L 2 AL 31/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 47 AL 267/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 31/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. November 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Der am XXXXX 1979 in E. geborene Kläger meldete sich im Anschluss an eine Beschäftigung als Finanzdienstleister bei der Firma G. in L. vom 4. Oktober 2004 bis zum 17. Juli 2006 - mit dem Schwerpunkt in D. und Ö. - am 3. August 2006 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zu seinem Werdegang gab er dabei an, vom 1. September 1999 bis zum 21. Juni 2003 in den U. ein Studium mit dem Abschluss Bachelor of Arts – Economics absolviert zu haben. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. September 2006 unter Berufung auf die §§ 117, 123, 124 Sozialgesetzbuch Drittes Buch Arbeitsförderung (SGB III) mit der Begründung ab, der Kläger habe die Anwartschaftszeit – eine der Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld – nicht erfüllt, denn er habe innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren vor dem 3. August 2006 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der Kläger, der mittlerweile am 1. November 2006 eine Beschäftigung bei der Firma H. GmbH H1 aufgenommen hatte, beantragte am 1. Dezember 2006 die Überprüfung dieses Bescheides mit der Begründung, er habe Anspruch auf Arbeitslosengeld für drei Monate, weil er fast zwei Jahre innerhalb der Europäischen Union in G1 gearbeitet und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet habe. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 6. Dezember 2006 die Rücknahme des Bescheides mit der Begründung ab, dieser sei nicht zu beanstanden. Die mit dem Vordruck E 301 nachgewiesenen Versicherungszeiten des Klägers in E1 könnten nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen, da der Kläger nicht unmittelbar vor der Arbeitslosmeldung versicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen sei.

Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und machte geltend, er sei während seiner Beschäftigung in E1 zwar nicht mindestens einmal wöchentlich in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt, habe aber weiter enge Beziehungen zu ihr unterhalten, da seine Eltern beide ihren Wohnsitz in T. im nördlichen Umland von A. besessen hätten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 zurück. Sie bekräftigte, dass der Kläger die Anwartschaftszeit als eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt habe. Die von ihm während der Rahmenfrist in E1 zurückgelegte versicherungspflichtige Beschäftigung habe nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können, denn er habe nicht im Sinne von Art. 67 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unmittelbar vor Geltendmachung des Anspruchs in D. eine Beschäftigung zurückgelegt, die der Versicherungspflicht nach dem SGB III unterlegen habe. Zwar mache Art. 71 Abs. 1 Buchst a) Ziff. ii) bzw. Buchst b) Ziff. ii) der VO 1408/71 EWG von diesem Erfordernis für echte und unechte Grenzgänger eine Ausnahme. Deren tatbestandliche Voraussetzungen seien indes im Falle des Klägers nicht erfüllt. Echte Grenzgänger seien Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in D. hätten, ihre Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) ausübten und in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich an ihren Wohnsitz zurückkehrten. Unechte Grenzgänger seien dagegen solche, die während der letzten Beschäftigung ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in D. hätten und nach den Vorschriften eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt gewesen seien, ohne Grenzgänger gewesen zu sein. Da diese Vorschrift restriktiv anzuwenden sei, sollten durch sie nur solche Arbeitnehmer begünstigt werden, die trotz Beschäftigung und vorübergehendem Aufenthalt sehr enge Beziehungen zu D. beibehalten hätten. Der Kläger sei weder echter noch unechter Grenzgänger in diesem Sinne gewesen. Er habe während seiner Beschäftigung in E1 keinen Wohnsitz im Inland besessen und sei auch nicht mindestens einmal wöchentlich in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt. Sein Hinweis, er habe weiter sehr enge Beziehungen zu D. unterhalten, da seine Eltern ihren Wohnsitz in D. hätten, lasse für sich allein noch keine derart engen Bindungen zur Heimat erkennen, die für die Anerkennung als unechter Grenzgänger erforderlich seien.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, sein Anstellungsvertrag in E1 sei bis zum 31. Juli 2006 befristet gewesen und nicht verlängert worden. Er habe versucht, sich in L. arbeitslos zu melden, was er aber wegen in D. stattfindender Vorstellungsgespräche nicht habe zu Ende führen können. Daraufhin habe er sich am 3. August in A. arbeitslos gemeldet. Er habe während seiner Beschäftigungszeit in E1 seinen Wohnsitz in T. beibehalten und sehr enge Beziehungen zu D. unterhalten. Als Analyst der F1 Group bei G. International mit Sitz in L. habe er samstags und sonntags in der Regel arbeiten müssen, so dass es ihm nicht möglich gewesen sei, am Wochenende nach Hause zu fahren. Er habe es aber getan, sooft seine Freizeit es ihm erlaubt habe. Seine Arbeit in der Abteilung D.- Ö. habe ihm des Weiteren die Möglichkeit gegeben, seine Verbindung zu D. täglich zu pflegen. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei er zusätzlich zu den Besuchen bei seinen Eltern geschäftlich nach D. geflogen.

Der Kläger hat dem Sozialgericht Belege über seine nachstehend aufgeführten Flüge von L. nach D. während der Zeit seiner Beschäftigung in E1 vorgelegt: Ab dem 23. Dezember 2004: M. - zwei Wochen Aufenthalt März 2005: L.- M. - Hin- und Rückflug an zwei aufeinander folgenden Tagen April 2005: D1 - Rückflug am selben Tag Mai 2005 und Juni 2005: F. - Hin- und Rückflug an zwei aufeinander folgenden Tagen 15. Juli bis 17. Juli 2005: B. Ende Juli bis zum Ende der ersten Augustwoche 2005: M. 1. Oktober und 2. Oktober 2005: M. Januar 2006: zweimal nach H1 mit Rückflug am selben Tag 10. Februar bis 13. Februar 2006: M. 31. März – 5. April 2006: M. 12. und 13. Mai 2006: M. mit jeweils einem Tag Aufenthalt 4. Juni 2006: M. - ein Tag Aufenthalt

Der vom Kläger vorgelegten Meldebescheinigung des Einwohnermeldeamts des Markts T. zufolge war der Kläger dort vom 21. Februar 2000 – nach Zuzug aus den U. (S./O.) - bis zum 4. Oktober 2006, mithin auch während der strittigen Zeit und auch während des Studiums an der N. University in E./C. - mit der Adresse seiner Eltern als Hauptwohnung gemeldet, ab 4. Oktober 2006 als Nebenwohnung; die Adresse in S1 ist für die Zeit ab dem 6. September 1996 als sog. frühere Rückmelde-wohnung angegeben. Ab dem 4, Oktober 2006 war er in H1 polizeilich mit seiner Hauptwohnung gemeldet.

Die Beklagte hat ausgeführt, der Kläger habe während seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung in E1 weder seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in D. besessen, noch habe er sehr enge Beziehungen zu D. unterhalten. Unter Zugrundelegung seines "Miles and More"-Kontoauszuges der L1 hätten sich seine Heimatkontakte während seiner zweijährigen Auslandsbeschäftigung auf rund ein Dutzend Aufenthalte beschränkt. Bei einer solchen Sachlage könne der Kläger nicht als unechter Grenzgänger im Sinne des Art 71 Abs. 1 Buchst b) Ziff. ii) VO 1408/71 EWG angesehen werden.

Das Sozialgericht hat die Klage durch das Urteil vom 30. November 2009 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Zwar müsse die Beklagte gemäß Art. 67 Abs. 1 VO 1408/71 EWG bei der Ermittlung der für die Sozialversicherung relevanten Beschäftigungszeiten grundsätzlich auch die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zurückgelegten Beschäftigungen eines Arbeitnehmers berücksichtigen, und zwar so, als seien sie im Inland zurückgelegt worden. Dies gelte allerdings gemäß Art 67 Abs. 3 VO 1408/71 EWG nur dann, wenn der Leistungssuchende unmittelbar zuvor Beschäftigungszeiten nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt habe, nach denen er Leistungen beantrage. Mithin könnten die vom Kläger in E1 zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht als anwartschaftszeitbegründend berücksichtigt werden, weil er nicht unmittelbar vor der Antragstellung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland nachgegangen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art 71 Abs. 1 Buchst. a) bzw. Buchst. b) VO 1408/71 EWG. Der Kläger sei eingestandenermaßen nicht echter Grenzgänger im Sinne des Art 71 Abs. 1 Buchst. a). Er sei auch nicht sogenannter unechter Grenzgänger. Voraussetzung für die Qualifizierung als unechter Grenzgänger sei, dass der Arbeitslose auch während einer vorüber-gehenden Beschäftigung im Ausland intensive Bindungen zu seinem Heimatstaat beibehalten habe. Zu den entscheidungserheblichen Kriterien gehörten Dauer und Kontinuität des Wohnorts bis zur Abwanderung des Arbeitnehmers, ferner Dauer und Zweck seiner Abwesenheit, die Art der im anderen Mitgliedsstaat aufgenommenen Beschäftigung, der Aufenthaltsort der Familie und die Absichten des Arbeitnehmers (Europäischer Gerichtshof - EuGH - , Urteil vom 17. Februar 1977 - Az. 76/76 – die Paolo). Maßgeblich sei der Umfang der beibehaltenen Bindungen, ohne dass eine zeitliche Höchstgrenze existiere. Nach Maßgabe dieser Kriterien habe der Lebensmittelpunkt des Klägers in der fraglichen Zeit in G1 gelegen. Dort habe er seine Wohnung unterhalten, von der aus er seinen Alltag in beruflicher wie in privater Hinsicht organisiert habe. Eine starke Bindung des Klägers zum deutschen Arbeitsmarkt sei nicht zu erkennen. Eine vorherige Berufstätigkeit in D. sei nicht belegt. Die hier maßgebliche Beschäftigung in L. sei seine erste Berufstätigkeit nach erfolgreichem Abschluss des Studiums gewesen.

Gegen dieses ihm am 6. März 2010 zugestellte Urteil hat er Kläger am 6. April 2010 Berufung eingelegt. Er ist der Überzeugung, dass zu seinen Gunsten die Regelung des Art. 71 Abs. 1 Buchst b) Ziff. ii) gelte. Das Sozialgericht habe seine Arbeits- und Wohnbedingungen unzureichend berücksichtigt. Er habe in L. in der Abteilung des Unternehmens gearbeitet, die nahezu ausschließlich Geschäftsbeziehungen mit D. und Ö. unterhalten habe. Er habe in L. stets zur Untermiete bzw. zur Miete in einem Zimmer ohne eigene Möbel gewohnt. Soweit es seine Arbeit erlaubt habe, sei er über M. zu seinem ständigen Wohnsitz in T. gereist. Da er an seinem Arbeitsplatz in L. durchschnittlich 70 bis 80 Stunden wöchentlich gearbeitet habe, hätten sich diese Besuche auf die nachgewiesenen beschränkt. Am Ende seiner Beschäftigung bei G. in L. habe er einen neuen Job in D. angestrebt. Um sich in E1 arbeitslos melden zu können, hätte er mindestens zwei weitere Wochen in L. bleiben müssen. Wegen der damit verbundenen hohen Kosten und seiner Pläne für die Zukunft habe er L. verlassen, um sich in A. arbeitslos zu melden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 5. September 2006 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 3. August 2006 bis zum 31. Oktober 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und nimmt auf die Ausführungen des Sozialgerichts sowie ihre eigenen im angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 15. Februar 2012 aufgeführten Akten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat über die Berufung mit Zustimmung der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden (§ 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat für die strittige Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, denn er hat die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§§ 117, 123, 124 SGB III). Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts für zutreffend und nimmt vollen Umfangs auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren gebieten keine für ihn günstigere Beurteilung des Sachverhalts, insbesondere was die – allein strittige - Erfüllung des Ausnahmetatbestandes des Art 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. ii) VO 1408/71 EWG betrifft.

Art. 71 Abs. 1 VO 1408/71 EWG sieht Sonderbestimmungen vor für die Gewährung von Leistungen an arbeitslose Arbeitnehmer, die während ihrer letzten Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats als des zuständigen Staats gewohnt haben. Unter "zuständigem Mitgliedsstaat" versteht diese Vorschrift den Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war und der dementsprechend grundsätzlich für die Gewährung von Arbeitslosengeld zuständig ist - hier G1. Gemäß Art 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. ii) VO 1408/71 EWG erhalten solche Arbeitnehmer, sofern sie nicht Grenzgänger sind und sich der Arbeitsvermittlung des Staates zur Verfügung stellen, in dessen Gebiet sie wohnen, bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates, als ob sie dort zuletzt beschäftigt waren.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 17. Februar 1977 – Az. 76/76, SozR 6050 Art. 71 Nr. 2), der auch dieser Senat folgt, soll die Regelung nicht alle Fälle umfassen, in denen ein Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedsstaat eine Beschäftigung aufnimmt und seine Bindungen zu seinem bisherigen Wohnort aufrecht erhält. Im Hinblick darauf, dass die Kostenlast ohne entsprechende Beitragsleistung vom Wohnstaat zu tragen wäre, ist es nicht gerechtfertigt, den Wohnstaat durch allzu großzügige Auslegung in großem Umfang zur Leistungsgewährung zu verpflichten. Deshalb ist zu vermuten, dass ein Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedsstaat über einen festen Arbeitsplatz verfügt, dort auch wohnt. In einzelnen sind die Dauer und der Zweck der Abwesenheit, die Art der im anderen Mitgliedsstaat aufgenommenen Beschäftigung sowie die Absicht des Arbeitnehmers, wie sie sich aus den gesamtem Umständen ergeben, zu berücksichtigen (Urteil des EuGH vom 17. Februar 1977 a.a.O.). Das Kriterium der Dauer der Abwesenheit lässt sich nicht genau definieren und ist auch nicht ausschließlich. Auch bei einer länger dauern-den Auslandsbeschäftigung kann der Mittelpunkt der Interessen und die besten Chancen für die Wiedereingliederung im Herkunftsland liegen.

Es mag auf sich beruhen, ob schon die bloße Dauer der Beschäftigung des Klägers in Großbritan-nien die Erfüllung der Voraussetzungen des Art 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. ii) VO 1408/71 EWG ausschließt. Zwar hat sie zwei Jahre betragen, was es schwer macht, von einer nur vorübergehenden Beschäftigung zu sprechen, auch wenn sie der Bescheinigung des britischen Versicherungsträgers zufolge von vornherein befristet war. Allerdings ist nicht bekannt, ob eine Verlängerung vom Kläger angestrebt oder von vornherein ausgeschlossen war. Ebenso mag auf sich beruhen, ob die nachgewiesene Frequenz seiner Besuche bei seinen Eltern während seiner Beschäftigung in L. für sich genommen ausreicht, davon auszugehen, dass er im Sinne der genannten Regelung während seiner Beschäftigung in L. in D. bei seinen Eltern gewohnt hat.

Für maßgebend hält das Gericht vielmehr den Umstand, dass der Kläger vor seiner Beschäftigung in L. nicht in D. erwerbstätig und nicht in den deutschen Arbeitsmarkt integriert war. Die Beschäftigung in L. war seinen Angaben zum Werdegang zufolge die erste berufliche Tätigkeit im Anschluss an sein in den U. - seinem Profil auf der Homepage der Firma H./Z. zufolge auch in L. an der L. School of Economics - absolviertes Studium. Studium und erste Anstellung vollzogen sich im Ausland, ohne dass ein zwischenzeitlicher Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt oder eine zwischenzeitliche Rückkehr nach D. erkennbar ist. Der Umstand, dass er bereits seit dem 21. Februar 2000 bis zum 4. Oktober 2006 mit der Adresse seiner Eltern in T. als Hauptwohnung gemeldet war, ist insofern unergiebig und nicht aussagekräftig, denn er hatte bereits im Herbst 1999 sein Studium an der N. Universität in den U. aufgenommen, das er erst im Sommer 2003 beendete. Die einheitliche polizeiliche Meldung verdeckt den Umstand, dass der Kläger während dieser Zeit tatsächlich an verschiedenen Orte gelebt hat. Die Anmeldung in T. - als Zuzug aus S./O./ U. - ab 2000 dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass seinerzeit seine Eltern aus den U. nach D. zurückkehrten. In seinem der Beklagten bei der Arbeitslosmeldung im August 2006 mitgeteilten Werdegang fehlen Angaben für die Zeit zwischen dem Studium und der Beschäftigung in L., Angaben über eine (unfreiwillige) Arbeitslosigkeit oder eine Zeit der Berufspraxis. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass er sich nach dem Ende seines Studiums in den U. durch eine Arbeitslosmeldung dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt hat und aus D. nach L. vermittelt worden ist. Ohne eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt bereits vor der Auslandsbeschäftigung waren die Bindungen nach D. im Hinblick auf den vorangegangenen langjährigen Aufenthalt des Klägers in den U. - seit 1996 – zu neu, als dass die Voraussetzungen des Art 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. ii) VO 1408/71 EWG erfüllt werden könnten. Aus den Bestimmungen des Art 71 VO 1408/71 EWG folgt einerseits, dass der Träger eines anderen Staates als der des Beschäftigungsstaates nur in Anspruch genommen werden darf, wenn der Arbeitnehmer nach den Kriterien des Art 71 VO 1408/71 EWG während seiner Beschäftigung nicht im Beschäftigungsstaat sondern weiterhin in dem Staat gewohnt hat, in dem der Anspruch geltend gemacht wird. Da es sich hier aber um einen Personenkreis handelt, der nicht in kurzen Abständen an seinen Wohnsitz zurückkehrt – wie dies bei Grenzgängern der Fall ist -, sondern sich für die Dauer der Beschäftigung - wenn auch mit Unterbrechungen – im Beschäftigungsstaat aufhält und dort lebt, besteht die Schwierigkeit, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen der Ort, an dem der Kläger vor Aufnahme seiner Beschäftigung in dem anderen Staat gewohnt hat, im Sinne von Art 71 VO 1408/71 EWG weiterhin noch als sein Wohnort angesehen werden kann und unter welchen Voraussetzungen andererseits der Aufenthalt am Arbeitsort so in den Vordergrund tritt, dass der Beschäftigungsstaat zugleich zum Wohnstaat wird (vgl. BSG 11. Senat, Urteil vom 12. Dezember 1990, Az. 11 Rar 141/90, SozR 3-6050 Art 71. Nr. 2). Dabei kann nicht auf den Begriff des Wohnens im Sinne des deutschen Rechts zurückgegriffen werden; zum einen ist dieser Begriff in verschiedenen Gesetzen je nach ihrem Zweck unterschiedlich zu interpretieren, zum anderen hat er auch international in den unterschiedlichen Rechtssystemen unterschiedliche Bedeutung. Schließlich müssen nach der Rechtsprechung des EuGH die Begriffe des EG-Rechts eigenständig unter Berücksichtigung ihrer Zwecke im Rahmen der Ge-meinschaftsbildung interpretiert werden (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 a.a.O.). Die somit gebotene eigenständige Auslegung des Begriffs "Wohnen" in Art 71 VO 1408/71 EWG führt dazu, dass einerseits die Beziehung zum Arbeitsmarkt des Staates, der als Wohnstaat für die Leistungen bei Arbeitslosigkeit in Anspruch genommen werden soll, andererseits der Zweck der Auslands-tätigkeit die in erster Linie bedeutsamen Kriterien für die Auslegung des Begriffs "Wohnen" im Sinne des Art. 71 VO 1408/71 EWG bilden. Im Falle des Klägers fehlt es schon – wie dargestellt an einer vor dem Beginn der Beschäftigung in L. begründeten erkennbaren Beziehung zum deutschen Arbeitsmarkt.

In diese Richtung weist auch der Beschluss Nr. 160 vom 28. November 1995 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer zum Geltungsbereich des Art. 71 Abs. 1 Buchst b) Ziff. ii) der VO (EWG) 1408/71. Diese geht von der Erwägung aus, dass der Übergang der Kosten der Leistungen bei Arbeitslosigkeit vom zuständigen Land auf das Wohnland wohl angemessen sei bei Grenzgängern, Saisonarbeitern und einzelnen Gruppen, die die gleichen engen Bindungen zu ihrem Heimatland beibehalten, nicht aber, wenn man durch eine allzu großzügige Auslegung des Wohnbegriffs schließlich alle Wanderarbeitnehmer mit einigermaßen fester Beschäftigung in einem Mitgliedsstaat, die ihre Familien im Heimatland zurückgelassen haben, in den Geltungsbereich des Art. 71 der VO (EWG) 1408/71 ein-bezöge. Auf der Grundlage des Art. 80 Abs. 3 dieser VO hat er sodann beschlossen:

Tenor:

Außer für Saisonarbeiter gilt Art. 71 Abs. 1 Buchst. b) Ziff. ii) der VO insbesondere für a. die in Art. 13 Abs. 2 Buchst. c) der genannten VO erfassten Arbeitnehmer b. die in Art. 14 Abs. 2 Buchst a) der genannten VO erfassten Arbeitnehmer im internationalen Verkehrswesen c. die in Art. 14 Abs. 2 Buchst b) erfassten nicht im internationalen Verkehrswesen beschäftigten Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet mehrerer Mitgliedsstaaten ausüben d. die in Art. 14 Abs. 3 erfassten Arbeitnehmer, die in einem Grenzbetrieb beschäftigt sind e. die in Art. 16 Abs. 2 der genannten VO erfassten Arbeitnehmer, Mitglieder des Geschäftspersonals der diplomatischen Vertretungen oder konsularischen Dienststellen und privaten Hausangestellten im Dienst von Angehörigen dieser Vertretungen oder Dienststellen f. die Arbeitnehmer, für die eine Vereinbarung nach Art. 17 der genannten Verordnung gilt, sofern sie während ihrer letzten Beschäftigung in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedsstaat wohnten.

Der Kläger gehört nicht zu den durch diese Interpretation begünstigten Arbeitnehmern und wies bis zur Aufnahme der Beschäftigung in L. und während dieser Beschäftigung auch keine vergleichbar enge Beziehung nach D. und zum deutschen Arbeitsmarkt auf.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Rechtskraft
Aus
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