Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 37/11 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Lehnt eine Behörde durch separaten Bescheid gem. § 63 SGB X die Erstattung der Kosten eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens gegenüber dem Widerspruchsführer ab und führt sie sodann bezüglich dieser Kostenentscheidung (entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung) ein förmliches Widerspruchsverfahren durch, sind dem obsiegenden Widerspruchsführer die RA-Gebühren für dieses Kostenwiderspruchsverfahren neben den RA-Gebühren für das Widerspruchsverfahren in der Sache zu erstatten.
2. Wird eine Behörde durch Urteil zur Kostenerstattung bezüglich der Kosten eines Widerspruchsverfahrens, das sich auf eine materielle Sachentscheidung bezieht, verurteilt, und wurde bezüglich der Kosten dieses Widerspruchsverfahrens ein eigenständiges weiteres Widerspruchsverfahren durchgeführt, können im Wege der gerichtlichen Kostenfestsetzung gem. § 197 Abs. 1 SGG nur die RA-Gebühren für das Widerspruchsverfahren über die Kostenerstattung geltend gemacht werden. Die Kostenfestsetzung durch die Behörde betreffend das Widerspruchsverfahren in der Sache gem. § 63 Abs. 3 SGB X muss durch Vollstreckung des Urteils erzwungen werden.
2. Wird eine Behörde durch Urteil zur Kostenerstattung bezüglich der Kosten eines Widerspruchsverfahrens, das sich auf eine materielle Sachentscheidung bezieht, verurteilt, und wurde bezüglich der Kosten dieses Widerspruchsverfahrens ein eigenständiges weiteres Widerspruchsverfahren durchgeführt, können im Wege der gerichtlichen Kostenfestsetzung gem. § 197 Abs. 1 SGG nur die RA-Gebühren für das Widerspruchsverfahren über die Kostenerstattung geltend gemacht werden. Die Kostenfestsetzung durch die Behörde betreffend das Widerspruchsverfahren in der Sache gem. § 63 Abs. 3 SGB X muss durch Vollstreckung des Urteils erzwungen werden.
1. Die Erinnerung der Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. April 2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Erinnerungsführern und Klägern des Ausgangsverfahrens zu erstattenden Kosten.
1. Dem zu Grunde liegenden Rechtsstreit S 10 AS 5/09 (im Folgenden: Ausgangsverfahren), bezüglich dessen Kostenerstattung im vorliegenden Verfahren gestritten wird, ging folgender Verfahrensgang voraus:
Mit Bescheid vom 20. Mai 2008 stellte der Erinnerungsgegner und Beklagte des Ausgangsverfahrens gegenüber den Erinnerungsführern des Ausgangsverfahrens Leistungen nach dem SGB II vorläufig ein. Dem hiergegen durch den Bevollmächtigten der Erinnerungsführer eingelegten Widerspruch half der Erinnerungsgegner sodann unter dem 13. Juni 2008 vollständig ab, unterließ es jedoch, eine Kostengrundentscheidung hinsichtlich dieses Widerspruchsverfahrens (im Folgenden: Leistungswiderspruchsverfahren) zu treffen. Dies holte er jedoch auf Hinweis des Bevollmächtigten der Erinnerungsführer mit Bescheid vom 12. August 2008 nach, lehnte aber die Erstattung der Gebühren für die Inanspruchnahme des Bevollmächtigten ab; dem Bescheid war folgende "Rechtsbehelfsbelehrung" beigefügt:
"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist gegen den C-Kreis, vertreten durch den Kreisausschuss, ( ) schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen."
Hiergegen erhoben die Kläger sodann unter dem 13. August 2008 (weiteren) Widerspruch (Im Folgenden: Kostenwiderspruch), den der Erinnerungsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 zurückwies, woraufhin die Erinnerungsführer Klage auf Erstattung der Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens erhoben. Diese Klage bildete sodann die Grundlage des Ausgangsverfahrens, das mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 8. März 2010 zu Gunsten der Erinnerungsführer endete. Der Gerichtsbescheid enthält folgenden Tenor:
"1. Der Bescheid vom 12.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2008 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren betreffend den Widerspruch gegen das Schreiben des Beklagten vom 20.05.2008 zu erstatten.
2. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten."
2. Letztlich mit Schriftsatz vom 5. Mai 2011 beantragte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer, die Kosten für das Ausgangsverfahren wie folgt festzusetzen:
Widerspruchsverfahren vom 27. Mai 2008
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 72,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 332,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 63,08 EUR
395,08 EUR
Widerspruchsverfahren vom 13. August 2008
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 72,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 332,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 63,08 EUR
395,08 EUR
Gerichtsverfahren (Ausgangsverfahren)
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 51,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 119,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 360,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 68,40 EUR
428,40 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. April 2011 setzte der Urkundsbeamte die Vergütung des Bevollmächtigten der Erinnerungsführer die seitens des Erinnerungsgegners zu erstattenden Kosten wie folgt fest:
Geschäftsgebühr, Nr. 2400, 1008 VV RVG 390,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 119,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Zwischensumme 770,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 146,30 EUR
916,30 EUR
Zur Begründung führte der Urkundsbeamte aus, dass der Kostenfestsetzung ein durchschnittliches Klageverfahren zugrunde liege, bei dem die Mittelgebühr aus dem ermäßigten Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen sei unter Berücksichtigung des Mehrvertretungszuschlages. Hinsichtlich der geltend gemachten Höhe der fiktiven Terminsgebühr sei zwar festzustellen, dass sie über das angemessene Maß hinausgehe, jedoch die Toleranzgrenze von 20 % einhalte, so dass sie nicht als unbillig anzusehen sei.
Die weiteren gesetzten Kosten des Vorverfahrens seien allerdings in der gelten gemachten Höhe nicht nachvollziehbar. Wie der Erinnerungsgegner richtig ausgeführt habe, seien im Rahmen der Einheitlichkeit des Vorverfahrens, zu dem auch die Entscheidung über die Kosten gehöre, keine weiteren Kosten zu erstatten, so dass hier keine besonderen Gebühren zusätzlich der jeweiligen Verfahrensgebühr entstünden. Allerdings steige der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit an, da die Erinnerungsführern nach Abhilfe eine entsprechende Kostentscheidung hätten erwarten könnten. Auch die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger erscheinen überdurchschnittlich. Daher sei die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auf 300 EUR nebst der Erhöhungsgebühr, also insgesamt 390 EUR, festzusetzen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 21. Juni 2011 haben die Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. April 2011 Erinnerungen erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens, das sich gegen die falsche Kostenfestsetzung (richtig wohl: die verweigerte Kostenerstattung) richte, hätten berücksichtigt werden müssen. Denn letztlich aber der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer zwei Widerspruchsverfahren führen müssen.
Unter dem 16. Dezember 2011 ist der Erinnerungsgegner der Erinnerung entgegengetreten. Er führt aus, dass verschiedene Angelegenheiten i.S. von § 17 RVG das Verwaltungsverfahren und das Vorverfahren seien. Letzteres beginne mit der Einlegung des Widerspruchs und ende mit der abschließenden Verwaltungsentscheidung, die auch eine Kostengrundentscheidung und gegebenenfalls eine Kostenfestsetzung beinhalte. Verschiedene Angelegenheiten innerhalb des Vorverfahrens sehe § 17 RVG nicht vor. Gemäß § 15 Abs. 2 RVG könnten Gebühren in derselben Angelegenheit aber nur einmal gefordert werden. Festzuhalten bleibe dabei, dass eine weitere Gebühr nach Nr. 2400 VV RVG nicht entstanden sein könne, denn die Tätigkeit, für die eine weitere Gebühr geltend gemacht werde, stelle sich lediglich als Annextätigkeit dar, die mit der für das eigentliche Widerspruchsverfahren schon entstandenen Gebühr abgegolten sei.
II.
Die zulässige Erinnerung ist im Ergebnis nicht begründet. Die Erinnerungsführer haben keinen über den festgesetzten Betrag hinausgehenden Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten aufgrund der hier allein zu beachtenden Kostengrundentscheidung aus dem Gerichtsbescheid vom 8. März 2010. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
1. Die Erinnerungsführer waren im Rahmen eines Leistungswiderspruchsverfahrens, in dessen Rahmen sie sich gegen die Einstellung von Leistungen nach den SGB II wandten, vollumfänglich erfolgreich. Da der Abhilfebescheid keine Kostenentscheidung enthielt, mahnte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer diese nachträglich an. Dem kam der Erinnerungsgegner nach, lehnte inhaltlich aber eine Kostenerstattung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos.
Daraufhin wurde der Anspruch auf Kostenerstattung – und nur dieser – durch Klage vom 9. Januar 2009 rechtshängig gemacht (Ausgangsverfahren S 10 AS 5/09). Hierüber wurde sodann durch Gerichtsbescheid vom 8. März 2010 rechtskräftig zugunsten der Erinnerungsführer erkannt und zwar dahingehend, dass der Erinnerungsgegner verpflichtet wurde, "den Klägern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren betreffend den Widerspruch gegen das Schreiben des Beklagten vom 20.05.2008 zu erstatten."
Damit haben die Erinnerungsführer einen Titel erstritten, aufgrund dessen sie gegenüber dem Erinnerungsführer nunmehr die Rechtsanwaltskosten, die für das Leistungswiderspruchsverfahren entstanden sind, geltend machen können. Anders formuliert: Aufgrund Tenors des Gerichtsbescheides vom 8. März 2010 ist der Erinnerungsgegner verpflichtet, die Kosten für das Leistungswiderspruchsverfahren festzusetzen und auszuzahlen. Soweit ersichtlich hat der Erinnerungsgegner bisher diesen Gerichtsbescheid aber noch nicht nach § 63 Abs. 3 SGB X umgesetzt.
2. Als dann die Erinnerungsführer im Rahmen des Kostenwiderspruchsverfahrens unterlegen waren und anschließend den Kostenerstattungsanspruch rechtshängig machten, bildete der Kostenerstattungsanspruch, der – wie bereits ausgeführt – allein Streitgegenstand des Klageverfahrens S 10 AS 5/09 war, eine selbstständige prozessuale Angelegenheit, zu der (natürlich) nur ein einziges Vorverfahren gehörte, nämlich das Kostenwiderspruchsverfahren. Das (vorherige) Leistungswiderspruchsverfahren war kein Vorverfahren des Klageverfahrens S 10 AS 5/09, sondern – untechnisch gesprochen – dessen Streitgegenstand.
Daraus folgt, dass die Erinnerungsführer im Rahmen des gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahrens, das dem vorliegenden Erinnerungsverfahren vorausging, auch nur die Kosten dieses Kostenwiderspruchsverfahrens festsetzen lassen können, und nicht die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens. Denn dieses war nicht das Vorverfahren des Ausgangsklageverfahrens S 10 AS 5/09, so dass die Kostengrundentscheidung des Gerichtsbescheides vom 8. März 2010 sich auch nicht auf die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens bezog. Wollte man dies anders sehen, wäre vom Vorsitzenden der 10. Kammer doppelt tenoriert worden: Die Erinnerungsführer erhielten die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens aus Nr. 1 des Tenors des Gerichtsbescheids und aus dessen Nr. 2.
Auch aus einem anderen Grund führte dies zu nicht vertretbaren Ergebnissen: Wenn die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens im Rahmen der hier zugrunde liegenden Kostenfestsetzung einbezogen werden könnten, erhielten die Erinnerungsführer einen Vollstreckungstitel in Form des Kostenfestsetzungsbeschlusses und könnten damit die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens vollstrecken. Daneben hätten sie noch den Gerichtsbescheid als weiteren Vollstreckungstitel, mit dem sie wegen des Ausspruchs in Nr. 1 seines Tenors diese Kosten ebenfalls vollstrecken könnten. Auch aus diesem Grund dürfen die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens nicht erneut im Rahmen der Kostenfestsetzung tituliert werden.
3. Das Leistungswiderspruchsverfahren und das Kostenwiderspruchsverfahren bildeten auch nicht etwa eine verfahrensrechtliche Einheit. Zwar ist zutreffend, dass im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens die Entscheidung in der Sache und über die Kosten keine verschiedenen Angelegenheiten darstellen. Jedoch stellt sich die Situation im vorliegenden Fall anders dar, nachdem der Erinnerungsgegner diese Einheitlichkeit von Sach- und Kostenentscheidung von vornherein äußerlich unmissverständlich aufgegeben und eine formal selbstständige Kostenentscheidung mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung und sodann den Widerspruchsbescheid zum Kostenwiderspruch erlassen hat. Führt eine Behörde ein formelles eigenständiges Widerspruchsverfahren durch, muss sie auch die speziell hierdurch verursachten Kosten tragen, sofern sie – wie hier – die Kostenlast trifft.
Es könnte zwar abstrakt vertreten werden, dass die "isolierte" Kostenentscheidung vom 12. August 2008 entgegen der anders lautenden Rechtsmittelbelehrung des Erinnerungsgegners direkt mit der Klage hätte angefochten werden können, wenn sie lediglich (nachgeholter) Teil des Abhilfe- bzw. Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008 war (Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 80 Rn. 28, 26; Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 63 Rn. 37), der allerdings äußerlich nur die Gestalt einer formlosen Mitteilung aufweist und auch nur als solche in dem Schreiben bezeichnet wird.
Dies ist im sozialgerichtlichen Verfahren im Gegensatz zum Anwendungsbereich der VwGO aber keineswegs naheliegend oder gar zwingend, da im SGG eine Pflicht eine § 68 Abs. 1 Nr. 2 (und § 79 Abs. 1 Nr. 2) VwGO entsprechende Vorschrift insbesondere in § 78 SGG (und folgerichtig auch in § 95 SGG) fehlt, so dass bei einer erstmaligen (Kosten )Beschwer im Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid durchaus der Grundsatz des § 78 Abs. 1 S. 1 SGG zur Anwendung kommen muss und ein eigenes Kostenwiderspruchsverfahren durchzuführen ist (in diesem Sinne andeutend auch Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 63 Rn. 37; zur VwGO s. Hk-VerwR/Kastner, 2. Aufl. 2010, § 72 VwGO Rn. 18), was der Erinnerungsgegner folgerichtig getan hat. Zudem ließe sich vor dem Hintergrund des Umstandes, dass § 85 SGG im Gegensatz zu §§ 72 f. VwGO keine Pflicht normiert, in der Abhilfe- bzw. Widerspruchsentscheidung über die Kosten zu entscheiden ist, auch erwägen, dass Abhilfe- oder Widerspruchsbehörden die Kostenentscheidung in getrennten Bescheiden treffen können (BSG, NVwZ 1997, S. 441 [441]; s.a. Binder, in: Lüdtke [Hrsg.], SGG, 3. Aufl. 2009, § 85 Rn. 20, der die Kostenentscheidung als notwendigen Annex bezeichnet).
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 19 Abs. 1 Nr. 14 RVG. Denn im Rahmen des Kostenwiderspruchsverfahrens ging es nicht um die Kostenfestsetzung, die ja noch aussteht aufgrund des Gerichtsbescheides vom 8. März 2010, sondern erst um die Erlangung einer Kostengrundentscheidung, aufgrund deren dann die Kostenfestsetzung erfolgen kann. Die Einforderung der Vergütung stand ebenfalls noch nicht im Raum, weil diese als solche noch gar nicht zustand (mangels Kostengrundentscheidung).
4. Für den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies Folgendes:
Die Erinnerungsführer können im Rahmen der Kostenfestsetzung zum Verfahren S 10 AS 5/09 keine Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens geltend machen. Vielmehr müssen sie hierzu die Kostenfestsetzung durch den Erinnerungsgegner nach § 63 Abs. 3 SGB X herbeiführen – notfalls im Wege der Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid vom 8. März 2010.
Sofern sie mit der Höhe der durch den Erinnerungsgegner festgesetzten Kosten nicht einverstanden sind, steht ihnen dann erneut der Klageweg wegen der Höhe der Kosten offen (zu dieser Konstellation s. etwa Urteil des BSG vom 9.12.2010 – B 13 R 63/09 R – juris).
Dürfen somit im hier streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsverfahren die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens nicht tituliert werden, kann auch die darauf gerichtete Erinnerung keinen Erfolg haben.
Nach Wertung der Kammer ergibt sich somit folgender Kostenerstattungsanspruch, wobei wegen des reinen Kosteninteresses lediglich eine Geschäftsgebühr von 180 EUR als angemessen erscheint. Soweit der Urkundsbeamte die(se) Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG wegen der beiden Widerspruchsverfahren erhöht festgesetzt hat, dürfte dies aus den vorbezeichneten Gründen unzutreffend gewesen sein; er hätte sich auf die Beurteilung und Vergütung allein des Kostenwiderspruchsverfahrens beschränken müssen.
Vorverfahren des Ausgangsverfahrens
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 180,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 54,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 254,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 48,26 EUR
302,26 EUR
Gerichtsverfahren (Ausgangsverfahren)
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 51,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 119,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 360,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 68,40 EUR
428,40 EUR
Somit ergäbe sich ein Kostenerstattungsbetrag von 730,66 EUR. Wegen des Verbots der reformatio in peius (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 104 Rn. 21 [Reformatio in peius]; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 197 Rn. 10) scheidet aber eine Reduzierung der festgesetzten Vergütung im Erinnerungsverfahren aus.
5. Die notwendige Kostenentscheidung (vgl. SG Fulda, Beschl. v. 10.2.2010 - S 3 SF 22/09 E – juris Rn. 68 ff.; so jetzt auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 197 Rn. 10) folgt aus § 193 SGG. Gerichtskosten sind gem. § 3 GKG i.V.m. Teil 7 der Anlage 1 des GKG für das Erinnerungsverfahren nicht vorgesehen.
6. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Erinnerungsführern und Klägern des Ausgangsverfahrens zu erstattenden Kosten.
1. Dem zu Grunde liegenden Rechtsstreit S 10 AS 5/09 (im Folgenden: Ausgangsverfahren), bezüglich dessen Kostenerstattung im vorliegenden Verfahren gestritten wird, ging folgender Verfahrensgang voraus:
Mit Bescheid vom 20. Mai 2008 stellte der Erinnerungsgegner und Beklagte des Ausgangsverfahrens gegenüber den Erinnerungsführern des Ausgangsverfahrens Leistungen nach dem SGB II vorläufig ein. Dem hiergegen durch den Bevollmächtigten der Erinnerungsführer eingelegten Widerspruch half der Erinnerungsgegner sodann unter dem 13. Juni 2008 vollständig ab, unterließ es jedoch, eine Kostengrundentscheidung hinsichtlich dieses Widerspruchsverfahrens (im Folgenden: Leistungswiderspruchsverfahren) zu treffen. Dies holte er jedoch auf Hinweis des Bevollmächtigten der Erinnerungsführer mit Bescheid vom 12. August 2008 nach, lehnte aber die Erstattung der Gebühren für die Inanspruchnahme des Bevollmächtigten ab; dem Bescheid war folgende "Rechtsbehelfsbelehrung" beigefügt:
"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist gegen den C-Kreis, vertreten durch den Kreisausschuss, ( ) schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen."
Hiergegen erhoben die Kläger sodann unter dem 13. August 2008 (weiteren) Widerspruch (Im Folgenden: Kostenwiderspruch), den der Erinnerungsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2008 zurückwies, woraufhin die Erinnerungsführer Klage auf Erstattung der Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens erhoben. Diese Klage bildete sodann die Grundlage des Ausgangsverfahrens, das mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 8. März 2010 zu Gunsten der Erinnerungsführer endete. Der Gerichtsbescheid enthält folgenden Tenor:
"1. Der Bescheid vom 12.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2008 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren betreffend den Widerspruch gegen das Schreiben des Beklagten vom 20.05.2008 zu erstatten.
2. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten."
2. Letztlich mit Schriftsatz vom 5. Mai 2011 beantragte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer, die Kosten für das Ausgangsverfahren wie folgt festzusetzen:
Widerspruchsverfahren vom 27. Mai 2008
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 72,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 332,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 63,08 EUR
395,08 EUR
Widerspruchsverfahren vom 13. August 2008
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 72,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 332,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 63,08 EUR
395,08 EUR
Gerichtsverfahren (Ausgangsverfahren)
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 51,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 119,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 360,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 68,40 EUR
428,40 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. April 2011 setzte der Urkundsbeamte die Vergütung des Bevollmächtigten der Erinnerungsführer die seitens des Erinnerungsgegners zu erstattenden Kosten wie folgt fest:
Geschäftsgebühr, Nr. 2400, 1008 VV RVG 390,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 3103, 1008 VV RVG 221,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 119,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Zwischensumme 770,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 146,30 EUR
916,30 EUR
Zur Begründung führte der Urkundsbeamte aus, dass der Kostenfestsetzung ein durchschnittliches Klageverfahren zugrunde liege, bei dem die Mittelgebühr aus dem ermäßigten Gebührenrahmen nach Nr. 3103 VV RVG zu entnehmen sei unter Berücksichtigung des Mehrvertretungszuschlages. Hinsichtlich der geltend gemachten Höhe der fiktiven Terminsgebühr sei zwar festzustellen, dass sie über das angemessene Maß hinausgehe, jedoch die Toleranzgrenze von 20 % einhalte, so dass sie nicht als unbillig anzusehen sei.
Die weiteren gesetzten Kosten des Vorverfahrens seien allerdings in der gelten gemachten Höhe nicht nachvollziehbar. Wie der Erinnerungsgegner richtig ausgeführt habe, seien im Rahmen der Einheitlichkeit des Vorverfahrens, zu dem auch die Entscheidung über die Kosten gehöre, keine weiteren Kosten zu erstatten, so dass hier keine besonderen Gebühren zusätzlich der jeweiligen Verfahrensgebühr entstünden. Allerdings steige der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit an, da die Erinnerungsführern nach Abhilfe eine entsprechende Kostentscheidung hätten erwarten könnten. Auch die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger erscheinen überdurchschnittlich. Daher sei die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auf 300 EUR nebst der Erhöhungsgebühr, also insgesamt 390 EUR, festzusetzen.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 21. Juni 2011 haben die Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. April 2011 Erinnerungen erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass auch die Kosten des Widerspruchsverfahrens, das sich gegen die falsche Kostenfestsetzung (richtig wohl: die verweigerte Kostenerstattung) richte, hätten berücksichtigt werden müssen. Denn letztlich aber der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer zwei Widerspruchsverfahren führen müssen.
Unter dem 16. Dezember 2011 ist der Erinnerungsgegner der Erinnerung entgegengetreten. Er führt aus, dass verschiedene Angelegenheiten i.S. von § 17 RVG das Verwaltungsverfahren und das Vorverfahren seien. Letzteres beginne mit der Einlegung des Widerspruchs und ende mit der abschließenden Verwaltungsentscheidung, die auch eine Kostengrundentscheidung und gegebenenfalls eine Kostenfestsetzung beinhalte. Verschiedene Angelegenheiten innerhalb des Vorverfahrens sehe § 17 RVG nicht vor. Gemäß § 15 Abs. 2 RVG könnten Gebühren in derselben Angelegenheit aber nur einmal gefordert werden. Festzuhalten bleibe dabei, dass eine weitere Gebühr nach Nr. 2400 VV RVG nicht entstanden sein könne, denn die Tätigkeit, für die eine weitere Gebühr geltend gemacht werde, stelle sich lediglich als Annextätigkeit dar, die mit der für das eigentliche Widerspruchsverfahren schon entstandenen Gebühr abgegolten sei.
II.
Die zulässige Erinnerung ist im Ergebnis nicht begründet. Die Erinnerungsführer haben keinen über den festgesetzten Betrag hinausgehenden Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten aufgrund der hier allein zu beachtenden Kostengrundentscheidung aus dem Gerichtsbescheid vom 8. März 2010. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
1. Die Erinnerungsführer waren im Rahmen eines Leistungswiderspruchsverfahrens, in dessen Rahmen sie sich gegen die Einstellung von Leistungen nach den SGB II wandten, vollumfänglich erfolgreich. Da der Abhilfebescheid keine Kostenentscheidung enthielt, mahnte der Bevollmächtigte der Erinnerungsführer diese nachträglich an. Dem kam der Erinnerungsgegner nach, lehnte inhaltlich aber eine Kostenerstattung ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos.
Daraufhin wurde der Anspruch auf Kostenerstattung – und nur dieser – durch Klage vom 9. Januar 2009 rechtshängig gemacht (Ausgangsverfahren S 10 AS 5/09). Hierüber wurde sodann durch Gerichtsbescheid vom 8. März 2010 rechtskräftig zugunsten der Erinnerungsführer erkannt und zwar dahingehend, dass der Erinnerungsgegner verpflichtet wurde, "den Klägern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren betreffend den Widerspruch gegen das Schreiben des Beklagten vom 20.05.2008 zu erstatten."
Damit haben die Erinnerungsführer einen Titel erstritten, aufgrund dessen sie gegenüber dem Erinnerungsführer nunmehr die Rechtsanwaltskosten, die für das Leistungswiderspruchsverfahren entstanden sind, geltend machen können. Anders formuliert: Aufgrund Tenors des Gerichtsbescheides vom 8. März 2010 ist der Erinnerungsgegner verpflichtet, die Kosten für das Leistungswiderspruchsverfahren festzusetzen und auszuzahlen. Soweit ersichtlich hat der Erinnerungsgegner bisher diesen Gerichtsbescheid aber noch nicht nach § 63 Abs. 3 SGB X umgesetzt.
2. Als dann die Erinnerungsführer im Rahmen des Kostenwiderspruchsverfahrens unterlegen waren und anschließend den Kostenerstattungsanspruch rechtshängig machten, bildete der Kostenerstattungsanspruch, der – wie bereits ausgeführt – allein Streitgegenstand des Klageverfahrens S 10 AS 5/09 war, eine selbstständige prozessuale Angelegenheit, zu der (natürlich) nur ein einziges Vorverfahren gehörte, nämlich das Kostenwiderspruchsverfahren. Das (vorherige) Leistungswiderspruchsverfahren war kein Vorverfahren des Klageverfahrens S 10 AS 5/09, sondern – untechnisch gesprochen – dessen Streitgegenstand.
Daraus folgt, dass die Erinnerungsführer im Rahmen des gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahrens, das dem vorliegenden Erinnerungsverfahren vorausging, auch nur die Kosten dieses Kostenwiderspruchsverfahrens festsetzen lassen können, und nicht die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens. Denn dieses war nicht das Vorverfahren des Ausgangsklageverfahrens S 10 AS 5/09, so dass die Kostengrundentscheidung des Gerichtsbescheides vom 8. März 2010 sich auch nicht auf die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens bezog. Wollte man dies anders sehen, wäre vom Vorsitzenden der 10. Kammer doppelt tenoriert worden: Die Erinnerungsführer erhielten die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens aus Nr. 1 des Tenors des Gerichtsbescheids und aus dessen Nr. 2.
Auch aus einem anderen Grund führte dies zu nicht vertretbaren Ergebnissen: Wenn die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens im Rahmen der hier zugrunde liegenden Kostenfestsetzung einbezogen werden könnten, erhielten die Erinnerungsführer einen Vollstreckungstitel in Form des Kostenfestsetzungsbeschlusses und könnten damit die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens vollstrecken. Daneben hätten sie noch den Gerichtsbescheid als weiteren Vollstreckungstitel, mit dem sie wegen des Ausspruchs in Nr. 1 seines Tenors diese Kosten ebenfalls vollstrecken könnten. Auch aus diesem Grund dürfen die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens nicht erneut im Rahmen der Kostenfestsetzung tituliert werden.
3. Das Leistungswiderspruchsverfahren und das Kostenwiderspruchsverfahren bildeten auch nicht etwa eine verfahrensrechtliche Einheit. Zwar ist zutreffend, dass im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens die Entscheidung in der Sache und über die Kosten keine verschiedenen Angelegenheiten darstellen. Jedoch stellt sich die Situation im vorliegenden Fall anders dar, nachdem der Erinnerungsgegner diese Einheitlichkeit von Sach- und Kostenentscheidung von vornherein äußerlich unmissverständlich aufgegeben und eine formal selbstständige Kostenentscheidung mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung und sodann den Widerspruchsbescheid zum Kostenwiderspruch erlassen hat. Führt eine Behörde ein formelles eigenständiges Widerspruchsverfahren durch, muss sie auch die speziell hierdurch verursachten Kosten tragen, sofern sie – wie hier – die Kostenlast trifft.
Es könnte zwar abstrakt vertreten werden, dass die "isolierte" Kostenentscheidung vom 12. August 2008 entgegen der anders lautenden Rechtsmittelbelehrung des Erinnerungsgegners direkt mit der Klage hätte angefochten werden können, wenn sie lediglich (nachgeholter) Teil des Abhilfe- bzw. Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2008 war (Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 80 Rn. 28, 26; Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 63 Rn. 37), der allerdings äußerlich nur die Gestalt einer formlosen Mitteilung aufweist und auch nur als solche in dem Schreiben bezeichnet wird.
Dies ist im sozialgerichtlichen Verfahren im Gegensatz zum Anwendungsbereich der VwGO aber keineswegs naheliegend oder gar zwingend, da im SGG eine Pflicht eine § 68 Abs. 1 Nr. 2 (und § 79 Abs. 1 Nr. 2) VwGO entsprechende Vorschrift insbesondere in § 78 SGG (und folgerichtig auch in § 95 SGG) fehlt, so dass bei einer erstmaligen (Kosten )Beschwer im Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid durchaus der Grundsatz des § 78 Abs. 1 S. 1 SGG zur Anwendung kommen muss und ein eigenes Kostenwiderspruchsverfahren durchzuführen ist (in diesem Sinne andeutend auch Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 63 Rn. 37; zur VwGO s. Hk-VerwR/Kastner, 2. Aufl. 2010, § 72 VwGO Rn. 18), was der Erinnerungsgegner folgerichtig getan hat. Zudem ließe sich vor dem Hintergrund des Umstandes, dass § 85 SGG im Gegensatz zu §§ 72 f. VwGO keine Pflicht normiert, in der Abhilfe- bzw. Widerspruchsentscheidung über die Kosten zu entscheiden ist, auch erwägen, dass Abhilfe- oder Widerspruchsbehörden die Kostenentscheidung in getrennten Bescheiden treffen können (BSG, NVwZ 1997, S. 441 [441]; s.a. Binder, in: Lüdtke [Hrsg.], SGG, 3. Aufl. 2009, § 85 Rn. 20, der die Kostenentscheidung als notwendigen Annex bezeichnet).
Etwas anderes folgt auch nicht aus § 19 Abs. 1 Nr. 14 RVG. Denn im Rahmen des Kostenwiderspruchsverfahrens ging es nicht um die Kostenfestsetzung, die ja noch aussteht aufgrund des Gerichtsbescheides vom 8. März 2010, sondern erst um die Erlangung einer Kostengrundentscheidung, aufgrund deren dann die Kostenfestsetzung erfolgen kann. Die Einforderung der Vergütung stand ebenfalls noch nicht im Raum, weil diese als solche noch gar nicht zustand (mangels Kostengrundentscheidung).
4. Für den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies Folgendes:
Die Erinnerungsführer können im Rahmen der Kostenfestsetzung zum Verfahren S 10 AS 5/09 keine Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens geltend machen. Vielmehr müssen sie hierzu die Kostenfestsetzung durch den Erinnerungsgegner nach § 63 Abs. 3 SGB X herbeiführen – notfalls im Wege der Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid vom 8. März 2010.
Sofern sie mit der Höhe der durch den Erinnerungsgegner festgesetzten Kosten nicht einverstanden sind, steht ihnen dann erneut der Klageweg wegen der Höhe der Kosten offen (zu dieser Konstellation s. etwa Urteil des BSG vom 9.12.2010 – B 13 R 63/09 R – juris).
Dürfen somit im hier streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsverfahren die Kosten des Leistungswiderspruchsverfahrens nicht tituliert werden, kann auch die darauf gerichtete Erinnerung keinen Erfolg haben.
Nach Wertung der Kammer ergibt sich somit folgender Kostenerstattungsanspruch, wobei wegen des reinen Kosteninteresses lediglich eine Geschäftsgebühr von 180 EUR als angemessen erscheint. Soweit der Urkundsbeamte die(se) Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG wegen der beiden Widerspruchsverfahren erhöht festgesetzt hat, dürfte dies aus den vorbezeichneten Gründen unzutreffend gewesen sein; er hätte sich auf die Beurteilung und Vergütung allein des Kostenwiderspruchsverfahrens beschränken müssen.
Vorverfahren des Ausgangsverfahrens
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV RVG 180,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 54,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 254,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 48,26 EUR
302,26 EUR
Gerichtsverfahren (Ausgangsverfahren)
Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG 51,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 119,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme 360,00 EUR
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 68,40 EUR
428,40 EUR
Somit ergäbe sich ein Kostenerstattungsbetrag von 730,66 EUR. Wegen des Verbots der reformatio in peius (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 104 Rn. 21 [Reformatio in peius]; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 197 Rn. 10) scheidet aber eine Reduzierung der festgesetzten Vergütung im Erinnerungsverfahren aus.
5. Die notwendige Kostenentscheidung (vgl. SG Fulda, Beschl. v. 10.2.2010 - S 3 SF 22/09 E – juris Rn. 68 ff.; so jetzt auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 197 Rn. 10) folgt aus § 193 SGG. Gerichtskosten sind gem. § 3 GKG i.V.m. Teil 7 der Anlage 1 des GKG für das Erinnerungsverfahren nicht vorgesehen.
6. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
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