Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KR 44/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 wird festgestellt, dass die Klägerin über den 03.05.1995 hinaus bei der Beklagten familienversichert ist. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Gründe:
I.
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Familienversicherung ohne Altersgrenze.
Die am 00.00.1972 geborene Klägerin leidet an den Folgen einer Polytoxikomanie mit Persönlichkeitsabbau sowie einem organischen Psychosyndrom mit kognitiven Defiziten und einer spastischen Gangstörung bei Zustand nach einer im Rahmen einer kombi-nierten Alkohol-, Drogen- und Medikamentenintoxikation am 20.01.1988 erlittenen toxischen Hirnschädigung. Sie stand deswegen vom 22.02.1989 bis zum 06.08.1991 in stationärer Behandlung des neurologischen Rehabilitationskrankenhauses für Kinder und Jugendliche in H; weiteren, nach Entlassung vorgesehenen Eingliederungsmaßnahmen entzog sie sich. Ein arbeitsamtsärztliches Gutachten von Dr. G, Arbeitsamt Herford, vom 15.01.1992 beurteilte insoweit seinerzeit das Leistungsvermögen der Klägerin dahingehend, dass bei noch deutlicher spastischer Störung der unteren Gliedmaßen, Labilität, geminderter Konzentrationsfähigkeit und dauerhaften Folgen des toxischen Hirnschadens die Klägerin nicht in der Lage sei, einer leistungsbezogenen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzukommen; anzustreben sei eine Eingliederung in eine Werkstatt für Behinderte. Das Versorgungsamt Stuttgart stellte mit Bescheid vom 16.08.1990 wegen der verbliebenen Behinderungen einen Grad der Behinderung -GdB- von 80 vom Hundert (v.H.) unter Zuerkennung der Nachteils-ausgleiche G, B und H fest, wobei es den GdB mit weiterem Bescheid mit Wirkung zum 25.01.1993 unter Aberkennung des Nachteilsausgleiches H mit der Begründung, die Behinderungen hätten sich gebessert, herabsetzte; Grundlage hierfür waren Angaben des Orthopäden Dr. B aus S in einem Befundbericht vom 23.07.1992 über einen guten Allgemein- und Ernährungszustand der Klägerin. Eine Erwerbstätigkeit hat die Klägerin niemals ausgeübt. Erstmals stand sie wegen epileptischer Krampfanfälle, deren Ursache in einer weiter bestehenden Polytoxikomanie bei fortlaufendem Alkoholmissbrauch gesehen wurden, vom 18.10. bis 21.10.1994 in stationärer Behandlung der Psychiatrischen Klinik des Krankenhauses M; zahlreiche weitere stationäre Behandlungen erfolgten ab 1998 im Sinne stationärer Entgiftungsbehandlungen bei wiederkehrenden cerebralen Krampfanfällen, wobei sich einer zunehmender körperlicher Verfall und Persönlichkeitsabbau aufzeigte. Es erfolgte deshalb 2002 die Aufnahme der Klägerin in der Betreuungs- und Pflegeeinrichtung H1 in R. Zu Krampfanfällen ist es seitdem nicht mehr gekommen.
Über ihren Vater X E als Stammversicherten, welcher seit dem 12.02.1987 bei der Beklagten krankenversichert ist, bestand für die Klägerin bis zum 03.05.1995, der Vollendung ihres 23. Lebensjahres, eine Familienversicherung. Die Klägerin beantragte im Juni 2000 Feststellung, auch hierüber hinaus familienversichert zu sein und machte geltend, seit 1988 aufgrund dauerhafter Behinderung wegen des toxischen Hirnschadens sowie der spastischen Lähmungen nicht in der Lage zu sein, sich selbst zu unterhalten. Antragsunterstützend verwies sie auf eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. U, F (vom 19.06.2000), bei welchem sie im Mai 1997 in Behandlung stand, sowie einen Behandlungsbericht der Klinik für Psychiatrie des Krankenhauses M über dortige stationäre Behandlung vom 09.10. bis 26.11.1999 wegen der bekannten Leiden.
Mit Bescheid vom 03.07.2000 stellte die Beklagte fest, eine Familienversicherung über den Stammversicherten sei nicht möglich, da nicht nachgehalten werden könne, wann die Behinderung eingetreten sei. Mit dem hiergegen am 21.05.2001 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre Behinderung bestehe zumindest seit 1988; da sie zum damaligen Zeitpunkt über den Stammversicherten familienversichert gewesen sei, bestände weiterhin, da sie aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, ein Anspruch auf Versicherung ohne Altersgrenze. Wider-spruchsunterstützend verwies sie auf die versorgungs- und arbeitsamtsärztlichen Feststellungen sowie ärztliche Bescheinigungen des Krankenhauses M (vom 04.11.1999 und 13.03.2001) in welchen aufgrund der Erkrankungen die Unterbringung in einer betreuten Wohneinrichtung für erforderlich erachtet wurde, da die Klägerin zu einer eigenständigen selbstverantwortlichen Lebensplanung nicht in der Lage sei. Dr. C, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, gelangte insoweit in einem sozialmedizinsichen Gutachten nach Aktenlage unter Würdigung der bis dahin vorliegenden Unterlagen zu der Auffassung, bei der Klägerin läge eine schwere körperliche und geistige Behinderung auf dem Boden eines hypoxischen Hirnschadens vor, welche sie außerstande setze, sich selbst zu unterhalten (Stellungnahme vom 15.08.2000). Dementgegen vertrat Dr. G1, MDK Baden-Württemberg, in einer sozialmedizinischen Stellungnahme (vom 29.01.2002) die Auffassung, unter Berücksichtigung eines ärztlichen Befundberichtes des Jugendwerkes H vom 15.06.1990 sei zu entnehmen, dass seinerzeit noch ein gutes Rehabilitationspotential bestanden habe, die Klägerin dieses jedoch nicht ausreichend wahrgenommen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2002 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück; es möge sein, dass die Klägerin nunmehr außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die Behinderung bereits in der Zeit der Familienversicherung bis zum 23. Lebensjahr vorgelegen habe.
Hiergegen richtet sich die am 20.08.2002 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie vertritt die Auffassung, die vorliegenden ärztlichen Berichte belegten eindeutig, dass sie wegen der verbliebenen geistigen und körperlichen Folgen des 1988 erlittenen hypoxischen Hirnschadens seitdem weder in der Lage gewesen sei, selbständig zu leben, geschweige denn sich selbst zu unterhalten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 festzustellen, dass sie über den 03.05.1995 hinaus familienversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht zunächst die Ausführungen ihrer Verwaltungsentscheidungen zum Gegenstand ihrer Klageerwiderung und bekräftigt ihre Auffassung, das Vorliegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung bereits vor Vollendung des 23. Lebensjahres und hierüber hinaus, aufgrund derer die Klägerin außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, sei nicht hinreichend nachgewiesen. Vielmehr sei sie trotz der intoxikationsbedingten Folgen mit Sicherheit noch zur Zeit des Bestehens der Familienversicherung in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten; bei einem noch 1990 im Rahmen des Aufenthaltes im Jugendwerk H beschriebenen Rehabilitationspotentials habe ihr Gesundheitszustand kein Unvermögen, sich selbst zu unterhalten, bedingt, vielmehr habe die Klägerin bei grundsätzlich behandelbarer Polytoxikomanie und Suchtverhalten einen anderen Lebensweg gewählt.
Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 10.09.2002 und 03.07.2003 den Landrat des Kreises Minden-Lübbecke sowie den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Er vertritt die Auffassung, es sei zwar anzunehmen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Laufe der letzten Jahre verschlechtert habe, die vorliegenden ärztlichen Bericht belegten jedoch hinreichend, dass sie seit der 1988 erlittenen Intoxikation über den gesamten Zeitraum bis zum heutigen Tag nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst zu unterhalten; ob sie früher noch über ein Rehabilitationspotential verfügt und dieses nicht ausreichend wahrgenommen habe, sei für die Beurteilung des Sachverhalts unerheblich.
Der Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung vom Krankenhaus M Behandlungsberichte betreffend dortige stationäre Behandlungen der Klägerin in den Jahren 1994 bis 2002 sowie die die Klägerin betreffenden Betreuungsakten des Amtsgerichts Minden und die beim Versorgungsamt Bielefeld geführten Schwerbehindertenakten beigezogen. Das Gericht hat ferner von dem Arzt für Allgemeinmedizin E1 in F, bei dessen Praxisvorgänger Dr. I die Klägerin von Juli 1992 bis Mai 1997 in Behandlung stand, einen Befund- und Behandlungsbericht eingeholt und die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 25.06.2004 persönlich gehört. Zu der Frage, an welchen Gesundheitsstörungen bzw. Behinderungen die Klägerin seit wann leide und ob sie deshalb gehindert sei, bzw. gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, hat abschließend nach Maßgabe der Beweisanordnung vom 09.08.2004 Dr. G2, Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Krankenhauses M, ein nervenärztliches Gutachten erstattet. Auf den näheren Inhalt des Gutachtens vom 07.01.2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Kassenakte verwiesen.
II.
Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Streitsache auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 SGG statthafte Klage ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin ist über die Vollendung ihres 23. Lebensjahres hinaus über die Stammversicherung ihres Vaters familienversichert. Der entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 03.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 war daher aufzuheben, weil er die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 des 5. Sozialgesetzbuches -SGB V- in der hier maßgeblichen, bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung ist ein Kind ohne Altersgrenze familienversichert, sofern es die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB V erfüllt und wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Weitere Voraussetzung ist, dass die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nr. 1, 2 oder 3 versichert war (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 2.Halbsatz SGB V).
Diese Voraussetzungen liegen vor; die Klägerin war unstreitig gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB V, da sie nicht erwerbstätig war, bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, mithin bis zum 03.05.1995, familienversichert. Bereits zu diesem Zeitpunkt litt sie an einer bis zum heutigen Tage andauernden Behinderung, die sie außerstande setzte, sich selbst zu unterhalten.
Der Gesundheitszustand der Klägerin wich bereits vor Vollendung des 23. Lebensjahres für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten von der für ihr Lebensalter normalen Konstitution erheblich ab, so dass sie an einer Behinderung im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V litt (siehe jetzt auch die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Satz 1 des 9. Sozialgesetzbuches -SGB IX-, auf welchen § 10 Abs. 2 Nr. 4 in der seit dem 01.07.2001 geltenden Fassung Bezug nimmt). Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren unter besonderer Berücksichtigung der Darlegungen des Sachverständigen Dr. G2 fest. Unter zutreffender Würdigung der zahlreichen ärztlichen Behandlungsberichte, maßgeblich des Krankenhauses M, sowie des Inhalts der im Weiteren beigezogenen Verwaltungsakten des Versorgungsamtes Bielefeld sowie des Amtsgerichts Rahden hat dieser schlüssig und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin aufgrund des 1988 erlittenen hypoxischen Hirnschadens mit hieraus resultierender spastischer Parese der Beine und multiplem Substanzgebrauch von Alkohol, Drogen und Medikamenten im Sinne einer Polytoxikomanie unter einer kombinierten organisch-psychischen Störung leidet, welche gekennzeichnet ist durch kognitive Störungen, emotionale Labilität, gestörtem Durchhaltevermögen und reduzierter Fähigkeit zu zielgerichteten Aktivitäten. Dass diese Störungen nicht nur 1995, sondern bereits 1988 vorlagen und mit einem körperlich und geistig aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin einhergingen, ist für das Gericht unzweifelhaft. Soweit die Beklagte in Kenntnis der zahlreichen ärztlichen Behandlungsberichte sowie des schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen, dessen Beurteilung im Übrigen besondere Bedeutung zukommt, da er seinerzeit im Krankenhaus M mitbehandelnder Arzt der Klägerin gewesen ist, lapidar bei ihrer Auffassung verbleibt, die Klägerin habe sich selbst für den von ihr eingeschlagenen Lebensweg entschlossen, ist dies bestenfalls als unsubstanziiert zu beurteilen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin noch 1990 über ein etwaig vorhandenes Rehabilitationspotential verfügte, jedenfalls hat sie dieses nicht ausgeschöpft. So belegt der Zwischenbericht des Jugendwerks H jedenfalls seinerzeit erhebliche Defizite im neuropsychologischen Bereich, Verhaltensauffälligkeiten sowie die nach toxischer Hirnschädigung verbliebenen körperlichen Einschränkungen mit spastischer Paraparese, beeinträchtigtem Gehvermögen und Koordinationsstörungen, aufgrund derer die Klägerin weder für in der Lage gehalten wurde, selbständig zu leben noch einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Bestätigt wird dies für das Jahr 1992 durch das arbeitsamtsärztliche Gutachten, in welchem die auch heute noch andauernden Folgen der Polytoxikomanie sowie des hypoxischen Hirnschadens im Sinne einer Labilität, hirnorganischen Schäden sowie geminderter Konzentrationsfähigkeit beschrieben wurden, aufgrund derer der Klägerin vom Versorgungsamt auch der Nachteilsausgleich "H" zuerkannt worden ist; soweit eine Aberkennung dessen mit Bescheid vom 06.11.1992 erfolgt ist, lag der maßgeblichen versorgungsamtsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme der insoweit nicht aussagefähige schriftliche Befundbericht des Orthopäden Dr. B zugrunde, welcher sich in der Beschreibung eines orthopädischen Befundes sowie der Aussage eines guten Allgemein- und Ernährungszustandes erschöpft. Wenn auch zu vergegenwärtigen ist, dass hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1998 ärztliche Behandlungsberichte des Krankenhauses S nicht vorliegen, ist dennoch festzustellen, dass die Klägerin auch zwischenzeitlich unter den seit 1994 beobachteten epileptischen, wahrscheinlich intoxikations- bzw. entzugsbedingten cerebralen Krampfanfällen litt und insoweit, was der Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin E1 belegt, auch in dieser Zeit, so im September 1995, in Behandlung wegen Krampfanfällen sowie den Folgen des hypoxischen Hirnschadens sowie der Polytoxikomanie stand. Weitere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang der Inhalt des im Rahmen des Betreuungsverfahrens von Dr. F1 erstatteten Gutachtens, wonach die Klägerin dem Gesundheitsamt des Kreises Minden-Lübbecke seit langem wegen ihrer polyvalenten Suchtmittelabhängigkeit bekannt war und welches ebenfalls in psychischer Hinsicht deutliche Einschränkungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie psychomotorische Verlangsamung beschreibt und letztlich in die gleiche Aussage wie auch bereits das arbeitsamtsärztliche Gutachten sowie der Bericht des Jugendwerkes H einmündet, dass die Klägerin lediglich in der Lage sei, unter beschützenden Bedingungen in einer Einrichtung betreuten Wohnens zu Leben, nicht jedoch ihre sonstigen Angelegenheiten selbst zu regeln. Insgesamt ist das Gericht daher davon überzeugt, dass die Klägerin bereits weit vor Vollendung des 23. Lebensjahres bis heute unter einer kombiniert organisch-psychischen Störung litt.
Diese Behinderung hinderte die Klägerin auch dauerhaft bis heute sich selbst zu unterhalten, d.h. eine Erwerbstätigkeit von gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und einen Verdienst oder sonstiges Einkommen zu erzielen, das dem Bestreiten ihres Lebensunterhaltes diente. Weder war sie in der Lage, eine auch nur körperlich leichte noch eine geistig einfache Tätigkeit unter üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten. Da substanziierte Einwendungen insoweit beklagtenseits nicht erhoben werden, wird auf die Ausführungen des Sachverständigen Bezug genommen, wobei festzustellen ist, dass auch die gutachterliche Stellungnahme von Dr. C vom MDK gleichfalls bereits von einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung mit Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, ausging.
Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB V in der Person der Klägerin vorgelegen haben, war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I.
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Familienversicherung ohne Altersgrenze.
Die am 00.00.1972 geborene Klägerin leidet an den Folgen einer Polytoxikomanie mit Persönlichkeitsabbau sowie einem organischen Psychosyndrom mit kognitiven Defiziten und einer spastischen Gangstörung bei Zustand nach einer im Rahmen einer kombi-nierten Alkohol-, Drogen- und Medikamentenintoxikation am 20.01.1988 erlittenen toxischen Hirnschädigung. Sie stand deswegen vom 22.02.1989 bis zum 06.08.1991 in stationärer Behandlung des neurologischen Rehabilitationskrankenhauses für Kinder und Jugendliche in H; weiteren, nach Entlassung vorgesehenen Eingliederungsmaßnahmen entzog sie sich. Ein arbeitsamtsärztliches Gutachten von Dr. G, Arbeitsamt Herford, vom 15.01.1992 beurteilte insoweit seinerzeit das Leistungsvermögen der Klägerin dahingehend, dass bei noch deutlicher spastischer Störung der unteren Gliedmaßen, Labilität, geminderter Konzentrationsfähigkeit und dauerhaften Folgen des toxischen Hirnschadens die Klägerin nicht in der Lage sei, einer leistungsbezogenen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzukommen; anzustreben sei eine Eingliederung in eine Werkstatt für Behinderte. Das Versorgungsamt Stuttgart stellte mit Bescheid vom 16.08.1990 wegen der verbliebenen Behinderungen einen Grad der Behinderung -GdB- von 80 vom Hundert (v.H.) unter Zuerkennung der Nachteils-ausgleiche G, B und H fest, wobei es den GdB mit weiterem Bescheid mit Wirkung zum 25.01.1993 unter Aberkennung des Nachteilsausgleiches H mit der Begründung, die Behinderungen hätten sich gebessert, herabsetzte; Grundlage hierfür waren Angaben des Orthopäden Dr. B aus S in einem Befundbericht vom 23.07.1992 über einen guten Allgemein- und Ernährungszustand der Klägerin. Eine Erwerbstätigkeit hat die Klägerin niemals ausgeübt. Erstmals stand sie wegen epileptischer Krampfanfälle, deren Ursache in einer weiter bestehenden Polytoxikomanie bei fortlaufendem Alkoholmissbrauch gesehen wurden, vom 18.10. bis 21.10.1994 in stationärer Behandlung der Psychiatrischen Klinik des Krankenhauses M; zahlreiche weitere stationäre Behandlungen erfolgten ab 1998 im Sinne stationärer Entgiftungsbehandlungen bei wiederkehrenden cerebralen Krampfanfällen, wobei sich einer zunehmender körperlicher Verfall und Persönlichkeitsabbau aufzeigte. Es erfolgte deshalb 2002 die Aufnahme der Klägerin in der Betreuungs- und Pflegeeinrichtung H1 in R. Zu Krampfanfällen ist es seitdem nicht mehr gekommen.
Über ihren Vater X E als Stammversicherten, welcher seit dem 12.02.1987 bei der Beklagten krankenversichert ist, bestand für die Klägerin bis zum 03.05.1995, der Vollendung ihres 23. Lebensjahres, eine Familienversicherung. Die Klägerin beantragte im Juni 2000 Feststellung, auch hierüber hinaus familienversichert zu sein und machte geltend, seit 1988 aufgrund dauerhafter Behinderung wegen des toxischen Hirnschadens sowie der spastischen Lähmungen nicht in der Lage zu sein, sich selbst zu unterhalten. Antragsunterstützend verwies sie auf eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. U, F (vom 19.06.2000), bei welchem sie im Mai 1997 in Behandlung stand, sowie einen Behandlungsbericht der Klinik für Psychiatrie des Krankenhauses M über dortige stationäre Behandlung vom 09.10. bis 26.11.1999 wegen der bekannten Leiden.
Mit Bescheid vom 03.07.2000 stellte die Beklagte fest, eine Familienversicherung über den Stammversicherten sei nicht möglich, da nicht nachgehalten werden könne, wann die Behinderung eingetreten sei. Mit dem hiergegen am 21.05.2001 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre Behinderung bestehe zumindest seit 1988; da sie zum damaligen Zeitpunkt über den Stammversicherten familienversichert gewesen sei, bestände weiterhin, da sie aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, ein Anspruch auf Versicherung ohne Altersgrenze. Wider-spruchsunterstützend verwies sie auf die versorgungs- und arbeitsamtsärztlichen Feststellungen sowie ärztliche Bescheinigungen des Krankenhauses M (vom 04.11.1999 und 13.03.2001) in welchen aufgrund der Erkrankungen die Unterbringung in einer betreuten Wohneinrichtung für erforderlich erachtet wurde, da die Klägerin zu einer eigenständigen selbstverantwortlichen Lebensplanung nicht in der Lage sei. Dr. C, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, gelangte insoweit in einem sozialmedizinsichen Gutachten nach Aktenlage unter Würdigung der bis dahin vorliegenden Unterlagen zu der Auffassung, bei der Klägerin läge eine schwere körperliche und geistige Behinderung auf dem Boden eines hypoxischen Hirnschadens vor, welche sie außerstande setze, sich selbst zu unterhalten (Stellungnahme vom 15.08.2000). Dementgegen vertrat Dr. G1, MDK Baden-Württemberg, in einer sozialmedizinischen Stellungnahme (vom 29.01.2002) die Auffassung, unter Berücksichtigung eines ärztlichen Befundberichtes des Jugendwerkes H vom 15.06.1990 sei zu entnehmen, dass seinerzeit noch ein gutes Rehabilitationspotential bestanden habe, die Klägerin dieses jedoch nicht ausreichend wahrgenommen habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2002 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück; es möge sein, dass die Klägerin nunmehr außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die Behinderung bereits in der Zeit der Familienversicherung bis zum 23. Lebensjahr vorgelegen habe.
Hiergegen richtet sich die am 20.08.2002 erhobene Klage, mit welcher die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie vertritt die Auffassung, die vorliegenden ärztlichen Berichte belegten eindeutig, dass sie wegen der verbliebenen geistigen und körperlichen Folgen des 1988 erlittenen hypoxischen Hirnschadens seitdem weder in der Lage gewesen sei, selbständig zu leben, geschweige denn sich selbst zu unterhalten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 festzustellen, dass sie über den 03.05.1995 hinaus familienversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht zunächst die Ausführungen ihrer Verwaltungsentscheidungen zum Gegenstand ihrer Klageerwiderung und bekräftigt ihre Auffassung, das Vorliegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung bereits vor Vollendung des 23. Lebensjahres und hierüber hinaus, aufgrund derer die Klägerin außerstande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, sei nicht hinreichend nachgewiesen. Vielmehr sei sie trotz der intoxikationsbedingten Folgen mit Sicherheit noch zur Zeit des Bestehens der Familienversicherung in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten; bei einem noch 1990 im Rahmen des Aufenthaltes im Jugendwerk H beschriebenen Rehabilitationspotentials habe ihr Gesundheitszustand kein Unvermögen, sich selbst zu unterhalten, bedingt, vielmehr habe die Klägerin bei grundsätzlich behandelbarer Polytoxikomanie und Suchtverhalten einen anderen Lebensweg gewählt.
Das Gericht hat mit Beschlüssen vom 10.09.2002 und 03.07.2003 den Landrat des Kreises Minden-Lübbecke sowie den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag der Klägerin an. Er vertritt die Auffassung, es sei zwar anzunehmen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Laufe der letzten Jahre verschlechtert habe, die vorliegenden ärztlichen Bericht belegten jedoch hinreichend, dass sie seit der 1988 erlittenen Intoxikation über den gesamten Zeitraum bis zum heutigen Tag nicht in der Lage gewesen sei, sich selbst zu unterhalten; ob sie früher noch über ein Rehabilitationspotential verfügt und dieses nicht ausreichend wahrgenommen habe, sei für die Beurteilung des Sachverhalts unerheblich.
Der Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.
Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung vom Krankenhaus M Behandlungsberichte betreffend dortige stationäre Behandlungen der Klägerin in den Jahren 1994 bis 2002 sowie die die Klägerin betreffenden Betreuungsakten des Amtsgerichts Minden und die beim Versorgungsamt Bielefeld geführten Schwerbehindertenakten beigezogen. Das Gericht hat ferner von dem Arzt für Allgemeinmedizin E1 in F, bei dessen Praxisvorgänger Dr. I die Klägerin von Juli 1992 bis Mai 1997 in Behandlung stand, einen Befund- und Behandlungsbericht eingeholt und die Klägerin im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 25.06.2004 persönlich gehört. Zu der Frage, an welchen Gesundheitsstörungen bzw. Behinderungen die Klägerin seit wann leide und ob sie deshalb gehindert sei, bzw. gewesen sei, sich selbst zu unterhalten, hat abschließend nach Maßgabe der Beweisanordnung vom 09.08.2004 Dr. G2, Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Krankenhauses M, ein nervenärztliches Gutachten erstattet. Auf den näheren Inhalt des Gutachtens vom 07.01.2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Kassenakte verwiesen.
II.
Das Gericht konnte nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Streitsache auch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 SGG statthafte Klage ist zulässig und auch begründet.
Die Klägerin ist über die Vollendung ihres 23. Lebensjahres hinaus über die Stammversicherung ihres Vaters familienversichert. Der entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 03.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2002 war daher aufzuheben, weil er die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 des 5. Sozialgesetzbuches -SGB V- in der hier maßgeblichen, bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung ist ein Kind ohne Altersgrenze familienversichert, sofern es die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB V erfüllt und wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Weitere Voraussetzung ist, dass die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nr. 1, 2 oder 3 versichert war (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 2.Halbsatz SGB V).
Diese Voraussetzungen liegen vor; die Klägerin war unstreitig gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB V, da sie nicht erwerbstätig war, bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, mithin bis zum 03.05.1995, familienversichert. Bereits zu diesem Zeitpunkt litt sie an einer bis zum heutigen Tage andauernden Behinderung, die sie außerstande setzte, sich selbst zu unterhalten.
Der Gesundheitszustand der Klägerin wich bereits vor Vollendung des 23. Lebensjahres für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten von der für ihr Lebensalter normalen Konstitution erheblich ab, so dass sie an einer Behinderung im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V litt (siehe jetzt auch die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Satz 1 des 9. Sozialgesetzbuches -SGB IX-, auf welchen § 10 Abs. 2 Nr. 4 in der seit dem 01.07.2001 geltenden Fassung Bezug nimmt). Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren unter besonderer Berücksichtigung der Darlegungen des Sachverständigen Dr. G2 fest. Unter zutreffender Würdigung der zahlreichen ärztlichen Behandlungsberichte, maßgeblich des Krankenhauses M, sowie des Inhalts der im Weiteren beigezogenen Verwaltungsakten des Versorgungsamtes Bielefeld sowie des Amtsgerichts Rahden hat dieser schlüssig und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin aufgrund des 1988 erlittenen hypoxischen Hirnschadens mit hieraus resultierender spastischer Parese der Beine und multiplem Substanzgebrauch von Alkohol, Drogen und Medikamenten im Sinne einer Polytoxikomanie unter einer kombinierten organisch-psychischen Störung leidet, welche gekennzeichnet ist durch kognitive Störungen, emotionale Labilität, gestörtem Durchhaltevermögen und reduzierter Fähigkeit zu zielgerichteten Aktivitäten. Dass diese Störungen nicht nur 1995, sondern bereits 1988 vorlagen und mit einem körperlich und geistig aufgehobenen Leistungsvermögen der Klägerin einhergingen, ist für das Gericht unzweifelhaft. Soweit die Beklagte in Kenntnis der zahlreichen ärztlichen Behandlungsberichte sowie des schlüssigen Gutachtens des Sachverständigen, dessen Beurteilung im Übrigen besondere Bedeutung zukommt, da er seinerzeit im Krankenhaus M mitbehandelnder Arzt der Klägerin gewesen ist, lapidar bei ihrer Auffassung verbleibt, die Klägerin habe sich selbst für den von ihr eingeschlagenen Lebensweg entschlossen, ist dies bestenfalls als unsubstanziiert zu beurteilen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin noch 1990 über ein etwaig vorhandenes Rehabilitationspotential verfügte, jedenfalls hat sie dieses nicht ausgeschöpft. So belegt der Zwischenbericht des Jugendwerks H jedenfalls seinerzeit erhebliche Defizite im neuropsychologischen Bereich, Verhaltensauffälligkeiten sowie die nach toxischer Hirnschädigung verbliebenen körperlichen Einschränkungen mit spastischer Paraparese, beeinträchtigtem Gehvermögen und Koordinationsstörungen, aufgrund derer die Klägerin weder für in der Lage gehalten wurde, selbständig zu leben noch einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Bestätigt wird dies für das Jahr 1992 durch das arbeitsamtsärztliche Gutachten, in welchem die auch heute noch andauernden Folgen der Polytoxikomanie sowie des hypoxischen Hirnschadens im Sinne einer Labilität, hirnorganischen Schäden sowie geminderter Konzentrationsfähigkeit beschrieben wurden, aufgrund derer der Klägerin vom Versorgungsamt auch der Nachteilsausgleich "H" zuerkannt worden ist; soweit eine Aberkennung dessen mit Bescheid vom 06.11.1992 erfolgt ist, lag der maßgeblichen versorgungsamtsärztlichen gutachterlichen Stellungnahme der insoweit nicht aussagefähige schriftliche Befundbericht des Orthopäden Dr. B zugrunde, welcher sich in der Beschreibung eines orthopädischen Befundes sowie der Aussage eines guten Allgemein- und Ernährungszustandes erschöpft. Wenn auch zu vergegenwärtigen ist, dass hinsichtlich der Jahre 1994 bis 1998 ärztliche Behandlungsberichte des Krankenhauses S nicht vorliegen, ist dennoch festzustellen, dass die Klägerin auch zwischenzeitlich unter den seit 1994 beobachteten epileptischen, wahrscheinlich intoxikations- bzw. entzugsbedingten cerebralen Krampfanfällen litt und insoweit, was der Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin E1 belegt, auch in dieser Zeit, so im September 1995, in Behandlung wegen Krampfanfällen sowie den Folgen des hypoxischen Hirnschadens sowie der Polytoxikomanie stand. Weitere Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang der Inhalt des im Rahmen des Betreuungsverfahrens von Dr. F1 erstatteten Gutachtens, wonach die Klägerin dem Gesundheitsamt des Kreises Minden-Lübbecke seit langem wegen ihrer polyvalenten Suchtmittelabhängigkeit bekannt war und welches ebenfalls in psychischer Hinsicht deutliche Einschränkungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie psychomotorische Verlangsamung beschreibt und letztlich in die gleiche Aussage wie auch bereits das arbeitsamtsärztliche Gutachten sowie der Bericht des Jugendwerkes H einmündet, dass die Klägerin lediglich in der Lage sei, unter beschützenden Bedingungen in einer Einrichtung betreuten Wohnens zu Leben, nicht jedoch ihre sonstigen Angelegenheiten selbst zu regeln. Insgesamt ist das Gericht daher davon überzeugt, dass die Klägerin bereits weit vor Vollendung des 23. Lebensjahres bis heute unter einer kombiniert organisch-psychischen Störung litt.
Diese Behinderung hinderte die Klägerin auch dauerhaft bis heute sich selbst zu unterhalten, d.h. eine Erwerbstätigkeit von gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und einen Verdienst oder sonstiges Einkommen zu erzielen, das dem Bestreiten ihres Lebensunterhaltes diente. Weder war sie in der Lage, eine auch nur körperlich leichte noch eine geistig einfache Tätigkeit unter üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes zu verrichten. Da substanziierte Einwendungen insoweit beklagtenseits nicht erhoben werden, wird auf die Ausführungen des Sachverständigen Bezug genommen, wobei festzustellen ist, dass auch die gutachterliche Stellungnahme von Dr. C vom MDK gleichfalls bereits von einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung mit Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, ausging.
Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB V in der Person der Klägerin vorgelegen haben, war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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