L 18 AS 550/12 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 10395/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 550/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Januar 2012 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin ist begründet; das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.

Die erhobene und statthafte kombinierte Anfechtungsklage- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf Aufhebung des negativen Zugunstenbescheides vom 4. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2010 und Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 23. November 2006, hat bei der im PKH-Verfahren (nur) gebotenen summarischen Prüfung zumindest teilweise hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 23. November 2006 ist schon nicht hinreichend bestimmt iSv § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X).

Das Bundessozialgericht (BSG), dessen Rechtsprechung der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, hat bereits mehrfach entschieden, wann Aufhebungsbescheide den Bestimmtheitsanforderungen des § 33 Abs. 1 SGB X genügen (vgl Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R - juris -; Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 20/09 R - BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2 Rn 13 ff). Das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts klarstellende Funktion zu (vgl BSG, Urteil vom 15. Mai 2002 - B 6 KA 25/01 R = BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 46 S 384; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 20/09 -).Unbestimmt iS des § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt danach nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 30/09 R = SozR 4-4200 § 31 Nr 3 Rn 16 mwN).Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsakts auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss(vgl BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9).Nach diesen Maßstäben lässt sich hier die Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheides vom 23. November 2006 feststellen.

Denn der Beklagte hat darin einerseits eine Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II "ab 01.09.2006", also mit Wirkung für die Vergangenheit, verlautbart, andererseits aber unter Hinweis auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ausdrücklich geregelt, dass eine Aufhebung der Bewilligung (nur) "mit Wirkung für die Zukunft" erfolge und eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit "noch geprüft" und ggfs mit einem "weiteren Bescheid" hierüber entschieden werde. Dies hat der Beklagte mit Aufhebungs- und (erstmals) Erstattungsbescheid vom 23. Januar 2007 dann auch ausdrücklich unter Bezugnahme auf nunmehr § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X getan, diesen Bescheid aber in der Folge mit Bescheid vom 10. August 2009 wieder aufgehoben. Mit dem nur noch wirksamen Bescheid vom 23. November 2006 ist daher – wegen Unbestimmtheit – entweder gar keine wirksame Aufhebungsentscheidung oder allenfalls eine Aufhebungsentscheidung für die Zeit ab Bekanntgabe dieses Verwaltungsakts (vgl § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X; dritter Tag nach der Aufgabe zur Post) getroffen worden. An einer wirksamen Aufhebungsentscheidung für die Zeit davor fehlt es jedenfalls.

Das SG wird bei seiner Entscheidung im Übrigen auch zu prüfen haben, ob der weitere im Verlauf des Verfahrens ergangene negative Zugunstenbescheid vom 3. Februar 2011 kraft Gesetzes (vgl § 96 Abs. 1 SGG) Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist (vgl dies bejahend BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010 – B 13 R 82/09 R = SozR 4-6480 Art 22 Nr 2; aA BSG, Beschluss vom 30. September 2009 – B 9 SB 19/09 B – juris).

Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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