowohl auf kollektivvertragliche als auch auf selektivvertragliche Rechtsbeziehungen aus. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich eine Beschränkung auf kollektivvertragliche Beziehungen ableiten. Eine entsprechende Anwendung der §§ 19 bis 21 GWB auf Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß der Verweisung aus § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist nach § 69 Abs. 2 Satz 2 SGB V ausgeschlossen. Danach gilt Satz 1 des Absatzes nicht für Verträge von Krankenkassen und Leistungserbringern, zu deren Abschluss die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet sind und bei deren Nichtzustandekommen eine Schiedsamtsregelung gilt. Die Krankenkassen sind gemäß § 73b Abs. 1 und 4 SGB V mit Frist bis zum 30. Juni 2009 verpflichtet gewesen, Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung mit den in der Vorschrift genannten Leistungserbringern (qualifizierte Gemeinschaft von mindestens der Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung) abzuschließen. Findet keine Einigung mit der qualifizierten Gemeinschaft statt, kann diese gemäß § 73b Abs. 4 Satz 2 und Abs. 4a SGB V ein Schiedsverfahren einleiten, in dem die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung festlegt. Hausarztverträge sind daher Pflichtverträge, die eine entsprechende Anwendung des GWB ausschließen. Dieser Ausschluss erstreckt sich auch auf die Vereinbarungen, die die Vertragspartner hinsichtlich der Modalitäten zur Verwaltung des Vertrages und der Abrechnung der vereinbarten Vergütung eingehen, denn sie sind im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip als notwendiger Bestandteil eng mit dem Vertrag verknüpft und waren daher bislang auch Gegenstand von Schiedssprüchen der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V (vgl. z. B. den durch Schiedsspruch vom 7. September 2010 festgesetzten Hausarztvertrag zwischen der Beigeladenen zu 2. und dem Landesverband der Hausärzte Baden-Württemberg e. V. sowie dem MEDI Baden-Württemberg e. V. unter Beteiligung der Klägerin u. a.), welche letztlich auch mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3.11.2010, a. a. O.). In dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Abrechnung durch einen vertraglich bestimmten Dienstleister den zur Zahlung der Vergütung verpflichteten Krankenkassen zugerechnet werden muss oder das Unternehmen Erfüllungsgehilfe der Ärzte der qualifizierten Gemeinschaft ist. Dies spielt rechtlich allenfalls bei der inhaltlichen Überprüfung eines mittels Schiedsspruchs zustande gekommenen Hausarztvertrages eine Rolle.

Ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 69 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB V in Verbindung mit der entsprechenden Anwendung des § 1004 BGB. Gemäß § 69 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB V gelten für die Rechtsbeziehungen aus § 73b SGB V im Übrigen die Vorschriften des BGB, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel vereinbar sind. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 BGB als Ausdruck subjektiver Rechte setzt voraus, dass die Verwaltung mittels hoheitlichem Eingriff Grundrechte oder eine einfachgesetzliche Norm verletzt hat, die den Dritten als Teil eines normativ hinreichend abgegrenzten Personenkreises gerade auch vor dem in Frage stehenden rechtwidrigen Akt eines Hoheitsträgers schützen will (Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg, Urteil vom 29.10.2008 – 4 L 146/05, OVG Münster, Beschluss vom 13.8.2003 – 15 B 1137/03, zitiert nach www.juris.de).

Die Beklagte hat durch hoheitliches Handeln Vorschriften des SGB V zur hausarztzentrierten Versorgung verletzt.

Die von der Klägerin gerügte Betätigung, die im Rahmen der Hausarztverträge geschlossene Dienstleistungsvereinbarung der Beklagten mit den Beigeladenen, ist hoheitliches Handeln, das zwar nicht unmittelbar auf die Klägerin ausgerichtet ist, gleichwohl aber mittelbar die Interessen der Klägerin berührt, weil sie nicht zum Zuge gekommen ist. Die Beklagte hat als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V) mit den Beigeladenen, die als gesetzliche Krankenkassen ebenfalls Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, auf dem Gebiet des öffentlichen Krankenversicherungsrechts zur Durchführung der sachleistungsgebundenen Versorgung gesetzlich Versicherter gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen. Ihr hoheitliches Wirken setzt sie dadurch fort, dass sie die Vergütung für den Hausarztvertrag an die leistungserbringenden Ärzte mittels Verwaltungsakt (Honorarbescheid) festsetzt.

Diese Betätigung der Beklagten in hoheitlicher Form ist rechtswidrig, weil sie durch keine Ermächtigungsgrundlage gedeckt wird.

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist es der Beklagten nur gestattet, Aufgaben zu übernehmen, zu deren Erfüllung sie gesetzlich ermächtigt ist bzw. die zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages erforderlich sind (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.10.2010, a. a. O.). Die Beklagte ist gesetzlich nur unter engen Voraussetzungen berechtigt, sich außerhalb des zwischen den Gesamtvertragspartnern kollektivvertraglich geregelten Systems der vertragsärztlichen Versorgung (§ 72 Abs. 2 SGB V) an einzelvertraglichen Versorgungsvereinbarungen wie z. B. den Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V zu beteiligen. Diese Voraussetzungen lagen bei den mit den Beigeladenen getroffenen Vereinbarungen nicht vor.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung hat gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Sachsen-Anhalt die vertragsärztliche Regelversorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen. Hierzu hat sie mit den Verbänden der Krankenkassen schriftliche Verträge zu schließen (§ 72 Abs. 2 SGB V). Gemäß § 73b Abs. 4 Satz 6 SGB V ist dieser im Wesentlichen kollektivvertraglich umgesetzte Sicherstellungsauftrag nach § 75 Abs. 1 SGB V eingeschränkt, soweit die hausärztliche Versorgung der Versicherten durch individuelle Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4 SGB V zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern durchgeführt wird. "Eingeschränkt" bedeutet, dass die besondere hausärztliche Versorgung keine gesetzliche Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen ist. Gemäß § 73b Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB V haben nämlich die Krankenkassen ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung anzubieten und zur Sicherstellung dieser Verpflichtung allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten (qualifizierte Gemeinschaft). Die Teilnahme der Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung ist freiwillig, mit ihrer Teilnahme verpflichten sie sich aber gegenüber ihrer Krankenkasse, in einer Bindungsfrist von einem Jahr nur einen von ihnen aus dem Kreis der am Hausarztvertrag teilnehmenden Hausärzte ausgewählten Arzt sowie die ambulante fachärztliche Behandlung (mit definierten Ausnahmen) nur auf dessen Überweisung in Anspruch zu nehmen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers spielen die Kassenärztlichen Vereinigungen daher bei der hausarztzentrierten Versorgung keine bzw. nur eine nachrangige Rolle. Einen Vertrag mit den Krankenkassen zur hausarztzentrierten Versorgung dürfen sie in der Rolle der Leistungserbringer gemäß § 73b Abs. 4 Sätze 3 und 4 iVm Satz 3 Nr. 4 SGB V erst und nur dann abschließen, wenn die Krankenkassen bereits einen Hausarztvertrag abgeschlossen haben oder für eine solche Vereinbarung keine qualifizierte Gemeinschaft nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V gefunden haben. In dem Fall dürfen die Kassenärztlichen Vereinigungen Hausarztverträge aber nur dann schließen, wenn sie von einer Gemeinschaft von Leistungserbringern hierzu ermächtigt worden sind und sie infolge einer in dem Fall notwendigen Ausschreibung den Zuschlag der Krankenkassen für den Vertragsabschluss erhalten haben. Innerhalb dieser gesetzlich eng gefassten Ermächtigung können die Kassenärztlichen Vereinigungen in ihrer Rolle als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Vertragspartner tätig werden. Indes schließen diese Voraussetzungen nach Ansicht der Kammer eine Anknüpfung an auslaufende Altverträge nach bisheriger Rechtslage aus. Das Gesetz sieht in diesem Zusammenhang keine Übergangsregelung (wie etwa in § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V) vor, die eine Fortsetzung der Verträge zu den bisherigen Bedingungen einräumt. Die von den Beteiligten früher abgeschlossenen Vereinbarungen vermitteln der Beklagten keine Berechtigung zur Beteiligung an Hausarztverträgen nach der neuen Rechtslage.

Allerdings räumt § 77a Absatz 2 Nr. 4 SGB V einer von einer Kassenärztlichen Vereinigung privatrechtlich gegründeten, eigenständigen Dienstleistungsgesellschaft die Beteiligung an Hausarztverträgen in bestimmter Form ein, denn die Vorschrift sieht als Aufgabe ausdrücklich vor, dass das Unternehmen Verträge für Vertragspartner von Verträgen, die die Versorgung von Versicherten mit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung betreffen, abwickeln darf. Nach § 77a Abs. 3 SGB V darf eine solche Dienstleistungsgesellschaft aber nur gegen Kostenersatz tätig werden; eine Finanzierung aus den Mitteln der Körperschaft ist ausgeschlossen. Diese Vorschrift kann auch nicht - wie die Beigeladene zu 1. meint – gemäß § 73b Abs. 5 Satz 4 SGB V einzelvertraglich abbedungen werden. Die dort geregelte Erlaubnis, in den Hausarztverträgen von den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V sowie den danach getroffenen Regelungen abweichen zu dürfen, wird systematisch durch das vom Gesetzgeber in der Ausgangsvorschrift geschaffene Gefüge begrenzt. Jedenfalls verleiht sie nicht die Befugnis, die gesetzlichen Kompetenzen der hoheitlich handelnden Kassenärztlichen Vereinigungen einzelvertraglich zu erweitern. Im Übrigen hat der Gesetzgeber es mit der Schaffung des § 73b SGB V in Kauf genommen, dass die erzwungene einzelvertragliche Herauslösung der hausärztlichen Versorgung zu Einbußen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen führt, weil die Verwaltungskosten, die sonst aus der Vergütung der hausärztlichen Regelversorgung eingenommen werden, nun wegen deren Ablösung durch Hausarztverträge, an denen die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Regel nicht beteiligt sein sollen, fehlen. Die Einführung des § 77a SGB V soll wohl eine Kompensation dieses Effektes sein. Ob diese Verlagerung mit der Idee, den Wettbewerb zu stärken, angesichts der in der Körperschaft auf die verbleibenden Mitglieder zu verteilende höhere Umlagelast dem öffentlichen Interesse dienlich ist, ist nicht entscheidungserheblich; vielmehr ist die gesetzgeberische Entscheidung sowohl von den Beteiligten als auch vom Gericht hinzunehmen.

Ferner darf sich eine Kassenärztliche Vereinigung als Körperschaft gemäß § 73b Abs. 5 Satz 2 SGB V in Hausarztverträge einbringen, wenn die Krankenkassen und Leistungserbringer sie an der Ausgestaltung und Umsetzung der in § 73b Abs. 2 SGB V genannten besonderen (Mindest-)Anforderungen von Primärverträgen beteiligen. Die Vorschrift benennt ausschließlich qualitätsorientierte Anforderungen, die über die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie in den Bundesmantelverträgen für die hausärztliche Regelversorgung nach § 73 SGB V aufgeführten Anforderungen hinausgehend als notwendiger Inhalt eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung zu regeln und von den teilnehmenden Hausärzten bei der Behandlung der teilnehmenden Versicherten zu beachten sind. Diese Ermächtigungsgrundlage beschreibt eine genau definierte Aufgabe, die die Kassenärztlichen Vereinigungen in den Individualverträgen zur hausarztzentrierten Versorgung als Körperschaft übernehmen dürfen. Sie räumt nicht die Berechtigung ein, die Abrechnung und Verwaltung der Hausarztverträge zu übernehmen. Die Kammer folgt damit nicht der Auffassung der Beklagten, der Beigeladenen und der Aufsichtsbehörden, die Ermächtigungsvorschrift sei über den Wortlaut hinaus weit auszulegen. Vielmehr drängt es sich gesetzessystematisch auf, die Norm eng zu verstehen. Nach der grundsätzlichen Idee des Gesetzgebers sollen die Krankenkassen mit den qualifizierten Gemeinschaften Primärverträge außerhalb des kollektivvertraglichen Vertragsarztsystems ohne Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen schließen. Angesichts der subsidiären Berechtigung in § 73b Abs. 4 Sätze 3 bis 5 SGB V soll deren Mitwirkung bei Sekundärverträgen die Ausnahme bleiben. Allerdings knüpft der Gesetzgeber bewusst an die bei den Kassenärztlichen Vereinigungen vorhandenen Erfahrungen an, wenn er deren Beteiligung bei der Gestaltung der qualitätsorientierten Anforderungen von Primärverträgen nach Maßstab des § 73b Abs. 2 SGB V ausdrücklich in Satz 2 des § 73b Abs. 5 SGB V zulässt. Damit hat er die (öffentlich-rechtliche) Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Mitwirkung an Hausarztverträgen bewusst auf nur einen der Vertragsbestandteile reduziert, die in Absatz 5 Satz 1 der Vorschrift als notwendiger Inhalt der Verträge (darunter die Regelungen zur Vergütung) aufgeführt sind. Mangels Anknüpfung an Absatz 5 Satz 1 kann daher aus Absatz 5 Satz 2 systematisch keine über den Wortlaut hinaus gehende Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigungen abgeleitet werden.

Dass es sich nicht um den redaktionellen Spielraum des Gesetzgebers oder nur um die beispielhafte Darstellung einer (sich im Übrigen nicht aus dem Wortlaut ableitenden) Beteiligungsvariante handelt, zeigt auch die gezielte Öffnung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen in § 73b Abs. 4 Satz 7 SGB V. Danach dürfen die Krankenkassen den der hausarztzentrierten Versorgung zuzurechnenden Notdienst gegen Aufwendungsersatz von den Kassenärztlichen Vereinigungen sicherstellen lassen. Der Gesetzgeber hätte eine ähnliche Regelung für die Vergütung und deren Abrechnung aufnehmen können. Sie fehlt aber und die systematische Auslegung des Gesetzes ergibt, dass das Fehlen einer solchen Ermächtigung keine vom Gesetzgeber übersehene Lücke aufdeckt, deren Schließung durch eine entsprechende Anwendung der Regelung in Absatz 4 Satz 7 oder Absatz 5 Satz 2 in Betracht käme. Denn anders als in der hausarztzentrierten Versorgung hat der Gesetzgeber in anderen Bereichen seine Gestaltungsmöglichkeit genutzt. Dies zeigt z. B. die Ermächtigungsregelung in § 116b Abs. 6 Satz 1 Zweiter Halbsatz SGB V in der Neufassung durch Art. 1 Nr. 44 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl. I S. 2983). Danach können (nur) die vertragsärztlichen Leistungserbringer, die an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen, mit Wirkung vom 1. Januar 2012 die Kassenärztlichen Vereinigungen gegen Aufwendungsersatz beauftragen, das Honorar für die von ihnen erbrachten Leistungen unmittelbar mit den Krankenkassen abzurechnen. Eine entsprechende Möglichkeit ist im Rahmen der Hausarztverträge nicht zugelassen. Die Abrechnung der Vergütung als vertragsgestaltendes Element steht nicht im Zusammenhang mit den Qualitätsanforderungen aus § 73b Abs. 2 SGB V. Vielmehr gehört die Honorarabrechnung zur Vertragsabwicklung im Sinne des § 77a SGB V (vgl. auch Intention des Gesetzgebers zur Schaffung der Norm, Gesetzentwurf zum GKV-WSG vom 24.10.2006, BT-DRS 16/3100 Art. 1 Nr. 49 (zu § 77a), S. 117).

Die aufgezeigten Formen der Beteiligung von Kassenärztlichen Vereinigungen an Hausarztverträgen zeigen nach Ansicht der Kammer den engen Rahmen, in dem sich die Beklagte hoheitlich an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung beteiligen bzw. von den Beigeladenen hätte in Anspruch genommen werden dürfen. Ihre vertragliche Verpflichtung und Betätigung werden durch keine der genannten zulässigen Beteiligungsformen gerechtfertigt.

Zwar spricht, wie die Klägerin meint, angesichts der Übertragung sämtlicher Aufgaben des Beigeladenen zu 3. im Qualitätsmanagment sowie der Vertragsabwicklung und der Abrechnung auf die Beklagte mehr für eine unzulässige Delegation der Pflichten und Rechte der qualifizierten Gemeinschaft eines Hausarztvertrages auf Dritte (vgl. hierzu Beschluss des Bayerischen LSG vom 27.6.2009 – L 12 KA 33/09 B ER, MedR 2009, 759 ff.) und weniger dafür, dass, wie die Beklagte selbst und die Beigeladenen annehmen, die Beklagte nur die Funktion eines untergeordneten Abrechnungsdienstleisters und Vertragsabwicklers und damit einer Erfüllungsgehilfin des Beigeladenen zu 3. (vgl. § 278 BGB) oder der Krankenkassen bekleidet, ohne selbst als Vertragspartnerin an den Hausarztverträgen teilzunehmen. Die Kammer kann insoweit aber die konkrete rechtliche Einordnung des Status der Beklagten offen lassen, weil diese in beiden Konstellationen rechtswidrig handelt. Die Voraussetzungen für eine nachrangige Beteiligung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung an der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB V sind nicht erfüllt. Weder die Beigeladene zu 1. noch die Beigeladene zu 2. haben mit einer qualifizierten Gemeinschaft einen Primärvertrag geschlossen, der den Abschluss weiterer (Sekundär-)Verträge auch mit der Beklagten erlauben würde. Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben auch nicht vorgetragen, dass sie keine qualifizierte Gemeinschaft gefunden haben, so dass sie gezwungen waren, hilfsweise mit anderen Leistungserbringern einen Hausarztvertrag abzuschließen, zu denen auch die Beklagte hätte gehören können, wenn sie gemäß § 73b Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 und Satz 4 SGB V von einer Gemeinschaft von an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a SGB V teilnehmenden Leistungserbringern ermächtigt worden wäre. Weder liegt eine entsprechende Ermächtigung für die Beklagte vor noch hatten die beigeladenen Krankenkassen ihre Absicht auf Abschluss von Hausarztverträgen mit sekundär berechtigten Leistungserbringern ausgeschrieben, wie es § 73b Abs. 4 Satz 5 Zweiter Halbsatz SGB V zwingend vorschreibt.

Aber auch als Erfüllungsgehilfin der Beigeladenen bei der Abwicklung und Abrechnung der Hausarztverträge betätigt sich die Beklagte gesetzeswidrig, da sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts hoheitlich gehandelt hat (Honorarbescheide) und nicht - wie es gemäß § 77a SGB V zulässig gewesen wäre - ihre Dienstleistungsgesellschaft "KV-Managment-Gesellschaft" gegen Aufwendungsersatz tätig geworden ist.

Auch die Ausgestaltung der Hausarztverträge als "Add-on-Verträge" rechtfertigt nicht die hoheitliche Teilnahme der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung an Primärverträgen zur hausarztzentrierten Versorgung. Die Kammer hat schon Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit von "Add-on-Verträgen", da bereits der Gesetzgeber von einer individualvertraglich vereinbarten, besonderen hausarztzentrierten Vollversorgung ausgegangen ist. Nach Sinn und Zweck der hausarztzentrierten Versorgung soll diese besondere Form hausärztlicher Versorgung des Versicherten durch Bindung an einen bestimmten Arzt die bestehende hausärztliche Regelversorgung ablösen. Das zeige die ausdrückliche Einschränkung des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen durch § 73b Abs. 4 Satz 6 SGB V und die Bereinigung der Gesamtvergütung nach § 73b Abs. 7 SGB V. Es hätte sonst nicht der Regelung einer Rückübertragung der Sicherstellung des Notdienstes auf die Kassenärztlichen Vereinigungen bedurft (§ 73b Abs. 4 Satz 7 SGB V). Bei einem Hausarztvertrag in Form eines "Add-on-Vertrag" unter Beteiligung einer Kassenärztlichen Vereinigung drängt sich die unzulässige Umgehung von Primärverträgen mit qualifizierten Gemeinschaften unter Verstoß gegen das Prinzip der Nachrangigkeit und die Ausschreibungsverpflichtung zulasten der im Gesetz neben den Kassenärztlichen Vereinigungen genannten Mitbewerbern um einen Sekundärvertrag auf (vgl. zu den Auswirkungen Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3.11.2010 - L 21 SF 208/10; a. A. i. Ü. Sozialgericht Marburg, Urteil vom 3.8.2011 – S 12 KA 237/10; offen gelassen LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2.8.2011 – L 5 KA 1604/11 ER – B, Rn 127 ff.; alle in www.juris.de). Letztlich kann die rechtliche Prüfung allerdings offen bleiben, denn aus dem Gesetz ergibt sich keine Ermächtigung, die die Beklagte berechtigen würde, sich hoheitlich an derart einschränkend ausgestalteten Hausarztverträgen zu beteiligen.

Weder § 295 Abs. 1b SGB V noch der Verweis auf § 106a Abs. 3 SGB V und auch nicht § 88 SGB X rechtfertigen die hoheitlich Beteiligung der Beklagten an den streitigen Verträgen. Die genannten Vorschriften dienen der Regelung von Annexaufgaben, jedenfalls aber erlauben sie nicht, das vom Gesetzgeber in § 73b SGB V aufgezeigte gesetzgeberische Ziel und das Gefüge von Vor- und Nachrangigkeit der Teilnehmer abzuändern. Auch die von der Beklagten aufgeworfenen Frage, ob es der Klägerin aus Gründen des Datenschutzes verwehrt ist, sich an der Abrechnung von Hausarztverträgen zu beteiligen, ist bei der Prüfung, ob sich die Beklagte rechtswidrig betätigt hat, unerheblich, zumal in § 295 Abs. 1b S. 5 bis 8 SGB V (18.6.2009 – 30.6.2010), in § 320 SGB V (1.7.2010 – 1.7.2011) und nun in § 295a SGB V (ab 4.8.2011) datenschutzrechtliche Ermächtigungsvorschriften zur Beteiligung einer privaten externen Abrechnungsstelle vorhanden waren. Der beschränkte Verweis in § 73b Abs. 5 Satz 5 SGB V auf § 106a Abs. 3 SGB V ist schon deshalb unergiebig, weil dort hinsichtlich der Prüfung der (Honorar-)Abrechnung auf Rechtmäßigkeit nur die Aufgaben der Krankenkassen beschrieben werden. Dass § 106a Abs. 2 SGB V, der die Prüfkompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen regelt, in § 73b Abs. 5 Satz 5 SGB V nicht erwähnt wird, zeigt, dass diese hier nicht beteiligt sind. § 88 SGB X richtet sich an Leistungsträger, zu denen die Beklagte nicht gehört. Sie mag zwar eine öffentlich-rechtliche Vereinigung des SGB im Sinne des § 86 SGB X sein, aber sie gehört nicht zu den ebenfalls in dieser Vorschrift genannten Leistungsträgern. Nach § 12 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind Leistungsträger die Körperschaften, Anstalten und Behörden, die nach § 18 bis 29 SGB I für die Erbringung von Sozialleistungen zuständig sind.

Ob schließlich die vom Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt der Beklagten mit Bescheid vom 21. März 2011 erteilte Genehmigung die Rechtswidrigkeit beseitigt, kann die Kammer im Ergebnis offen lassen. Manches spricht dafür, dass der Bescheid gemäß § 40 Abs. 1 SGB X nichtig und daher gemäß § 39 Abs. 3 SGB X unwirksam ist. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dem Ministerium stand als Aufsichtsbehörde über die Beklagte trotz § 75 Abs. 6 SGB V keine sachliche Befugnis zur Regelung der Teilnahme an den streitigen Hausarztverträgen zu. Nach § 75 Abs. 6 SGB V können die Kassenärztlichen Vereinigungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden weitere Aufgaben der ärztlichen Versorgung insbesondere für andere Träger der Sozialversicherung übernehmen. Diese Norm ist im Lichte und den Grenzen der rechtlichen Systematik der gesetzlichen Krankenversicherung anzuwenden. Sie erlaubt daher den Aufsichtsbehörden nicht, den dem Bundesgesetzgeber vorbehaltenen und von ihm genutzten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Teilnehmer an der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V zu verändern und die dort mit Zweck normierte nachrangige Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen im Spannungsfeld der individualvertraglichen Strukturen zur kollektivvertraglichen Regelversorgung derart zu erweitern, dass deren eindeutig geregelte Aufgabenbeschränkung beseitig wird. Der Fehler erscheint auch deshalb schwerwiegend, weil der Bescheid während des Klageverfahrens auf Antrag der Beklagten offensichtlich deshalb erlassen worden ist, um deren rechtswidrige Betätigung nachträglich den Anschein der Heilung zu verleihen, ohne dass sich die Aufsichtsbehörde im Einzelnen mit der Systematik der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V auseinandergesetzt hat.

Letztlich kommt es aber nicht auf die Rechtswirksamkeit des Bescheides an, weil die rechtswidrige Betätigung der Beklagten nach Auffassung der Kammer nicht in die subjektiven Rechten der Klägerin eingreift und sie daher keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte hat.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil das rechtswidrige Handeln der Beklagten zwar Vorschriften verletzt, die neben ihrem öffentlich-rechtlichen Charakter auch einem abgrenzbaren Personenkreis zweckgerichtet Schutz bieten sollen (drittschützende Wirkung), die Klägerin aber nicht zu dem geschützten Personenkreis gehört. Ob eine Norm des öffentlichen Rechts drittschützende Wirkung hat, hängt davon ab, ob sie ausschließlich objektiv-rechtlichen Charakter hat und nur dem öffentlichen Interesse dient oder ob sie – zumindest auch – dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes verlangen können. Ob das eine oder das andere der Fall ist, lässt sich bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zur drittschützenden Wirkung nur durch Auslegung, insbesondere hinsichtlich Sinn und Zweck der Vorschrift, ermitteln (vgl. zum Drittschutz bei defensiven Konkurrentenklagen BSG, Urteil vom 7.2.2007 – B 6 KA 8/06 R m. w. N., www.bsg.bund.de; OVG Magdeburg, Urteil vom 29.10.2008 – 4 L 146/05 Rn 36; Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 14.10.2004 – 8 G 3009/04, beide in www.juris.de).

Die Beklagte verstößt zwar gegen §§ 73b und 77a SGB V, hieraus kann die Klägerin aber keinen Unterlassungsanspruch herleiten, weil sie nicht zu dem Personenkreis gehört, dem diese Vorschriften drittschützende Wirkung vermitteln. Die Ausschreibungsverpflichtung der Krankenkassen aus § 73b Abs. 4 Satz 5 SGB V schützt nur die sich um einen (sekundären) Vertrag mitbewerbenden Leistungserbringer nach § 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V. Die Klägerin macht aber diesen durch die Vorschrift eingeräumten Drittschutz nicht geltend, zumal sie mangels Erfüllen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zum Kreis der Bewerber als Leistungserbringer eines Sekundärvertrages gehört.

Auch § 77a SGB V schützt subjektive Rechte Dritter, nicht aber die der Klägerin. Das Verbot in § 77a Abs. 3 SGB V ist Ausdruck des Schutzes der vertragsärztlichen Leistungserbringer, welche gemäß § 95 Abs. 3 SGB V Zwangsmitglieder der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung sind, darunter nicht nur die Hausärzte, sondern auch die Fachärzte. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts darf die Beklagte mit den Mitgliedsbeiträgen keine Tätigkeiten finanzieren, zu denen sie gesetzlich nicht ermächtigt worden ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2010 – L 5 KA 5241/09, www.juris.de, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 – 1 C 29/99). Ziel der Vorschrift ist es nicht, Mitbewerber wie die Klägerin und Konkurrenten von Dienstleistungsgesellschaften der Kassenärztlichen Vereinigungen auf dem in § 77a Abs. 2 SGB V genannten Betätigungsfeld zu schützen. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen erst mit dieser Ermächtigung die Gründung von Dienstleistungsgesellschaften zur Beteiligung an den genannten Aufgaben ermöglicht. Unter Beachtung der Kostenneutralität für die kollektivvertraglichen Mitglieder kann sie in den im selektivvertraglichen Bereich gewollten Wettbewerb mit anderen Anbietern treten und das vorhandene Know-how verwerten. Ähnlich wie eine z. B. in der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt enthaltene "verschärfte Subsidiaritätsklausel" nicht private Mitbewerber, sondern das öffentliche Interesse schützt, obwohl die Vorschrift die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen außerhalb ihrer originären Aufgabengebiete einschränkt, indem sie von ihnen den Nachweis verlangt, dass sie den Zweck besser und wirtschaftlicher als ein anderer erfüllen oder erfüllen können (vgl. Urteil des OVG Magdeburg vom 29.10.2008, a. a. O.), dient auch § 77a SGB V nicht den Individualinteressen der mit Dienstleistungsgesellschaften der Kassenärztlichen Vereinigungen im Wettbewerb stehenden privaten Unternehmen. Die Vorschrift kann nicht zur Abwehr der Betätigung der Kassenärztlichen Vereinigungen herangezogen werden. Auch die in der Rechtsprechung des Bundessozialgericht weiterentwickelten Rechtsgrundsätze zur Konkurrentenabwehr in der ambulanten ärztlichen Versorgung (Vertragsarzt gegen Krankenhaus wegen des Einsatzes angestellter Ärzte bei ambulanten Operationen, Urteil vom 23.3.2011 – B 6 KA 11/10 R, www.bsg.bund.de) können im Verhältnis der Beteiligten in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht herangezogen werden. Anders als die Vorschriften des § 115b SGB V und des AOP-Vertrages, die wegen ihrer Bestimmung, die Interessen der ambulant operierenden Krankenhäuser und Vertragsärzte im Verhältnis zueinander zum Ausgleich zu bringen, Grundlage für Schadensersatzansprüche in Anlehnung an wettbewerbsrechtliche Vorschriften bieten, bezwecken weder § 73b SGB V noch § 77a SGB V einen solchen Interessenausgleich zwischen Unternehmen, die die Abwicklung – bzw. Abrechnung von Selektivverträgen zur hausarztzentrierten Versorgung als Auftragsleistung der Krankenkassen bzw. Leistungserbringer durchführen.

Auch die der Klägerin als juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz zustehenden Grundrechte vermitteln ihr kein drittschützendes Recht.

Das dem Eigentum dienende Abwehrgrundrecht aus Art. 14 GG schützt vermögenswerte Güter, nicht aber Erwerbs- und Wettbewerbschancen oder vor Konkurrenz (vgl. OVG Magdeburg, a. a. O., Rn. 43 m. w. A.). Eine Monopolstellung, die die hoheitliche Tätigkeit der Beklagten im Hinblick auf Art. 14 GG in einem anderen Licht erscheinen lassen könnte, sieht die Kammer angesichts des Betätigungsfeldes der Klägerin und der Möglichkeit, bei Hausarztverträgen von anderen Krankenkassen beteiligt zu werden, nicht.

Auch die Rechte der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG sind nicht berührt, weil dieses Grundrecht ebenfalls keinen Konkurrentenschutz gewährleistet und das hoheitliche Handeln der Beklagten nicht in die Berufsausübung der Klägerin eingreift (vgl. OVG Magdeburg, a. a. O. m. w. N.).

Schließlich kann die Klägerin auch nicht ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG zur Geltung bringen. Zwar ist die Freiheit der Teilnahme am Wettbewerb Bestandteil der durch die Grundrechtsnorm geschützten Handlungsfreiheit, ein Eingriff liegt jedoch erst dann vor, wenn die hoheitliche Maßnahme die Fähigkeit der Klägerin zur Teilnahme am Wettbewerb derart einschränkt, dass ihre Möglichkeit, sich als verantwortliche Unternehmerin wirtschaftlich zu betätigen, beeinträchtigt würde. Verfassungsrechtlich relevant wird der hoheitliche Eingriff in die Dispositionsfreiheit erst dann, wenn die Freiheit des Handelns in unerträglichem Maße eingeschränkt wird, wenn also Verdrängungswettbewerb stattfindet oder es zu einer Auszehrung der Konkurrenz infolge einer marktbeherrschenden Stellung der öffentlichen Hand kommt (OVG Magdeburg, a. a. O. m. w. N.). Hierfür fehlen der Kammer jegliche Anhaltspunkte. Die Beklagte hat keine marktbeherrschende Stellung, diese vermittelt ihr nicht einmal die Nähe zu den Leistungserbringern bei der Add-on-Gestaltung der Verträge. Eine Verdrängung der Klägerin kommt angesichts ihrer bundesweiten Präsenz in dem Geschäftsfeld nicht in Betracht (vgl. z. B. Beteiligung der Klägerin an Hausarztverträgen unterschiedlicher Krankenkassen im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigungen von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe). Dies zeigt auch, dass die Klägerin faktisch nicht weniger Einwirkungsmöglichkeiten auf ihre Beteiligung an Hausarztverträgen (sogar über Schiedsspruch) hat, als die Beklagte. Die Krankenkassen und die Leistungserbringer wählen die Form der Abwicklung und Abrechnung der Hausarztverträge aus, gegebenenfalls werden diese Modalitäten sogar Gegenstand eines Schiedsspruchs. In dieser Situation kann nicht von einer verdrängenden Betätigung der Beklagten ausgegangen werden, zumal nichts daran hindert, dass die Klägerin zur Abwicklung von anderen Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung in Sachsen-Anhalt herangezogen wird und deren Möglichkeit, an solchen Verträgen mitzuwirken, letztlich ohnehin an den Vertragsgestaltungswillen der Krankenkassen und Leistungserbringer anknüpft, der von der Beklagten - jedenfalls in rechtlicher Hinsicht - nicht beeinflusst wird.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass Konkurrenten vom Markt fernbleiben (vgl. BSG, Urteil vom 7.2.2007, a. a. O.). Die Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Beteiligung der Beklagten an den Hausarztverträgen der Beigeladenen behindert nicht ihre Betätigung im Bereich der Abwicklung von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung anderer Krankenkassen und Leistungserbringer. Mangels hoheitlichen Eingriffs der Beklagten in ein subjektives Recht der Klägerin war die Klage sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG in Verbindung mit der entsprechenden Anwendung der § 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin ist in dem Rechtsstreit unterlegen und hat daher gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese sich mangels eigener Anträge letztlich nicht am Verfahren beteiligt haben (arg. e. § 75 Abs. 4 SGG, vgl. auch § 162 Abs. 3 VwGO, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 197a Rn 28 ff. m. w. N.).

Die Kammer hat gemäß §§ 161 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit 160 Abs 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der dem Rechtstreit zugrunde liegenden Rechtsfrage die Sprungrevision zugelassen. Die Zulässigkeit der Beteiligungsformen an Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung und denen sich daraus ableitenden Rechten der (potentiellen) Vertragspartner ist bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt.
Rechtskraft
Aus
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