Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 2 AL 21/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht ohne Rücksicht auf die postalische Erreichbarkeit als grundsätzliche Voraussetzung der Verfügbarkeit, wenn sich die Beschäftigungslosigkeit auf einen einzigen Tag beschränkt und es sich bei diesem um einen gesetzlichen Feiertag handelt.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2010 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den 01.01.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld für den 01.01.2010.
Der 1971 geborene Kläger meldete sich am 25.11.2009 in D-Stadt persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte zugleich die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 01.01.2010. Zu diesem Zeitpunkt stand er in einem Arbeitsverhältnis als Arzt im VF. FV-Stadt. Dieses wurde von ihm zum 31.12.2009 gekündigt, um sich ab 02.01.2010 mit einer eigenen Praxis in X-Stadt niederzulassen. Am 25.11.2009 wohnte der Kläger noch in D-Stadt. Im Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten gab er sowohl seine dortige Wohnanschrift als auch seine neue in A-Stadt und die Adresse seiner zukünftigen Praxis in X-Stadt an. Als voraussichtlichen Umzugstermin nannte er den 18.01.2010. Tatsächlich erfolgte der Umzug jedoch bereits am 01.12.2009.
Im Dezember 2009 versuchte die Beklagte laut entsprechenden Verwerken ihrer zuständigen Mitarbeiter mehrfach vergeblich, den Kläger telefonisch zu erreichen. Der nächste Kontakt zwischen den Beteiligten kam erst am 13.01.2010 zustande. An diesem Tag teilte der Kläger der Beklagten nachträglich den vorgezogenen Umzugstag mit. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2010 den klägerischen Arbeitslosengeldantrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei ab 01.01.2010 nicht verfügbar gewesen. Wegen der verspäteten Meldung seines Umzugs sei er für die Beklagte nicht erreichbar gewesen. Am 08.02.2010 (Eingangsdatum) erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Dabei verwies er auf das Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten in D-Stadt, in dem er seine Pläne detailliert dargelegt habe. Dabei habe er sich unerwartet auf einen konkreten Tag als Umzugsdatum festlegen müssen. Deshalb habe er spontan den 18.01.2010 genannt. Ihm sei aber nicht erläutert worden, dass er eine vorzeitige Adressänderung der Beklagten mitteilen müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2010 wurde der Widerspruch von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 18.03.2010 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 8 AL 21/10 geführt worden ist.
Er ist der Ansicht, dass er für die Beklagte jederzeit verfügbar war. So sei er telefonisch oder per E-Mail erreichbar gewesen. Er habe die Beklagte nach deren Anrufversuchen
auch zurückgerufen. Vom 02.01.2010 an sei er für die Beklagte auch postalisch unter seiner Praxisadresse erreichbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den 01.01.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Verfügbarkeit sei nur gegeben, wenn der Arbeitslose seinen Umzug vor dem Umzugstag bei der Beklagten anzeige.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 27.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2010 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den 01.01.2010.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung durch das Dritte Gesetz für modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (a.F.). Danach hatten Arbeitnehmer seinerzeit Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos waren, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatten. Zu Recht streiten die Beteiligten im vorliegenden Fall nur über die erstgenannte Tatbestandsvoraussetzung. Auch dem Gericht erscheint es unproblematisch, dass sich der Kläger am 25.11.2009 bei der Agentur für Arbeit D-Stadt persönlich arbeitslos gemeldet hat und dass er aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses als angestellter Arzt im VF. FV-Stadt vom 01.09.2007 bis zum 31.12.2009 die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Das Gericht ist darüber hinaus zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 01.01.2010 auch arbeitslos war. Nach der seinerzeit maßgebenden Definition des § 119 Abs. 1 SGB III a.F. war ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit), der sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und der den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit).
Der Kläger war am 01.01.2010 beschäftigungslos, da sein vorangegangenes Beschäftigungsverhältnis mit dem VF. FV-Stadt am Vortag geendet hatte. Der Kläger hatte am 01.01.2010 auch noch keine neue Erwerbstätigkeit im Sinne von § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. aufgenommen. Seine selbständige Tätigkeit in einer eigenen Praxis in X-Stadt begann erst am 02.01.2010.
Das Gericht hat auch keine Bedenken, dass der Kläger keine zureichenden Eigenbemühungen entfaltet haben könnte, soweit ihm dies am 01.01.2010 zumutbar war. Die Kammer geht insbesondere davon aus, dass der Kläger die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit vorbereitet hat, mit der er schon am Folgetag seine Beschäftigungslosigkeit beenden konnte. Die in § 119 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. beispielhaft aufgeführten besonderen Verpflichtungen konnte der Kläger dagegen am 01.01.2010 nicht wahrnehmen, da es sich um einen gesetzlichen Feiertag gehandelt hat.
Schließlich stand der Kläger am 01.01.2010 entgegen der Auffassung der Beklagten auch den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung. Verfügbar war im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 119 Abs. 5 SGB III a.F., wer seinerzeit eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts ausüben konnte und durfte (Nr. 1), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten konnte (Nr. 2), bereit war, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (Nr. 3) und bereit war, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (Nr. 4). Die nach Nr. 3 und 4 erforderliche subjektive Verfügbarkeit ist im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer zu unterstellen, da der Kläger in seinem Antrag auf Gewährung auf Arbeitslosengeld gegenüber der Beklagten eine entsprechende Erklärung abgegeben hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es bei dem Kläger am 01.01.2010 an der entsprechenden Bereitschaft gefehlt haben könnte. Der Kläger war auch in keiner Weise limitiert, erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts aufzunehmen.
Schließlich war der Kläger am 01.01.2010 auch in der Lage, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung im ausreichenden Maße zeit- und ortsnah Folge zu leisten (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F.). Der Gesetzgeber hat die Beklagte in § 152 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F. ermächtigt, durch Anordnung Näheres zu den Pflichten des Arbeitlosen, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung Folge leisten zu können (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F.) zu bestimmen. Davon hat der Verwaltungsrat der Beklagten Gebrauch gemacht und die Anordnung zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeitsanordnung – EAO) erlassen. Was die von der Beklagten im vorliegenden Fall vermisste postalische Erreichbarkeit des Klägers angeht, enthält diese Anordnung eine detaillierte Regelung in § 1 Abs. 1 EAO. Danach hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Arbeitslose die an einem Samstag oder an einem Tag vor einem gesetzlichem Feiertag eingehende Post erst am folgenden Sonn- bzw. Feiertag zur Kenntnis nehmen kann.
Im vorliegenden Fall war der Kläger für die Beklagte am 01.01.2010 tatsächlich nicht postalisch erreichbar. An diesem Tag musste die Beklagte nämlich davon ausgehen, dass der Kläger seine Wohnung noch am alten Wohnsitz in D-Stadt hat. Tatsächlich war der Kläger zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits nach A-Stadt umgezogen. Dies hat er der Beklagten jedoch pflichtwidrig nicht rechtzeitig mitgeteilt. Aus diesem Verstoß lässt sich jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die mangelnde Verfügbarkeit des Klägers am 01.01.2010 schließen. Denn bei diesem Tag handelte es sich um einen gesetzlichen Feiertag. Daher war es der Beklagten ohnehin nicht möglich, den Kläger an diesem Tag postalisch zu erreichen, weil an gesetzlichen Feiertagen keine Briefpost zugestellt wird. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO, wonach der Arbeitslose lediglich sicherzustellen hat, an jedem Werktag in seiner Wohnung Briefpost der Beklagten entgegennehmen zu können. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Erreichbarkeit, die von Gesetzes wegen (nur) dazu dient, dass der Arbeitslose Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Diese Funktion der Erreichbarkeit als Grundvoraussetzung für eine effektive Arbeitsvermittlung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in einer Entscheidung zur Erreichbarkeit eines Arbeitslosen hervorgehoben, der nach altem Recht Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III a.F. bezog (BSG, Urteil vom 30.06.2005 – B 7a/7 AL 98/04 R). Wenn, wie in dem dort entschiedenen Fall, nicht mit Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zu rechnen sei, seien an die Erreichbarkeit auch geringere Anforderungen zu stellen. Diese Argumentation lässt sich insoweit auf den vorliegenden Fall übertragen, als dass der Kläger am 01.01.2010, dem ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit, nicht mit dem Eingang von Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zu rechnen brauchte, da es sich einerseits – wie gesagt – um einen gesetzlichen Feiertag handelte und er andererseits bereits ab dem Folgetag einer neuen Erwerbstätigkeit nachgehen wollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 SGG zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Berufung bedurfte im vorliegenden Fall der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstands für die Beklagte 750,00 EUR nicht übersteigt und es sich um eine auf eine Geldleistung gerichtete Klage handelt, ohne dass laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend gemacht worden sind. Bei ihrer Entscheidung hat sich die Kammer davon leiten lassen, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, wenn sich die Beschäftigungslosigkeit auf einen einzigen Tag beschränkt und es sich bei diesem um einen gesetzlichen Feiertag handelt, noch nicht hinreichend obergerichtlich geklärt ist.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld für den 01.01.2010.
Der 1971 geborene Kläger meldete sich am 25.11.2009 in D-Stadt persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte zugleich die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 01.01.2010. Zu diesem Zeitpunkt stand er in einem Arbeitsverhältnis als Arzt im VF. FV-Stadt. Dieses wurde von ihm zum 31.12.2009 gekündigt, um sich ab 02.01.2010 mit einer eigenen Praxis in X-Stadt niederzulassen. Am 25.11.2009 wohnte der Kläger noch in D-Stadt. Im Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten gab er sowohl seine dortige Wohnanschrift als auch seine neue in A-Stadt und die Adresse seiner zukünftigen Praxis in X-Stadt an. Als voraussichtlichen Umzugstermin nannte er den 18.01.2010. Tatsächlich erfolgte der Umzug jedoch bereits am 01.12.2009.
Im Dezember 2009 versuchte die Beklagte laut entsprechenden Verwerken ihrer zuständigen Mitarbeiter mehrfach vergeblich, den Kläger telefonisch zu erreichen. Der nächste Kontakt zwischen den Beteiligten kam erst am 13.01.2010 zustande. An diesem Tag teilte der Kläger der Beklagten nachträglich den vorgezogenen Umzugstag mit. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2010 den klägerischen Arbeitslosengeldantrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei ab 01.01.2010 nicht verfügbar gewesen. Wegen der verspäteten Meldung seines Umzugs sei er für die Beklagte nicht erreichbar gewesen. Am 08.02.2010 (Eingangsdatum) erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Dabei verwies er auf das Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten in D-Stadt, in dem er seine Pläne detailliert dargelegt habe. Dabei habe er sich unerwartet auf einen konkreten Tag als Umzugsdatum festlegen müssen. Deshalb habe er spontan den 18.01.2010 genannt. Ihm sei aber nicht erläutert worden, dass er eine vorzeitige Adressänderung der Beklagten mitteilen müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2010 wurde der Widerspruch von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 18.03.2010 Klage zum Sozialgericht Marburg erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 8 AL 21/10 geführt worden ist.
Er ist der Ansicht, dass er für die Beklagte jederzeit verfügbar war. So sei er telefonisch oder per E-Mail erreichbar gewesen. Er habe die Beklagte nach deren Anrufversuchen
auch zurückgerufen. Vom 02.01.2010 an sei er für die Beklagte auch postalisch unter seiner Praxisadresse erreichbar gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den 01.01.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Verfügbarkeit sei nur gegeben, wenn der Arbeitslose seinen Umzug vor dem Umzugstag bei der Beklagten anzeige.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 27.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2010 war aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für den 01.01.2010.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung durch das Dritte Gesetz für modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (a.F.). Danach hatten Arbeitnehmer seinerzeit Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos waren, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatten. Zu Recht streiten die Beteiligten im vorliegenden Fall nur über die erstgenannte Tatbestandsvoraussetzung. Auch dem Gericht erscheint es unproblematisch, dass sich der Kläger am 25.11.2009 bei der Agentur für Arbeit D-Stadt persönlich arbeitslos gemeldet hat und dass er aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses als angestellter Arzt im VF. FV-Stadt vom 01.09.2007 bis zum 31.12.2009 die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Das Gericht ist darüber hinaus zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 01.01.2010 auch arbeitslos war. Nach der seinerzeit maßgebenden Definition des § 119 Abs. 1 SGB III a.F. war ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand (Beschäftigungslosigkeit), der sich bemühte, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und der den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (Verfügbarkeit).
Der Kläger war am 01.01.2010 beschäftigungslos, da sein vorangegangenes Beschäftigungsverhältnis mit dem VF. FV-Stadt am Vortag geendet hatte. Der Kläger hatte am 01.01.2010 auch noch keine neue Erwerbstätigkeit im Sinne von § 119 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. aufgenommen. Seine selbständige Tätigkeit in einer eigenen Praxis in X-Stadt begann erst am 02.01.2010.
Das Gericht hat auch keine Bedenken, dass der Kläger keine zureichenden Eigenbemühungen entfaltet haben könnte, soweit ihm dies am 01.01.2010 zumutbar war. Die Kammer geht insbesondere davon aus, dass der Kläger die Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit vorbereitet hat, mit der er schon am Folgetag seine Beschäftigungslosigkeit beenden konnte. Die in § 119 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. beispielhaft aufgeführten besonderen Verpflichtungen konnte der Kläger dagegen am 01.01.2010 nicht wahrnehmen, da es sich um einen gesetzlichen Feiertag gehandelt hat.
Schließlich stand der Kläger am 01.01.2010 entgegen der Auffassung der Beklagten auch den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung. Verfügbar war im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 119 Abs. 5 SGB III a.F., wer seinerzeit eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts ausüben konnte und durfte (Nr. 1), Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten konnte (Nr. 2), bereit war, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben (Nr. 3) und bereit war, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (Nr. 4). Die nach Nr. 3 und 4 erforderliche subjektive Verfügbarkeit ist im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer zu unterstellen, da der Kläger in seinem Antrag auf Gewährung auf Arbeitslosengeld gegenüber der Beklagten eine entsprechende Erklärung abgegeben hat und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es bei dem Kläger am 01.01.2010 an der entsprechenden Bereitschaft gefehlt haben könnte. Der Kläger war auch in keiner Weise limitiert, erneut eine versicherungspflichtige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts aufzunehmen.
Schließlich war der Kläger am 01.01.2010 auch in der Lage, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung im ausreichenden Maße zeit- und ortsnah Folge zu leisten (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F.). Der Gesetzgeber hat die Beklagte in § 152 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F. ermächtigt, durch Anordnung Näheres zu den Pflichten des Arbeitlosen, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung Folge leisten zu können (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III a.F.) zu bestimmen. Davon hat der Verwaltungsrat der Beklagten Gebrauch gemacht und die Anordnung zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeitsanordnung – EAO) erlassen. Was die von der Beklagten im vorliegenden Fall vermisste postalische Erreichbarkeit des Klägers angeht, enthält diese Anordnung eine detaillierte Regelung in § 1 Abs. 1 EAO. Danach hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Arbeitslose die an einem Samstag oder an einem Tag vor einem gesetzlichem Feiertag eingehende Post erst am folgenden Sonn- bzw. Feiertag zur Kenntnis nehmen kann.
Im vorliegenden Fall war der Kläger für die Beklagte am 01.01.2010 tatsächlich nicht postalisch erreichbar. An diesem Tag musste die Beklagte nämlich davon ausgehen, dass der Kläger seine Wohnung noch am alten Wohnsitz in D-Stadt hat. Tatsächlich war der Kläger zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits nach A-Stadt umgezogen. Dies hat er der Beklagten jedoch pflichtwidrig nicht rechtzeitig mitgeteilt. Aus diesem Verstoß lässt sich jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die mangelnde Verfügbarkeit des Klägers am 01.01.2010 schließen. Denn bei diesem Tag handelte es sich um einen gesetzlichen Feiertag. Daher war es der Beklagten ohnehin nicht möglich, den Kläger an diesem Tag postalisch zu erreichen, weil an gesetzlichen Feiertagen keine Briefpost zugestellt wird. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO, wonach der Arbeitslose lediglich sicherzustellen hat, an jedem Werktag in seiner Wohnung Briefpost der Beklagten entgegennehmen zu können. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Erreichbarkeit, die von Gesetzes wegen (nur) dazu dient, dass der Arbeitslose Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Diese Funktion der Erreichbarkeit als Grundvoraussetzung für eine effektive Arbeitsvermittlung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in einer Entscheidung zur Erreichbarkeit eines Arbeitslosen hervorgehoben, der nach altem Recht Arbeitslosengeld unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III a.F. bezog (BSG, Urteil vom 30.06.2005 – B 7a/7 AL 98/04 R). Wenn, wie in dem dort entschiedenen Fall, nicht mit Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zu rechnen sei, seien an die Erreichbarkeit auch geringere Anforderungen zu stellen. Diese Argumentation lässt sich insoweit auf den vorliegenden Fall übertragen, als dass der Kläger am 01.01.2010, dem ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit, nicht mit dem Eingang von Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zu rechnen brauchte, da es sich einerseits – wie gesagt – um einen gesetzlichen Feiertag handelte und er andererseits bereits ab dem Folgetag einer neuen Erwerbstätigkeit nachgehen wollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 SGG zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Berufung bedurfte im vorliegenden Fall der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstands für die Beklagte 750,00 EUR nicht übersteigt und es sich um eine auf eine Geldleistung gerichtete Klage handelt, ohne dass laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geltend gemacht worden sind. Bei ihrer Entscheidung hat sich die Kammer davon leiten lassen, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht, wenn sich die Beschäftigungslosigkeit auf einen einzigen Tag beschränkt und es sich bei diesem um einen gesetzlichen Feiertag handelt, noch nicht hinreichend obergerichtlich geklärt ist.
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