Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 54/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 407/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 28/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. September 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte die Altersrente der Klägerin in zutreffender Höhe festgestellt hat.
Die am ... 1941 geborene Klägerin war vom August 1959 bis zum Juli 1968, unterbrochen durch Schwangerschaft und Kinderbetreuung, als Erzieherin und anschließend ab August 1986 als Hortleiterin tätig. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) hat sie nicht entrichtet. Durch Urkunde vom 9. Oktober 1962 wurde sie mit Wirkung ab 1. September 1962 in die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVIwiss) einbezogen. Mit Wirkung ab 1. September 1976 galt für sie ausweislich eines entsprechenden Vermerks auf der Urkunde die Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen (AVPäd). Mit Bescheid vom 21. November 1996 in der Gestalt des Bescheides vom 30. Dezember 1996 stellte die Beklagte in ihrer Funktion als Zusatzversorgungsträger die Zeit vom 1. August 1961 bis zum 18. August 1963, vom 5. November 1963 bis zum 14. Dezember 1963 und vom 15. August 1966 bis zum 31. August 1976 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVIwiss sowie die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVPäd, jeweils mit den entsprechenden Entgelten, fest.
Auf ihren Antrag vom 9. Januar 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11. April 2001 eine Altersrente für Frauen mit einem Rentenbeginn am 1. April 2001.
Am 7. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Rentenbescheides gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die in der DDR rechtmäßig erworbenen Anwartschaften auf Rente aus der Sozialversicherung müssten bis zur Beitragsbemessungsgrenze in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Daneben müssten die Ansprüche aus der Zusatzversorgung in vollem Umfang berücksichtigt werden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. August 2005 ab. Die Klägerin legte dagegen am 1. September 2005 Widerspruch ein und trug vor, die Beklagte missachte ihre Ansprüche auf Vollversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem. Die Verweigerung der Rentenangleichung Ost an West, die sich im Zusammenhang mit der Unterlassung der Rentendynamisierung ab 1. Juli 2000 ergebe, verletze die Zusicherungen des Einigungsvertrages und des Grundgesetzes, durch die in der DDR rechtmäßig erworbene Ansprüche geschützt werden sollten. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2006 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 18. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben, ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft und vorgetragen, sie werde um einen wesentlichen Teil ihrer Lebensleistung in der DDR gebracht. Das SG müsse ausgehend von seiner Amtsermittlungspflicht Beweis erheben über die Differenzen, die sich für den Wert des Alterseinkommens zum 1. Juli 1990, zum 31. Dezember 1991, zum 1. Januar 1992, zum 1. Juli 2000 und zum 1. April 2004 ergeben. Die ihr gegenüber praktizierte, auf die Versichertenrente gekürzte Rentenberechnung bewirke einen entschädigungslosen Eingriff in ihr mitgebrachtes Eigentum. Die Verfahrensweise sei moralisch verwerflich, politisch verfehlt und juristisch unzulässig. Sie verletze den Grundkonsens des Einigungsvertrages, das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und den Anstand.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. September 2008 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit es um die Rentenanpassungen gehe. Denn durch diese werde nicht die Grundlage der Rentenberechnung festgelegt. Soweit die Klage nicht bereits unzulässig sei, sei sie unbegründet. Denn die Altersrente der Klägerin sei von der Beklagten zutreffend festgestellt worden. Die Rentenberechnung entspreche dem geltenden Recht. Die angewendeten Vorschriften seien auch nicht verfassungswidrig.
Gegen das am 27. November 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Dezember 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das Rentenüberleitungsgesetz und der Bruch des Einigungsvertrages, des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention hätten einen "Schandfleck im Einigungsprozess" geschaffen. Sie erwarte, dass der Senat durch im Rahmen der Amtsermittlung gebotene Maßnahmen dazu beitrage, zu "ganzheitlichen, umfassenden und gerechteren Übergangsregelungen sowie zu diesen Zielen entsprechenden Einzelentscheidungen zu kommen". Im Übrigen verweist sie auf die abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen vom 20. Mai 2011.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2010 hat die Beklagte die Altersrente der Klägerin aufgrund eines Überprüfungsantrages vom 18. November 2008 neu berechnet, indem sie für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 30. Juni 1990 höhere Entgelte berücksichtigte. Der Senat hat – letztlich erfolglos – versucht, von der Beklagten den Überprüfungsantrag zu erhalten, der zu dem Bescheid vom 13. Januar 2010 geführt hat.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. September 2008 aufzuheben und nach den Anträgen in ihren Schriftsätzen vom 10. April 2006 und 21. Januar 2010 zu erkennen.
Die Beklagte bezieht sich auf die Entscheidung des SG und beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. September 2008 zurückzuweisen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass die jeweiligen Rentenanpassungen nicht Gegenstand des Überprüfungsverfahrens geworden sind, das die Klägerin mit dem am 7. Juli 2005 eingegangenen Überprüfungsantrag eingeleitet hat (vgl. auch die Urteile des erkennenden Senats vom 25. August 2011 – L 1 R 184/09 und L 1 R 384/09; die Klägerinnen in diesen Verfahren waren von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wie hier).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 11. April 2001, zuletzt in der Gestalt des Bescheides vom 13. Januar 2010 (welcher gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist), weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 22. September 2008 und macht sie sich zu eigen, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Verwaltungsentscheidung nicht deswegen rechtswidrig ist, weil die Beklagte nicht den aktuellen Rentenwert nach § 68 Abs. 1 SGB VI, sondern den Rentenwert Ost nach § 255a SGB VI zugrunde gelegt hat. § 255a Abs. 1 SGB VI enthält die Festlegung, dass der aktuelle Rentenwert (Ost) der Betrag ist, der sich ergibt, wenn das Verhältnis der Standardrente Ost zur Standardrente West auf den aktuellen Rentenwert für die alten Bundesländer übertragen wird. Dabei ist als Standardrente Ost entsprechend den Festlegungen im Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 von der Rente eines Versicherten mit 45 Arbeitsjahren auszugehen, dessen Verdienst jeweils dem volkswirtschaftlichen Durchschnittsverdienst entsprochen hat (BT-Drs. 12/405 zu § 255a, S. 126 - 127).
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Anwendung des § 256a SGB VI durch die Beklagte. Die Vorschrift regelt die Ermittlung von Entgeltpunkten aus nachgewiesenen Beitragszeiten im Beitrittsgebiet. Die Ermittlung von Entgeltpunkten erfolgt aufgrund der individuellen Verdienste des Versicherten und der Durchschnittsentgelte. Zuvor werden die Individualverdienste jedoch mit den Faktoren der Anlage 10 (Verhältniswerte Durchschnittsentgelte West zu Ost) umgerechnet, so dass sie den Entgelten in den alten Bundesländern vergleichbar sind. Das so ermittelte Entgelt ist dann an der Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 2 und am Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zu messen. Damit wird gewährleistet, dass z. B. der Durchschnittsverdiener im Beitrittsgebiet für ein Jahr ebenso einen Entgeltpunkt erhält, wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst im alten Bundesgebiet (BT-Drs. 12/405 zu § 256a, S. 127).
Diese Regelungen des SGB VI sind auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz) vor. Ist eine Regelung, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, so genügt sie dessen Anforderungen, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zugrunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist (BVerfG, Beschluss vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99 und 1 BvR 1028/03 – juris). Der Bundesgesetzgeber ist hier diesen Anforderungen nach Überzeugung des Senats nachgekommen.
Der Senat sieht sich nicht veranlasst, das Verfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hiernach ist ein gerichtliches Verfahren auszusetzen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Der Senat geht jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht von einer Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen aus.
Den Beweisanregungen der Klägerin war nicht nachzugehen. Diese beziehen sich nicht auf die konkrete Rentenberechnung, sondern auf sozialpolitische Erwägungen, derentwegen kein Aufklärungsbedarf besteht. Auch die abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nation nach dessen Sitzung vom 20. Mai 2011 haben für das vorliegende Verfahren keine rechtliche Relevanz.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Eine anteilige Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Klägerin durch die Beklagte im Hinblick auf den Überprüfungsantrag vom 18. November 2008 kam nicht in Betracht. Zwar hat die Beklagte aufgrund dieses Überprüfungsantrages die Altersrente der Klägerin mit Bescheid vom 13. Januar 2010 neu berechnet, indem sie für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 30. Juni 1990 höhere Entgelte bei der Rentenberechnung eingestellt hat. Für die Kostenentscheidung fällt dies aber nicht ins Gewicht, weil sich die Entgeltpunkte verhältnismäßig gering von 41,4077 (Bescheid vom 11. April 2001) auf 42,3849 (Bescheid vom 13. Januar 2010) erhöht haben. Angesichts dessen waren die genaue Kenntnis des Überprüfungsantrages und des sich daran anschließenden Verfahrens bis zur Bescheiderteilung vom 13. Januar 2010 nicht erforderlich.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben sich in beiden Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte die Altersrente der Klägerin in zutreffender Höhe festgestellt hat.
Die am ... 1941 geborene Klägerin war vom August 1959 bis zum Juli 1968, unterbrochen durch Schwangerschaft und Kinderbetreuung, als Erzieherin und anschließend ab August 1986 als Hortleiterin tätig. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) hat sie nicht entrichtet. Durch Urkunde vom 9. Oktober 1962 wurde sie mit Wirkung ab 1. September 1962 in die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVIwiss) einbezogen. Mit Wirkung ab 1. September 1976 galt für sie ausweislich eines entsprechenden Vermerks auf der Urkunde die Verordnung über die zusätzliche Versorgung der Pädagogen (AVPäd). Mit Bescheid vom 21. November 1996 in der Gestalt des Bescheides vom 30. Dezember 1996 stellte die Beklagte in ihrer Funktion als Zusatzversorgungsträger die Zeit vom 1. August 1961 bis zum 18. August 1963, vom 5. November 1963 bis zum 14. Dezember 1963 und vom 15. August 1966 bis zum 31. August 1976 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVIwiss sowie die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVPäd, jeweils mit den entsprechenden Entgelten, fest.
Auf ihren Antrag vom 9. Januar 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 11. April 2001 eine Altersrente für Frauen mit einem Rentenbeginn am 1. April 2001.
Am 7. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Rentenbescheides gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die in der DDR rechtmäßig erworbenen Anwartschaften auf Rente aus der Sozialversicherung müssten bis zur Beitragsbemessungsgrenze in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Daneben müssten die Ansprüche aus der Zusatzversorgung in vollem Umfang berücksichtigt werden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. August 2005 ab. Die Klägerin legte dagegen am 1. September 2005 Widerspruch ein und trug vor, die Beklagte missachte ihre Ansprüche auf Vollversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem. Die Verweigerung der Rentenangleichung Ost an West, die sich im Zusammenhang mit der Unterlassung der Rentendynamisierung ab 1. Juli 2000 ergebe, verletze die Zusicherungen des Einigungsvertrages und des Grundgesetzes, durch die in der DDR rechtmäßig erworbene Ansprüche geschützt werden sollten. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2006 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 18. Januar 2006 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben, ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft und vorgetragen, sie werde um einen wesentlichen Teil ihrer Lebensleistung in der DDR gebracht. Das SG müsse ausgehend von seiner Amtsermittlungspflicht Beweis erheben über die Differenzen, die sich für den Wert des Alterseinkommens zum 1. Juli 1990, zum 31. Dezember 1991, zum 1. Januar 1992, zum 1. Juli 2000 und zum 1. April 2004 ergeben. Die ihr gegenüber praktizierte, auf die Versichertenrente gekürzte Rentenberechnung bewirke einen entschädigungslosen Eingriff in ihr mitgebrachtes Eigentum. Die Verfahrensweise sei moralisch verwerflich, politisch verfehlt und juristisch unzulässig. Sie verletze den Grundkonsens des Einigungsvertrages, das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und den Anstand.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. September 2008 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit es um die Rentenanpassungen gehe. Denn durch diese werde nicht die Grundlage der Rentenberechnung festgelegt. Soweit die Klage nicht bereits unzulässig sei, sei sie unbegründet. Denn die Altersrente der Klägerin sei von der Beklagten zutreffend festgestellt worden. Die Rentenberechnung entspreche dem geltenden Recht. Die angewendeten Vorschriften seien auch nicht verfassungswidrig.
Gegen das am 27. November 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Dezember 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das Rentenüberleitungsgesetz und der Bruch des Einigungsvertrages, des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention hätten einen "Schandfleck im Einigungsprozess" geschaffen. Sie erwarte, dass der Senat durch im Rahmen der Amtsermittlung gebotene Maßnahmen dazu beitrage, zu "ganzheitlichen, umfassenden und gerechteren Übergangsregelungen sowie zu diesen Zielen entsprechenden Einzelentscheidungen zu kommen". Im Übrigen verweist sie auf die abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen vom 20. Mai 2011.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2010 hat die Beklagte die Altersrente der Klägerin aufgrund eines Überprüfungsantrages vom 18. November 2008 neu berechnet, indem sie für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 30. Juni 1990 höhere Entgelte berücksichtigte. Der Senat hat – letztlich erfolglos – versucht, von der Beklagten den Überprüfungsantrag zu erhalten, der zu dem Bescheid vom 13. Januar 2010 geführt hat.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. September 2008 aufzuheben und nach den Anträgen in ihren Schriftsätzen vom 10. April 2006 und 21. Januar 2010 zu erkennen.
Die Beklagte bezieht sich auf die Entscheidung des SG und beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. September 2008 zurückzuweisen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
Das SG hat zutreffend entschieden, dass die jeweiligen Rentenanpassungen nicht Gegenstand des Überprüfungsverfahrens geworden sind, das die Klägerin mit dem am 7. Juli 2005 eingegangenen Überprüfungsantrag eingeleitet hat (vgl. auch die Urteile des erkennenden Senats vom 25. August 2011 – L 1 R 184/09 und L 1 R 384/09; die Klägerinnen in diesen Verfahren waren von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wie hier).
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 11. April 2001, zuletzt in der Gestalt des Bescheides vom 13. Januar 2010 (welcher gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist), weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 22. September 2008 und macht sie sich zu eigen, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Verwaltungsentscheidung nicht deswegen rechtswidrig ist, weil die Beklagte nicht den aktuellen Rentenwert nach § 68 Abs. 1 SGB VI, sondern den Rentenwert Ost nach § 255a SGB VI zugrunde gelegt hat. § 255a Abs. 1 SGB VI enthält die Festlegung, dass der aktuelle Rentenwert (Ost) der Betrag ist, der sich ergibt, wenn das Verhältnis der Standardrente Ost zur Standardrente West auf den aktuellen Rentenwert für die alten Bundesländer übertragen wird. Dabei ist als Standardrente Ost entsprechend den Festlegungen im Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 von der Rente eines Versicherten mit 45 Arbeitsjahren auszugehen, dessen Verdienst jeweils dem volkswirtschaftlichen Durchschnittsverdienst entsprochen hat (BT-Drs. 12/405 zu § 255a, S. 126 - 127).
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Anwendung des § 256a SGB VI durch die Beklagte. Die Vorschrift regelt die Ermittlung von Entgeltpunkten aus nachgewiesenen Beitragszeiten im Beitrittsgebiet. Die Ermittlung von Entgeltpunkten erfolgt aufgrund der individuellen Verdienste des Versicherten und der Durchschnittsentgelte. Zuvor werden die Individualverdienste jedoch mit den Faktoren der Anlage 10 (Verhältniswerte Durchschnittsentgelte West zu Ost) umgerechnet, so dass sie den Entgelten in den alten Bundesländern vergleichbar sind. Das so ermittelte Entgelt ist dann an der Beitragsbemessungsgrenze nach Anlage 2 und am Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zu messen. Damit wird gewährleistet, dass z. B. der Durchschnittsverdiener im Beitrittsgebiet für ein Jahr ebenso einen Entgeltpunkt erhält, wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst im alten Bundesgebiet (BT-Drs. 12/405 zu § 256a, S. 127).
Diese Regelungen des SGB VI sind auch nicht verfassungswidrig. Insbesondere liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz) vor. Ist eine Regelung, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, so genügt sie dessen Anforderungen, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zugrunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist (BVerfG, Beschluss vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99 und 1 BvR 1028/03 – juris). Der Bundesgesetzgeber ist hier diesen Anforderungen nach Überzeugung des Senats nachgekommen.
Der Senat sieht sich nicht veranlasst, das Verfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Hiernach ist ein gerichtliches Verfahren auszusetzen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Der Senat geht jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht von einer Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen aus.
Den Beweisanregungen der Klägerin war nicht nachzugehen. Diese beziehen sich nicht auf die konkrete Rentenberechnung, sondern auf sozialpolitische Erwägungen, derentwegen kein Aufklärungsbedarf besteht. Auch die abschließenden Bemerkungen des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nation nach dessen Sitzung vom 20. Mai 2011 haben für das vorliegende Verfahren keine rechtliche Relevanz.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Eine anteilige Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Klägerin durch die Beklagte im Hinblick auf den Überprüfungsantrag vom 18. November 2008 kam nicht in Betracht. Zwar hat die Beklagte aufgrund dieses Überprüfungsantrages die Altersrente der Klägerin mit Bescheid vom 13. Januar 2010 neu berechnet, indem sie für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 30. Juni 1990 höhere Entgelte bei der Rentenberechnung eingestellt hat. Für die Kostenentscheidung fällt dies aber nicht ins Gewicht, weil sich die Entgeltpunkte verhältnismäßig gering von 41,4077 (Bescheid vom 11. April 2001) auf 42,3849 (Bescheid vom 13. Januar 2010) erhöht haben. Angesichts dessen waren die genaue Kenntnis des Überprüfungsantrages und des sich daran anschließenden Verfahrens bis zur Bescheiderteilung vom 13. Januar 2010 nicht erforderlich.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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